Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Dickhauter.
Saugethiere.
175
auf dem breiten Rucken jenes Thieres stch niederlnsseu
und die Zecken und anderes Ungeziefer absuchen. Fliegen
diese dadon, so hat das Nashorn Instinkt genug, um so-
gleich die Nahe eines Feindes zu dermuthen, Hedt den
Kops, wendet ihn nach assen Seiten und sucht schnufselnd
durch den Geruch die Gefahr zu wittern. Auch Wenn
ihm dieses nicht gelingt, bleidt es unrnhig und sucht einen
andern Ort auf; wird es aber verwundet, so sturzt es in
der Richtung des Flintenknasses auf den verborgenen
Feind, der nur dadurch stch retten kann, dah er die An-
kunst des wuthenden Thieres unbeweglich erwartet, dieses,
indem er im rechten Augenblicke zur Seite springt, an
stch voruberschiefien lapt und Hierdurch Zeit gewinnt,
sein Gewehr wieder zu laden. Nicht Jedermann, am
wenigsten ein Europaer, besitzt die hierzu nolhige kuhle
Besonnenheit ; Hossandische Bauern und Hottentotten
Hingegen halten es nicht fur eine besondere Heldenthat,
einem Rhinoceros allein eutgegenzutreten, und benutzen
dann jede Unebenheit des Bodens. Sind ihrer zwei, so
verliert die Jagd alle Gefahr, >veil jene vortrefslichen
Schutzen stch vossstandig auf einander verlafsen konnen.
Reisende sind in jenen Gegenden des Nachts in grofierer
Unsicherheit als am Tage, weil das Nashorn, statt das
Fetter zu furchten, durch dasselbe zum wilden Angrifse
gereizt wird. Eine am gropen Fischsiusse lagernde mili-
tairische Streifpartie wurde so plotzlich ubersassen, dah,
ehe sie aufzuspringeu vermochte, zwei Leute schwer ver-
wundet, mehrere der zusammengestessten Gewehre zertre-
ten und die Feuerbrande weit umher geschleudert waren.
Levaillant beschreibt in lebhafter Sprache, wie das ver-
wundete Rhinoceros den Boden mit seinem Horne nuf-
rifi und einen Schauer von Sand und Kies uin sich warf.
Smith sah indessen auch ein ruhiges Nashorn den Boden
gleichsam aufpflugen, vennochte aber nicht den Grund
dieser sonderbaren Sitte zu entdecken. Burchell, der selbst
neun Rhinoceros erschofi, sand ihr Fleisch dem Rind-
fleische ahillich und von vortrefslichem Geschmacke. Wird
eins getodtet, so errichten die Eiugeboreuen ihr Lager an
seiner Seite, braten, essen und schwatzen und ruhen in
ihrer unerhorten Unersattlichkeit nicht eher, als bis das
Gerippe eiitblofit da liegt. Alle uberfussen sich, Wahrend
teiner haushalterisch genug ist, um das uberflussige
Fleisch zu trocknen und fur die haufig wiederkehrendcn
Zeiten assgemeinen Mangels aufzubewahren. Nach
Bruce wird das Nashorn auch in Nordafrika von den
Schangassas gegessen, und zwar die Fufisohle als der
leckerste Bissen betrachtet. In Sudafrika dreht man die
iIN frischen Zustande zu Riemen zerschnittene Haut zu
Reitgerten und Peitschen (Schamboks) zusammen; auf
ahnliche Art in Nordafrika verfertigte Reitgerten dilden
in England, unter dem Namen Corbage, einen Handels-
artikel. Nach Burchell gleicht das schwarze Nashorn
einem ungeheuern Schweine durch assgemeine Form, Ge-
stalt des Schadels, kleine Augen und Ohren, durch
Slumpe Fuse dem Elephanten oder Nilpferde. Nur der
Ohrenrand und die Schwanzspitze sind behaart, die roth-
lich gelbbraune, nicht gefaltete Haut ist glatt und wird
an den meisten Orten leicht von Kugeln durchbohrt, die
indessen aus einem Gemisch von Blei und Zinn gegossen
sind und nur in der Nahe und mit starker Pulverladung
abgeschofsen werden. Das vordere Horn ist 1% FuH
lang, spitzig, nach hinten gebogen, das zweite klein und
dreieckig. Die Lange des Korpers betragt 12 Fusi, die
Schulterhohe 5 Fufi.
5. Das Keitloa-Nashorn. (Rhinoceros Keitloa.) Fig. 673. 674.
Die Entdeckung einer neuen Art von Rhinoceros
durch den englischen Naturforscher Smith, und zwar in
nicht asszugrosier Entfernung von solchen Gegenden Sud-
afrika's, die in neueren Zeiten ofters von Reisenden be-
sucht worden sind, beweist, dafi die Zoologie aus jenem
Welttheile noch manche bedeutende Vermehrungen zu
erwarten Habe. Smith erhielt das erste Keitloa-Nashorn
vhngefahr 180 engl. Meilen N.-O. von Littaku; es
schien ein verirrtes zu sein, denn erst weiter nordlich traf
man es haufiger, obgleich nie in so zahlreichen Gesess-
schaften, wie die beiden anderen Arten Afrika's. Die
Eingeboreuen gedachten seiner nie ohne Beiworte, die
sich nuf seine unbandige Wildheit und seine Rachsucht
bezogeu, und verglichen es in Augenblicken vertraulicher
Mittheilung mit einem grausamen und assgemein ge-
furchteten Hanptlinge, der damals in senen Gegenden
eine Schreckensherrschaft ansubte. Die assgemeine Kor-
perfonn ist zwar wie am schwarzen Nashorn, allein
die Horner sind fast gleichlang; das vordere ist znrnck-
gebogen, das Hintere gerade, die Oberlippe verlangert
und vorstreckbar, Schnauze und Augengegend ohne Fal-
ten, die Farbe schwarz. Lange und Hohe sind wie an
der gemeinen afrikanischen 9(rt. Weiter nordlich schei-
nen noch andere, unbeschriebene Arten von Nashorn
vorzukommeu. Smith erhielt Nachrichten von einem mit
zwei Horneru, dem Keitloa ahnlichen und einem eiu-
Hornigen, bekam sie aber nicht zu Gesicht. Von dem
letzteren horten schon weit fruher Bruce und Burckhardt
als Bewohuer von Adel und den Landern im Suden
von Senaar, und Freeman vermuthet, dafi dasselbe Thier
auch nordlich von Mosambique haufig vorkomme.
ti. Das stumpfnasige Rhinoceros. (Rhinoceros simus.) Fig. 675. 676.
Burchell traf das stumpfnasige Rhinoceros unter
dent 26° S.-Br., luo unubersehliche Ebenen sich aus-
breiten, erlangte ein Eremplar und machte die erste Be-
schreibung bekannt, aus welcher besonders hervorgeht,
dafi die Grbfie weit bedeutender ist, als bei den beiden
anderen afrikanischen Arten. Die Lange des Korpers
betragt namlich 12 Fus, die Schulterhohe 6 Fup. Cha-
rakteristisch ist aufierdem die erstauuliche Breite der nicht
vorftreckbaren Schnauze, welche die Angabe der Einge-
borenen, dafi dieses Nashorn nicht, wie die anderen, zar-
tere Baumzweige, sondern nur Gras fresse, vosskommen
rechtsertigt. Der abgetrennte Kopf war von so aufier-
ordentlicher Schwere, dafi vier Manner ihu eben vom
Boden heben konnten und acht Manner nothig waren,
unt ihn auf den Wagen zu schaffen. Der Hals ist langer
als an den anderen Arten und tragt zwei tiefe, bis auf
die Brust reichende Furchen. Das vordere Horn ist sehr
lang, fast gerade, spitzig, das hintere kurz, kegelformig
und stumps, die Haut braungrau, theilweis gelblich. Au
Ohren und Schwanz stehen steife Borsten. Burchell sand
dieses Nashorn um Littaku in grofieu Zahleu, Smith
nur selten, weil seit des Ersteren Reise Feuergewehre
dort eingefuhrt worden waren und den Bitschuanas ge-
stattet hattes, ihre alte und unvosskommene Methode
aufzugeben, das Thier mit Wurfspiefien zu todteu oder
in Fassgruben zu fangen. Es ist weit weniger wild als
seine Verwandten und wird daher nicht gefurchtet und
feines wohlschmeckenden Fleisches luegen viel verfolgt.
Unter den Trummern untergegangener Generationen
vorweltlicher Saugethiere findet man Knochen vom Nas-
horn fast eben so haufig als von Elephanten; sie liegen
in denselben geognostischen Schichtungen und sind eben
so weit verbreitet. Gegeu neun Arten sind mit Sicher-
heit erkaunt und unterschieden worden. Eine derselben
(Bhinoceros tichorhinus, Fig. 677 a Schadel im Profil,
Schadel von tinten) zeichnet sich aus durch eine kno-
cherne Scheidewand, welche, die Nasenlocher trennend, zu-
gleich die Horner stutzte. Dieser Species gehorte senes
von Pallas 1771 in Sibirien am Wilhoui entdeckte Rhi-
noceros an, desseit wir bereits bei Besprechung des Mam-
ntuth gedachten. Es war gleich dem Mammuth von
Adams fest eingefroren, Hatte eine haarlose, ungefaltete
Haut und zwei Horner. Ursprunglich war es mit 1—3
Bort langem granen Haar bekleidet gewesen, Welches be-
sonders an den Fufien sehr dicht gestanden hatte. Kops
und Fufie befinden sich im PeterSburger Museum. Am
Schadel hat Cuvier zahlreiche Eigenthumlichkeiten nach-
gewiesen. An den in allen Knochenhohlen vorkommenden
Resten des Nashorns bemerkt man ost die Zahnspuren
der grofieu Hyane, die dort gleichfalls begraben liegt.
Wahrscheinlich Hat also das Raubthier die grofie und
viesseicht gradweis eingetretene Veranderung des von
uns gegeuwartig bewohnteu Bodens langer uberlebt,
als das grassressende Nashorn. Eines der reichsten Lager
von Nashornknochen enthalt das Arnothal. Die unter-
gegangenen Arten waren nicht alle von ansehnlicher-
Grofie. Eine der selteneren, von welcher nur Zahne und
einzelne Knochenstucke in Frankreich gefunden worden
sind (Rhinoceros minutus), kann kaunt grofier gewesen
sein als ein gewohnliches Schweiu. Nach Kaup Hat
diese jedoch keiu Horn besessen und Wurde daher in eine
andere Gattung fossiler Nashornthiere (Acerotherium)
gehoren, von welchen eine, dem indischeu Rhinoceros
au Grofie nicht nachsteheud, am Rheiu entdeckt worden ist.
Dritte Familie.
Klippschliefer.
IV. Klippschliefer. (Hyrax.)
Gattungscharakter: Vorderzahne oben zwei,
nitten vier, die obereu dreieckig, von einander eutfernt
stehend, zugespitzt, die unteren genahert, schief vorwarts
gerichtet, drehruud, auf der Schneide schief abgestumpst.
Eckzahne sederseits ein oberer, tinten keiuer. Backenzahue
uberall sieben, schmelzsaltig. Vorderstifie vier-, Hinter-
ftifie dreizehig; Zeheu bis an die platten oder kralleu-
artigen Nagel verwachsen. Schwanz fehlt.
Unter den Pachydermen hat keitte Gattung den alte-
ren Zoologen soviel zu schaffen gemacht als die in Rede
stehende. Betrachtet man die an das Kaninchen ern-
uernde Gestalt des Klippschliefers, so kann man es nicht
wunderbar finden, dafi die alteren, das Aeufiere vorzugs-
weis beruckfichtigendeu Systematiker den Klippschliefer
zu den Nagethieren brachten und sich nicht beikommen
liefieu, ihu in die Nahe der ungeschlachten Rhinoceros zu
stessen. Denuoch ist er mit diesen und dem grofieu Tapir
durch Bau der Knochen und Ernahrungsorgane so nahe
verwandt, dafi man ihn von diesen nicht trennen darf, so
lange man uberhaupt von dent wiffenschaftlicheu Systeme
sich nicht lossageu will. Den Laien ntag freilich die Ne-
beneinanderstellung eines Thieres von Korpergrofie des
Haasen und der riesigsten Saugethiere als Gewaltsamkeit
vorkommen, aber diese ungegrundete Anklage ist ziemlich
auch der einzige und gering zu achtende Nachtheil, welchen
die Befolgung des anatomischen Princips, als Grundlage
der Systematik, nach sich ziehen kann. Der Schadel (Fig.
678.) ist in der Profillinie demjenigen des Rhinoceros
ahnlich, aber dem des Tapir (Fig. 686.) genahert durch
die grofie seukrechte Hohe des Unterkiefers und die starke
Krummung des Hinterrandes seiites aufsteigenden Astes.
Die Verwandtschaft mit dem Nashorn ist ferner nachweis-
bar aus der Zahl und Art der Backenzahue und dem
Mangel an Eckzahnen. Am Skelett (Fig. 679.) bemerkt
man 21 Rippen au feder Seite, eine Zahl, die mit der
einzigen Ausnahine des mit 23 Rippenpaaren verseheneu
zlueizehigeu Faulthieres bei feiitent andern Saugethiere
gefunden wird. Die Nagel der bis uach voru mit einer
getneinsamen Haut eingehullten Zehen gleichen kleineu
platten Hufen.
1• Der capische Klippschliefer. (Hyrax capensis.) Fig. 680.
Die Gattung Klippschliefer ist eine vossig afrikanische,
benn selbst die nachst zu besprechende Art tragt ihren
specifischen Namen nicht mit vollent Rechte, da sie in
Abysstuien und den gebirgigen Nachbarlandern eben so
Haufig gefunden wird als in Syrien und dem uordlicheu
Arabien. Am langsken bekannt ist der von Pallas unter
bie Meerschweinchen gestellte Klippschliefer vom Cap der
guten Hoffnuug, ein Thier von der Grofie eines Kanin-
chens, aber mit weit plumperer Gestalt und kurzeren
Fufien, mit graubraunem, dichtbehaarten, nuf dem Rucken
einfach schwnrzgestreiften Felle, rundent Kopfe und kurzen