Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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pidignitter.
Saugethiere.
191
sonach die Gruppe der Pferbe, wenn man streng zu
Werke gegt, nicht unter die Pachydermen im engen Sinne
ordnen nnd ergSlt durch sie einen neuen Betoeis, wie
Wenig die sotoogl in naturhistorischen Sannnlungen als
in systematischen Aufzsthlungen des Tgierreiches unver-
meidliche geradlinige Aneinanderreihung der Natur ent-
spreche. Koniite man die ideale Anordnung nach den
Verwandtschastsgraden praktisch befolgen, so wurde
allerdingS das Pferd einen ganz underen Platz erhalten
mussen, als denjenigen, welchen man ihm jetzt anweist;
es ntugte ut Beruckstchtigung seiner Sugeren Schongeit,
seiner vielen vortrefflichen Eigenschaften und der Voll-
kommenheit seiner Organisation mindestens an der Spitze
der Pachydermen stegen, allein es wurde dann mit ande-
ren Gruppen noch weniger verbunden erscheinen als in
seiner gegentoSriigen Stellung.
Die Sugere Korperform bleibt, geringe AbSnderungen
einzelner VerhSltnisse abgerechnei, in der ganzen Gruppe
dieselbe, benn felbft in den kleineren Arten, wie dem
Esel, ist die Grundgestalt des Pferdes unverkennbar, die,
als durchaus bekannte, eine weitere Beschreibung nicht
bebarf. Im Pferde erreicht sene Korpersorm allerdings
die hochste Ausbildung; ihre Betrachtung erweckt den
Gedanken an Krast mit Beweglichkeit verbunden. Der
Bau ist-nicht allein stark, sondern auch der Erhaltung
des Gleichgewichtes sehr gunstig, indem die Hoge au
Schulter und Kreuz der LSnge des Stainmes von der
Brust zum Kreuz ziemlich gleich komtul, die Schultertt
durch einen toetten Brustkasten geschieden, Hals und
Kops leichter .sind als bei den gehornten Wieberkaitern
nnd uberhaupt Symmetrie in allett Theilen Herrscht.
Der Runtpf ist ztoar ziemlich dick, allein er hindert nicht
bie Leichtigkeit und Anmuth der Betoegungen. Das
Pferd ist uberhaupt das einzige Thier, in Welchem diese
legteren Eigenschaften mit ausegnlicher Korpermaffe ver-
bunden angetroffen toerdett. Die Laugeuvergaltnisse und
die Verbindung der einzelnen Knochen des Fuges, die
Bander und besonders die Muskulatur besfelbett (Fig.
737.) sichern eine ebett so schnelle als ausdauernde Be-
Wegung und sind daher oftmals zum Gegenstande sehr
genauer vergleichend-anatomischer Studien erhoben toor-
dett. Von groger Wichtigteit ist fur jetten Ztoeck die
Zusammenziehung der bei allen anderen LandsSugethieren
mehr oder toettiger getheilten Zehen in eine einzige, mit
einem Hufe rings umschlossene, die, der Theorie nach,
aus ztoei an ber inneren Seite vertoachsenen besteht.
Die Zehe selbst (Fig. 734k-m) ist dreigliederig, ihr Kno-
chen ist ettoas plaitgebruckt, allein in ber LSngslinie
egne erkennbare auf Vertoachsung deutende Nath. Im
getneinen Leben nennt man das unterste Zehenglied (Fig.
734 k) das Fesselbein, das mittlere (1) das Kronbein,
das vordere (m) das Hufbein. ^lit dem unteren Ende
des Mittelfugknochens stehen die verdruckt kuglichett
Sesambeine (Fig. 734 >>), als Rollen, uber toelche die
Vengemuskelit der Zehe sich ausspannett. Ztoischen dem
Mittelfugknochen und dem llnterschenkel (Fig. 734 °) lie-
gen die Fugtourzelknochen (d «) und das Fersenbein ( f),
an toelches die Segne des grogen Streekmuskels, bie
sogenamtie Achillessehite, befestigt ist; bie Knochenscheibe
(b) besindet sich an igrent gewognlichen Orte vor dem
unteren Ende des Oberschenkelknochens ('). Der Huf,
ein sehr toichtiges Organ, bestegt aus 400 — 500 BlStt-
chett von Horn unb soli eigentlich die Gestalt eines schief-
abgestutzten Cylinders gaben. VernachlSssiguttg, schlech-
ter Beschlag oder Weiche des Hornes, die sich durch toeige
Farbe deffelben verrSth, geben ihm ost eine ziemlich
niedrige, breite unb platte Gestalt. An ber unteren Seite
bes Hufes oder der sogenannten Sohle ist das Horn
nicht von gleicher HSrte, und uberhaupt fegen sich die
Sugeren WSnde des Hufes nicht horizontal fort, viel-
ntehr liegen auf ber unteren Flache nach Hinten abge-
sonderte Schichten toeicheren Hornes unb in der Mitte
ein ebenfalls sehr biegsameS, gabelformiges Horustuck
(Strahl). 3nt Laufe sollen diest elastischen Schichten,
die sich zum Theil Hartgetoordenen Schwielen durch ihre
Beschaffenheit nShern, den Boden berngren und in Ver-
bindung mit der ElasiicitSt des Trittes, die atts der
schiefen Stellung der Fugknochen zu einanber, zumal
aber ber Zehe zum Mittelfugknochen entspringt, ben
Stog abstumpfen. Es geht aus dieser einsachen Dar-
leguttg hervor, dag ein Beschlag der Natur ganz zutoider
ist, der so hoch vorragt, dag jette naturlichen Stogkissen
den Boden nie beruhren fennen, unb dag aus der Art,
toie ein Httfschntied seitt Amt verrichtet, leicht auf seitte
Kenutuig von dem Batte und der Bestituntttug des Pfer-
dehufes geschlosseu toerdett fenne. An dem Skelette
treteu sehr ztoeckmSgige VerhSltnisse Hervor (Fig. 735 1
erster Halstoirbel oder Atlas, b vordere Halstoirbel,
° Brusttoirbel, ^ Ruckentoirbel,' Beckentoirbel/ Schtoanz-
tvirbel, 6 Schulterblatt, b Oberarnt, ' ttitterarm, k' Fug-
tourzelfuochen, "1 Mittelfugknochen, ° Fesselbein, °>">
Zeheuglieder, 'Dartubein, °Sitzbein, 1 Oberschenkel,
" llnterschenkel, "Wadenbein, " Spruugbeiu, 1 Fug-
tourzelknochen, y Mittelfugknochen , z Sesambeiu.
Das Gebig der Pferde (Fig. 738.) verhSlt sich im
reifen Alter, toie im Gattungscharakter augegebett toerdett
ist; ttur eine Art, der Dschiggtai aus Hochasien (E(|utis
Hemionus), soll sechs ZSHne toeniger gaben als alle
andere. Die Gestalt der Backenzagne ist bei den jetzt
lebeuden fast ganz gleich, bei den vortoeltlichen scheint
die Krone int VergSltnisse ettoas schmaler. Die uber
die Kattflache vortretenden Schmelzfalteu lassen Ztoi-
scheurSume, die man der Beguemlichkeit tvegen galb-
moudformige nennt, die aber in igren Umrissen schtoer
zu beschreibeu sind. Die brei vorderen Backenzagne toer-
den getoechselt. Die EckzSgne feglen den Sittien, einige
Arten ansgenemmeu. Ztoischen ignen unb den Backeit-
zSgneit besindet sich ein leerer Rattnt, der den Munb-
toiukelu eutspricht und zur -2(nbringung des metallenen
Gebisses beuutzt toird, durch toelches es dem Meuschen
gelingt, das eben so krSftige als toiderspenstige Pferd
zum Gegorsam zu ztoiugen. Der Darntcanal ist von
betrSchtlicher LSnge, ber Magen aber einfach, obgleich
bie Nagruug, bie nie toiebergekanet toirb, uur aus Pstan-
zen bestegt. Matt barf im Allgenteiiteu bie Sinne fur
scharf unb vollkotutueu erklSreu. Au ben grogen, niittel-
ntSgig gervorstegeuben Augen bemerkt man, toie an jegr
vieleu anberett Grasfressern, bie Pupille in ber Form
eines qtternber lSttgerett Viereckes. Alle Arten ber Gat-
tung segett scharf unb ztoar aucb bes Nachts, obgleich
sie keiite eigentlichen Nachttgiere sinb. Die Augen stegen
im VergSitniffe roeit nach ginten unb ben Seitett, toSg-
renb sie bei Saugetgiereu gogerer Orbitungeu megr in
ber Ebene bes Gesichtes liegett. Au ben Bilbtoerken ber
classischen Volker ist biese charakterische Stellung eines
gochtoichtigeu Sinnorgattes fast ubertriebeu roerben; es
mug bagiitgestelli bleiben, ob bie von Einigen attsge-
sprocheue Austcht richtig sti, bag ber Kunstler gier ebenso
toie bei Darstellung ber unnaturlich vorgebogenett Stiru
bes eapitolinischen Jupiter burch eine naturgistorische
Anschattttug geleitet toorbeu sti unb beabsichtigt gabe,
bas bezeichuenb Tgierische gervorzugebeu, toie am Herr-
scher bes Olymps bas Ebelste bes Menschenantlitzes.
Die Sugeren Ogren besitzeit nicht allein eine anseguliche
Groge, souderu auch viele Betoeglichkeit. Vielleicht ist
ber Horsinn noch schSrfer als ber Gesichtssiun; toettig-
stens beobachtet ittait, bag alle Arten ber Gattuug bas
geringste unbekannte GerSusch bemerkett unb gespaitut
gingorchen, eine soust nur besoubers furchtsame unb
toegrlose Geschopst bezeichuenbe Eigentgumlichkeit. Sie
sucheit nicht ntiuber burch ben Gerttch Vorgauge ober
Diuge zu erforschen, bie igr Migtraueu ertvecken, eine
Erscheinttttg, bie an sich fchou 511111 Schlusse auf einen
scharfen Riechsinn berechtigen tourbe, legrte nicht anato-
ntische Unterfuchung ben zusamntengesttzten. Bau bes
betreffenben Organes fennen. Die Naseitmuschelu sinb
lang, bie Nastnlécher grog unb betoeglich, seitlich ange-
bracht unb nicht burch eitt breites, brustges Kissen ge=
schieben, toie an Raubtgieren unb WieberfSuerit. Die
breite unb betoegliche Oberlippe scheint gSufig bie Stelle
eines Tastorganes zu vertreten unb bient mindestens stets
zum Erfasseu des Futters. Wie seitt ber Geschmack bes
zagnteit Pserbes fei, toie eine unangenegtye Beimischung
sogleich Vertoerfung bes Futters gerbeifugre, ist allge-
gentein befanut; auch bie to ilben Arten scheinen bttrch
gleiche SchSrse bieses Sinites sich auszuzeichueu unb in
ber Wagl igres Futters mit Vorsicht zu Werfe zu gegett.
Alle kommen iu ber Beschaffeugeit ber Haiit ttberein, bie
allezeit glatt, ogne Fallen unb Warzeu, mit schlich-
tem, straff anliegenbett Haar bekleibet unb ber Sitz eines
fegr feiiteu Gefugls ist. Die geringste Berugrung toirb
empfttnbeu unb briitgt ein schnelles Ziicken ber berngr-
ten Stelle gervor. Das Haar ist in ber Regel toeich unb
kttrz; nur aus bent Nakken unb am Schmanze erreicht es
bebeuteube LSnge, Dicke unb HSrte, toirb bort zur MSgne,
gier zum Schtoeist ober zur enbstatibigeti Quaste. Die
auffallige StSrke ber Stintme gSngt mit bent Batte bes
Keglkopfes zusammen, toelcher ztoischen seineit Kuorpeln
brei zur VerstSrkuug bes Laittes bienenbe Heglen ein-
schliegt, bie nicht bei allett Arten von gleicher Groge
unb gleichem gegenfeitigen VergSltniffe sinb, bei bent
Pserbe 5. B. sich aubers vergalten als bei bent Esel
unb netgtoeubig auch ben Ton ber ubrigetts gleich
starken Stintme abSuberu muffen. Obtoogl aubers ge-
bilbet als bie trommelartige Auftreibung beS Keglkopfes
ber Brullaffen, erfullen sie boeg einen ganz Sgttlicheti
Ztoeck.
Lllle tvilbe Arten bieser Gattung gegoren Mittelafien
unb Afrika au, sinb selbst in bent erstereu Weltigeile auf
einen vergSltnigntSgig engen Bezirk, bie Hochebenen
bes Moitgolettlanbes unb ber Tartarei, beschrSnkt, feglen
in ben aubereu Weltigeilen ganz, gaben aber in ber Ur-
zeit zu ben roilben Betoognern Europa's gegårt, toie
igre segr gSufigen fosfilen Reste betveisen. In ber all-
gemeitteif Fortn gleichen sie ztoar bett zagnteit Pferben
von mittelgrogen tiitverebelten Raffen, nicht aber in ben
Einzelitgeiten, z. B. in ben VergSliitiffeit mancher Tgeile
bes Knochengernstes, ber Bilbung bes Schtveifes unb
ber MSgne unb ber FSrbttttg. Auf biegen Verschieben-
geiteu berugt vie Trennung in gerabe nicht zaglreiche
Arten. Die Farbe toechselt segr, iitbesseu iitacht sich, mit
Aiisitagtue bes zagnien Pferbes, bei allen Arten eine
grogere ober gerittgere AnnSgerung an zebraartige Zeich-
iittitg bemerklich. Die Sitten scheinen in ber ganzen
Gattuug ziemlich biefelbett zu seitt. Lille Pferbe galten
sich in zaglreicheu Heerben zusammen, bie tinter ber Lei-
tung von einettt ober megreren besoubers starken unb
mutgigen Hengsten gin- unb gerwanberu unb sich gegen
bie grogeren Arten von Katzen unb bie Wolfe vertgeibi-
gett, bie es allein toagen, sie anzugreiseu. Sie fresseit
eigentlich uur Gras unb niebrige Krauter, benn bag
bas zagtite Pserb bei Korneruagrung bestegt, ist Folge
feitter seit uitvorbenflicheii Zeiten begonnenen Suftur.
In LSnbern, too man euttveber aus bie Pserbe keiite be-
svnbere Sorgkalt weitbet, ober bie europSischen Geirai-
besorten nicht anbauet, tritt bas naturliche Vergaltnig
ein. Man treibt bie Pferbe aus bie Weibe unb uberlSgt
es ignen, sich das Ftitter sell'st zu sucheit. Die Saanteu-
foruer toerden nicht alle verdauet, souderu gegen theil-
toeis durch den Darntcanal, ogne igre Keimfagigkeit
verloreu zu gaben. Wilde Pferbe irageit gierburch zur
Verbreitung von Pfianzen bei unb tonnen itu Laufe
ber Zeit eine ursprunglich burre Wufte mit Vegetation
versegen, bie igrerseits ben Boben verbessert unb enblich
auch sur Meuschen beroognbar macht. Der Englander
Bartlett gat beobachtet, toie Patagonien burch gertint-
streifeube Pstrbegeerbeit strichiveiS fein uit toirigliches
Ailsegen verlor. Wagreub bes Grasens sinb tvilbe Pfer-
bearten ttiemals sorglos unb toeittt auch nicht alle so
schett toie bas Zebra, boch nicht leicht 511 uberraschen;
sie schlastn toenig, legen sich fast ttiemals nieber unb
finbeu tgeils in biesett Getoogitgeitett , tgeils in igrer