Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Uagethiere.
Saugethierc.
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meist ziemlich flach. Die Augenhbhle ist nach Hinlen
nicht geschlofsen, die Zwifchetikieferknochen sind aus be-
greiflichen Grunden sehr grosi, der Unterkiefer wird mit
deni Schadel durch einen in die Lange gesteilten Gelenk-
kopf dergestalt verbunden, dasi die Bewegung von hinten
nach vorn allein moglich bleibt, die seitliche aber ganz
verhindert wird. Die Augen stehen immer seitlich, am
Meisten so bei Haasen und entwickeln sich im Verhaltnisi
zur angewiesenen Lebensweife, sind daher sehr grosi bei
nachtlichen Nagern, mittelmasiig bei den am Tage be-
schaftigten, ftein bei den unterirdisch ledenden, bei Blind-
mausen fogar mit einer dicken, nicht gespaltenen Haut
uberzogen und durch Haare verdeckt. Das gleichfalls
sehr veranderliche Ohr ist ohne ausiere Muschel bei gra-
benven Arten, sehr eng und theils mit Klappen verschliesi-
bar bei den im Wasser lebenden, um so grosier und ent-
wickelter, je toehrloser und der Verfolgung ausgesetzter
eine Llrt sein mag, inib erreicht daher die dedeutendsten
Dimensionen bei Haasen, wo es zahlreiche Muskeln in
die verschiedensten Stellungen legen und hierdurch das
Auffangen des leisesten Gerausches moglich machen.
Das Geruchsorgan zeigt nichts Besonderes, besitzt indek-
sen bei vielen Arten eme grosie Scharfe titid scheint mit
den Bartborsten, die z. B. an Ratten ungemein lang sind,
den Haasen aber ganz fehlen, in Verbindung zu stehen.
— Die physische Ausrustung der Nagethiere scheint, ver-
glichen mit derjenigen der Raubthiere und Vierhander,
gering und beschrankt zu sein. Mas Nagern an Jntelli-
genz abgeht, ersetzt indessen ein scharfer Jnftinct, der, bei
dem Bider besonders dewundernswerth, in Verfertigung
kunstreicher Baue Hervortritt und den Hamster dei Anle-
gung seiner mehrkammerigen Magazine unterstutzt, in
welchen die Vorrathe trocken liegen. Ueberhaupl liefert
der bei sehr vielen Nagern demerkliche, bei anderen Sau-
gethieren ganz ungewohnliche Tried zur Herstellung von
kunstreichen Nestern einen neuen Beleg zu ihrer schon er-
Wahnten Aehnlichkeit mit den Vbgeln. Dieser Kunst-
trieb tritt am Deutlichsten bei den mit Schtiissekbeinen
versehenen Gattungen Hervor, verschwindet aber ziemlich
vollstandig bei der entgegengesetzten Gruppe; Haasen
schlafen in ossenen Lagern wie die Wiederkauer. Leb-
Haftigkeit, theils mit Frohlichkeit, theils auch mit Muth-
willen, selten, wie bei Ratten, mit Bosheit verbunden,
bildet den vorherrschenden Charakter der ganzen Ordnung;
das Gesuhl von Wehrlosigkeit und nie aushorender Ge-
sahr giebt vielen Arten etwas besonders Schreckhaftes
unv Scheues. Am Beschranktesten unter allen scheinen
die schwimmenden Gattungen zu sein. Ueberhaupl ist es
wohl moglich, Nager zu zahmett, nicht aber sie zu er-
ziehen und zu unterrichten. Sie sind der wahren An-
Hanglichkeit an die Menschen und der Dankbarkeit un-
sahig. .
Die Lebensweise und die Sitlen wechseln in dieser
Ordnung im Verhaltnisi zu einer mannichfachen Orga-
nisation. Die Nager fuhren durchschnittlich mehr ein
Nacht- als Tagleben, wohnen unter dem Boden, theils
im Wasser oder auch aus Baumen, sind Pstanzenfresser,
die bald saftige Fruchte, bald Steinkerne, Saamenkorner,
Zwiebeln, Baumrinden, junge Zweige oder Blatter ver-
zehren, oder Omnivoren, die animalische Nahrung nicht'
Verschmahen und gelegentlich wohl gar die Rolle kleiner
Raubthiere ubernehmen, leben bisweilen nur gesellig,
selten ganz einfam, fliehen theils die Nahe des Menschen,
theils verfolgen sie ihn uber die Welt, drangen sich in
seinen Haushalt ein und tonnen zitr gesahrlichen Land-
plage werden, wenn sie in gewissen Jahren, aus noch
unerklarten Ursachen, in unerhorten Zahlen Hervorkom-
men. Sie bewohnen asie Klimate der Erde, vom Aegua-
tor bis in die Polarlander, von den Sandtonsten Asrika's
bis an die Schneelinie der Alpen. Die einzelnen Gruppen
sind aus bestimmte Wohnsitze angewiesen, deren Granzen
sie nicht uberschreiten ;- nur Ratten und Mause machen
eine Ausnahme. Die geringste Zahl von Nagern, sechs
bis acht Arten, begreift die Fauna von Neuhosiand; die
Zahl der in Europa, Nordamerika und Sudamerika le-
denden Arten ist ziemlich gleich; Afrika und Sudasien
Haben fast gleich viele Arten aufzuweisen, indessen besitzt
teiner dieser Welttheile so viele Nager, wie feder der
erstgenannten drei fur sich allein. — An der systemati-
schen Eintheilung dieser Thiergruppe haben sich viele
Zoologen versucht, jedoch teiner mit entschiedenem Gluck,
indem nur die Zerfallimg in viele kleine Stamme, nicht
aber die Ausstesiung grosierer Gruppen moglich scheint.
Die Trennung der gesantmten Ordnung in zwei Abthei-
fungen, je nach Vorhaitdensein oder Mangel der Schlus-
selbeine, wird jedoch immer Geltung behalten muffen,
weil im Verhaltnisi zu der Vosikommenheit der vorderen
Glieder auch die ganze Lebensweise der Nager sich aban-
dern musi.
I.
Mit Schlnssetbrinrn verschene Unger.
Erste Familie.
Eichhorner.
I. Eichhoru. (Sciurus.)
Gattungscharatter: Obere Nagezahne mit keil-
formiger Schneide, ungefurcht, die unteren zugespitzt;
Backenzahne oben 5, nitten 4, mit geschlossenen Murzeln,
uberall mit Schmelz uberzogen, auf der Krone stumpf-
Hockerig (Gebisi Fig. 459.). Schwanz grosi, zweizeilig
behaart. Vorderglieder vierzehig, init Daumenwarze ver-
sehen.
Die Eichhorner sind die Reprasentanten einer Gruppe,
welche ausier ihnen twch die nachstsolgenden vier Gattiin-
gen umsasit. Sie selbst kommen im Aeuheren sehr uber-
eht, weichen in Grosie nicht sehr aiiffasienv von einander
ab, gefallen durch meist lebhafte Farbung des Festes,
durch grosie Lebhastigkeit und Schnesiigkeit der Bewegun-
gen, leben aus Baumen, oder nisten mindestens auf deti-
selben und fressen nur Fruchte. Jhre Stirn ist ziemlich
breit, die Schnauze stumpf; Backentaschen fehlen. Der
vorderste der oberen Backenzahne gleicht einem runden
Stifte und fastt leicht aus. Zum Klettern befahigt sie
im ausnehmenden Grade der Bau ihrer Glieder, die, ohne
wahre Hande zu sein, sast dieselbeit Dienste leisten wie
vollkommener gebildeten Ertremitaten den Llffen. Der
Korperban ist schlank und begunstigt rasche tind behende
Bewegungen. Das Weil'chen tragt zwar zwei Zitzen an
der Brust und sechs am Bauche, indessen ist die Zahl der
Jungen bei jedem Wurfe niemals bedetttend, bei dem
einheimischen Eichhorn drei bis vier, niemals aber uber
sechs. Die Gattung ist tnit Ausnahme Neuhoklands
uber alle Welttheile verbreitet, indessen scheint in der
Lebensweise der zahlreichen Arten, soiveit man einen
Schlusi auf asierdings ost mangelhafte Nachrichten batten
barf, keine erhebliche Verschiedenheit zu bestehen. Die
Hohe der Hinteren Korperhalste und die uberhaupt bei
Nagern gewbhnliche Eitiwartsdrehutig der Pfoten er-
schwert Eichhornern die Bewegung auf ebenent Boden ;
sie stichen dort durch kurze Sprunge fortzukommen, sind
aber augenscheinlich nur nach Erreichung eines Baumes
in ihrem angemessenett Elemente. Hanfig sitzen sie anf-
recht, dett Schwanz uber den Rttcken aufwarts gebogen,
stutzen sich aber auf dettselben wie auf einen dett Sprttng
vermittelnden Hebel, sobald irgend etwas ihre Attfmerk-
samteit rege macht, verlassen ungertt den einmal in Besitz
genommetten engen Bezirk, batten, so weit sie kalten
Klimaten angehoren, in hohlen Stantinett oder zwischen
tiefett Gabeltheitungen der Aeste ein nicht unkunsttiches
Nest, itt welchem sie, als unvostkommene ^interschlafer,
ttitr die ratthesten und dunkelstett Wintertage, viesteicht
nicht einmal in tiefett Schlaf verfenkt, verbringen, und
gebett ntanche Beweise von einent tn ihrer Familie eben
nicht gewohnlichett Scharfsinne utid, dem Jager gegett-
ttber, selbst von berechnender List. Jhre Jungen lieden
sie mit grosier Zartlichkeit, ein Zug, der bekanntlich die
Mehrzahl der in Monogamie lebenden Thiere vor den
polygamischeti auszeichnet, sind reinlich, putzen sich Hsiuficg
und theilen nicht die Eigenschaft vieler Nager, einen ubeln
Geruch um sich zu verbreiten. Die nordischen Arten
begegnen dem Nahrungsmangel des Winters durch Auf-
satnmlttng von Saatnen und Steinfruchten, die sie unter
Bauntwurzeln oder itt Spalten tvie itt wohtverborgenen
Magazinen lutterbringen und, auch wenn sie ties ver-
schneiet sind, mit Sicherheit wiedersinden. Das Fest
der tropischen Arten ist dunn und ost hart behaart, das-
jenige einiger indischen fast dorstig, an Arten kalter Lan-
der aber weich und im Winter nicht allein dicht, sondern
auch von ganz anderer Farbung als itu Sommer, ein
ttmstattd, der, nicht gehorig deobachtet, nitter underen die
Zerfastung einer Art, unseres gemeinen Eichhornes
(Sciurus vulgaris) in mehrere (S. scaudinavicus, 8.
alpinus, 8. italicus) veranlasit hat. Dem Menschen sind
Eichhorner nur da schadlich, tvo sie itt grosien Mengett
erscheitten und geradezu die Aerndteu itt Gefahr bringen.
Jhr Fleisch wird in Europa wohl ttitr selten gegessen,
ist jedoch iveisi tind zart. Im Handel sind die Pelze
der gemeinen europaischen und einer anderen ainerikani-
schett Art nicht ohne Wichtigkeit; das bekannte Grau-
werk der Kurschner ist das Winterkleid der Hochnordischen
und siberischen Spielart tinseres gemeinen Eichhornes.
Mit Nebergehung des letzteren, als eines zu bekaunten
Geschopfes, bilden toir ttur eittige ausiereuropaische
Arten ab.
1. Das weipohrige Eichhorn. (Sciurus leueotus.) Fig. 460.
Nordamerika besitzt zwar eine nicht unbedeutende An-
zahl von Eichhornarten, allein das Verzeichnisi derselben
ist durch Verwechselung der Spielarten tttit wirklichen
Species zur Ungebnhr vergrosiert wordett. Ztitttal gilt
dieses von den zahlreichen granen Eichhoritern, die so
abandern, dasi Individuelt von vollig schwarzer Farbung
gerade keine Seltenheiten sind. Besonders haufig ist das
abgebildete gratte Eichhorn des Nordens verkannt und
mit anderen, im Sitren der Ver. Staaten lebenden grattett
Arten verwechselt wordett. Es ist bon der Hudsonsbay
bis Virgittien verbreitet, durch runde, auf beiden Seiten
behaarte Ohrett, am Rande blaffer gefarbten, den Korper
an Lange kautn ubertreffenden Schwanz titid weisilichen
Banch unterschieden, aber in derselben Jahreszeit und an
ganz gleichen Orten ebenso in graner als schwarzer Far-
bung angetroffen worden. Seinen europaischen Ver-
wandten an Lebhastigkeit tind Beweglichkeit gleichend,
erwacht es mit dem ersten Gratten des Morgens aus
dem Schlase, verbringt dattn 4 — 5 Stunden, unt seitte
Nahrung aufzusnchett, die vorzuglich aus dett Fruchten
eines wildett Nlisibatitnes (Shekbark der Amerikaner,
Carya alba) besteht, zieht sich aber bei zunehtnender Hitze
in sein aus einent Baume angelegtes Nest zuruck. Die
Herstellung des letzteren kostet eittetn Parchen mehrere
Tage hinter einander eine volle Morgenstuttde tind Wird
mit vielem, in den stiklen Waldern weithin vernehmbaren
Gerattsch betrieben, indem die Zweige, aus welchen es
ztisammengesetzt ist, abgebrochen und Herbeigeschkdppt
werden muffen. Das Jttuere diefes nicht kunstlofen
Banes enthalt als Ausstitterung doppelte Lagen weiche-
rer Stoffe. Den Winter verbringt diefes Eichhorn in
tiefett Hohtiingen von Baumstammen, tvo bisweilen
fogar Junge zur Welt kommen. Vorrathe fcheint es
nicht aufzuhaufen, am wenigsten in dett sudkicheren Ge-
genvett, wo mittels Auffcharrung des fetten von hohem
Schnee bedeckten Baumtaubes eittige, wentigteich spar-
fante, Nahrung getoonnen werden mag. Ileber Felver
mit jungetit Waizett und unreifem Welschkorne fakt eS
mit grosier Gefrasiigkeit her tind fugt denfelben beden-
tenden Schadeti zn, ungeachtet der grosien Thatigkeit der
Landleute und der von diefen tut Grosien betriebenen
akgemeinen Verfotgungen. In manchen Jahren nehinett
grant Eichhorner in Beforgnih erweckendem Maasie zu,
fa in Pennfylvattieu i. I. 1749, too titan die auf einem
alten Gesetze bernhende Zahlung eines Schusigeldes von
drei engtischen Pence auf den Kopf eiitstellen inupte,
nachdem man die im Verhaltnisi erstaunliche Summe
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