Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Deutelthiere.
Saugethiere.
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sondert stehend, die unteren sehr ftein, zusammengebruckt;
Eckzahne gewohnlich; Backenzahne uberall 7, mit scharf-
spitzigen Hockern; die drei vorderen des Oberkiefers sind
dreikantige Luckenzahne (Fig. 397. Gebitz des virginischen
Opossum); Gesammtzahl der Zahne 50, baher, mit
Ansnahme der Gattung. Ameisenratte (Myrmecobius),
die grbtzte der bei Saugethieren vorkommenden. Futze
kurz, sohlengangig, fnnfzehig, mit siarken, krummen
Krallen bewehrt, der Hintere Daumen nach Junen einzn-
schlagen, daS Greifen vermittelnb und nagellos, die Soh-
len mit undehaarter, weicher, sehr empfindticher Haut
dekteidet. Der Schwanz lang, nur an der Wurzel be-
Haart, sonst nackt und mit Schuppenringen untgebeit, bei
einigen Arten zu einem voltkommenen Greifschwanze
umgestaltet.
Der Korperbau ist gestreckt, die Grotze nicht bebeu-
tend ; gleich lange, scharskraitige Futze erinnern an Mar-
der und Zibetkatzen, gestatten matzig schnelten Laus
und altenfatts auch das Klettern. Der Kops lang, zuge-
spitzt, das Profil geradlinig; die Augen ktein, Hervorra-
■ gend, dunket gefårbt, mit autzerordentlich schmaten
Augenlidern, aber einer Nickhaut versehen ; Ohren grotz,
abgerundet, unbehaart; Schnauze lang, zugespitzt; Rase
kahl, fast immer feucht, Nasentocher seitlich; Rachenoff-
nung ungemein weit; der Gesammtausdruck der Physio-
gnomie uberhaupt widerwartig. Das Gebitz ist normal,
besteht aus den gemohnlichen drei Arten don Zahnen,
Von welchen die Vorberzahne ftein, aber zahlreich, die
Eckzahne langer als diese und bentlich unterschieden, die
Backenzahne, denjenigen der Jnsectenfresser ahnlich, mit
scharfspitzigen Hockern versehen sind. Der Magen einfach,
die Zunge mit scharfen Warzen bekleidet. Beutel oder
Bauchtasche an Einigen sackformlg, an Anberen nur
durch eine Hautfalte angedeutet.
1. Die »irginisthe Beutelratte- (Didelphys virgtniana.) Fig. 39S.
399. 400.
Unter den uberhaupt wenig zahlreichen Beutetthieren
der neuen Welt bewohut nur eine Art, das schon im 17.
Jahrhunderi entdeckte Opossum, die fatteren Gegenden
jenes Continents dou Merico bis Pennsyldanien. Von
der Grotze einer Katze, 18 Zolt, ohne den 1.1 Zott messen-
den Schwanz, stettt es die grosite bekannte Art seiner
Gattung dar und ist Weber durch Sitten und Wesen an-
genehm, noch durch Farbung ausgezeichnet. Sein Pelz
ist ziemlich bicht, aber werthlos und sieht altezeit aus
Wie abgerieben oder von Motten angegrissen, weit fiber
das dichte, hatbwoilige, weihe Grundhaar dunnverstreute,
lange, schtichte, anden Spitzen schwarzliche Grannenhaare
Vereinzelt Hinausragen. Die Farbung ist im Allgemeinen
schmuyig weitz, zieht hier mehr in Grau, bort mehr in
Gelblich, an den Futzen und um die Augen in rutziges
Braun. Unangenehm wird die Phystognomie durch die
grohen, dunnhautigen, schwarzlichen Ohren, die an der
Spitze eben so wie die Nase und der unbehaarte Schwanz
von widerlicher bleicher Fleischfarbe sind. Die Halbkug-
lig vorragenden Augen, die Gewohnheit, auch unter
Mitzhandlungen keinen Laut horen zu lafsen, sondern
ohne Versuch ernsten Widerstandes mit weit aufgesperr-
tem, inwendig hochrothen Rachen bewegungslos liegeu
zu bleiben, die nachtliche ranberische Lebensweise und
eine eigenthumliche uble Ausdunstung vereinen sich, um
das Opossum zu einem widerlichen Thiere zu machen,
Welches uberall gehatzt und schonungslos verfolgi wird.
Gs vermeidet ostene Gegenden, >vohnt in Walbern, ver-
schlast den Tag in hohleii Stammen, begiebt sich des
Nachts aus die Wanderung, sucht Vogel, Eier, kleine
Saugethiere, Reptilien und Jnsecien aus, nahert sich
aber auch, durch seinas Spurvermogen geleitet, den
Meierhofen, dringt mit der Gewandtheit des Jttis in
Huhnerstatte, mordet da, was es irgend erreichen kann,
beweist zwar eine kaum glaubliche Gefratzigfeit, findet
aber augenscheinlich auch im zwecklosen Blutvergietzen
eiiten hohen Genutz. Nachstettungen vermeidet es zwar
nicht immer mit dem Scharssinne und der List des Jttis,
wird aber dennoch nicht ost in Fatteu gefangen. Em-
mat im Morden begriffeu, vergitzt es altes Andere und
wird in Huhnerstallen teicht uberrascht und durch Hunde
gefangen, Wenn das anhaltende Geschrei der geangsteten
Vogel den Landmanit zur rechten Zeit aufmerksam ge-
inacht hat. Verinag das Opossum keiiie lebenbe Beute
aufzutreiben, so begnugt es sich auch mit Fruchten und
uberhaupt mit Vegetabitien und sott geraume Zeit bei
sotcher Nahrung ausdauern konnen. In den Waldern
verstehi es sich den Verfolgungen der Jager mit vielein
Geschick zu entziehen. Sobatd es die Annaherung eines
folcheu entdeckt, druckt es sich entweder platt nuf einen
Ast ilieder, oder schmiegt sich so genan als moglich in
eine Gabeltheitung des Stammes, wirv indefsen durch
seine Ausdunstung, die unter der Einwirkung von Furcht
oder Zorn bedeuteud zunimmt) schnelt den Hunden ver-
rathen, die unter Wuthendem Gebett den Baum umrin-
geu. Kann der Jager nicht zum Schusse gelangen, so
ersteigt er den Baum und zwingt das Opossum durch
heftiges Schutteln des Aftes, entweder bie Ftucht zu er-
greifeu, oder toszulasseu unb hinabzuspriiigen. Aber
alich daiill i ft es nicht immer vertoren, benn silib bie
Hunde nicht besouders wachsam, so schteichtes sich schnelt
und geraufchlos davon, wahtt zwischen dem nahen Un-
terholze und in der Mitte uppig aufgeschosseneu Wald-
grafes einen Ptatz, roltt sich in einen moglichst kleinen
Uinfang zusammeu, liegt vvllig bewegungslos und ent-
geht so mindestens dem Auge des suchendeu Jagers.
Aufgefunden und bedroht, behauptet es hartuackig den
Schein des Todes, ertragt Sibtze und Verwundungen
ohne einen Laut und ohne eine verratherische Zuckultg
und besitzt uberhaupt eine so grotze Lebenszahigkeit, dah
selbst starfe Verletzungén es nicht hindern, die Flucht zu
ergreifen, sobald der Feind sich entfernt Hat. Die
attesten Beschreiber Norbamerika's (1649) gebenken be-
reits mit Verwunberung bieser Eigenschaft. Ein zer-
schtagener Schabel, zerbrochene Wirbetsaute unb ©tieber
Hinbern bas Opossum nicht, sich fortzuschleppen unb
vielleicht noch tagetang zu leben. Der startste Falt
tobtet es nicht, obgteich sein schwerfattiger ®nu nicht be-
rechnet ist, ben Fotgen eines Sturzes zu begegnen. Es
tlettert baher mit Furchttosigteit in ben Baumen unrher
unb Wagt sogar, an seineiu Wicketschwauze ausgehangt,
fich in schwiiigenbe Bewegungen zu versetzen, um aus
einen sonst unerreichbaren nahen Ast zu gefangen. Sein
Fleisch ift weitz, zart unb fett, aber iiieinals ganz fret
von bent erwahuten eigeitthumticheu Geruche unb wirb
baher nur von Negern gegessen. In ber Gefangenschast
entwickett es burchaus keiite irgettb bemerteuswertheit
Zuge, wirb bann ungemein fett, fritzt viet, fcheuet bas
Licht, beweist sonst weitige Empfangtichteit, scheint seine
Warter nie fennen ztt ternen, tatzt sich zwar anfassen,
bleibt aber gegen Liebtosungen unempfitibtich unb scheint
Weber Jnteltigenz noch besonbers scharfen Justinct zu
besitzen. Unter seiiten Simtett mag ber Riechsinn ber am
meisteit entwickette seitt. Gereizt tatzt es ben zischenben
Laut einer erzurttten Katze horen, scheint aber im Allge-
meinen nicht teicht in Witih versetzbar zu sein. Die Jun-
gen werben zu 12 — 16 bei sebem Murfe geborett unb
gteichen Aufangs Halbgallertartigen, fonnlosen Klumpen,
wiegett, trotz ber Grotze ber Mutter, nur 10 Gran unb
stub ohne Attgeit, Ohren, sogar ohne beutliche Munb-
spatte. Ungeachtet bieses Hochst unvotttommeuen Zu-
stanbes hangen sie sich au bie im Beutel ber Mutter
befinblichen Zitzen, scheineu batb eine Munboffnung zu
erhatten unb sich festzusaugen unb bleiben, btirch bie in
sie uberftronteube Mileh, wie bie Psianze btirch bie Feuch-
tigkeit bes Bobens, ernahrt, in bem schutzenbeii Behalter
bis zur voltigen Ausbitbung, bie gegen ben 50. Tag er-
reicht zu werben scheint. Sie sinb um biefe Zeit niemats
blinb, sonbertt bichtbehaart unb an Grotze einer Matts
gteichenb gefunbeit worben. Mahreub ber Periobe ber
erstett Entwicketung haben sie, ungeachtet ber ununter-
brochenett Ernahrung, feitte Darntausteerungen, eine
Einrichtung, berett Rutztichkeit fich ergiebt, wenn man
an bie Fotgen benkt, wetche bie Anhaufutig scharfer ober
fautenber Auswursstoste innerhatb bes warntett Beutels
sowohl fur Flutter als Junge haben tuutzte. Die letztere
verinag mittels eines befonberen Hautmuskets bie Muit-
buttg bes Beutets zu tierengen unb i ft burch feitte Marter
bahitt zli bringen, ihn zu ostnett unb ber Hanb bes For-
schers bett Zugang ztt gestatten. Die Jungen bleiben
noch eittige Zeit bei ber Mutter, auch nachdem sie schon
taufen geternt Haben, unb suchen itu Beutel berselbett ge=
tegentlicheu Schtttz. Mas man fiber bie Bilbungsgeschichte
ber Beutelthiere uberhaupt weitz , ist meisteus auf Beob-
achtungen begrunbet, bie titan am Opossum, bem ziemlich
tierbreiteten Bewohtter eines an wissenschaftlichen For-
scherti nicht armen unb gattz zugangtichen Lanbes, ange-
stellt hat. Datz ungeachtet bieser begunftigenben Itm-
stattbe noch inttuer sehr Vietes in seiner Geschichte bun-
fet gebliebeit, beweist, wie schwierig bie Erforschung unb
Darstellung alter vom Gewohntichen starf abweichenben
physiotogischen Erscheinungen seitt tuftsse.
2. Merian's Beutelratte. (Didelphys dorsigera.) Fig. 401.
Die Amerika allein angehorenbe Gattung tier Beu-
tetratten zerfatti, wie schon erwahnt, in sotche mit votl-
fontmen schtietzbarem Betttel unb anbere, too eine flache
Hautfatte allein ben Schtttz ber an ben Zitzen festhangen-
ben Jungen barsteltt. Als Reprasentant bieser zweiten
Gruppe mag bie seit fast 200 Jahrett bekannte surinanti-
sche Beutetratre um so eher angefuhrt ztt tverbett verbie-
ttett, als sie burch bie besondere Sitte, bie Hatbertvachsenen
Jungen mit sich auf bent Ruckett Herumzutragen unb
i(men ben eigenett Schwanz zttnt Anhatt barzubieten,
fruhzeitig beruhitit geworben unb schon in ben attesten
Werfett, unter anberen auch vott ber befauuten Frau
Merian, abgebilbet worben ist. Matt hat ehebetu biese
Art ber Pstege weniger richtig genommen unb nicht als
eine Naturnothwenbigfeit, sonbertt ats freiwiltige Hattb-
tung attgesehett unb ihr woht gar eine poetische Bebeu-
tiing untergetegt, bie sie inbessen bem ruhigen Forscher
um so weniger barbietet, ats sie sich bei atten einen eigent-
tichen Bauchtasche entbehrenben Beutelratten wieberhott
unb nothwenbig wieberholen ntutz. Tracht unb Anseheu
bieser Art eutspricht bem oben eittworfetteit Bilbe ber
Gattung. Der nur 6 Zolt lange Korper ist mit weichem,
bichten Haar befleibet, oben graubraun fast wie bei ber
Wanberratte gefarbt, tinten weitzlich gelb; ein schwarz-
brauner Ring umgiebt baS Auge; Stim, Oberkopf,
Maiigen, Autzenseite ber Glieber unb Futze sinb gelblich
tveitz. Der 7 Zolt tange Schwanz ist nur an ber Wurzel
behaart. Die Lebensweise ist biejenige bes Opossum, bas
Vaterlanb bie niebrigett, mit ttrwalb bedeckten Ebenen
tion Surinam, Guyana unb bem norbostlichen Brasilien.
11. Lchwimiltbentler. (Chironectes.)
Gattungscharakter: Gebitz ber Beutelratte, fe-
boch nur 5 Backenzahne uberall, bon welchen zwei Lucken-
zahite. Futze fnnfzehig, bie Hinteren mit abstehenben,
nagelloseu Daumen unb Schwinimhauten. Schwanz att
ber Wurzet behaart, sonst nackt unb schuppig. Grotze
Backentascheu. Das Weibchen Hat einen tioltkommenen
Beutel.
I. Dcr aniceikanischc Schwimmbcutlcr, Uapok. (Chironectes
palmatus.) Fig. 402.
Iit ber Familie ber Beutelthiere fittbeit sich, wie bereitS
erklart, bie meiften Grundformen ber anberen Sauge-
thiere tiertreten ober gteichsam wieberhott. Selbst bie
Wafserspitzmause - unb ahntiche schwimnieitbe Jusecten-
fresser erhatten einen Reprasentanten burch ben tion
Bustoti sogenannten Uapok, ber mit bem Anseheu einer
Ratte bie Fuhbilbung einer Otter unb antphibische Le-
bensweise tierbinbet, zum Ktettern gattz unfahig ist unb
seine Nahrung allein im Wasfer, ober miittiestens an
Stupufern aufsucht. Der von niebrigett Futzen getragene
Korper iititzt, ohne ben 11 Zolt tangen Schwanz, 12—13
Zolt, ist envaS verlangert unb cytinbrisch, also bemjeiti-
geu ber Wastersaugethiere uberhaupt ahnlich unb mit