Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Wenigza'httige.
Snugethiere.
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setzen ihren Feinben Geduld und Lebenszahigkeit ent-
gegen, vennogen uicht deuselben durch schnelle Flucht
zu entkommeil und bedienen sich ihrer oft fnrchtbaren
Krallen uicht als Waffen, sondern allein zum Festhalten
und zum Graden. Sie sind Bewohner Heiher Klimaten;
nur Einige halten unter einem Himmel nus, der, wie
derjenige der Pampas oder Sudafrika's, hinsichtlich der
Warmeverhaltnisse dem italienischen ziemlich gleichkommt,
erreichen sehr verschiedene, doch Hochst felten dedeutende
Gropen, und dilven eine im Verhaltniffe kleine, artenarme
Ordnung. Man theilt sie in die Familien der Faulthiere,
Gurtelthiere, Ameisenfreffer und Schuppenthiere, die in
der Regel nur eiue oder zwei Gattungen enthalten. Die
Gattungscharaktere sind sonach meistens zugleich biejeni-
gen der Familien.
I. Faulthier. (Bradypus.)
Gattungscharakter: Vorderzahne fehlen ; Eck-
zahne uderall einer, konisch, lang; Backenzahne oden
vier unten drei, walzenformig, mit Schmelz uderzogen.
Vorderfutze sehr verlangert, zwei- dis dreizehig; Hinter-
fithebreizehig; alle mit langen zusammengedruckten Kral-
len. Schwanz sehr kurz.
1. Das drkizehige Faulthier. (Bradypus tridactylus.) Fig. 581 — 583.
Die auhere Bilbung und das Benehmcn der Faul-
thiere sind schon den ersten Beschreidern der amerikani-
schen Thierwelt ungewohnlich erschienen und haben
manche Fadeln veranlaht. Man steht dergleichen Jrr-
thumer oder Uebertreibungen gern jenen Mannern nach,
die, von der Neuheit der meisten Erscheinungen uber-
rascht und durch vielseitige Kenntnisse nicht unterstutzt,
uns dennoch in ihren Werken Beweise des redlichsten
Strebens und uncrmublichen Eisers hinterlassen haden.
Hingegen suhlt man eine Anwanblung von Unwissen,
wenn fin Mann wie Buffon, um eine rhetorische Ab-
Handlung liefern und die Wirkung der Rede kunstreich
steigern zu konnen sich gestattet, senes Thier fur Phantasti-
sches Spiel der Natur zu erklaren, es darzustellen als
deladen und heimgesucht mit zwecklosen Unvollkommen-
Heiten, als geschaffen sur Leiden und selbst des geringen
Erleichterungsmittels der Klagetone beraubt. Derglei-
chen Ausspruche sind des grunblichen Forschers unwur-
dig, weil er die in der ganzen Natur waltende Gerechtig-
keit fennen und sich nicht hinreifien lassen soll zur Beur-
theilung der Freuben und Leiden der Thierwelt nach
oderflachlichen Zeichen, oder gar nach dem menschlichen
Maahstabe. Das Faulthier ist fur die ihm gewordene
Bestimmung so vollkommen organisirt, das der mensch-
liche Scharfsinn in seinem Bane weder Fehlendes zu
entdecken, noch durch Besseres das Vorhanbene zu ersetzen
vermag.
Ein eigentliches Baumthier, welches nie das Be-
burfnih der Bewegung aus ebener Erde, mindestens nicht
fur grohere Entfernungen haben kann, muh nothweudig
anders gebauet sein, als der grabende Nager oder das
stuchtige Raubthier, um nuf seine eigene Art uud sonach
zum eigenen Gluck eristiren zu konnen. Es laht sich die
Wahrheit dieses Satzes am Skelett der Faulthiere (Fig.
578 —580.) uberzeugend nachweisen. Die Vorderglieder
siud doppelt langer als die Hinterfuhe und, wie diese, mit
gewaltigen, Hakenformigen Krallen verfehen. Die Sohle
oder Handstache aller Glieder steht schief und kann nie-
mals platt aus den Boden gesetzt Werdeu, weil die be-
fannten Mittelfuhknochen (Metatarsen) vermoge ihrer
besonderen Stessung diefes nicht gestalten ; nur der auhere
Raitd des Fuhes beruhrt den Boden (Fig. 578.). Die
Oberschenkel stehen ungewohnlich entfernt von einander,
weil das fast wie bei Vogeln beschaffene Beckeu (Fig.
579.) eine ansehnliche Breite besttzt; selbst die Uuter-
schenkel konnen einander nicht vosskommen genahert
werden, weil sie in ihrem ganzen Verlaufe stark nach
auhen gekrummt sind. Dem Kopfe des Oberschenkelkno-
chens fehlt zur starren Befestiguug das sogenanute
runde Band, welches auch dem Orang Utan mangelt.
Wahrenb hierdurch die Hiuterglieder eine beini Klettern
sehr nutzliche und bedentende Beweglichkeit erhalten,
werden die Vorderglieder verstarkt durch eine eigenthum-
liche und sehr feste Verbindung des Schluffelbeines mit
dem Schulterblatte. Mit dem Zwecke des kraftigsten
Festhallens und der Bestimmung, die Last des schwebend
ausgehangten Korpers allein zu tragen, wurde Elastici-
tat und Beweglichkeit der Zehen uicht vereinbar gewesen
seiu. Daher stud diese nicht allein kurz und fast bis zum
Ende in eine gemeinsame, derbe Haut gehusst, sondern
auch weuig biegsam, nach innen gekrummt, aber mit
langen, sehr starken Sichelkralleu versehen und daher in
allen Beziehungen einem einfachen Haken vergleichbar.
3m reiferen Alter, und bei zunehmender Schwere des
Korpers, erhalten diefe Fuhenben dadurch noch grohere
Festigkeit, dafi die Zehenkuochen zu ganzen Stucken ver-
wachsen, ein Proceh, der dann auch in den Halswirbeln
eintritt, von welchen, merkmurdigerweise, nicht wie bei
anderen Saugethieren sieben, sondern neun vorhanden
sind. Muskeln, welche fast unglaublicher Kraftauherun-
gen fahig sind, fugen sich an sene Knochen und gestatten
dem Faulthiere, seine ganze Last an einem Arme aufzu-
Hangen, um mit dem andern, langausgestreckten, nach
einem entsernteren Aste zu greifen und ihn herbeizuziehen,
wenn er Fruchte oder Blatter zur Nahrung bietet, oder
zur Fortsetzung des Weges benutzt werden kann. Findet
sich in diesem Bane der Bewegungswerkzeuge Alles dem
Baumthiere Nothwendige in grohter Vollkommenheit
vereinigt, so ist nicht minder sur Mittel gesorgt, Sturze
unschablich zu machen, die bei asser Kraft der Glieder
dennoch vorkommen konnen. Die Hirnschaale besteht
nicht aus einer dichten und daher leichter zu zertrum-
merndeil Schicht, wie bei der Mehrzahl der Saugethiere,
sondern aus zwei sehr Harten Platten, die, wie bei den
Vogeln, durch Knochenzellgewebe und geraumige Lutt-
zessen getrennt sind, und das verhaltnihm^hig sehr kleine
Hirn bei Fassen vor Verletzung schutzen. Endlich besitzen
die Faulthiere eine solche Lebenszahigkeit, dah sie die
heftigsten Sturze und selbst grohe Wunden, die anderen
Thieren unfehlbar tobtlich sein wurden, ertragen, und
gleichen Hierin den Eidechsen, welchen das zweizehige
Faulthier auherdem durch die Zahl seiner Rippenpaare
(23) ahnlich ist.
Die Bildung der Glieder beweist, dah das Faulthier
nie bestimmt gewesen ist aus ebenein Boden Herumzu-
laufen, und dah sein ungeschicktes Benehmen aus bemsel-
ben und der dann sichlbare Ausdruck des Mihbehagens,;
eben so wenig als die Hilflosigkeir des aus dem Masser
genommenen Fisches, fur Zeichen einer von der Natur
ihm erwiesenen Vernachlassigung angesehen werden darf.
Die Gestalt und Grohe der Krallen deutet ubrigens an,
dah dah Hinlaufen an den Aesten nicht in gewohnlicher,
sondern verkehrt hangender Stessung geschehe, wie es
der Beschreiber Surinam's, Stedtmann, ganz richtig ab-
bildete (Fig. 581.). Um sicher und beguem zu schlafen,
legt sich das Faulthier mit dem Rucken auf einen breiten
Ast, umfafit mit den Vorderarmen einen Hoheren Zweig,
rosst sich fast zur Kugel zusammen und laht den Kops
auf der Brust rusten, deren langes Haar das Gestcht vor
den Myriaden von Jnsecten beschutzt, welche die Urtval-
der bewohnen. Es ist keineswegs so ganz vertsteidigungs-
los, wie utan gemeint hat; seine Arme sind gewaltige
Waffen, denn, auf dem Boden angetroffen und angegriffen,
wirft es sich auf ben Rucken und erfaht den Gegner mit
feinen Krallen. Man weih, dah es Hunde durch diefe
Untfaffung erstickte, indern es bei der Lange seiner Arme
vor Bissen sicher blieb, und sagt, dah es auf gleiche
Meise die grohen Schlangen todte, die ihm besouders
nachstellen sollen. Mie groh aber auch die Gefahr und
wie heftig der Angriff sei, so zeigt doch das Faulthier
niemals Spuren von Erregung, laht schwerverwundet
feinen Ton horen, verliert zu teiner Zeit sein hochst me-
lancholisches Ansehen, scheint feinen Gegenstand, ausge-
nommen die Baume, zu welchen der Jnstinct ihn kitet,
zu bemerken, verrath in der Gefangenschaft nie die ge-
ringste Aufmerfsamkeil und scheint uberhaupl mit auherst
geringer Julelligenz ausgerustet. Zur Nahrung dienen
ihm Baumblatter, die es langsam abweibet; den Norzug
giebt er dem Trompetenbaume (Cecropia peltaia), der
enilang den Flussen Subamerika's eine ununterbrochen
gleichsormige Einfassung bildet, gewissermahen die Wei-
benbaume knlterer Zonen vertrill, und nur da dem Hoch-
stammigen Urwalde tveicht, wo der Boden eine festere
Beschaffenheit erlangt und nicht blos aus neu attge-
schwemmten Sande und Fluhschlamm besteht. Ein dunner,
inwendig hohler, aufien weiher Stamm von 30 — 40
Fuh Hohe, wenige Horizontale Aeste, gewaltig grohe,
gelappte Blatter geben ihm ein sehr charakteristisches
Ansehen. Ohne den Boden zu beruhren, geht das Faul-
thier langsam von einem Wipfel zu dem andern uber,
vertauscht feinen Aufenthalt jedoch nicht, so lange es
;Knospen und junge Triebe in der Naste finden fann,
fustlt tein Bedursnih zum Trinken und begnugt sich
wahrscheinlich mit den Thautrckpfen, welche des Morgens
an den grohen Blattern hangen bleiben. Es pfiegt sich
nur bei dem Fressen zu bewegen, ist daher nicht leicht
von den ahnlich gefarbten Aesten zu unterscheiden und
lebt ganz ungesessig. Die Fortpflanzung verhalt sich wie
bei anderen normal gebildeten Saugethieren; das Meib-
chen Hat zwei Brustwarzen, bringt aber nur ein Junges,
welches sich fest an die Mutter anklammert und lange
Zeit von ihr Herumgetragen wird. Sein Gebih gehort
zu den einsachsten der ganzen Saugethierclasse, indern die
Schneidezahne fehlen, die Eckznhne den Backenzahnen
sehr ahnlich' sind; der innere Ban dieser Zahne ist von
Owen ntikroskopisch unterfucht worden und hat viel
Eigenthumliches. Matt hat von jeher zwei Arten von
Faulthieren nach der Zahl der Zehen der Vorderftthe
unterschiedett, das dreizehige aber in tteuesten Zeiten in
drei Arten gespalten, bie sich nur in Farbung unterschei-
ben unb vielleicht nicht asse haltbar sein burstett. Das
breizehige Faulthier Hat nuf bettt runben Kop fe
gefcheitelt Herabhangenbes Hnnr, gelbliches, sehr butttt
behaartes Gesicht, ist mit weiher Stirnbinbe unb nuf
bettt Rucken mit grohett, brnunen unb weihett Flecken
gezeichnet; nit Bnuch unb Brust schmutzig weihlich.
Die Lange betragt 17 Zoss. Das Haar gleicht mestr
trockenem, an ber Sonne verschrumpsten Grase nls eigettl-
lichem Haar, ist grob, start, an ber Spitze abgeplattet,
aber gcgen bie Wtirzel faunt stalb so bick wie ein Mett-
schenhaar. Spielnrten stub uicht selteti, inbettt bie Flecke
! an Grohe ungemein abanbern, bisweilen ganz fehlen unb
einer uberass gleichen granen Farbung weichett. Das
Halsbanb-Faulthier (B. torquatus) Hat schwar-
zes, nnckies Gesicht, tttinber plattes unb Heuartiges Haar;
Vorberkopf, Kintt, Kehle, Brttst stub mit rostbrnunem,
etwas fraufett Haar bebeckt; ber ubrige Korper ist gelblich
grau; um ben Hals zieht ein breiter, schwarzer Streifen.
Beibe Arten gesten unter bettt Namen Ai, ber von bettt
Tone ihrer felten zu Horenbett unb nicht besonbers lattten
Stimme hergeleitet worben ist, unb bewohnen Brasilien.
Das zweizehige Faulthier ober Unau (B didac-
tylus, Sfelett Fig. 580.) wirb gegen 2 Fuh lang, Hat
einen sehr kurzen, Hockerformigen Schwanz, einfarbig
braunrothliches Fell unb ivirb nur in ben einsamsten
Walbern bes norblichen Brasilien unb Guyann's ange-
troffen.
II. Riesenfaulthier. (Mylodon.) Fig. 584 — 588.
Derselbc Welttheil, ber noch jetzt bie ausschliehliche
Heimath ber meisten Ebentaten ist, wnr in ben Zeiten,
welche ben letzten grohen VeranberRigen ber Erbober-
stache vorausgingen, von Thieren berselben Familie be-
wohnt, bie jeboch in ihren riestgen Korperverhaltnissen
sich zu ben Ebentaten ber Jetztzeit verhalten, wie ber
ausgewnchsene Mann zu bent neugeborenen Kinbe. Die
weiten Ebenen von Buenos Ayres unb Patagonien, bie
in ihrer geograpstischen Bilbung ben jungsten Formatio-
nen angehoren, bergen eine Alenge Knochen unb fogar
ganz vollstanbige Skelette von gewaltigen Thieren, bie
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