Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Fiiiistc Wrdnung.
Kinne reichl. Der Schmanz ist in den erften drei Vier-
theilen sudisroth, im letzten schwarz, das Weib von viet
rotherer Farbung und noch undeutlicher geflecft als das
mannliche Jnbivibuiim. Die Schweden haben von seher
zwischen den Luchsen Ihies Landes einen Anfangs von
Linne anerkannten, spater von ihm verworfenen Unter-
schied gemacht, indeni sie einen Wolsluchs, eineu
Kab e.n 1 it ch s und einen Fuchsluchs annahmen , die,
wenigstens juni Theil, gegenwartig den Rang besonderer
Arten wiedererhalten haben. Der erste (Felis virgata,
schwedisch Varg-lo) bewohnt den Norden Seandmaviens
und tragt ans besonders ret(liebem Grunde minder beitt-
liche, kleinere, etwas Verlangerte Flecken; der zweite
(Felis cervaria, schwedisch Kat-lo), genieinlid} Silber-
l l> ch s genannt, erreicht die Grosie eines Wolfes, ist
rbthlichgrau, mit silberweisien, nuf den Flecken schwarzen
Spitzen deS Grannenhaares. Die Flecken sind in drei
Reihen geordnet, fehlen auch dem Kopfe, Schwanze, Ge-
sicht und Gliedern und mahig langem Backenbarte nicht.
Sehr lange und weiche Behaarung giebt dem Fette im
Pelzhaiitéel verhaltnisimasilg hohen Werth. Der soge-
nannte F uchsluch s ist ein und basselbe Thier mil dem
Polari n ch s (Fig. 396.) deutscher und dem canadischen
Luchse englischer und nordamerikanischer Zoologen, steht
an Grosie nicht unterdem vorhergehenden, hat aber tinter
allen den kurzesten, nur dem Kopfe an Lange gleichenden
und alleiu an der Spitze schwarzen Schwanz, die Fusie
ausgenommen toeniger langes und weicheS Haar als der
Silberluchs/austoendig grane, mit schwarzem Haarpinsel
versehene Ohren, langen, vorn meipen, hinten schwarz-
braunen Backenbart. Endlich mag auch der sogenanute
Pardelluchs, der im ganzen toarmeren Europa von
Griechenland bis Portugal augetrossen wird und durch
glanzend rothbraunes, mit schwarzen, gleichsormigen
Flecken gezeichnetes Fell sich nuterscheidel, als eigene
Art gellen. — Der Lnchs und seine Abarten oder wirk-
lichen 'Arten gehort zu den am weitesten verbreiteten
Katzen. Die gewohnlichste Form, die in Dentschlatid
jetzt ziemlich seltene, wird im sudlichen Schweden und
von da bis an ben sudlichen Fus der Alpen, westlich bis
zu den Pyrenaen, ostlich bis in die Karpathen und in
Ruhland und Polen als Bewohner dichter und duukler
Walder angetroffen. In England ist der Lnchs seit Jahr-
hunderten ausgerottet, auch in Frankreich selten, too er zur
Zeit der Romer zu den getoohnlichsten Raubthiereu ge-
hort zn haben scheint. WaS umstandlicher von nuberen,
aus Baumen im Vorzuge lebenben Katzen gesagt worben,
erhalt anf ihu besonders Anweitbung. Er stellt bas
verberblichste Raudthier des Norbens bar unb richtet,
too er hausiger ist, mindestens unter Edeltoilb, groferen
Schaden an, als der Wolf. Grosie und Kryste besahi-
gen ibit zum 'Angrisse aus Hirsche und hindern ihu nicht
an der Ersteignug von Baumen und Beschleichung von
Pogeln. Der Pelz toechselt sehr an Gute, se nach dem
Lande, aus toelchem er kommt, und der Jahreszeik, und
Hat daher sehr verschiedenen Werth, erscheint aber in
grosieu Mengen aus den Markten. Der Polarluchs
lebt auch in Nordamerika, von Canada bis an die Fel-
senberge, tourbe unter bem 660 N.-Br. am Mackenzie-
flusse getrofsen und ist einigen Abanberungenber Farbung
untertoorfeu, welche von Pelzhatiblern richtig erkannt
und mit besonberen 'Namen bezeichnet toerben. Nach
Richarbson's Aussage besitzt er keineswegs ben Muth
vertoandter Arten, toagt sich nicht an grofere Sauge-
thtere, sonderit nahrt sich toesentlich von amerikanischen
Haasen, die er leirbt gettug eimangt. Breite Pfoten,
magere Lendengegend, lange unb bicke Hinterglleder,
sehr bickes, vor bem kurzen Schwanze sogleich absetzenbes
HiMertbeil geben ihm ein ungeschicktes unb schwerfal-
liges Ansehen. Aus einem Battme uberrafcht, leistet er
bem Jager geringen unb ersolglosen Widerstanb unb
wird leicht durch einen Stockschlag ans die Wirbelsaule
getodtet, obgleich er die Haare emporftraubt und in
brohender Stellnng wie elite Katzc schnaubt. NiemalS
greift er Menschen an, betoegt sich in kurzen Sprungen
gerade vorwarts, springt mit gefrummtem Ruckett unb
failt babei stets aus alle Fusie zugleich tiieber, ist nicht
im Stanbe, aus ebeneitt Boden schnell zu lausen, schwimmt
aber gefchickt unb setzt schwimmenb selbst uber Seen von
Halbstunbiger Breite. Das Weib wirst ein Mal im
Jahre zwei Junge. Die Jnbier essen sein weisies unb
zartes Fleisch, welches nicht wie basjenige anberer Katzeu
eineu besonberen ober unaugenehnteit Geruch besitzt,
sonbern ebeit so geniesibar sein soli als basjenige eines
Haasen. Sein Pelz bilbet einen toidttigen Hanbelsar-
tikel, iitbeni bie Hubsonsbaheompagnie jahrlich von 7000
bis 9000 Stilck nach Europa verschifst.
(jruiiftc Ordnung.
Beutelthie r e.
Die meisteit Zoologen pflichten gegenwartig ben ver-
gleichenben Anatomeu bel, ble seit langer Zeit bie Bett-
telthiere als elite besonbere, schars geschiebene Gruppe
ber Saugethiere zu betrachten gewohnt sinb. Die stren-
gen, aus ansiere, besonders augensallige Kettnzeicheit ben
Hochsten Werth legenben Systematiker Haben sich schwer
mit bieser Ansicht befreundet unb sene Thiere in verschie-
benen Orbituttgeit untergebracht; sie Haben somit elite
grosie, auch hinsichilich ihrer geographischen Verbrei-
tung eigenthumlich begranzte Gruppe zerrissen, well sie
Geschopse enthalt, bie, bel vieler Manuichfaltigkeit beb
Ansehelts, ber Tracht, bes Gebisses, ber Fusibilbung unb
ber Lebensart, nur itt einer Hinsicht unb burch elite, oft-
mals nur unbeutlich Hervortretenbe Eigenthumlichkeit
ubereinkommen. Die Steltung ber Beutelthiere ist mit
einem Worte geraume Zeit eine unfteberé geblieben, unb
bel ben uber bieselbe gefrthrten Streiten hat sich beutlich
Herausgestellt, wie luckenhast auch bie besten Systente
sinb, unb tvie menig unsere Anorbnungett mit ber unver-
ketttibarett Strigling der Natur, Verbinbungen zwisdtett
scheinbar isolirten Gruppen herzustelleu, sich vertragen.
Die grosie Familie ber Beutelthiere nnifasit Formen, bie
theils sehr eigenthumlicher Art sinb, theilS aber auch an
Jnsectensresser, au eigentliche Raubthiere, enblich an
fruchtsressenbe Nagethiere, wie Siebenschlafer u. s. w. er-
ittttern. Jhr toesentlicher littterschied von alten anderen
Saugethleren ist reitt phystologischer Art unb besteht in
ber 'Art ihrer Fortpstanzung. Sie allein tragen iltre
Jungen nicht bis ^ur voltkommenen Reise aus, sonbern
gebaren biese in kanin halb entwickeltem Zustaube, bilben
also ben Uebergang von ber ubrigen Mehrzahl ber Sau-
gethiere zu ben eigentlicheti eierlegenben Wirbelthieren,
beren Ei einen lebettsfahigett Keim enthalt, welcher niiit-
besteus bei den Vogelit ber Brutung bebarf, unt sich
entfalten unb zu einem selbststanbigen Organismiis er-
wachsen zu kottuett. Diese nothwenbige Eittwirkung
bes Mutterkorpers aus bas Junge wirb bei ben Beutel-
thieren durch ein Organ ermoglicht, welches, se nach ber
Gattung tttehr ober minber beutlich vorhanben, in eliter
Hautfalte besteht, bie, am llnterleibe bes Weibchens ge-
legett, bisweilen einen tiefen Sack barstellt unb bie Be-
nennung ber ganzett Gruppe veranlasite. Das oft gattz
formlose, liteist ber Glieber noch ermangelnbe unb im
Verhåltnisi ungentein kleitte Junge gelangt sogleich nach
seitter Gebtirl, attf eine noch nicht hinreichenb erforschte
Art, in senen Behalter, ber, an ben Ranbern sich zusatit-
menziehenb, einen Warnten Schutzort abgiebt unb, toeil
er zugleich bie Zitzeit enthalt, Nahrung barbietet unb
bas gelegentliche Hervorgehen bes Jungen ganz unnothig
titachi. Mit biesem so abweichenbem Procesi ber Fort-
pflanzung steht naturlich audt ber Ban ber tuneren
Fortpflanzungswerkzeuge in Verbinbung, ber in gewissett
Beziehungen ein unvollkontmener genannt Werbeit bars
unb ein Berweilen bes Jungen bis zur voltigen Reife
burchaus nicht gestalten wurbe. Keineswegs wird aber
jetter ansiere Behalter immer in so vollkontmenem Zu-
stande gesunden, wie bei bem bekannten Kanguru, soitbern
erscheint bisweilen nur als eine stache Hautfalte, bie bem
Jungen, nach unseren Begriffen, eineu faunt genugenben
Schutz verleiht, inbesseit boch ausreichenb sein tittisi. In
allen Fallen wirb ber Beutel jeboch burch ein Paar
byfonderer, anberen Saugethiere.n fehlenber Knochen ttit-
terstutzt (Fig. 398" 41a" 437 "), bie, mit ibren nitteren
Eubeu attf ben Schoosibeineit ruheiib, senkrecht eittpor-
stehen, in verschiebenen Gattungen zwar von verschiebe-
iter Bilbttitg gefunben werbeit, aber tiberall bie Bestint-
ntung haben, ben mit mehreren Jungen erfullten, mit
ber Zeit an Gewicht zunehntenben Beutel zu tragen unb
gegen ansieren Druck zu schutzen. Einen Beweis, wie
sehr bie Natur strebe, auch ihre eigenthuntlichst gebilbe-
ten Gruppen mit anberen zu verbinben, liefert jebenfalls
bie Thastache, basi ben Weibchen einiger wenigen Gat-
tungen der Beutelthiere sener charakteristische Sack ganz
fehlt oder derselbe nur periobisch unb dann wahrscheinlich
in itiivvllkommenster Form vorhanden ist, Hierburch alsv
ber Uebergang in bie Normalbilbung anberer Saugethiere
vermittelt ist. Die Zahl ber bei jebeiu Wurfe gebore-
nen Jungen scheint in manchen Gattungen ziemlich grosi
zu sein, bebeutenber bei ben nach Raubthierart orgattistr-
ten als bei ben von Pstanzen sich nahrenben Beutelthie-
ren. Sie verweilen, soviel man weitz, meist sehr lange
Zeit in ihrem Schutzorte und kehren auch battit noch in
benselben zuruck, weittt sie, bereits von ihren Gliebern
Gebrauch zu machen fahig, aus Augenblicke Herausgestie-
gett tvåren, unt in der Nahe ihrer Mutter zu spielett.
Bollige Trennung der letzleren von ihrer Nachkontmen-
schast tritt ntir erst ein, toenn biese Hinreichende Selbst-
stanbigkeit erlangt hat. — Ueber ansiere Bilbung und
Lebettsweise ber Beutelthiere lasit Allgemeines sich unt
so Weniger sagen, als sich in biesett bie Grunbsormen
sehr verschiebetter Familien wieberholen. Ihre geogra-
phische Verbreitung ist schars begranzt. Beutelthiere
fehlen in Europa, Afrika unb auf bent Festlande Asiens,
sind in Amerika minber zahlreich, Wiegen aber in der
Fauna bes sonberbaren Nenhollanbs gattz unverhaltnisi-
ntaHig vor und machen dort gegen siebett Neuntel aller
vorkommenden Saugethiere aus. Genauere Kenutnisi
von ihrer Naturgeschichte besitzt ittait nur, seit Australien
zugauglicher unb von vielen Forschern besuckt worben
ilt. Die ersten den Europaern bekanut gewordenen
Beutelthiere wareu amerikanischen Ursprungs. Obgleich
weniger auffallend gebildet als die itenbollandischen unb
eben nicht artenreich, erregten sie doch grosie Verwnnbe-
riiitg, unb viele auf sie bezugliche, von rohett Colonisten
oder ben Jnbiern Herstammenbe Fabeln fanbett geraume
Zeit bei ben europaischen Gelehrten vollen Glauben.
Spater leritte man eiitige nuf ben subasiatischen Jitseln
Hausenbe Arten fennen ; burch Cook erhielt man zuerst
zuverlassige Nachrichten uber bas gegeinvartig in alten
Menagerien genteine Kanguru, unb zu ben burch Eiit-
beckungsreisenbe vereinzelt ausgefunbenen Arten ist in
nettester Zeit, besonbers burch bie Bemuhungen von
Gould ti. A. eine ansehnliche Zahl Hinzugekommen.
Die Zahl ber beschriebenen Species belauft sich auf etwa
neunzig; Linne fanitte nur brei. Ihre systematische Ein-
theilung beruht auf ber Bilbung bes Gebisses, welches
in den brei Familien ber Fleisch fressenben, ber Jnsecten
freffenben unb ber Pstanzen fressenben sehr charakterlstisch
austritt. Aus anatomischen Grunben reiht man an bie
Beutelthiere enblich noch bie rathselhaften Monotremen,
bie, von alten anberen Saugethleren abweichenb, am
ersten noch Verwanbtschaft mit ber in Rebe steheitbeit
Orbnung verrathen, zwar ohne Beutel sinb, iitbeffen
gleichsalts ganz unentwickelte Junge gebaren.
Erste Familie.
Fleischfressende Beutelthiere.
I. Beutelratte. (Didelphys.)
Gattungscharakter: Vorberzahne oben 10,
nitten 8, von ben oberen bie mittelfteii langer, etwas ge-