Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Snugcthicrc.
Achte Vrdituttg.
Gestillgkeit volten Schutz gegen Ueberrafchniigen. Einige
Arten ziehen offene Ebenen, andere felsige, theils fogar
bergige ©egenben juni Wohnorte vor; bie wenigsten
Halten sich in Walbern auf. Gegen bie Witternng nnb
Warmeverhaltnifse ihrer Heimathen beweisen sie sich
meistens fehr unempfinblich; bie asiatischen Arten ertra-
gen bie furchibarsten, bas Continentalklima bezeichnenben
Kastegrabe, ohne je nach Suben zn wanbern, nnb ziehen
sich allein in geschutztere Thaler, unt bort ein sparsames
Futter nnter bent Schnee hervorznscharren. Selbst am
gemeinen Pserbe ist biese Unempfinblichkeit nachwUsbar,
benn es ertragt, wenn es nicht verweichlicht worben, eine
Kalte, ber ziemlich jebes anbere Thier erliegi, nicht min-
ber aber auch bie gluhenbe Hitze bes norblichen Afrika
nnb Jnbiens. Die tu ilben Esel snchen bie burrsten nnb
heihesten Felsgegenben znm Wohnorte auf, Halten aber
niebrige Temperaturen nicht ans. Die Gruppe ber ge=
streiften Pserbe, ber Zebras nnb Quaggas, lebt in einer
ber helhesten Erbgegenben, unb bennoch sinb einzelne
schon ost nach Europa gebracht worben unb haben bei
mittelmahiger Vorsorge ben norblichen Winter gut nber-
stanben. lleber bie intellectuellen Fahigkeiten ber Thiere
bieser Gruppe lastt sich etwas Allgemeines nicht wohl
sagen, weil nicht uber jebe Art genauere Beobachtungen
vorliegen unb bas in bieser Hinstcht Bekannte eine groHe
Ungleichheit gewahren lasit. Am Hochsten burste inbessen
bas zahme Pferb stehen, welches in Fahigkeiten bem
Hunbe tuenig nachgiebt, ein fast eben fo genaues Ge-
bachtnih hat wie bieser, fast eben so viete Spuren einer
oirt von Urtheilskrast zn Tage legt nnb ungeachtet ber
Hausig nur 5u rohen unb grausamen Behanblung Wohl-
wollen, Anhanglichkeit nnb Ebelmuth anhert.
Obgleich bie Gattung ber Pserbe nicht sehr artenreich
ist, so fann man sie boch in folgenbe brei Gruppen thei-
len: 1) Eigentliche Pserbe; Schwanz bis zurWur-
zel langhaarig; gleichmahig abfalfenbe Mahne; Hoher
Wiberrist; Huse runb; (Fig.739.) zwei Zitzen; Stimme
wiehernb; 2) Esel; Schwanz mit enbstanbiger Haar-
quaste; Siirn gewblbt; Nasenlocher weit nach vorn ge-
ruckt; Wiberrist niebrig; ungleiche, kurze, aufrechte
Mahne; lange Ohren; Sohle bes Huses oval; zwei
Zitzen; Farbe silbergrau, mit bunklerem Ruckenstreif;
Stimme ubelflingenb, nicht wiehernb; 3) Zebras;
Schwanz balb wie bei bem Pserbe, balb wie am Ejel;
Wiberrist mittelhoch; Ohren lang unb breit; Mahne
einen aufrechten Kamnt bilbenb; Sohle bes Huses vorn
oval, hinten viereckig; Fell weisilich ober rothlich, regel-
måsiig schwarz gestreist; Zitzeit zwei ober vier; Stimme
verschieben.
I. Das Pserd. (Equus Cahallus.) Fig, 743.
Die Frage nach bem eigentlichen Vaterlanbe bes ge-
gentvartig uber bie ganze Erbe verbreiteten unb in un-
zahlige Rafsen unb Spielarten zersallenen PferbeS ist
noch immer nicht gelbst, obgleich 3lei|enbe, Zoologen
unb Geschichtforscher eifrigst bemuht gewesen sinb, That-
sachen zu fammeln, zusammenzttstellen unb aufzuklaren.
Es bleibt namlich immerbar zweiselhaft, ob bie frei
Herumstreifenben Pserbeheerben mancher fast unbetvohn-
ten Lanber wirklich wilbe ober nur verwilberte sinb. Fast
scheint es, als ob bie Voraussetzung ber Verwilberung
bie wichtigeren Grunbe fur sich habe, unb bag man so-
nach ein voKig reines, von ber menschlichen Einwirkung
frei gebliebettes Stammthier nicht mehr fenne. Zufolge
einer alten Ueberlieferung ware Mittelasien bas eigent-
liche Vaterlaub bes PferbeS nnb bieses bort noch jetzt
in feinent naturlichen Zustanbe anzutrefsen. Forster unb
Pallas wollen zwar bie Mbglichkeit eines solchen Vor-
kommens ntchi ganz leugnen, sinb aber entfchieben ber
Meinung, basi minbestens innerhalb ber Granzen bes
rufsischen Reiches wirklich wilbe Pferbe nicht eristiren,
unb basi bie zwischen bem llrat unb ber Wolga Herreu-
los herumstreifenben von zahmen abstammen unb in
ihrettt Ansehen sich uberhaupt ben gewbhniichen russischen
Rassett itaherit, wahrenb bie weiter bstlich unb bis nach
Bokhara verbreiteten ben Charakter ber nnter ben Kir-
gisen unb Kalmucken gebrauchlichen Rassen irageit.
Giebt es uberhaupt wirklich wilbe Pserbe, so tvirb i Hr
Vaterlaub viet weiter ostlich unb zwar auf ben Hoch-
ebenen zu fuchen seitt, bie zwischen bem kleinen Altai,
bem Himataja unb Hinbukusch, steltenweis 16000 Fuh
uber bem Ocean liegenb, bie Sanbwuste von Gobi mit
einbegreisen, aber noch von feinent Europaer betreten
worben sinb. Man faun nicht anbers als mit grosiem
Misitrauen bie Erzahlungen von wilben Pferben lestit,
welche in verhaltnisimahig netten Zeiten einen grosien
Theil beS ostlichen Europa, z. B. Polen, bie Ufranc
unb bas Steppentanb, bewohnt haben sollen. Der Ge-
banke an eine bort eingetretene Verwilberung ber Pferbe
brangt sich auf bei Erinnerung an bie geschichtlich nach-
gewiescnen Hin- unb Herzuge grosier Volferntasfeit, bie
wie bie Jnbogertnanen, Hunnen, Bulgaren, Magharen
unb Tartaren burch jene Lanber ihren Weg nahnten
unb zahlreiche zahme Pserbe mit sich fuhrten, bie nicht
felten enttaufen ober fonst verloren gegangen sein mogen.
Die Tartaren unb Kosakken haben keine Ketininih von
ber Streitfrage, unterscheiben aber zwischen Tafsa ober
Muziit, verwitberten Pferben, unb T arpan (Fig. 740.),
bie sie als wirklich wilbe ansehen. Die letzteren bilben
mehrere Hunbert Stust zahlenbe Heerben, bie wieberum
in kleiite, nnter ber Leitung eines starken Hengstes stehenbe
Gesellfchaften zerfallen. Mur in ben bstlichsten, ber chiiie-
sischen Graitze nahen Gegettben ber Tartarei erscheint
ber Schlag reitt unb gleichartig; je weiter nach Westen
unb je ttaher bet? Sitzen einer starteren, viete Pferbe
Hattenben Bevotkerung, unt so unreiner unb verntengter
isi sener angeblich ivilbe Stamm. Die Tarpatt Wahleit
zum Anfenthaltsorte iveite, offene, Hochgelegene Steppen,
wanbern grasenb in tangen Reihen unb gegen ben Winb,
sinb scheu unb aufmerksam, blikken mit hocherhobenem
Kopfe Hausig unther unb besitzen ein fo scharfes Gesicht,
basi sie bie uber ben bebufchten Horizont in grosier Ferne
Hervorragenbe Lanzenspitze eines Kosakken ertennen. Der
Hengst macht von Zeit zu Zeit bie Nttitbe unt fritte Fa-
milie unb bulbet in bersetben seliett jungere, aber ertvach-
fene Hengste, bie ben Geseltschasten in einiger Entfernung
folgeit mussen, bis sie Gelegenheit finbett, sich eine eigctte
Familie zuzulegen. Falst ber Heerbe irgenb Etwas auf, so
macht sie Halt, verrath aber keine besonbere Uttruhe unb
sctzt ben Marsch fort, wenn ttichfs Ungewohnliches sich
5titragt. Wenn aber ein junger, bie Heerbe einfant beglel-
teitber Hengst Verbacht fasit, zn schnauben unb bie Ohren
rasch zu bewegen beginnt, mit hochgehaltenem Kopfe
unb gerab ausgestrecktem Schweife nach einer bestimmien
Richtung trabt, unt etwas Verbåchtiges zu reeognos-
eireit, fo wirb bie ganze Heerbe aufmerkfam; sie gatoppirt
mit erstaunlicher Schnelligkeit bavon, fobalb jetter ztir
Warnung ein besonberes gettenbes Gewieher erschailen
lasit. Die Hengste bilbeti ben Nachtrab, Halten bisweilcn
cittett Augettblikk, unt zuruckzublicken, unb schutzen, Front
machenb, nothigenfalls bie Stuteii unb Fohlen, bie nut
untruglichem Instinkt ber nachstett Vertlefung bes Bo-
bens zulaufeit, unt sich zu verbergen, ober hinker stachen
Erhohungeit wie burch Zauber verschwinben unb nur
erst in grosier Entfernung unb zwar tinter bem Wittbe
bes Feinbes wieber sichtbar iverben. Baren unb Wolfe
sotgen bisweilcn ber Heerbe, wagett aber nicht, sie anzu-
greifen, benn ber Leithengst eilt solchen Feinben ;ogleich
entgegen unb schtagt sie, inbent er sich hoch emporbaumt,
mit ben Vorberfusieu nieber. Sollte bieser Vorfampfer
unterliegen, so tritt sogteich ein anberer Hengst an seitte
Stelle, unb alle vereinigen sich zum gemeinsatnen Angriffe,
sobatb eine Truppe von Wolfen bie Sitttett bebroht,
welche unt bie Fohlen einen Kreis bilbett. Raubthiere
erfangen baher gegen sie ntemals betrachttiche Erfotge
unb kbnneit sich hochsteits vereiiizetter Nachzugler ober
alter unb kranfer Jnbivibuen beinachtigen. Der Leit-
hengst behalt ubrigens bie Herrschaft nur so tange, ato
er start genug ist, sie zu behaupten, unb ist oft gestvuit-
gett, mit jungeren Nebenbuhlerit zu kampfen. Der ttn-
terliegenbe Theil wirb aus ber Heerbe ansgestosien.
Aechte Tarpan-Pferbe sinb nicht grosier als gewohnliche
Maulthiere, stets ntehr ober minber lohbraun gesarbt, •
biSive,Hen fast isabellgetb ober maufegran, Uebergange,
bie burch Lange ober Verminberung bes weisilichen Ober-
haares entsteheti, welches tut Nachsominer Hervorkbmint,
int Winter eine schutzenbe Decke abgiebt unb lut Mal
abgeworten tvirb. Das Winterhaar i ft nicht altein lang,
fonbern liegt auch fo bicht, bah es tut Ansuhlen eiitent
Barenfelte gleicht; es fallt zwar im Sommer aus, boch
bleibt ein Theil auf Rucken unb Krettz stehen. Der Kops
ist nicht grosi, bie Siirn fehr gewblbt, bie balb langen,
balb kurzen Ohren stehen weit Hinieit, bie kleinen Augen
haben einen boshaften Ausbrutt. Kiittt unb Lippett
trageit tange Borsten; auf bem etwas bunnen Hatfe er-
Hebt sich eitte struppige Mahne, bie, wie ber Schweif unb
bie Haarbuschel bes Fusigelenkes, schwarz gesarbt ist.
Der Schweif relcht nur zum Hakken bes Hiiiterfuhes
unb befteht aus grobent, etwas frauseit ober tvellenfor-
mig gebogenen Haar, welches ben Schwanz bis an feine
Witrzel beflelbet. Kreuz unb Wiberrist sinb von gleicher
Hohe, bie Huse schntal, hoch unb etwas spitzig. In Hat-
tung, Bewegung unb allgenteinent Ansehen erinnert ein
Tarpatt ntehr an ein storrisches unb unbanbiges Biaul-
thier als an bas eble Pferb, wie es in bevolkerten Ge-
geitben ats gutgezogener unb zuverlafsiger Diener bes
Menfchen erscheint. In voltiger Reinheit ivcrbeit biese
wilben Pferbe nur am Karakum, sublich vom Aralfee
an bem Flusse Toin, im Gebiete ber Kalfas, ben Einoben
ber Mongolel unb in ber Wufte Gobi gesunbeit. Jnner-
Halb ber russischen Granzen kommen zwar, zuniat tit
ber Nahe fester Nieberlassungen, ebensalls einzelne Heer-
ben vor, altein sie verrath en Verntengung mit entlaufe-
nen gewohnlicheit Pferben theils burch bie Bunthkit
ihrer Farbuttg, theils baburch, basi sie bie Nahe menfch-
licher Wohnuttgeit eher fuchen als Vermciben. Die
wirklich wilben Tarpatt wanbern itu Sommer reget-
titahig nach Norben, bis lu betrachtstche Eniferttungen,
unb fehrett int Herbste nach Suben zttrutt. Sie ertragen
Gesangetischaft nicht tange, fonbern sterben Hinsiechenb,
wetttt man sie einsperrt; zur Zahmung foden sie ganz
unfahig seitt, burch gewattsamen Wiberstanb unb Sturze
eher sich selbst tobten, als bettt Menschett sich unterwer-
fett, zahme Pferbe angreifen unb tv o moglich umbringett
unb, auf bent Hliiterthelle aufgerichtet, tvuthenb beihett
unb mit ben Vorberfusieu unt sich schtagen.
In benfelben Gegettben streifen verwilberte Pferbe Heer-
bentveis Herutit, bie man Muzin (Fig. 742.) nennt. Matt
erfennt sie teicht att ber Unorbitung ihrer Beweguitgen,
ber bunten Ftucht unb bem Mangel teitenber unb kattt-
psenber Hengste, ihrer bunfelbrautten ober stlbergrauen
Farbuttg, ben ost wcihett Fusiett, bettt groperen Kopse unb
furzereiu Halse. Jhr Winterklelb ist fast eben fo bicht
unb schtver tvie am Tarpaii. Man solt nnter bieseit Heer-
ben stets einige aus ihreni eigenttichen Stamme vertrie-
bene Tarpanhengste antreffen. Diese Muzin snchen zahme
Stiiten zu sich zu verlocken, sollen breite Strbnte ichwitn-
menb kreuzen, wahrenb bie Tarpatt bas Masser tcheuett,
einen ungemeiit scharfett Gerttch besitzen unb mittels btt-
ses Sinttes sogar bie Uebergange unb Fuhrten in ber.
tvest ausgebehnten, sublich vom Arat gelegenen Sumpfen
entbecken. Im Winter besuchen sie, ebenso tvie bie Tar-
patt, hochgelegene Orte, wo ber Winb ben Schnee weg-
gefegt unb bie fparlid'e Vegetation bloSgelegt hat, ober
sie scharrett mit ben Vorberfusieu unb zerstampfen bas
Els, unt zu bettt Futter zu getangen. — Wahrschetn-
stch sinb bie and 'in anberen Gegenbett bes Innersten
Asien verfommenben wilben Pferbe nicht als Arten,
aber boch als Rafsen von ben befchriebenett Tarpatt ver«
schieben. Auf ber 17000 Fuh uber bettt Meere gelegettett
Hockebene von Pantere, tv o ber OrttS, Jarartes unb
einige Arme bes Jttbtts entfpringen, streifen Heerben von