Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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198
Saugc1 h icr c.
Achtc Vrdilung.
burch Falle von den steilen Ufern oder versinken ini
zaheit Morast. Tausende von bleichenden Skeletten solten
in Palagonien die tveitigen Orte umgeben, wo audi in
der trockensten Zeit einiges Masser vorhanden ist. —
Ans den Zustand der eingeborenen Volkerschasten Haben
in -Amerika diese rvilden Pferde einen bedentenden Ein-
fluh geubt. In Sudamerika sind die Patagonier und die
11)111'11 nahe verwandten Jiitier von Chile, in Nordamerika
die Panihs, Comanches tind Ricaras zu Reilervolfern
geivorden. Sie streifen nomadisch hernm iiiib tverden
nur durch die Weisien abgehalten, als Eroderer vorzti-
dringett imd unberittene Stamme zu unterwerfen. Zahl-
reich tinter ihnen unilatifende aberglaubische Uederlie-
ferungen beweisen, dasi sie seit sehr langer Zeit mit
Pferden vertrauet sein musstit. An Geschicklichkeil und
Ausdauer im Reiten geden sie den asiatischen Nationen
nichts nach und gleichen dieseii, ungeachtet des Mangels
an aller sonstigen Berwandtschaft, in vielen Sitten. Pa-
tagonier leben von Pferdefleisch, tvie viele tartarische
Volkerschasten, verbringen, tvie diese, den grosieren Theil
ihres Lebens im Sattel, und an ihren Grabern werden
von den uberlebenden Verwandten die ausgestopsten
Haute ihrer Lieblingspserde ausgestellt.
Das Resultat der zahlreichen, uber den Ursprung
oder das eigentliche Vaterland des Pserdes angestellten
Untersuchungen ist in der Kurze, dasi es in Hochasien
einen Stainin giedt, der mehr als alle andere den Cha-
rakter eines tirsprunglichen tragt und vielleicht ein Wirk-
lich wilder ist, dasi aber in anderen Welttheilen die Her-
renlos Heruitiwandernden Pferde entweder nur vertvil-
derte sind, oder vielleicht besondere, vom eigentlichen
Pferde verschiedene und dem Esel verwandte, jedoch noch
toenig bekannte Arten ausmachen. Die in tntseren Zeiten
lebhaft betriebenen geognostischen Forschtingen Haben
udrigens bewiesen, dasi in einer fruheren Periode unserer
Erde sehr verschiedene Rassen oder sogar Arten von wirk-
lichen Pferden, die jedoch alle den zahmen unserer Zeit
verwandt tvaren, eine sehr weite Verbreitung gehabt
haben, und dasi moglicherweise unsere Pferde von jener
vorweltlichen in gerader Linie abstammen und zu den
sehr wenigen Hoberen Thieren gehoren, von welchen viel-
leicht angenommen werden kann, dasi sie die letzten grosien
Umanderungen der Erdoberftache uberlebt haben. Der
Unterschied zwischen den fossilen Resten und den frischen
Knochen von Pferden ist keineswegs so grosi, dasi man
auf besondere Arten der Vorwelt schliesien mochte, und
iit vielen Fallen demjenigen nicht gleich, den man an
einzelnen Rassen der Jetztwelt nachweisen kann. Man
sindet diese Knochen ost in grositem Ueberstusse und mit
Knochen von Hyanen, Elephanten, Rhinoceros, Hirsch
und anderen Wiederkauern untermengt in Kitocheiibre-
schen, in tertiaren oder Alluvial - Schichten (Pliocene
Lyell's) und in Susiwassernicderschlagen von der Tarta-
rei bis in das toestliche Irland, von dem Polareise bis
weit in das nordliche Afrika und bis sudlich von dem
Himalaja. Aus ihrer Vermengung mit Ueberresten
groher Pachydermen geht auf das Ueberzeugendste Her-
vor, dasi in derselben Zeit, wo Elephanten Europa be-
Wohnlen, auch Pferde Herumwanderten, und ahnliche
Folgerungett zieht man hinsichtlich der Hyanen, die
rnanche Spuren ihres Gebisses an jetten Pfcrdeknochen
zuruckgelafsen haben. Man verfolgt die letzteren durch
alle Grade der Versteinerung hindurch und von den un-
tersten und altesten der tertiaren Schichten bis an die
Oberflache, wo sie den Knochen der jetzigen Erdperiode
an Frische tind Erhaltung gleichen und von benfelten
kauin uiilerscheivbar sind. Sie stellen die Thatsachen in
klares Licht, dasi, wahrend ganze Gattungen vorwelt-
licher thiere, die an denselben Orten und zu derselben
Zeit letten, enttveder erloschen sind, oder jetzi nur noch
als Betoohner Warnterer Breiten erscheinett, die Pferde
ungeachtet des Klimawechsels uttd sonstiger grotzer Ver-
attderungen ihren Ort behauptetett und grosien Revolu-
tionen tretten. Merktourdig ist attherdem die Entdeckung,
dasi die Statur der tvilden Pferde der Urtoelt derjenigen
der wilkett Tarpan Asiens oder der intttelgrosien, uttver-
edelten zahmen Rassen Nuropa's fast gattz gleich gewesen
ist, wahrend die nteisten anderen Thiere jener Periode,
besottders ater die Wiederkauer, betrachtlich grosier
toaren als diejenigen der Jetztzeit.
Alle zahmen Pferde, wie verschieden sie auch je nach
den Rassen erscheinett ntogeit, stammen unfehltar von
einer einzigen wilden Art her uttd haben theils durch
atsichtliche Einwirkungen des Menschen, theils durch
klimatischen Einflutz oder die Art des Futters uttd die
Behatiblung, die sie erfuhrett, von ihrettt eigentlichen
uttd ursprunglichen Charakter tttehr oder toeniger ver-
loren tind nette Eigenschaften erhalten. Es ist eben
dårum nicht ntoglich, ein allgenteitt trefsendes Bild von
ihnen zu entwersen, dettit selbst der Begriff von Voll-
kommenheit unterliegt in Beziehung auf sie bei Verschie-
dettett Volkern dem grohten Wechsel. Sotvie in der
ausiern Gestaltung das arabische uttd das flantische Pferd
die ausierordentlichstett Gegensatze darbieten, so stehen
bei dent englischen Brauerpserde gab bent Pony von ben
Shetlanbinseln die Ertreme von Grosie ttttb Kleinheit
stch entgeg en. Eittige Rassen gleichen durch Zierlichkeit
uttd Leichtigkeit der Formen bent Hirsche, andere durch
Schwere und Masse bem Ochsen, einige sinken fast zur
Statur bes Rehes herat, anbere geten einem Dromttte-
bar toenig ttach. Hier bemerkt man einen kleinett, feinett
ttttb zugespitzten Kopf, lethaste Augen, zierliche, ttach
vortt gerichtete Ohrett, grosie uttd bewegliche Nasenlocher,
bort von ailett Diesent bas Gegentheil. Das Profil ist
bald gewoltt, talb gerabe, das Fell bald glatt, bald
ratth, die Mahtte dicht oder duttit, struppig oder seidett-
artig glanzend, und die Farten find bekannilich alten
zwischen Schwarz, Bratitt, Gelt tind Weisi tttoglichett
Uetergangen uttd Verntengungen unterworfen. Fratt-
zosische und spanische Schriftsteller zahlen gegett sechzig
ntit besonderen Nattten belegte Abstufuttgeit der Farbuit-
gett auf, nitter welchen die grelt geschackten die auffallettd-
stett sind und tei keinent wilden Thiere als tei gewiffen
Seehundeit vorkonttiten. Es ist nicht zu verwundern,
dasi diese ungewohnliche Buntheit fruhzeitig die Atts-
nterksamkeit der Volker auf sich gezogen hat, und dasi
eiitzelne Farben als Kennzeichett gewisser Eigenschaften
betrachtet wordeit sind. So glaubten die Romer, dasi
tttatt zur Jagd auf verschiedene Arten von Mild sich be-
stimmter, verschieden gefarbter Pferde bedietteit muffe,
uttd wahrscheinlich herrschte åhnlicher Aterglaute tinter
den Arabern, tenn Mohammed versichert bie Glanbigen,
dasi Rothfuchse Gluck brachten, dasi weisie Flecke am
Kopse Gules, att ben Fusien aber Uttheil bebenteten.
Haltung uttd Bewegung sind nicht alleitt mannichfaltig,
soitdern in gewissett Rassen auch sehr charakteristisch.
Einige Heteit im Gange zugleich beide Fusie derselben
Seite und heisien dattn Pasiganger; andere galoppiren
mit den Vorderfusiett, wahrend sie mit den Hinterfusien
trotten; inanche zeichneit sich durch langen uttd leichten,
andere durch Harten, aber ausdauernden Trab aus. In
England uttd Nordamerika besitzt und pstegt titan Pferde,
die ini ruhigett Gange so weit uttd gleichforntig ans-
schreiten, dasi sie tei langen Tagereisen gewohnlicheti
Tratern den Rang abgewiitnen, und in Sudamerika be-
tvegen sich die nteisten Pferde von Statur in eineitt, den
Reiter tticht ermudenden und meilentoett fortgesetzten
kurzen Galopp. Mas bie Erziehung zur Entwickelung
bieser Verschiebenett Eigenschaften beizutragen vermoge,
beweist die tagliche Erfahrung und wird weiterhin bei
den einzelnen Rassen untstandlicher ertoahnt Werden.
Die Zugkraft eines riestgen englischen Brauerpferdes
ober eines flantischen Fuhrtnannspserbes liefert Hiervott
ebett so Beweise, wie die Fluchtigkeit der englischen Ren-
ner oder die Ausdauer der Araber, die, wie man erzahlt,
bis 25 Meilen in 24 <Stunben zurucklegen, ttttb ber tar-
tarischen Reitpferde, bie bisweilen ntehrtagige Marsche
ohtte Rast ntachett mussen ttttb dabei nur von Zeit zu
Zeit ein paar Handevoll Gerste erhalten. Alle diese
Eigenthumlichleiten sind itit Hoheren oder geringeren
Grade ertlich und bezeichnen ost bie Raffe deutlicher als
viele der ansieren, der Verwischung mehr unterworfenen
Kennzeichett. Jebes Land Hat feine Rassen, bie zum
grosien Theil im Verhaltnisse zu bemselben tinb zu ben
Bedurfniffen ber Menschen stehett. Nitter Nomaden sin-
det man die Pferde vorzugsweis fluchtig, ausdauernd
uttd anhaitglich an den Reiter, nitter Ackerdan treitenden
Volkern sind sie grosi unb schwerfallig, aber stark, im
Norden gemeinlich von hoherer Statur als im Sitden,
wo )te Hingegett tttehr Ettergie entwickeln. Es versteht
sich utrigens von selbst, dasi, Weitn die Untersuchung Ler
allgenteiiten Bildung ber Rassen ganzer grosier Lander gilt,
man tticht nur auf die angefuhrten Ursachen als alleitt
wirksame hinweijen totte , sondern auch aus die Herkunft
von gewiffen Urstainnten Ruckflcht zu nehttten Haben
werde, die dort in den fruhesten Zeiiett unvermischt ge-
lebt hahen. Unglucklicherweise stehen titts uber diese ttteist
itttr sehr tinLollkotttmene Nachrichten zu Gebole, und
Mittelasien und ein Theil Rusilands sind vielleicht die
eittzigett Lander, wo die Verwandtschaft der zahmen
Pferde mit den Stammen, die titan fur tvild Hallen kann,
ttachzuweisen sein Wird.
Die Tragezeit der Stiiten bauert zwischen elf unb
zwolf Monaten. Die Fullen werden (in Europa) ini
April oder Mai geboren, tommen behaart und mit offe-
nen Llngeti zur Welt, sind von kiirzer Gestalt titid Hoch-
beittig, aber sogleich fahig, zu stehen uttd sich zu bewegen.
Sie haben gewohttlich feine Vvrderzahtte, aber in jeber
Kinnlade rechts und links zwei Backenzahne. Nach eitti-
gen Tagen treten oben und tinten die zwei mittleren
Schneidezahne (Zangen Fig. 738 - -) Hervor, und iin Laust
des ersteti Monats erscheint ein dritler B.ickenzahti. Stad)
drei und einem halben bis vier Monaten brechen bie zwei
ttachsten Vorberzahne (Mitlelzahne Fig. 738»d) unb zwi-
schen dem sechsten und achten Monate die ausiersten,
falschlich Eckzåhne genannlen Vorderzåhne und zugleich
ein vierter Backenzahti Hervor. Die Schmelzrinde dieser
Zahne ist dick und Hart und bildet eine ttach vortt vor-
stehende und scharf bleibende Kante, wahrend bie ruck-
warts liegetibe elwas verliefle Flache durch die Nahrung
gefarbt tvird und eine Grube (Bohne) darstellt, aus
dereit Umfange man das Alter bes Fullen abnehmen kann.
3u bieser Zeit ist bie erste Zahnung (Fig. 738. 1.) voll-
ettbel, und alle ferneren bis ztitit Alter von drei Jahren
eittlrelent-"' Verattdertingeii beziehen sich allein auf bie
beschrieb-.e Abnutzung ober Grubenbildung der VVkker-
zåhite. Zwischen dent dreitziasle.il und sechsunbdri>^stM
Monale beginnt die zweite Zahnung. Diekurzeren, tveisie-
ren titid gegen die Wurzel verschmalerteii Milchzahne wer-
den ton anderen und grosieren ersetzt, die in Zwischen-
raumen voil sechs Monaten uttd in derselben Folge Wie
jene Hervortreien; zugleich mit den netten Mitlelzåhneit
werden die Hakett, d. H. die eigentlichen Eckzåhne des
Unterkiefers (Fig. 738.IVd), sichtbar; zuletzt brechen zu-
gleich mit dem funften Backenzahne die oberen Eckzåhne
durch das Zahtisteisch. Das Geschast cer zweiten Zah-
nung ist sottach chngefahr mit dem funften Lebettsjahre
(Fig. 738. V.) gesch^^.t. Die tteuen Vorderzahne Haben
eben so wie die Milchzahne auf ihrer oberen Flache eine
Vertiefung, die durch Abnutzung in gleicher Folge wie
att den Milchzfihnen verschwindet. Die zwei mittleren
Vvrderzahtte des Unterkiefers verlieren die sogenannie
Bohne zwischen dem funften unb sechsten Jahre (Fig.
738. V — ville); daffelbe geschieht an betti uachsten
Zahnpaare itu fotgenben Jahre, und mit dent achten
Jahre ist jene gerarbte Vertiefung auch an ben ausier-
steit Vorberzahneii zietnlich verschwunden. Die Ab-
nutzung der oberett Vorderzahne geschieht zwar in der-
selben Ordiiuitg, aber klangsamer und erfordert ohtige-
fahr ein Jahr tttehr. Uebrigens erfolgen diest Verande-
ruttgen tticht immer mit derselben Regelniahigkeit; ihr
Verlauf Hattgl theils von bem Charakter ber Rassen,