Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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150
Saugethiere.
Sechste Vrbnung.
jedoch etwas schwerfallig und auf der Oberseite mit
zwei Zoll langen, starten und sehr Harten, braun und
weisi geringelten Stacheln bekleidet; an Bauch und Brust
stehen borstenartige Haare. Die Schnauze ist unge-
mein dick und stumps und giebt dem, ubrigens mit sehr
gewolbter Stirn versehenen Kopfe, den AuSdruck mehr
als gewohnlichen Stumpfstnnes. Man hat au wilden
Jndividuen unverkennbare Zeichen grositer Beschrankt-
heit wahrgenommen, fand sie faul im auhersten Grade,
uberaus furchtsam und dennoch weder beweglich noch
listig, nach Stillung ihres Hungers fur andere Ein-
drucke kaum empfanglich, und Hinsichilich der Sinne
sparlicher ausgerustet als die meisten anderen Baumthiere
Brasiliens, die Faulthiere ausgenommen. Wie am ge-
meinen Stachelschweine sind die Augen und die Augen-
spalten klein, die Ohrenmuscheln ohne Hervorragungen;
die Zunge ist mit scharfen, reihenweis gestellten Horn-
Warzchen besetzt und wenig vorstreckbar, und nur die be-
Haarte Nase zeigt oorzugsweis grosie Entwickelung und
deutet auf dieselbe Scharst des Geruchsinnes, welche das
Stachelschwein auszeichnet. Die Pupille ist zwar am Tage
rund, indessen soll, nach allen Berichten, der schon von
Maregrav erwahnte Coendu ein Nachtthier sein und
nur im Dunkeln Baumfruchte zur Nahrung aussuchen.
Im Klettern, znmal beim Herabsteigen, bedient er sich
des Schwanzes, um sich festzuhalten, erweist sich in der
Gefangenschaft anherordentlich beschrankt und daher
rigentlich nnzahmbar, wird abeL sehr fett. Er ist in
manchen Provinzen Brasiliens nicht selten, haufiger aber
in den sudlichen als den aguatorialen, und verlasit nie-
mals die dichtesten Urwalder sreiwillig. Der Korper
miht 1*/» Fuh, der an der Spitze mit Schuppenringen
umgebene Schwanz gegen 20 Zoll.
Neunte Familie.
Halbhufer; Cavicn.
XXXIV. Aguti. (Dasyprocta.)
Gattungscharakter: Nagezåhne ungefurcht, die
oberen mit keilformiger, etwas ausgerandeter, die unte-
ren mit abgerundeter Schneide; Baekenz^hne uberall
vier, mit Wurzel versehen, zusammengesetzt (Gebisi Fig.
558.). Vorderfusie vierzehig, mit kleiner, einen Platt-
nagel tragenden Daumwarze, die auhere Zehe hoher
stehend, klein; Hinterfupe dreizehig, mit Hufahnlichen
Klanen. Schwanz sehr kurz, unbehaart.
I. Tas gemeine Aguti. (Dasyprocta Aguti.) Fig. 559.
Der Name Halbhufer beutet auf die uberaus charak-
teristische Fusidildung einer kleinen, Sudamerika fast
ausschliehlich angehorenden Gruppe von Nagethieren,
die auch durch rauhes Haar, dicken Korper, stumpfe
Schnauze, groDe Augen und uberhaupt durch den ganzen
Habitus sich auszeichnen, und an gewisse kleinere Wieder-
kauer erinuern konnten. Sie leben alle am Boden,
selten im Wasser, nahren sich von Gras und Blattern,
theils auch von aufgewuhlten Knollenwurzeln, sind
harmlos, furchtsam und theilweis nachtlich. Jhre
Backenzsihne sind zusammengesetzt und faltig oder blat-
terig, indessen bei einigen Gattungen mit Wurzeln ver-
sehen, bei anderen unten ofsen und tragen auf der Kan-
stache Hervorragende Schmelzleisten, die, je nach dem
Alter und der vorgeschrittenen Abnutzung, titte sehr ver-
schiedene Gestalt annehmen. (Fig. 558' Obertiefer des
Aguti, "Unterkiefer, die Zahlen 1 — 3 deuten die ver-
schiedenen Grade der Abnutzung an und das daher ver-
anderte Ansehen der Kaustache.)
Zu den Gattungen mit mehrwurzeligen BackenzLhnen
gehoren die Aguti's, glattbehaarte, in den Korperumris-
sen dem Meerschweinchen ahnliche, aber mit verhaltniH-
mahig viel hoheren Gliedern, znmal aber mit langeren
Hintersusien versehene Thiere. Sie haben einen grosien,
vorn stark gewolbten Schadel, dicke Schnauze, runde,
fast unbehaarte Ohren, grosie, nteist schwarze Augen
und, statt des Schwanzes, einen kurzen Stummel. Alle
laufen mit ziemlicher Schnelligkeit, jedoch ohne Aus-
dauer, sucheu ermudet im ersten hohlen Baume Zuflucht
und lasten sich tinter klugenden Laiilen, und ohne den
geringsten Widerstand zu leisten, ergreifen. Sie fressen,
indeni sie das Futter mit den Vorderfusien festhalten,
und dehaupten dabei, und wenn irgend Etwas ihre Auf-
merksainkeit erregt, eine sitzende Stellung. Ungeachtet
des mannichfachen Gebrauches, den sie von den Vorder-
fusien, zumal zum Aufgraben von Wurzeln machen,
legen sie keine unterirdischen Baue an, sondern wahlen
hohle Baume und Felsspalten zur Wohnung, wo sie, an
Fruchtbarkeil dem Meerschweinchen uicht sehr nachstehend,
mehrmals im Jahre 6 — 8 blinde Junge werfen. Ob-
gleich im Gefuhle vollkommener Wehrlosigkeit furcht-
sam, wagen sie sich des Nachts dennoch auf angebaute
Felder und thun da nicht felten sehr bedeutenden Scha-
den. Die einzige, in Westindien vorkommende Art (D.
albida) ist den Pslanzern auf San Vincent und S.
Lucia wegen ihrer verderblichen Angriffe auf die Zucker-
felder auherst verhaht, indessen unausroltbar. Zur Zeit
der Entdeckung schwarmten auch die Bahamen uud an-
dere Jnseln von dorl gegenwartig fehlenden Aguti's, die,
als die grositen der einheimischen Saugethiere, deu Jndiern
Vorzuglich zur Nahrung bienten. Das Vorkommen einer
einzigen Art dieser wesentlich continentalen Gattung auf
Jnseln desselben Welttheils ist ubrigens ein Beweis fur
den Lehrsatz der Thiergeographie, dah wohl kleine Thier-
gattungen sich uber das Festlaud hinaus auf denachbarte
Jnseln verbreiten, niemals aber die groheren. Dah von
den zahlreicheu Affen, Katzen und Wiederkauern Sud-
amerika's nicht eine Art auf den Antillen gefuuden werde,
ist eine bekannte Thatsache.
Das gemeine Aguti (Fig. 559.) ist in ganz Bra-
silien, Paraguay und Guyana uberaus haufig, obgleich
es aller Orten, theils zum Schutze der Felder, theils des
Fleisches wegen eifrigst verfolgt wird. Selten trifft man
es auherhalb der Walder an und daher haben nur die
jungeren, vom Urwalde in der Nahe umringten Pstan-
zungen, durch seine Angriffe zu leiden, die darum sehr
empfindlich werden fonnen, weil gemeiniglich Gesellschaf-
ten von 18 — 20 Stuck zusammen auf Rand ausziehen.
Die Bewohuer abgelegener Gegenden, die schon, durch
die Verhaltnisse gezwungen, nicht wahlerisch sein tonnen,
essen gern das Fleisch, welches in den Stadten eben nur
oou Slegern genossen wird uud allerdings durch einen
eigenthumlichen Geruch anwidert. Die Farbe des Felles
ist braunroth, rostroth gesprentelt; das Haar ist Hart,
straff auliegend, glanzend, kurz, aber auf dem Kreuze,
wo es eine Art von Kamin bildet und etwas aufgerichtet
werden kann, uber 3 Zoll lang. Die Lange des Korpers
betragt 18 Zoll.
Das schwarze Aguti (D. nigricans) Fig. 560.
eristirt in wenigeu Sammlungeu und wurde von Natte-
rer im tiefen Jnnern Sudamerita's, am Stonte Madeira
etttdeckt. Es ist etwas tleiner als das vorhergehende,
schwarz und oben, znmal in der Wangengegend, reinweih
gefleckt,, indem fedes Haar au solchen Stellen mit langer,
weisier Spitze versehen ist.
2. Das Acuchi. (Dasyprocta Acuchi.) Fig. 561.
Azara hat mit Unrecht das nur in Guyana lebende
und bort keineswegs sehr Hausige Acuchi fur identi;ch
mit dem gemeinen Aguti erklart. Das Acuchi ist nicht
nur kleiner, leichter gebauet tind von duntlerer Fardung,
sonderu anch wesentlich verschiedeu durch einen zwar sehr
bunnen, jedoch zwei Zoll langen Schwanz, ubrigens
oben braun, rothgelb gesprentelt, auf der Kreuzgegend
schwarzlich, am Bauche rostroth. Die uderast ziemlich
gleich langen Haare dilden weder am Hinterkopfe noch
auf dem Rucken einen Kamin. Neber das Verhatten im
wilden Zustande fehlt es an Beobachtungen. Best be-
schreibt die Sitten eines nach England gebrachlen Paa-
res, welches langere Zeit in der Gefangenschaft aushielt,
sich sanst und harmlos erwies, bekannten Personen zu-
traulich folgte, sonst aber Furchtsamkeit verrieth, sent-
rechte Sprunge von zwei Fusi Hohe ausfuhrte, nur Ve-
getabilien frasi, Nusse und Mandeln besonders liebte und
wenig trant. Mannchen und Weibchen schienett sich
zartlich zugethan zu sein, waren ungentein reittlich, ver-
wendeten viele Muhe auf Glattung ihrer glanzenden
Feste und leisteten sich hierbei gegenfeitige Hilfe. Jhre
Stistime bestand in turzen, etwas schnurrenden Tonen.
In Sammlungeu sindet inau den Acuchi ubrigeus sehr
selten.
3. Das Patagonische Aguti; Mara. (Dasyprocta patagonica.)
Fig. 502.
Mehrere der fruheren Seefahrer, Narborough, Wood,
Byron u. A. trafen an der unwirthlichen Kuste Patago-
niens ein ziemlich grohes Saugethier, welches sie zwar
zu beschreiden versuchten, aber theilweis so ungeschickt
mit anderen, durchaus fremden Thieren verglichen, dasi
die Zoologen uber seine eigentliche Stellung lange ttn-
gewisi blieben. Erst Azara klarte die Geschichte desselben
auf und wies nach, dah es nicht etwa eine kleine Anti-
lope, sondern ein wahrer Nager sti. Der Mara, wie
ihn die Eingeborenen nennen, bewohnt ausschliesilich die
sudlichen Pampas und Patagonien, und zwar die wuste-
sten und eiusamsten Orte; gegen eine reichliche, grunende
Vegetation scheint er fogar Abneigung zu ft'thlen, deiitt
zusolge Darwins Beobachtung verbreitet er sich nicht
nordlich uber 370 30' S.-Br., wo die Sierra Talpaguen
die eigentliche steinige und. wasserarme Wuste Patago-
nietis begranzt, der Boden stuchter und pflanzenreicher
zu werden beginnt. Weiter westlich und int tiefen Jnne-
ren erstreckt sich eine Verlaugerung jetter patagonischen
Wuste bis in die Nahe von Mendoza und sonach bis
uiiter den 33° S.-Br.; auch sie wird von dem Mara
bewohnt, der, gegen Verfolgungen durch die Unbewohn-
barkeit des Landes gesichert, seine im Sande angelegten
eiiifachen Baue ttttr des Nachts besucht und den Wenigeu
Feinden am Tage entweder durch Schnelligkeit oder
durch Niederlegen auf den Boden eutgeht, von Welchem
er, wegen ziemlich gleicher Farbung, schwer zu unterschet-
deit ist. Azara ttteint, dah er eigentlich nur die ursprung-
lich von Viscacha's ausgegrabenen Hohlen bewohne und
stlbst niemals baue. Darwin glaubt aber, dasi er, wo
ihm ein anderes Mittel nicht bleibt, feilte Wohnung
ohne fremden Beiftand ausgrabe und alfo wie die bei
Gelegenheit der Viscacha's erwahnte Tageule verfahre,
welche, so weit sie tatttt, die Arbeit ebenfalls vermeidet
und titir da grabt, tvo verlafsene Hohleit attderer Thiere
nicht anzutreffen sind. Darwin bemerkte tint Bahia
blatica nicht selten einige Mara's an der Mundung ihrer
Baue in sitzender Stellung, erfuhr aber, dasi sie, ganz
gegen die Sitte anderer grabender Nager und der Gra-
bethiere uberhaupt, sich vou ihrent Wohuorte Hausig
entferuen, zu zweien oder dreien meilenweit Herumstrei-
seti und wahrscheinlich nicht eintnal des Nackts mit Re-
gelmahigteit zuruckkehren. Sie laufen ubrigens weder
schnell noch mit Ausdauer und werden auch von gewohn-
lichett Hunden leicht eingeholt. In manchen Gegenden
Patagoniens, wo auf dem kiesigen Boden nur Wenige
burre und bornige Busche sortzutommen vermogen, sind
sie die einzigen lebendett Thiere. Fliehend folgen sie sich
zu drei oder vier itt kurzen, aber ununterbrochenen Satzen
und ohne von der geraden Linie abzuweichen, scheinen
wie die Haasen besser zu horen als zu sehen, sind auf-
mertsam und scheu wie diest, asteitt keineswegs von nacht-
licher Lebensweise. Das Weibchen wirst in feittem Baue
zweimal ini Jahre zwei Junge. Die Jndier und die
Gauchos stellen dem Mara viel nach, jedoch nicht wegen
des weisien, aber trockenen und schmacklostn Fleisches,
sondern um das dichte und sehr weichbehaarte, glanzende
und schongezeichnete Fell zu erlangen. Rucken und Set-
ten sind braungrau, die Haare weisi und rostgelb gerin-
gelt, der Unterrucken ist schwarz und durch einen weisien
Streif schars begranzt, der von der Schwanzwurzel bis
auf die Oberschentel verlauft und in grosier Entfernung
bemerkbar ist. Brust und Bauch sind weisi, die Ohren