Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Vierte Vr-nong.
platter zwischen ven Augenhbhlen. Jm Ganzen gleicht
die Profillinie (Fig. 345.) einem Kreisbogen von dem
Zivischenkieferknochen dis zur Pseilnath (Fig- 346a),
allein von da fadt das Hinterhauptbein (Fig. 346")
so rechtwinklig ad, dafi der ganze Schåbel wie nach
Hinten tibergezogen oder abgestutzl aussieht. Die Au-
genhohlen sind sehr geråumig, eisormig und schief ge-
stellt und stellen keinen vollkommen geschlosseiten Ring
dar, sondern sind nach hinten offen (Fig. 346°.). Von
besonderer Grofie ist die das innere Hororgan einschlie-
fiende Knochenblase (Fig. 346"). Stark Hervortretende
Knochenkåntitte und ungemeine Weite der Schlåstngrube
(Fig. 344") denten auf eine im Hochsten Grade ent-
wickelte Beifikraft, die durch den kurzen und toenig ge-
bogeneti Unterkiefer vermehrt toird. Die Einlenkung
des letztcren ist udrigens noch von der Art, dafi sie
feiite Seilendetoegung gestattet und die Kraft der Beifi-
muskeln um so verminderter erhalten toird, als die
Thatigkeit derselden nur in einer und ztoar in stiik-
rechter Richtung erfolgt. Die Einfachheit, aber grofie
Starte des Gebisses (Fig. 347—349.) steht mit jettern
Bane in Harmonie. Auf die sehr kleinen Schneive-
zahne solgen getoaltig grofie Eckzåhne, endlich Backen-
zahne, die, mit vorzugstoeis glashartem Schmelz uber-
zogen, queruber keinen grofien Durchmefser haben,
zusatnmengedruckt und teilsormig gestaltet ohne Schtoie-
rigkeit in einen Gegenstand eindringen. Der Reihzahn
des Oberkiefers ist dreispitzig, derjenige des Unterkiefers
ztoeispitzig, und beide gleiten so genau und schneidend
an einander voruber, dafi, in diesem Falle, die fruher
angetoendete Vergleichung dieses Theiles des Raubthier-
gebisses mit Scheerenblattern vollkommen gerechtsertigt
erscheint. Der einzige Hockerzahn steht im Oberkiefer
als letzter der Reihe, ist so klein, dafi er kanin uber
den Kieferrand vorragt, hat eine platte Gestalt und
eigentlich keinetr Gegner im linterkiefer, scheint aber
dem Hintersten Zacken des unteren Reifizahnes entgegen-
toirken zu tonnen.
tinter den Sinnesorganen burste das Gestchl nicht
besonders begunstigt sein und nicht iu grofie Fernen
reichen, obivohl es im Allgemeinen genugen ntag, um
somohl bei Tag als bei Nacht scharfe Unierscheidung
von Gegettståitben in mittlerer Entfernung zu gestalten.
Die Pupille ist keinestoegs bei allen Arten von ellip-
tisto zugespitzter Form, sondern bei den grofien Arten
rund; sie dehnt sich tinter der Eintoirkung des Zorttes
kreisfomtig atts. Das Leuchten ver Augen, derett oris
fast immer gelb gesårbt ist, entsteht atts gleichem Grunve
auch am Tage, ist aber gemeiniglich ttttr ves Nachts zu
bemerkett ttitv Folge ves Glanzes eittes besonveren Or-
ganes (Tapetlim lucidum), tvelches in ver Tiest des
Auges einen Hohlspiegel darstellt. Getoissenhast ange-
stellte Bersuche haben die Richtigkeit vieser Erklarung
nachgetoiesen ttitv eine aliere Ansicht toiderlegt, nach
toelcher jene starte Lichtausstromung vas Provuet einer
besonderen, Licht erzeugenven Thatigkeit ves Katzenauges
sein sollte. Das Riechorgan ist in seinem Umfange
beschrankt, jedoch mit Nerven reichlich versehen, invefsen
ist die Riechfahigteit rer Katzen jedenfails geringer als
diejenige der Hunde. Sie bedienen sich jenes Sinnes
allemal vor dem Frefsen, untersuchen riechend vas Fut-
ter, ehe sie es beruhrett, und suchen vurch benselben
Sinn ungetoohnliche Zustanve zu erkennen, durch melche
sie, toeil eine besondere Ausbunstung ibnen auffallt, in
Unruhe versetzi toorden sind. Die Zunge der Katzen
ist an der Oberflache mit zahlreichen, hornigen, an den
Spitzen rucktoarts gerichicten Warzeit besetzt. Dttrch
sie tvirv der Lotoe in Stand gesetzt, das Fleisch von
solchen Knochcn abzulecken, vic er zu zermaimen nicht
vermag. (Stuck einer Lowenzunge in naturlicher Grofie
Fig. 350.; vergrofierte Warzen derselben Fig. 351.)
Bei den verschiedenen Arten haben bie>e Warzen ver-
schiedene Anordnung, stehen theils in geraden Reihen,
theils in abtoechselnden Linien. Zur Bermittelung des
eigentlichen Schmeckens mag diese Zunge toenig geschicki
stin, benn die Geschmacksnerven sind klein und niehr
in den Muskeln als an der Oberflåche vertheilt. Sin
Uebrigen kanen bie Katzen kanin ihre Nahrung, sondern
zerstnckelii sie nur, verschlingen mit grofier Hast, und
Ansullung des Magens scheint beini Fresfen ihr einziges
angenehmes Gefuhl zu sein. Sie trinken toenig und
nur leckend. Vorzuglich scharf ist ihr Gehor, benn
obgleich ihr anfieres Ohr nicht von grofiem Umfange
ist, so zeigt voch ber Gehorgang eine bebeutenbe Weite
tind manche ben Schall verstårkenbe Winbungen unb
Vorsprunge. Bei vielen ist bas aufiere Ohr anfricht-
dar; alle vernehmen bas leiseste Gerausch unb entdecken
burch bas Gehor auch bie noch unsichtbare Bente. Das
Gefuhl ist auf ber ganzeit Oberflache sehr fein. Seine
Organe sittb bas iveiche, bistoeileti stibenartige Korper-
haar, hauptsachlich aber bie langen Bartschnurren, bie
auf einer brusigen, tinter ber Hånt gelegenen Ausbrei-
tung tourzeln. Jebermann toeifi, bah burch Wegschnei-
ben derselben bie Hauskatzen in peinliche Unruhe unb in
eine Ungetoifiheit versetzt toerbeit, bie erft lpat unb tittr
nach bent Wiebertoachsett jener Borsten sich verliert.
Die Eiitgeiveide zeigen ttichis sehr Abtoeichettbes; »vie
bei allen Fleischfressern ist ber Darmcattal sehr kttrz
unb ttttr 3—5 mal langer als ber Rttmpf. Drusige,
einen starkriechenben Stofs enthaltenbe Blinbtacke liegett
zu beibett Seitett bes Lifters. Die Ausleerungen sinb
aufierorbentlich ubelriechend unb toerben, toettigstens
von ben toilbeit Arten, tint Verrath vorzubeugen, stets
in einiger Entfernung von bent Wohnorte abgesetzt unb
verschcrrrt. Allen toohnt eine speeifische Ausbunstung
bei, bie tinter bent Einflusse bes Zorttes, ebeitso toie
ber Atheni, sehr ubelriechenb toirb.
Die Jntelligenz ber Katzen ist nicht grofi, benn in
ber Thiertoelt macht ber Besitz bebeutenber Kraft, tvel-
cher ohnehin Sicherheit verleiht, bie erstere uberflussig.
Attfier bent Menschen Habett bie Katzen keitte Feittbe,
benn anbere Thiere toagen sich nicht an sie. Ihr Cha-
rakter ift ein Gemisch von Heimtucke, List, Gransamkeit
unb Tolltuhitheit, benn toahrett Mttth besitzt nur ber
Lotoe. Offette Angriffe unteruehmen baher bie toettig-
sten, vielmehr suchen sie sich selbft an ungleich .schmåchere
Gegner heranzuschleichen unb biese vor Allettt burch
einen Neberfall, einen toohlberechneteit Sprtutg toehrlos
zu machett. Ihre Knuste bestehett in List, Geheimnifi
unb Ueberraschuitg, unb nur toettn sie zur Wuth ge-
reizt sinb, schreiten sie zur Vertheibigung ober zu tolkkith-
ttettt Angriffe. Leibenschaftlich unb blutgierig, lassen sie
sich boch burch rtihige unb ernste Haltung bes Mett>cheit
intponiren, erlangen bitnn Besomtenheit unb ziehen sich
leist zuruck. Humbolbt, Martins unb anbere Reisenbe
retteten ihr Leben, inbetit sie ber zufallig begegtteitbeit
Ottze mit Ruhe in bas Atige sahen. Sodalb aber
biese Thiere tinter Menschen unb baher in Verhaltnifsen
leben muffen, bie denjenigen bes tvilben Ziiltaiives ent-
gegengesetzt sinb, so enttoickeln sie manche nicht ver-
muthete Fahigkeiten, lafsen sich erzieheit, suhlen Daitk-
barkeit unb erlangen stlbst einiges Verirauen. Gin
getoifser Grab von Scheu bleibt aber trotz aller Zah-
mung stlbst an ber Hauskatze zuruck, benn Mifitrauen
ift ein tief getourzelter 3ug ihres Charakters. Es
scheint fast, als ob sie sich ber eigenen Zweibeutigkeit
toohl betoufii toåren unb von bem Urtheile Keitittnifi
Hattett, toelches toir, aus guten Grunben, eden nicht
zu ihrett Gunsten fallen. In ihrett Sittett gleichen sie
sich ebenso toie in ihrer Gestalt. Sie sinb ungesellig
unb unvertraglich, ziehen bie verborgensten Orte zur
Wohnung vor, behaupten bestiminte Jagbreviere unb
beobachten alle basselbe Verfahren bei ihrett Raubzttgett.
Balb legen fle sich an solchen Orten in Hinterhalt, too
anbere Thiere zunt Trinken kommen, balb kriechen sie,
flach auf ben Battch gelegt, an biefelbeit Heratt, ent-
toickeln babei itnermubliche Gebulb unb aufierste Borstcht,
fpannen enblich, toenn ber gunstige Augendlick gekommen
ist, alle Muskeln zunt verberblichen Sprunge unb fallen
tinter latttetti Gebrull auf ihr Opfer. Weitii nicht ber
argste Hunger sie quålt, so schleppen sie bas erlegte
Thier in ein Versteck unb betveiseit hierbei einen er-
staunlichen Grab von Stårke. Die kleinereii Arten
nicht allein, sonberii stlbst Leoparb, Ottze unb Jaguar
verfolgen ihre Bente auf bie hochsten Batinte, ober
beschleichen bie bort schlafenben Bogel unb Asien. Wo
bie Bevolkeruttg bichter ist unb mit ihttett unaufhor-
lichett Krieg suhrt, schreiten sie leichter zu offenen Alt-
griffen als in ber Mitte ober Urtoalber. Die Tiger
Jnbiens unb bie Lotven Afrika's burchbrechen kithit bie
stårksten Umzåunungen unb sturzen sich auf Caravanen
unb tounbembe Heerbett. Nur ber Begattungstrieb
vermag sie auf eittige Zeit zunt gegenseitigett Auffuchen
zu veranlaffen. Mann unb Weib nåhern sich aber
einanber mit Mifitrauen unb tinter Bebrvhungeit unb
trennen sich enblich mit Schreck erfufft. Nur bas letz-
tere enipfinbet Liebe zu ihrett Jungen unb vertheibigt
sie mit Wuth gegen bie Angriffe, bie oft stlbst vont
Manne, bem grausamsten Feittbe (einer eigenen Nach-
komitten, ausgehen. Die Fruchibarkeit ber Katzen ist
uberhaupt nicht grofi unb unt so geringer, je grofier
unb starter bie Art ist. Die Jungen fpielen gern tiitb
Habett viet Possi^rliches, allein ihr toahrer Charakter
tritt jeitig hervor unb enttoickelt sich mit bent sort-
schreiteitben Wachsthume zur Vollstanbigkeit.
Ertoagt titan, toie bie Katzen ber ganzeit ubrigeit
Thiertoelt feinbselig entgegen stehen, toie sie vor allen
anberen Raubthierett burch Starke unb manche anbere
Vortheile zu ber grimmigen Rolle befahigt sinb, bie
sie spielen, unb bafi sie bie Welt schvit lange zur Einobe
gemacht Haben tourben, toenn ihiteit eine noch grofiere
Schnelligkeit int Laufen nicht versagt tvorben toåre, so
konnte man leicht an ber Gerechtigkeit ber Natur irre
toerben, ober minbestens Ziveifel Hegett uber bie Stel-
lung, welche einer so verberblichen Familie iin Hans-
halte ber erfteren anzutoeisen sein bttrfte. Was schott
fruher uber bie Gegengetoichte in ber Schhpfung gesagt
tvorben, finbet hier vollkontmene Antoenbuitg. Der an
hoheren Thieren arme Norben Hat toenige Katzenarten
aufzutoeistn, um so ntehr bie Heifien Erbgegenben, wo
grasfresseitbe Saugethiere oft in unubersehbaren Schaa-
ren Herumtoanbern. Brechen in Subafrika Heerben von
Antilopen, bie bistveilen eittige taufend Kopfe stark
sinb, von 'Nahrungsniaitgel geztoungeii, in bas angebaute
Gebiet, so richten sie nicht felten alle Vegetation mit
ber Schnelligkeit eines Heuschreckenschwarmes zu Grunbe,
vernichten bie Hoffnttiig bes umsonst sich vertheibigenben
Bauers unb ztvingen ben Viehzuchter ztim Austoanbern.
Einzelii ztoar, aber boch in grofien Zahlen, solgen
Lotven, Leoparben unb Caracal biesen toanbernben Wie-
berkånern unb beschrånken burch unablåssige Jagb ihre
sich unverhåltnihmåfiig mehrenben Heerben, bie, tiitge-
Hinbert, bas Lanb in eine Wuste verwanbeln unb env-
lich selbft bem Mangel erliegen mufiten. Directe Vor-
theile zieht ber Mensch aus ben Thieren biefer Familie
nur burch ben Hanbel mit ihrett Fellen, bie in Chitta
als Stanbesabzeichen bienen, bei tins theils zu tvohl-
feilen Pelzen verarbeitet toerben, theils gefchåtzte Zierben
abgebett.
Die Zahl ber bekannten Arten belåuft sich aus 60;
bie groHereit gehorett ausschliefilich den toårmercn Erb-
gegenben an, bie kleineren ben kålteren, bie Luchst nur
ben Polarlånbertt. Neuhollanb Hat nicht eine auszu-
tveifen, Asien bie meistett, Afrika toenigere, aber tinter
ihiteit ben Lotven ; Amerika besitzt auher bem Jaguar
unb ber tigerartigeii Onze zientlich viel kleine, auf
Baumeit lebenbe Arten, Europa funs. Mehrere syste-
matifche Eintheilungen sinb sur bie gattze Gruppe vor-
geschlagen, theils auch angetiommeit tvorben. Die ein-
sachste, jeboch sur getvohnliche Ztvecke vollig Hinreichenbe
ist biejenige in 1. Lowenartige Katzen, ungefleckte;
2. Tigerkatzen, ausrothgelbem Grunbe guergestreifte;