Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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von 8000 Pf. Sterl. in kiirzer Zcit ausgegeben Hatte.
Die von ihnen unternommenen auherordentlichen Wan-
derungen sind in manchen Jahren einent allgemeinen
Unglucke gleich zu achten gewesen, aber dem Naturforscher
von vielem Interesse, indeni ste durch noch unerforschte
Ursachen hervorgebracht werden, zu welchen mindestens
Nahrungsmangel nicht zu rechnen ist. Sie geschehen,
indefsen keineswegs tnit inimer gleicher Regelmahigkeit, i ni
, Spatjahre. Anfangs sammeln sich in den entlegensten
Gegenden des NordwestenS einzelne, jedoch immer zahl-
reiche Gesellschasten, die instinctmahig sudostlich ziehenv,
bald aus andere rreffen und zuletzt ein unnbersehbares
Heer dilden, melches, von keinem Flufse oder Gebirgs-
zuge ausgehalten, immer vorwarts dringt und, in alle
am Wege liegenden Waizenfelder und Fruchigarten ein-
fallend, die Hosfnungen des Landmannes, aller Gegen-
wehr ungeachtet, vollstandig zerstvrt. Die Stelle der Ge-
todteten nehmen schnell andere ein, immer neue Schaaren
drangen vorwarts, und endlich legen die Jager das sol-
chen Mengcn nicht angemessene Schiehgewehr verzweiselnd
5ur Seite. Menige dieser Heillosen Manderer kehren je
nach dem Mesten zuruck, sondern was von ihnen den
erbilterten Verfolgungen der Blenschen und der den Zng
begleitenden Naubthiere, den Fuchsen, Luchsen, Mieseln,
Adlern und Eulen entkommen ist, bleidt in der neuen
Heimnth zuruck. In gewohnlichen Zeiten finden die
Landbewohner viel Vergnugen an ihrer Jagd, theils
tvegen der List, die ste, dem Jager gegenuber, enttvickeln,
und welche nur der Ersahrene erfolgreich bekampft, theils
weil sich der gute Schutze an ihnen bewahrt, indeni eS
sur einen Fehler gilt, den kleinen Korper des sur die
Knche bestimmten Thieres mit einer Buchsenfugel zu
zerfleischen, diese vielmehr nur den oberen Theil der Him-
schale wegnehmen, oder hochstens den Kopf zerschinettern
darf.
2. DaS Malabar-Eichhorn. (Sciurus maximus.) Fig. 461.
Unter den ziemlich zahlreichen Eichhorneru Asiens
ist tmå. aus der indischen Halbinsel haufige, sogenannte
malabarische, einesder grhhten; sein Korper iniht 16 —I7
Zoll, der Schwanz 20 Zoll; die Farbe ist dunkel choco-
ladenbrann, schwarzlich aus den Schnltern, an der Baitch-
seite rothlich gelb. Es lebt nur aus Baumen, soll be-
sonders von Kokosnufsen der Milch ivegen nachstellen,
ist ofters lebend nach Europa gebracht worden lind Hal
sich in der Gefangenschaft zwar leichl an Menschen ge-
wohnt, indessen immer einige Falschheit und Bissigkeit
bewiesen.
II. Erdclchhorll. (Tamias.)
Gattungscharakter: Zahne (Gebifi Fig. 462.)
und Tracht ves Eichhornes; grofie Backentaschen, die
vierte Zehe der Vorverfutze weit langer als die ubrigen.
1. DaS geftreifte Erdeichhorn. (Tamias striata.) Fig. 463.
Die Erdeichhorner stellen durch Lebensweise den Gegen-
satz dar z>i den eigentlicheit Eichhornern, indein sie nie aus
Hbheke Baulne steigen, vielmehr unterirdische Baue anle-
gen, wohin sie das gesammelte Futter in den Backenta-
schcil tragen, uin es in Niche zu verzehren und selbst im
Winter sich nicht verbergen. Auch auherlich sind sie un-
terschieden durch weniger buschiger Schwanz und dichtere
. und kurzere Behaarung des kleineren Korpers. Sie be-
wohnen die gemafiigien Breilen von Asien, Europa und
Amerika. Das gestreifte Erdeichhorn gehort dem ersteren
Welttheile an, reicht aber in feiner Verbreitung bis an
die Diving^ es ist von blasirostgelber Farbe und durch funf
schwarze tind vier weifigelbe, gleich breite Parallelstreifen
nusgezelMtet. Zu seinein unterirdischen Neste, welches mit
einigen seitwarts liegenden Vorrathskammern in Verbin-
duiig steht, fuhrt ein langer, gekrummter Gang. Skur bei
anhaltender Verfolgung rettet es sich aufhohere Baume, die
es aber mit groher Schnelligkeit erklettert. Starke Glieder,
eine sehr gekruiumte Gesichtslinie und stumpfe Schnauze
verrathen seine Bestimmung 511111 Graben und unterschei-
den es von dem weit leichter gebauten, zu einem lufti-
geren Leben bestimmten Eichhorne. Es soll durchaus
Saugethiere.
unzahmbnr setn und in der Gefangenschaft sterben. Der
Korper mifit 5—6Zoll, der Schwanz nur Hnlb so viel.
Sehr ahnlich gezeichnete und ehedem fur identisch gehal-
teite, jetzt abgetrennte Arten leben in Nordamerika; eine
derselben (Groundsquirrel der Amerikaner, Tamias Lyste-
ri) scheuet selbst die Nahe volkreicher Stadle nicht und
ledt in gropen Zahlen nicht fern von Philadelphia und
Neuyork an Waldrandern und unter Einfriedigungen.
III. Flugcichhorll. (Pteromys.)
Gattungscharakter: Gebifi des Ejchhornes.
Keine Backentaschen. Glieder durch eine Hantfalte der
Korperseite, also durch Flughaut verbunden.
1. Alpenflughornchen. (Pteromys alpinus.) Fig. 464.
Die ftiegenden Eichhorner erhielten ihren Namen von
der ihre Bewegungen fast zu einer Art von Flug ver-
wandelnden, ausdehnbaren Haut, die, wie der ubrige
Korper behaart, ofters in einen ditrch besonderen Knochen
der Handwurzel gesturzien Lappen sich erweitert und bis
zum Halse fortsetzt, den Schwanz nicht nmschlieht und ( des Schreckens die Behaarung des platt an den Felsen
bereits bei den Flattermaki's (S. 39.) nnd ftiegenden
Beutelthieren uns vorgekominen ist. Alle Arten haben
ein kurzbehaartes, sehr dichtes und seidenartig wei-
ches Fell, zweizeiligen, daher platten nnd als Steuer-
ruder wahrend ves Sprunges anwendbaren Schwanz,
weite Ohrmuscheln, geraumigen Gehorgang, grofie, weit
vorstehende, das Nachtthier bezeichnende Augen. Nur
diese zwei ubrigen Sinne scheinen in ihnen entwickelt,
die ubrigen um so stumpfer. In Bezug auf Jntelligenz
stehen sie tief unter den Eichhornern, leben moglichst
verborgen, verbringen den Tag schlafend in hohlen Bau-
men, sind wehrlos, unschadlich und furchtsam und ent-
kommen ihren Feinven wesentlich nur durch die Schnel-
ligkeit der Bewegungen, welchen sowohl im Klettern, als
bei dem gewaltig weiten Luftsprungen das Auge faunt
511 folgen vermag. Sie suchen ihre aus Saamenkornern
bestehende Nahrung des Nachts nuf, entfliehen aber bei
dem geringsten Geransche, leben paarweis und ertragen
die Gefangenschaft nur kurze Zeit. Eine einzige, in Si-
birien gewohnliche Art kommt felten im nordostlichen
Europa und Lappland vor; die ubrigen gehoren Nord-
amerika und Sudasten an. Die abgebildete ist eine der
grofiten, mifit ohne den 6 Zoll-langen Schwanz 10 Zoll
in ver Lange, ivurve von Richarvson in Ver Nahe der
nordamerikanifchen Felfengebirge entdeckt und ist oben
von gelblich graner, in das Rochliche ziehenver, an der
Unterseite grauweifier Farbung.
VI. Ziesel. (Spermophilus.)
Gattungscharakter: Nageznhne meifielformig ;
Backenzahne oben jederseits 5, unten 4, mit Schmelz be-
deckte Hockerige Mahlzahne; Backentaschen. Ohrenmii-
scheln sehr kurz, kanin sichtbar. Zehen lang, dunn und
frei.
1. Parrp's Ziesel. (Spermophilus Parryi.) Fig. 465.
Die Ziesel stehen zwischen den Eichhornern nnd Miir-
melthieren in der Mitte und itahern sich zumal den letz-
teren so, dah man sie nicht mit Unrecht als mit Backen-
taschen versehene Murmelthiere charakterisirt Hat. Llnde-
rerseits sind sie aber weit schlanker gebauet und Hierdurch,
sowie dnrch ihre Lebensart den Erdeichhornern ahnlich.
Man kennt bereits uber 20 Arten, die, mit Ansnahme
von zwei europaischen, in Nordasien nnd Nordamerika
heimisch sind. Der gemeine Ziesel (S. Citillus) ist
int ostlichen Enropa nicht selten; im mittleren Deuisch-
land faunt anzutreffen, lebt nach Art des Hamsters,
kommt aiich an Grofie diesem gleich, ist jedoch schlanker,
oben grangeldlich, unten heller gefarbt und auf dem
Rucken brauit gewellt. Er grabt tiefe Hohlen, thutubri-
gens Feldfruchten keinen Schaven und soll leicht zu
zahmen sein. Nicht nnahnlich istihm die abgebildete, von
der Hlidsonsbay bis an den Ontariosee und westlich bis
an die Behringstrahe verbreitete Art, die schoti Hearne
beschrieb, die Neueren aber benannten. Sie ist kenntlich
durch schwarzgraues, mit vielen weifien Flecken versehe-
nes, unten blafi rostrothes Fell, kastaiiienbraunes Ge-
Sechstc Vrdnung.
sicht, ziemlich langen, an der Spitze schwarzen Schwanz
und sehr kurze Ohren. Richardson bemerkte weit nord-
lich, unter dem 650 N.-Br. grohe Colonien dieser Zie-
sels, die ihre von mehreren Jndividuen gemeinschaftlich
bewohnten Baue in dichtgedrangten Reihen anlegen,
zum Wohnorte felsige Gegenden wahlen und zumal sol-
cheii den Vorzug geben, wo Sandhugel verstreut Herum-
liegen. Sie stellen stels Wachen ans, die, auf einem sener
Hugel aufrecht sitzend, die Umgegend ausmerksam bevb-
achten rind die nahende Gefahr durch einen pfeifenden
Laul andeuten. Sobald dieser ertont, eilen die ubrigen
mit Fressen des ausgefundenen Futters Beschaftigten in
ihre Baue, bleiben aber im Eingange derselben unter
lautem Belfern sitzen, bis die Annaherung des Feindes
sie zwingt, in grofierer Tiefe Sicherheit zu suchen. Ab-
geschnitten von ihren Banen suchen sie in der nach sten
Felsspalte Zuflucht; gelingt es ihnen nicht, mehr als Kopf
und Vorderfiifie zu verbergen, so breiten sie zum Zeichen
angedruckten Schwanzes aus und geben einen Ton von
sich, den man mit dem Geransche der Schnurre eines
Lkachiwachters verglichen hat, und welchen die Eskimo's
in dem Namen, den sie der Art beilegen, anziideuten
versucht haben. Den Winter verbringen sie schlafend in
Halber Erstarrung nnd navren sich nur von Pftcinzen-
stoffen. In ihren Backentaschen findet man je nach der
Jahreszeit zarte Triebe junger Pflanzen, Beereit des
Alpen - Arbutus und ahnlicher kriechettder Straucher
arktischer Lanver, sowie Saamen von Grasern und Hul;
sengewachsen. Sie sollen bei jedem Wurfe 6—7 Junge
zur Welt bringen, nach Hearne's Berichte leicht zu
zahmen sein und in der Gesangenschaft dnrch Heiterkeit,
Gutmuthigkeit und Reinlichkeit sich auszeichnen.
V. Murmelthicr. (Aretomys.)
Gattungscharakter: Nagezfihne meifielformig ;
Backenzahne jederseits oben 5, unten 4, mit Schmelz be-
deckte, hockerige Aiahlzahne. Kops breit, platt; keine
Backentaschen. Korperbau schwerfallig, Glieder kurz,
mit zusanimengtdruckten, zum Graben geschicklen Krallen ;
die vorderen mit Daumenwarze, die Hinteren vierzehig.
1. Das Alpenmurmelthier. (Aretomys Marmota.) Sig. 46G—468.
Der die Gattung bezeichnende Charakter von Plunip-
Heit und Schwerfalligkeit der ganzen Gestalt tritt beson-
ders auffallend hervor an dem sehr bekannien, die Cen-
tralalpen Europa's oberhalb der Holzregion bis nit die
Schneelinie bewohttenden Murmelthiere. Wie nus tein
Ansehen zu vermuthen ist, fehlt ihni jette unermudliche,
im Springeti und Laufett sich darlegende Behendigkeit,
welche vielen anderen Nagern das einzige Mittel ist, ihr
Leben gegen die Verfolgungen zahlreicher Feinde zu
sichern. Bestimmi und ausgeruftet zu einer eigentlich
unterirdischen Eristenz, vollkommen zufrieden mit dem
den Ban untgebenden, gleichviel ob trockenen oder grutten
Grase, mit Hinreichenden Waffett versehen zur Abwehr
der Feittve, die nllenfnlls in den Bau einziidriiigeii int
Stande tvåren, tittv die eine Halfte des JahreS in lethnr-
gischett Schlnf versenkt, bedarf das Murmelthier ebett
ititr den ifim ztt Theil gewordenen passiven Charakter
und fann fuglich ohne den Jiistinct des Bibers und ohne
die Schnelligkeit des Hnaseti und Eichhornes seine Nah-
rung gewinneti und sein Leben sichern. Schtiellett Be-
wegungen augenscheinlich abgeneigt, behauptet es die
aufrechte Stellung mittels einiger Anstrengung und klet-
tert, ungeachtetet der begnnstigenden Kralleitbildung,
langsntit und ungeschickt in den Felsspalten seiner Hei-
inathlichen Berge. Seine Baue legt es ineist in Abhntt-
gen an, die gegen Siidost gekehrt und vollig trocken sind,
hohlt zuerst einen Gang nus, der, nicht breiter nls der
elgene Korper, ohngefnhr sechs Fufi von der Mundung
entfernt sich in zwei Aeste theilt, von welchen der eine,
nnch Desmarest's Beobnchtung, ohne Erweiterung en-
dend, nls Heumagnzin dient, der nndere Hingegen zu einer
geraumigen, einem Bnckofen an Gestalt gleichenden
Kammer fuhrt. Es soklen indessen diese Gange nicht