Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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tlierhanber.
Snugethiere.
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sortbewegt. Nicht fo der Affe, dessen Knochenbau, wie wei-
lerhin gezeigt tuerben soll, mit vollig senkrechter Stellung
und Fortbewegung sich nicht vertragt, vielmeHr znr teisteren
ilas die Mitwirkung der vorderen Glieder erheischt.
Zweitens ist der Gebranch der Finger bei dem Affen
beschrankter als bei dem Menschen, benn der Danmen ist
. relativ nicht Hatb fo lang und die ubrigen vier Finger
Haben nicht die gegenseitig unabhangige Bewegtichfeit wie
an unserer Hand, indem alle ihre Sehiten in eine ein-
zige zusammenlanfeil. An der menschlichen Hand gilt
dieses nnr vom vierten unv funften Finger, uber die man
dennoch durch Uebung so viet Herrschaft eftangen fann,
das; bekanntlich Klavierspieler sellst mit diesen Fingern
zu trillern vermogen. So fest nun auch die Affen einen
Gegenstand nmfassen fennen, fo viet Geschicktichfeit sie
lut Gebrauch ihrer Hanbe enttoitfetn, fo tourben sie doch
nientate atte jene einsachen ober combinirten Bewegtin-
gen ber Finger und Hand vornehmen fonnen, wetche
uns fo teicht toerben, niemats zu schreiben ober ein fnnst-
licheres Hanbwerfzeng zu fuhren Vermogen. V Selbft bie
Bewegnng bes ganzen Armes ift minber frei bei Affen
als bei Menschen, benn unser Ellbogengetenf ist so be-
schaffen, bas wir bas Ans- und Abwartsbeugen bes Armes
weit vellstanbiger anssuhren als irgenb ein Vierhanber.
3m Nebrigen bieten bie Hanbeber letzteren auch fleine Ano-
malien; Lei bem Siamang (Hylobates syndactylus)
stub ber erste und zweite Finger bis sast an bas vorletzte
Glieb Verwachsen, unb ben Klammeraffen (Ateles) sehlt
' enttoeber ber Danmen ganz, ober i st Hhchstens nur als
Anbeutung vorhanben. Niemals sinb bie Hanbe bieser
Thiersamitie zum Graben eingerichtet ober mitSchwintm-
Hanten versehen, vielniehr wirb bieses testere Geschast ben
Affen eben so wie bem Menschen sehr erschwert burch
bie Grofe unb besonbere Verbinbung bes Kopses mit ber
Wirbetsante unb bie Nothwenbigfeit, benselben mittels
Mnsfelanstrengung tiber bem Wasser zn tragen. Der
Nebergang in anbere Thiersarnitien, unb zwar burch
grabweises Zurucktreten ber bestimmenben Form wesent-
licher Organe, offenbart sich anch bei ben nieberen (Sat=
tungen von Affen bnrch Umbilbung ihrer Hanbe. Nicht
nur sind bie Finger ber Eichhornaffen (Jacchus) menig
beweglich, fonbern anch bie Nagel Krallen åhnlich; an
ben Lemuriben (Mafis) erlangen bie Vorberhånbe bas
Ansehen von langzehigen Psoten. — Die Hinteren
Hanbe verhalten sich Hinsichtlich ihrer Bestimmung
Wie bie vorberen unb stutzen nicht allein ben Korper,
fonbern fennen auch als Greisorgane angetoenbet tver-
ben; inbessen stehen sie fo fchief, bast fein Affe jemals
aus bie Sohle ober, wie man richtiger fagen follte, aus
bie platte Hanb anstreten fann, sich vielniehr nut auf
ben åuferen Ranb berfelben ftutzt. Das Ferfenbein ift
ubrigens fo furz unb bie Ferfe steht fo hech vom Boben
entfernt, bap ber Affe unsehlbar urnfallen muffe, wenn
er Versuchte, sich aus bie platte Hanb zu stutzen. An-
bere Eigenthumtichfeiten bes Banes gesellen sich Hinzu,
unr bie Vierhanber am Horizontalen Gange zil Hinbern.
3hr Beckett ist im Nerhaltnisse weit enger als im Men-
schen, wo es sur ben Statnni bes Korpers bie naturliche
breite linieringe barsteltt unb ben ansrechten Gang nicht
ullein vermittelt, fonbern zum allein naturlichen macht.
Bei ben Vierhanber,t ist bie Entfernung zwifchen ben
Gelenfpfannen fo gering, bie Lange ber Glieber aber
'o betrachtlich, baf bas Gleichgewicht im Stehen nur
mit Muhe erhalten toerben faun. Besonbers nachtheilig
Wirft noch ber Umftanb, bay sie eine vollig gerablinige
Ausstreckung bes Beittes, toie toir sie bei absichtlich sestent
Gange eintreten lassen, toegen nngnuftiger Ansugung
getoiffer Musfeln fotoie toegen Schwache unb Schmal--
I’eit ber grofen Gefafmusfeln unb Wabenmusfeln nicht
bornehmen fonnen. Wenn gleich bie grofen asiatischen
Affen, toie ber Orang-Ntan, gelegentlich ansrecht gehen,
fo gefchieht bieses nnr mit Hilse eines Stockes, unb nie-
Mals faun biese schwanfenbe, unsichere unb bem Thiere
leil'lt aus bie Daner beschtoerliche Betoegung mit bem
sreien, stolzen Gange bes zu Hoherent bestimmten unb
selbstbetouften Menschen verglichen toerben.
Als eine sunfte Hanb ober toenigstens als ein nicht
untoichtiges Betoegungsorgan barf man ben Schtoanz vieler
Affen ansehen. Nur unter ben bie alte Welt bewohttett-
ben Gattungen giebt es einige ganz ungeschwånzte, toahrenb
biejenigen Amerifa's nicht nur alle langgeschwånzt
sinb, fonbern einige an ben sogenannten Greifschwåttzeit
Organe haben, bie hinsichtlich ihrer Betoeglichfeit unb
wahrscheinlich auch ihrer Tastfahigfeit ber Hanb toenig
nachgeben. An ben asiatischen Affen ist bieses Organ
brehrunb unb ganz behaart, ost von unverhaltnifmafiger
Lange unb bestimmt, als Balaneirstange toahrenb eines
Sprunges zu bienen, nicht aber um ben Korper ausgehangt
zu tragen, wie ehebein woht geglaubt wurbe. Nnr einige
amerifanische Affen bebienen sich beS Greisschwanzes zu
biesem Zwecke; ber schwerverwunbete Brullaffe Halt sich
mit bemselben an bem Aste eines Bauines fest unb
l'leil't zum Verbrusse bes Jagers in unerreichbarer Hohe
auch bann noch Hangen, wenn ber eingetretene Tob bie
anberen Glieber bereits erschlafft Hat.
Der Knochenbau ber Affen nåhert sich zwar bem
menschlichen, allein er bietet bem genauen Untersucher
eine grofe Menge von Eigenthumlichfeiten, aus Welchen
znr Genuge Hervorgeht, baf selbst bie am nteisten Begun-
stigten unter biesen Thieren niemals von ber Natur bestimmt
gewesen sinb, als Nebenbuhler bes Menschengeschlechtes
auszutreten. Der Gesichtswinfel wechselt zwischen 65°
unb 30° nicht allein je nach ben Arten, sonbern sogar
nach ben Altersstusen einer unb berfelben Art, inbessen
bleibt immerbar zwischen ber Schabetbilbung ber am
Hochsten stehenben Affénarten unb ber rohesten Menschen-
stamme ein bebeutenber llnterschieb. Je nach ber Race
ober bem Volfsstamme, bem Grabe von Civilisation unb
von Entwickelung bes Hirnes gewahrt man an ntettsch-
lichen Schabetn ein Verschiebenes Verhaltnif ztuischeit ber
Grofe unb Molbung ber Hirnschale, ber Lange, Breite
unb bem Vortreten ber Gesichtsfnochen. Inbessen bemerft
man selbst an jenen ben Affenschabeln sich nåhemben Scha-
beln ber thiergleichen Papus (ber Ureinwohner von Neu-
guinea), an benjenigen ber Cretins (Fig. 4.) unb an
solchen, bie in ber Jugenb burch Binben unb Pressen (wie
bei ben Caraiben) entfeftt toorben sinb, eine Form ber
Kiesern unb Stellung ber Zahne, bie selbst am Orattg-
Ntan-Schåbel (Fig. 1.) unb bem bes Tschimpanse (Fig.
2.) niemals vorfommt. Die Abstufung ber Bilbung geht
am bentlichsten hervor bei Vergleichung bes Schabets
eines gebilbeten Europåers (Fig. 3.) mit bem bes Cretins
unb bes Tschimpanse; toie åhnlich bie letzteren in Beziehung
aus verminbertes Hirn unb Enge bes Hirnfastens sich
auch sein ntogeit, fo toaltet bennoch unverfennbar im Cre-
tin ber menfchliche Typus vor. Im Uebrigen erhalten
viele Assenfchabel ein eckiges Anfehen bilrch starfe Kno-
chenfamme, bie sich an ben Brauen, auf ber Pseilnath ober
auf bem Hinterhaupte erheben unb um fo mehr Hervor-
treten, je mehr bie Gesichtsfnochen sich verlangern unb bas
Profil Hunbeartig' wirb. Da folche Kamme, toenn sie
nach oben auf bem Schabet stehen,' immer bie AnheftungS-
Punfte ber Kaumusfeln sinb, fo wirb man burch ihre Aus-
breitung auf bie Starfe ber genannten Musfeln, alfo auch
auf bie Beiffraft bes Thieres schliefen fonnen unb zuletzt,
weil folche Kraft vorzugsweife in reifenben Thieren ent-
tvickelt ist unb es fein muf, aus folcher Bilbung bie An-
naherung einer gegebenen Art an ben Typus ber Weit
niebriger stehenben Naubthiere folgern. Im Grofeit wirb
bie Vergleichung bes Schabels eines Pavians mit betttje-
nigen eines amerifanifchen Affen biefe Art ber Folgerung
am Deutlichsten machen, im Einzelnen ift sie nicht minber
moglich, toenn gleich etwas fchwieriger. Als eine Eigen-
thumlichfeit Verbient Hier bie Auftreibung bes Oberfieser-
fnochens, wie sie am Manbrill erfcheint, befonbere Erwah-
nung. Sie vergrofert bas Vortreten bes Gestchts um fo
mehr, ba sie anferlich mit faltigen unb fchwieligen Kisseit
uberzogen ift. Der llnterfiefer i ft zwar meistens fast
wie am Menschen gestaltet unb auf gleiche Art in ben
Schabel eingelenft, bod; ist er verhaltnifmafig starfer, unb
in ber Gattung ber Brullaffen sinb seine anssteigenben
Aeste nicht nur von ganz ungewohnlicher Hohe, sonbern
sie stehen tinten weit von einanber ab, gleichsam als
schutzenbe Ilmgebuna bes trommelartigen Kehlfopses, von
welchem Weiterhip bie Rebe f?ht wirb. Die Jockbogen
sinb meist toenig gewolbt, fonach ber Ranm, welchen bie
Kaumusfeln einnehmen, beschranft. Eine bem Naturell
ber Arten entsprechenbe Umbilbung gewahrt man bei
Vergleichung ber Zahnbogen; bei ben hoher gestellten
Affett sinb sie wie am Menschen Halbfreissormig, bei
ben Pavianen aber ziehen sich bie Kieferåste so zusamnten,
baf bie Zahnbogen enblich eine flach elliptische Gestalt,
fast wie am Wolfe unb verwanbten Raubthieren, an-
nehmen. Die Zahne sinb ben menschlichen åhnlich, be-
sonbers bie Vorberzahne; mehr Hervorstehenb sinb bie
Eckzahne, bie an Pavianen ost eine Grofe unb Stårfe
erlangen, wie sie nnr an ben reifcnbften aller Naubthiere,
an Tigern unb Lowen vorfommt. Die Backenzåhne sinb
auf ber Kauflache mit eben so stumpfen Hockern Versehen
wie bie menschlichen, biejenigen einiger amerifanifchen
Gattungen aber tragen fcharsere Spitzen unb beuteit auf
Neigung zu animalifcher Nahrung. Die Verbinbung bes
Schabels mit ber Wirbelfgule beweist, baf fenfrechte
Stellung bem Affen nicht fo naturlich fei wie bem Men-
schen. Bei biesem befinben sich bas Hinterhauptloch und
also bie Gelenfhugel, auf welchen ber Kops sich breht,
zientlich fenfrecht unter bem Schwerpunfte bes Kopses,
toelcher baher, im naturlichen Gleichgewichte stehenb,
ohtte befonbere Anstrengnug ber Musfeln getragen
wirb. Am Schabet bes Affen steht bas Hiiiterhauptloch
weiter nach Obett unb Hinten, ber Kopf baher nicht im
Gleichgewicht unb folglich ber Unterstutzung burch Båtiber
ttttt fo beburstiger, je mehr bas raubthierahnliche Gesicht
nach vorn ein Uebergewicht erzeugt, welches bei fenfrechter
Stellung bes Thieres noch weit fchwerer zu tragen fein
tttttf, als bei Horizontaler. Die ftarfen Banber, wetche
bienen fchweren Kops tragen, beburfen entfprechenber An-
Hestungspunfte, unb begtvegen sinb bie oberett ober Dorn-
fortfatze ber Hatswirbet fo tvie bie Kåmtne bes Hinter-''
hauptbeines an Affen in einetit ant Menschen ungefannten
Maafe entwickett. Wirbetsaute unb Rippen sinb, abge-
sehen von geringenZahlenverschiebenheitett, fast ganz wie
ant Menschen, allein ber Brustfasten ist viet weniger ge-
ivolbt. Daf bie Lange ber Glieber, bie wir int Vergteich
juni YNusterbilbe bes menschlichen Sfelettes nuverhaltnif-
ntafig nennett (vergl. Fig. 5. 6. 7.), im genauesten Eitt-
ftange tttit ber Lebensweise unb ber Betoegungsart ber
Affen stehe, tverben wir bei Schitberung bes Orang-Ntan
zn gewahren Gelegenheit fittben.
Die tunere Organisation ber Affen bietet feitte Abtvei-
chungen von ber menschlichen von fotoer Erheblichfeit
vat, baf ihre Erorterung Platz finben fonnte, tuo es
sich ttttt tint Entwerfung eines altgemeinen Bilbes Han-
belt. Die Siitite der Affen sind zwar im Ganzen fchars
unb vollfomntett, allein man vermift zwifchen den eittzel-
nen jene Harmonie unb jenes Gleichgewicht, burch wetche
unter atten Mefett ber Menfch allein begunstigt unb be-
fahigt ist znr richtigen Ausnahme aller åuferen Erfd'ei-
nungett. Gertich unb Gefchmack ftehen bei ben Affen
hinsichtlich ihrer Scharse jebenfalls Hittfer ben Sittnett
bes Gestchts unb Gehores zurftck. Vorzugstveife enttuickelt
ist an ihneit ber Taftsinn, ber in einer Menge von Theilen,
in ben Weichen Fingerfpitzen, in ben Haarlofen Stelleti
bes Gestchts, in ben Herabhangenben Lippen unb in ber
Spitze bes empfinblichen Greisschwanzes, seinen Sitz finbet,
Wahrenb ber allgenteitte ober passive Fuhlsinn burch bie
bttntte Behaarung bes ganzen Korpers unb burch ben
auffallenben Mangel eigentlicher Fettablagerungen unter
ber Haut Unterstutzung erhalt.
Schott viete Naturforscher unb Phitvsophen haben sich
versuchi an ber Beurtheitung ber geistigen Fahigfeiten
ber Affen, zurnal bes Orang-Ntan, unb im gegenseitigen