Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Sechsle Vr-nung
jene und theils durch die mehr dunkelgrane Farbung,
theils durch vollig runde Ohren unterschieden.
Xlir. HaasenmauS. (Lagotis.)
Gattungscharakter: Nagezahne spitzig. Backeit-
zahne uberall 4, jeder aus drei schiefqestelllen BlLlteni
zusammengesetzl (Gebis Fig. 495 1, Schadel von oben,
von unten, ° Unterkiefer, 4 Kauflache von zwei unte-
ren, e von zwei oberen Backenzahnen vergroserl.). Scha-
del stark gewolbt. Fuse vierzehig, ohne Spur von Dan-
men, mit kleinen Krallen. Ohren sehr lang. Schwanz
mittellang. Lippen tiefgespalten.
I. Die Peruanische Haasenmaus. (Lagotis Cuvieri.) Fig. 49(5.
Die spanischen Beschreiber von Sudamerika Haben
unter dem Namen Viscacha mehrere Thiere zusaiumen-
geworsen, aus wel<l>en die Zoologen nicht allein beson-
dere Arten, sondern sogar neue Gattungen zu bilden ge-
zwungen waren. Die Viscacha der Pampas ist mit einem
sehr verschiedcnen Thiere aus Peru verwechselt worden,
welches jetzt zu der oben charakterisirten Gattung Haa-
senmaus gehort und von den Quellenschriftstellem uber
Amerika (von Cieza 1554 bis auf Ulloa 1772) vielfach
erwahnt worden ist. Die peruanische Haasenmaus lebt
nur in Hohen von 12 — 13,000 Fus uber dem Meere,
also nahe am ewigen Schnee der Andeskette, hat die
Gestalt eines Kaninchen, oben breites Gestcht, spitzige
Schnauze, lange, steife Schnurrhaare, einen sehr fein be-
Haarten, weichen, aschgrauen, braunlich uberlaufenen
Pelz / dem Kopfe an Lange gleichende, oben abgerundete,
an den Rattbem eingerollte Ohren, 16 Zvll langen Kor-
per, 11 Zoll langen, mit grobent, steifem Haar besetzten
Schwanz. Die von Ulloa 1772 uber dieses Thier ge-
gebenen Nachrichten sind vollig zuverlassig und bis jetzt
nur menig durch Beobachtungen neuerer Reisenden ver-
mehrt worden. Sie besagen, das die Haasemnatye ge-
sellig, aber nicht in unterirdischen Banen, sondern in
Felsspalten leben, sich von Krautern und den jungen
Zweigen von allerlei Buschwerk tiahreit, sehr lebhast
sind, der Gefahr nicht durch schnelles Davonlaufen, sott-
dern dadttrch entfommen, das sie bei der geringsten Ver-
anlassung iit die Tiefe ihrer Batte sich Hinabsturzen.
Das Haar soll die uble Eigenschast haben, bald nach
dem Tode des Thieres auszufallen und das Fell daher
utiantveitbbar fur gewohnliche Zwecke und werthlos fein.
Das Fleifch ist zwar weih, aber nicht frei von einem
gewissen unangenehmen Geruche und daher periodisch
ganz ungeniesbar. Feuille traf diese sogenannte perua-
nische Viscacha in Lima als Hausthier an.
XIV. Strauchratte. (Octodon.)
Gattungscharakter: Nagezahne spitzig, ttttge-
furcht; Backenzahne uberall4, znsantmengesetzi, die oberen
vorn breiter, hinten schtttåler, auf der Krone mit schleifett-
formiger Schmelzleiste (Sch^bel tind Gebis Fig. 497.).
Fuse funfzehig, mit spitzigen Krallennageln, Dattmett-
nagel breit. Schwanz am Ende buschelformig.
1. Der Tegu. (Octodon Cummingii.) Fig. 498.
Der Degn gehort zu den gemeinsten Thieren der mitt-
leren Provinzen von Chile. Hunderte bevolkern die
Hecken und Busche selbst in der uninittelbaren Nahe leb-
haster Stadie, laufen furchtlos an den Heerstrasen um-
her und teringen ungescheuet in Garten tinte Fruchtfelteer,
wo sie burch muthwilliges Zernagen teer Pflattzen fast
eben so vielen Schateen ihittt, wie tettrch Gefrahigkeit.
Selteit entfernen sie sich vom Boteett, um bie unteren
Aeste teer Busche zu erklettern, warten mit Herausforteern-
teer Kuhnheit tete Annaherung ihrer Feintee ab, sturzen
aber teattn im bunten Gewimtnel und teen Schwanz anf-
recht trggettb in bie Munbungett ihrer vielverzweigten
Batte, ttttt ttach wenigen Augenblicken an einer anbereit
Stelle wieber hervor zn kommen. Ueberhaupt gleicht ber
Degn im Aettheren unb in seinett Sitten weniger einer
Ratte als einem kleinen Eichhortte, fur welches er von
Molitta, bem Verfasser ber ersten Naturgefchichte, von
Chile wirklich erklsirt wvrben ist. Er sammelt, ungeach-
tet bes milben Klinta'S, Vorrathe ein, verfallt aber nicht
in Winterschlaf, wirb leicht zahttt, ist branngelb, unten
gran, auf bem Rncken mit schwarzen Streifen gezeichnet,
bisweilett schackig ober weis, unb mist ohne ben 3 Zoll
langen Schwanz ziemlich 6 Zoll.
XV. Ferkelratte. (Capromys.)
Gattungscharakter: Nagezahne mit keiiformi-
ger Schneibe, ungefnrcht; Backenzahne uberall 4, zusam-
mengesetzt, vom ersten bis zittti letzten an Grose abtteh-
ntenb, auf ber Krone mit schief qnergestellten Schmelz-
leisten. Fuse fohlengangig, bie vorberett vierzehig, mit
Dattntenwarze, bie Hinteren funfzehig; Krallennagel.
Schwanz bick, fast unbehaart, mit Schttppenringett.
1. Hutia. (Capromys Furnieri.) Fig. 499.
Oviebo, ber alteste Geschichtschreider Westinbiens,
erwahnt schott in seittem 1525 verfasten Werke ein auf
St. Domingo vorkomntenbes, bem Kaninchen ahnliches
Thier, bessett gattze Beschreibung auf bie erst in unferer
Zeit gettatt bekannt geworbene Ferkelratte past, bie einst
auf allen Antillen hattfig, gegenwartig nur auf Cuba
angetroffen wirb, wo bichtere unb ansgebreitetere Wålber
ihr Sicherheit verleihen. Sie halt sich nteist itttr auf
Bautnen auf, klettert ztvar nicht geschwinb, aber boch
mit Geschick, kontint nur beS Nachts attf ben Boben Herab
unb hat, bei groher Entwickelung ber Hinteren Korper-
Halste, ben schwerfalligen Gang ber Baren. Sie sitzt
nicht felten aufrecht unb last bantt wie Haasen bie Vor-
berpfoten Herabhsngen, gebraucht ben Schwanz im Klet-
tern, um sich festzuhalten, unb im Lattse auf Aesten, um
bas Gleichgewicht zu bewahren, vertnag mit ben Vorber-
gliebern in ttitvollkommener Art zu greifen, fuhrt kttrze
Sprunge attS, spielt gutmuthig unb ohne je in Streit zn
gerathen mit anberen, ist gesellig, mehr Nacht- als Tag-
thiere, leicht zu zahmen, verrath aber nicht ntehr Jntelli-
genz als Eichhorner unb ahnliche Nager. Lin Scharfe
bes Gehors steht sie tief unter ben Haasen, besitzt aber
bafur einen feinen Riechsintt. Die stumpfe Schnauzen-
spitze unb bie wetten, schiefgestellten, mit einem erhabe-
nen Ranbe umgebenen unb burch eine tiefe Fttrche ge-
trennten Siasenlocher (Fig. 500 *) sinb in fottwahrenber
Bewegung, zitntal menn irgenb ein neuer unb unbekannter
Gegenstanb in bie Nahe gebracht mirb. Die Beschaffen-
heit bes Futters erkennen bie Ferkelratten, minbestens
in ver Gefangenschaft, mit Sicherheit unb Schnelle, sinb
ziemlich wahlerisch, auhern ben entschiebensten Abscheu
vor beigemischter animalischer Kost unD verschntahen
selbst solche Liahruitg, bie burch Zufall mit etwas Thie-
rischent in Beruhruttg gekommen ist. Im milben unb
zahmen Zustaitbe gleich gesellig, auhern sie, absichtlich
getrennt, viele Unruhe, rusen sich burch scharfe, an bas
Pfeifen ber Ratten erinnernbe Lånte, begrusen sich bei
Wiebervereiitigung burch bumpfes Grunzeit, vertragen
sich selbst beint Fressen, spielen unb balgen sich, ohne je
bie gute Laune zn verlieren, unb sitzen babei, von ben
breiten Sohlen (Fig. 500 ° Vorberfus, 4 Hinterfuh) unb
ber starken Schmanzwurzel (Fig. 500 b) unterstutzt, in
aufrechter Stellung. Auch an ben Menschen gewohneit
sie sich leicht unb sucheit seilte Liebkosuttgett. Jhre Nah-
ruttg besteht in Fruchten, jungen Blattern unb Rinbett;
in ber Gefangenschaft zeigen sie besonbere Neigting zn
stark riechenben Pflattzett, mie Pelargonien, Minze, Me-
lisse tt. s. w., beburfen menig Wasser unb trinfen selten,
inbent sie Wie Eichhorner sangen. Man hat sie ofters
lebettb nach Europa gebracht. In manchen Gegenbett
Cttba's sinb sie sehr hansig unb iverben bes Fleisches
roegen von Negern auf ben Baunteit aufgesncht, ober
bes Nachts am Boben mit Hunben gejagt. Die Behaa-
rttng ist grob, schlicht unb glanzenb, bie Farbung bratttt
in Gelbgrau; bie Lange bes Korpers betragt 15 Zoll,
bes Schwanzes 6 Zoll. In benselben Gegenbett rovhul
eine ziveite, ber beschriebenen ziemlich ahnliche Art.
XVI. Stachelratte. (Loncheres.)
Gattungscharakter: Nagezahne ungefnrcht, mit
keilformiger Schneibe; Backenzahne uberall 3, zusattt-
mengesetzt, mit breiter, vertiefter, burch eine Schmelz-
schicht eingefahter Krone (Gebis Fig. 501.). Fuse tief-
gespalten, bie vorberett vierzehig mit Datitnenstuntmel, bie
Hinteren funfzehig; vorbere Krallen scharf, Hintere etwas
breit. Behaarung borstig mit untermengten langeren, blatt-
artigen Stacheln.
1. Die langschwanzige Stachelratte. (Loncheres myosurus.) Fig. 502.
Die Stachelratten zeichiteu sich wefeiitlich burch bie
boppelte Art ber Behaarung aus. Attf Rncken unb
Seite steyen bei alfen platte, auf ber oberen Seite ritt-
nenformig vertiefte Stacheln, bie, bisweilett fast lanzett-
forntig, bei zientlicher Harte scharf zugespitzt sinb, baher
eine Art von Verthelbigungsmittel barstellen, in ber
Regel eine anbere Farbung haben als bas ubrige ratthe
Vorstenhaar unb baher bem Felle ein getupfeltes Ansehett
gebett. Alle Sorten ber Gattung sinb im tropischen
Subatnerika Heimisch, 6—12 Zoll lang ohne Schwanz,
bie groherett sonach einer Wanberratte gleichkommenb,
inbessen boch in Tracht unb Ansehen etwas verschieben.
Sie leben theils in ben Walteerit, theils in ber Nahe
von angebauten Lanbereien, grabett tvie Ratten, nahren
sich aber nur von Vegetabilien. Obgleich schoit an zivan-
zig Arten beschrieben sinb, so fehit es boch an genatteren
Nachrichten uber ihre Lebeitsiveise. — Die lang-
schwanzige Stachelratte ist oben braunroth, att
ben Seiteit gelblich, am Battche weih; ber 8 Zoll lange
Schwanz ist schuppig unb mit Weisent, am Ettbe bu-
schelformigent Haar besetzt. Der Korper mist 9 Zoll.
Die gelbe Stachelratte (Loncheres paleacea) Fig.
503 ist obett ttttb unten roftgelb, ber Kops schwarz mit
weisent Scheitelstreifen. Korper unb Schwanz sinb gleich-
lang; bieser tttihl 11 Zoll, ist brattit, am Ettbe weis unb
stark behaart. Stacheln von 32—36 Lin. Lange bebeckett
Rncken unb Selten. Die glatte Stachelratte
(Loncheres inermis) Fig. 504. weicht von allen Ber-
wanteten baburch ab, bah ein Theil ihrer Haare zwar
plattgebruckt ist, abet nte zu volligen Stacheln wirb.
Sie ist ubrigens braungelb. Der Schwanz mist etwas
tveniger als ber 7‘/g Zvll lange Korper.
Den Stachelratten sehr nahe verwatibt ist bie Gat-
tung Ramsratte (Cercomys), beren Backenzahne
eine seitlich ausgeschweifte, mit brei elliptischen Schmelz-
leistett uttigebene Krone Habett. Die mittlere ber funf
hinteren Zehen sinb sehr lang unb krumnikrallig unb
beuteit auf grose Befahigung ztttn Klettern. Matt kennt
erst eine Art (C. cunicularius) Fig. 505., bie in ber
brastlischen Provinz Minas nicht selten, oben buttkel-
bratttt, an ben Seiteit unb bem Battche biasser ist, burch
Oro^e unb Schwanz einer Ratte gleicht unb mit auf-
gegrabenen Pstanzenrourzeltt sich nahrt.
Ftt lifte Familie.
Wuhlmause.
XVII. Blindmoll. (Spalax.)
Gattungscharakter: Nagezahne weitvorstehenb,
nteihelforntig, mit breiter Schneibe; Backenzahne uberall
3, ztisanintengesetzl, attf ber Kauflache mit vorstehenbeit
Schtnelzleisten versehen. Augen unter teer Haut verbor-
gen. Fuse funfzehig, mit Krallennageln. Schwanz itur
angeteeutet.
1. Der Slinemotl. (Spalax Typlilus.) Fig. 506. 507.
In ber Gestalt ber Wuhlmause ist bie Bestimmung
zu ber in ihrent Namen angebeuteten Lebensweise leicht
zu errathen. Ein bicker, fast walzenrunber, fchwerfalliger
Korper, kttrze, zum schttellen Latif teurchaus nicht be-
fahigenbe Glieber, von welchen aber bie vorberen burch
Starfe unb Bau zum Graben geschickt sinb, Kleinheit
unb Unvollfommenheit ber bei unterirbischein Leben We-
nig ttutzlichen Augen, Beseitigung Hervorragenber Theile,
bie wie bie auheren Ohren unb ein langer Schwanz ber
Bewegung unter ber Erbe unb in engen Gangen nur
hinberlich .gewesen waren, gewaltige, weit vorragenbe
Nagezahne, bie, ohne weite Oeffnung bes Mattles zu
erhelschen, burch Holzwurzeln unb anbere Hinberntfse