Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Erste Vrd irung.
Meridianebegrånzt. Manche Familien behaupien endlich
ihre besonderetoost sehr beschrankten Bezirke, die Paviane
nur das tropische und subtropische ^Ifrita, die meisten Le-
rnuri^Madagascar; mit Ausnahme weniger amerikani-
scher und asiaiischer Arten gehoren die Beutelthiere nach
Neuholland, wo viele andere Snugethierfamilien gar
nicht oder doch sehr schlvach vertreten sind; die Guriel-
thiere, Nasenthiere und Ameisenfrefser bezeichnen die neue
Welt. Mehr noch als die regungslose Pflanzenwelt ira-
gen diese eigenthumlichen Gruppirmigeii der voilkomnien-
sten, ht dauernder Thatigkeit und Wechselverkehr befindli-
chen Thiere dazu bei, den Welttheilen das zu verleihen,
toas man treffend ihre Phystognoiiiie genannt Hat. — Zu
den ubrigen Thierelafsen und seldst der Pflanzenwelt stehen
die Saugethiere theils in herrschender, theils in beherrsch-
ter Stellung, sind aber in beiden Richtungen die unent-
behrlichen Glieder einer grohen Kette. Wie sie eingreifen
in das Ganze, wie in ihrer Organisation vielfache Abstu-
fuiigen und Verwandtschaften sich offenbaren, wird toei-
terhin an vjeleit Orten gezeigt werden, wo auch ihre Be-
ziehungen zu dem Menschen, die gemeinhin nur unter dem
Gesichtspunkte entschiedener Nutzlichkeit oder Schadlichkeit
aufgefaht werden, gewurdigt werden sollen.
Die Zahl der in der neuesien Uebersicht zigammenge-
stellten den Zoologen mit Sicherheit bekannten Sauge-
thiere betragt an 2100 Arten ; int Jahre 1788 zahlte Gine-
lin, der Herausgeber von Linns's Systein, 434 Arten auf.
Diese auherordentliche Vermehrung verdankt man den
Bestrebungen tuchtiger Forscher, die in die entlegensten
und uitzuganglichsteit Lander vordrangen, wo fast alles
Ausgefundene als neu erkannt wurde. So grohe Ent-
deckungen sind nicht ohne Einfluh auf die systematische
Eintheilung der ersten Thierclasse geblieben; indeffen be-
ziehen sich diese Veranderungen mehr auf das Einzelne
als die Grundzuge der Anordnung, die auf naturhistori-
schen Thatsachen beruhend um so weniger eine Erneuerung
erheischen wird, als die Natur Abnormes und Nnverbun-
denes nicht erschaffen hat. Man theilt die Saugethiere
ein, wie solgt:
I. Vierfustige. Vier Glieder, gewohnliche anhere
Gestalt.
1. Vierhander. Hande mit entgegensetzburenDau-
men, bei den meisten alle Finger mit Pluttnageln
versehen.
2. Flederthiere. Vordere Glieder zu Flugtoerk-
zeugen umgebildet.
3. Ruubthiere. Drei Arten von Zahnen; Zehen
mit Krallen versehen.
A. Jnsectenfresser. Zahl der Vorderzahne
schwunkend, Backenzahne nicht zusammengedruckt,
auf der Kauflache mit spitzigen Hockern.
B. ReihendeThiere. Ateist 6 Vorderzahne oben
und tinten, Backenzahne bei den uufden Zehen Ge-
Henden zusammengedruckt, beiden mit guiizer Sohle
Anftretenden mehr oder weniger breitkronig und
aufder Kauflache mit stunipfen Hockern versehen.
4. Beutelthier e. Fortpflanzung abweichend.
5. N agethiere. Nagezahne; Eckzahne fehlen stets.
6. Einhufer. Ein groher nach vorn gerichteter Huf.
7. Vielhufer. Ateist mehr als zwei Huse;
Schnauze haufig rufselformig.
8. Zweihufer. Stets zwei nach vorn gerichtete
Hufe ; Schnauze stets stumpf.
9. Fehlzahner. Ohne Vorderzahne oder gaiiz
zahnloS.
10. Flossenfuher. Hinterfuhe zu Flossen um-
gestaltet.
Erste Ordnung.
Vierhander. (Quadrumana.)
Der systematische Charakter der ersten Saugethier-
familie ist eben so einfach als augenfallig und liegt toe-
sentlich in der Beschaffenheit der Bewegungsorgane, die
nicht mit Gangsuhen, sondern mit eigentlichen Hånden
versehen sind. Auherdem kommen den Vierhandern die
gewohnlichen drei Arten von Zahnen zu, d. H. Vorder-
zahne, Eckzuhneund Backenzahne, und zwar fast in gleicher
Zahl wie dem Menschen, demi nur in der Gruppe der
umerikanischen Affen sindet sich jederseits oben und unten
ein Buckenzahn mehr als bei jeiiem, toahrend in der
Gruppe der Halbaffen hin und wieder die Vorderzahne
umzweivermehrt sind. Zitzen sind nie mehr als zweivorhan-
den und stehen auf der Brust. Alit wenigen Ausnahmen
sind die Vierhander Beivohner des Palmenklimas, wel-
ches sie nicht minder charukterisiren als die Papagaien
und Colibris, leben vorzugstveise auf Baunten, iitdein
ihr auzer Bau sie weit mehr auf eine kletternde und
springende Fortbewegung als auf den ruhigen Gang am
Boden hinweist; sie ernahren sich meist von Fruchten,
menige von Jnseeten und zerfallen in zwei Gruppen.
Erste Gruppe. Affen. (Simiae.)
Die eigentlichen Affen, deren vollkommene Arten sich
den Menschen in Bezug nuf Korperbildung nahern, Haben
vier breite, schneidende Vorderzahne, Backenzahne mit
stumpfhockerigen Kronen und, mit Ausnahme der Eich-
hornaffen, an allen Fingern wahre, den menschlichen
ahnliche Plaitnagel. Selten sind, sie von bedeutender
Grohe, demi nur der Orang-Utan, dem man ehedem
toohl Riesengrohe zuschrieb, kann die mittlere Lange
des Menschen erreichen, toahrend sehr viele kaum von
der Grohe einer Katze sind. Gewohnlich ist ihr Kvr-
perbau mehr verlangert und schlank als gedrangt zu nen-
nen, emige,,z. B. Klammeraffen (Fig. 60. 61.), fallen
vielmehr auf durch abenteuerliche Magerkeit des Korpers
und lange dunne Glieder. Auf der obern oder Rucken-
seite sind sie gemeinlich mit dichtem aber feinen Haar
bedeckt, besitzen aber als Bewohner vorzugsweis Wariner
Klimaten nicht jenes iveiche Wollenhaar zunachfl der
Haut, toelchesvom Grannenhaar gewohnlich uberdeckl, die
nordischen Thiere gegen die Unbildeii eines rauheren Him-
mels schutzt. Oft ist dieses Haar sehr lebhast gefarbt, so
an dem goldbraunen Brullaffen (Fig. 65.), oder von
einent ungewohiilich blanlichen oder gar grunlichen Co-
lorit wie an mehreren Pavianen. Die U^terseite des
Korpers ist in der Regel sehr dunn behaart, gewisseTheile
des Korpers sind nicht selten sogar ganz itackt und in
diesem Falle mit einer verdickten, meist lebhast gefarbten
Haut uberzogen. Dergleichen schwielige Hautstellen lie-
gen bei mehreren Affen der alten Melt um das After
herum, erstrecken sich bisweilen etwas an den Schenkeln
hinab und erscheinen bei Pavianen, denen auherdem noch
ein nacktes, ungemein buiites Gesicht zusteht, blau oder
roth, 5uniiil zur Zeit der periodisch wiederkehrenden
geschlechtlichen Erregung. Der Kops der Affen ist zwar
rund, allein dennoch mit dem menschlichen nicht zu ver-
gleichen, ausgenommen iin fruhesten Lebensalter. Hat
der Affe dann allerdings ein dem Kinde nicht unahnliches
Profil und einen Gesichtswinkel von vortheilhafterer Art
als der Neger, so verandert sich dieser Schadel mit zuneh-
mendem Alter immer mehr, und wie die thierische Natur das
Uebergewicht gewinnt, der reifende Affe immer wilder und
unzahmbarer wird, so entwickelt sich auch der nittere Theil
des Gesichtes. Die Schnauze, das tiiedrigste der am
Schadel vorhandenen Organe, tritt hervor, die Stirn weicht
in demselben Verhaltnisse zurtick, und die Physiognomie
nimmt den brutalen Attsdruck an, der keinem Affen, selbst
dem geruhmten Orang-Utan nicht fehlt und am Wider-
wartigsten auffallt in den mit einer wahren Hundeschitauze
II. Zweisuftige. Hinterfuhe fehlen; Korper fisch-
sormig.
versehenen toilden und gefahrlichen Mnndrillen Afrikas.
Nie Hat die Physiognomie der Affen eltons Edles, toie-
toohl sie von Sanftmuth zeugen kann tind soitst auch
manche Affeete auf ihr sich lebhast auspragen. Immer
fehlt die freie gebietende Stirn des Menschen, denn der
Haarwnchs reicht bis fast an vie Bratien Herab. Das
stets unbehaarte Gesicht ist oft auf so abenteuerliche Art
geschmuckt, dafi inait an bemalte Milde denkett inochte,
kilpferbrauit, blau, roth oder mihfarbig, oft mit einent
Kranze buschiger Haare von der abstechendsten Farbung
eingefaht oder durch Barte stark gehoben, toahrend das
Kopfhaar, "in ungewohnlicher Richtung toachsend, bald
Horiter an der Stirn, bald eine gescheitelte Perrucke
oder einen Kamin darstellt, bald wie eine schirmartige
Ausbreitung den Oberkops umgiebt. Die Augen stehen
nahe beisammen, sind måpig groh und haben einen klugen,
oft tnckischen Ansdruck. Da die Nase in den meisten
Fallen platt, die NnsenlLcher weit und rund sind, die
Lippenraitder fehlen und daher die gewaltigeit Eckzahne
fletschend Hervortreten, die Gestchtszuge aber allezeit
hahlich erscheinen und int besten Falle nur an das Antlitz
eines durch lange Leiden aufgeriebenen Greises erinnern
tonnen , so inochte ein fniherer Naturforscher wohl mit
Recht sagen, dah ihin der Affe stets wie eine Carricatur
auf den Menschen oder doch wie eine ntihgluckte Copie
desselbeit vorgekommen sei. Auch dem ubrigen Korper
fehlt das Verhaltnihmahige, was der menschlichen Ge-
stalt so viel Achtniigsgebietendes verleiht, denn die ganze
Bestimmung der Affen erheiscku eine GUederung, die
stch mindestens mit den Begriffen nicht uertrågt, toelche
toir vom Ebenmaahe der menschlichen Gestalt Hegen.
Der Rucken ist gekrummi, und daher vermag keitt Affe
sich ganz so gerade ailszustrecken wie der Mettsch. Die
Schultemsind hervorhangend, die Glieder lang, die oberett
ztinial nteist langer als der Stainni, dieiinteren aber erin-
ttern durch ihre Dunne und den Mangel an Maden an
diejenigen der niedrigsten Menschenrace, der neuhollån-
dischen. Die Stellung der Affen kann wohl nuf grohe
Stnrke, nuf viele Gewnndtheit denten, nlleitt ihr Ansdruck
bleibt stets eben so gentein als derjenige aller ubrigen
Geberden, gleichviel ob diese durch Freude oder durch
Schinerz hervorgebracht tourden.
In dem Besitze der Haitde theilt iiidesseit die grohe
Fnntilie der Affen ein toirkliches und unschatzbares Vor-
recht mit dem Menschen. So wichtig erscheint dieses bei
gennuer Erwagung, .dafi die systematische Trennnng der
Affen von allen ubrigen Snugethieren gerechtsertigt sein
wurde, toenn auch soitst nicht ein einziges unterscheiden-
des Merkmal stch darbote. Der toesentiiche Unterschied
ztoischen Hand und Fuh besteht, abgesehen von Verschie-
denheiten osteologischer Art, in dem Verhaltnisse des
Dauntens zu den ubrigen Fingerit und in der Eiitleit-
knitg desselben. Nicht nur ist derselbe relativ langer als der
erste Finger des Fuhes oder die grohe Zehe, svitdern er
steht auch nur nicht vollig gleicher Linie mit den ubrigen
Fingern, vielmehr tiefer als dieselben, ist auherdem mit
einer weit sreierett Bewegung versehen, kann nantent-
lich bedeutend zuruckgebogen oder auch den Fiitgerit
entgegeitgesetzt werden. Die letztere Bewegung verniit-
telt das Greifen unv erhebt die Hand zu einent Organ
von sololier Michtigkeit, dah schott die Alten mit Bewttn-
deruitg tiber sie sich nussprachen und beruhinte Philo-
sophen den Grund uitserer Herrschast ttber den Meltkreis
in dein Untstande sanden, dah misere Hand zusolgebeson-
derer Structur fast Alles auszufuhren verntng, was misere
Jutelligenz nus eingiebt. Sowie nun aber die letztere,
als ntenschliche genommen, nicht entfernt den Affen zu-
steht, so ist auch die Hand der Quadrumnnen weit
unvollkommener als diejenige des Menschen. Einmal
ist schon ihr freier Gebrnuch int Allgemeinen weit be-
schrankter, denn nur der Meitsch ist ein eigentlich ztoeifu-
f;igeg juni nufrediten Gange ausgerustetes und bestimin-
tes Geschopf und allein int Stande, seine obern Glieder
frei zu branchen, toahrend er sich mittels der unteren