Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Ilidil)iiutcr.
Saugethiere.
207
besonders nach Frankreich erportirt. 3ur vierten Rasse
endlich gehsren die gemaltigen Karreupferde (Fig.
756.), die aus den Strasen Londons in unablassiger
nnd staunenswerther Thatigkeit sind. Die grosten und
starksten sind mahre Niesen (Fig. 757.), ineist hit Besitze
der Brauer (Fig. 758.) und haben uuter atten bekann-
ten Rafsen den massivsten Gliederbail. Man sieht atten
englischen Pferden, selbst bis herab aus die mittelmasigeii,
im Einzelnen sehr verschiedenen Zuchten ihre nahere
oder entferntere Abstammung von den Arabern an und
fommt hierdurch zu der Ueberzeugung von den wichtigen
Vortheilen, melche aus fruhzeitiger Einfuhrung arabi-
scher Zuchthengste und aus sorgfaltiger Ueberivachung
der Kreuzungen dem ganzen Lande ermachsen sind. Anfdein
Continente ist man zwar in neueren Zeiten diesem Bei-
spiele gesolgt, allein noch hat man menige ganz voll-
kommene Rafsen erhalten und keinen allgemeinen Ein-
stus aus die Pferdezucht ganzer Lander auszuuben und
diese sichtlich zu verbessern vermocht. Die aus den Shet-
landinseln und in Wales nicht seltenen kleinen, biswei-
len ganz zwerghasten Pferde, die sogenannten Ponics
(Fig. 759. 760. 757.), gehoren nicht zu den veredelten
Zuchten , sondern zu einem Stamme, der aus Island, in
Norwegen, aus den Ebenen der ostlichen Tartarei, zmi-
schen den Gebirgsketten des mittleren Spaniens und
auch in Corstea sich erhalten hat und vielleicht zu den
altesten gehhren kann. Jhm gehoren die Pferde der Ko-
sacken, Polens, der Ukrane, Lithauens, Ungarns und
Griechenlands an. In einigen Landern erreicht er nicht
einmal die Mittelhohe, in anderen, z. B. aus Oeland,
im Sinteren von Schweden und Norwegen, wird er gegen
zwols Hande hoch. Zu den kleinsten gehoren die abge-
bildeten Ponies, tutter Melchen besonders die shetlandi-
schen durch Niedlichkeit ausgezeichnet sind. Sie ubertres-
sen ost kanin einen grosen Hund an Hohe und Gemicht,
sind in allen Farbungen anzutreffen, haufig mit lang-
zottigem Haar bedeckt und mit sehr reichlicher Mahne
und Schweif versehen. Der Pony von Wales oder das
Gitttowaypferd erreicht ente ansehnliche Hohe, sott aber
nirgends niehr ganz reitt erhalten fetn; er ist durch Cul-
tur gemissermaasen ausgeartet oder doch tungeandert,
selten kleiner als elf bis zmolf Hande, nicht ohne ciite
grose Zierlichkeit in der Gestalt, schnellsuhig und aus-
dauernd. Vielleicht gehort auch das sogenannte milde
Pserd Sardiniens in diese Gruppe. Cetti beschreibt es
als sehr klein, zottig, mit kurzen Mahnen, langem Schmeif
und Eselsfusen versehen und setzt Hinzu, es sti so an
Freiheit gemohnt und so unbandig, das es eher das
Leben lasse ini Wuthenden Widerstande, als sich dem
Menschen unterwerfe. Das kleine eorsische Pserd
(Fig. 761.) ist zmar gezahmt, aber dem sardinischen Milden
ziemlich ahnlich, ohngefahr zmolf Hande hoch, von ab-
gerundeten Formen und durch flachen Vorderkopf, kur-
zen Hals, ziemlich dicken Bauch und kleine Hufe kennt-
kich. Kleinheit ist fast der einzige Fehler, den man ihm
vorwerfen kann, denn durch Sicherheit des Ganges auf
den schroffsten Gebirgswegen ubertrifft es die Pkehrzahl
anderer Gebirgspferde und bleibt hinter den beriihinte-
sten Rassen hinstchtlich leiiter 'Ausdauer und Genugfam-
keit iticht zuruck. Seinen Muth und seine Energie legt
es freilich bismeilen nitter der Gestalt von Halsstarrig-
keit zn Tage und verlangt danii einen besonnenen und
gemandteii Reiter. Wahrend die shetlandischen Ponies
gemeinlich braun gefarbt sind, ist das corstsche Pferd
nicht selten schwarz und meis gescheckt. Zum Znge ist
es eigentlich, feiner Kleinheit megen, menig passend, in=
desseii erblickt man es doch gelegentlich an niedrige und
leichte Wagen gespannt, die es auf ebenen Wegen im
schnettsten Trabe fortzieht. Als Sattelpserd empfiehlt
es sich durch grose Ausdauer, und roenn es auch fur
schmere Reiter meder gros noch stark geiiug ist, so eignet
es sich doch fur junge Personen und zu kurzen Spazier-
ritten. In Frankreich sindet man es daher nicht selten
in den Statten der reichen Gutsbesitzer. Es erreicht ein
hohes Alter und bleibt lange im Besitze voller Rustig-
feit und Kraft.
5. Franzosische Rassen.
In Frankreich scheint man der Pferdezucht fruherhin
durchaus keine Atifmerksamkeit gewidmet zu haben, und
eben dårum ist theils die Zahl der vorhandenen Pferde
kaunt dem gemohulichen Bedarfe, noch viel weniger
dem Verbrauche des Heeres angemessen, theils sind die
Rafsen im Hosten Grade ausgeartet. Ganze Provinzen
haben nur einen durftigen, kleinen Schlag aufzuweisen,
der, eten nur zu den gemohnlichsten und leichtesten Dien-
sten brauchbarf ohne viele Muhe und den grosten Zeit-
anfwand nicht zu veredeln stiit murde, Starke, Schnel-
ligkeit und misere Schonheit gleichmahig entbehrt. Die
Regiernng hat zwar durch Anlegung groser Stutereien
ansehnliche Opfer gebracht, indessen mit ungemigendem
Erfolge, da nun einmal die Franzostn keine besonderen
Freunde der Pferde sind und daher anf die Erlernuitg
richtiger Behaitdlung und auf Zttcht nicht gerit viel
Muhe vermenden. Man kann die brauchbareren Arten
von franzostschen Pferden in drei Classen theilen, grose,
starke, zum schweren Zug allein anmendbare, aber lang-
same, fast eben so grose, aber zum Galoppiren fahige und
daher zum Dieitst bei dem Geschutzloesen und den Posten
geeignele (Fig. 762.), endlich zum Lttrtts, sowohl fur den
Sattel als zum Zuge gehaltene Pferde. Zn der ersten
Classe gehbren die Pferde aus der ^cardie und
Normandie (Fig. 763.); sie sind sehr hoch, muskn-
los, von abgerundeten Formen und mit starken Mahnen
versehen, ermachsen schttell und ersttzen schon vom zwei-
tett Jahre nit durch Arbeiten die Kosten ihrer Erhaltiing.
Sie solleii von Pferden Herstammeit, melche die auå dem
miltleren Dentschland in Gallien eiitbrechendeit barbari-
scheit Volkerschaften mit sich fuhrten, unb sind in neueren
Zeiten durch Anglo-Araber veredelt mordeit. Sie thei-
len mit dem normannischen Rindvieh die Constitution,
melche man genteinhiit die lymphatische nennt, und die
sich bei atten Hausthieren sindet, die in einem kuhlen,
etlvas fenchten Klima auf uppigen Weiden von einem
reichlichen, hochaufgeschossenen, indessen masserigen GraS
sich itahren, hierdurch schmere, runde Formen, dickes Fett
und grobe Haare erlangen und die Lebhaftigkeit verlieren,
die anderen tinter entgegengesetzten Bedingungen aufge-
machsenen Thieren eigen ist. Die Richtigkeit dieser Beob-
achtniig mird durch die abstechenden Eigenthumlichkeiten
der auf dem Wnstenboden Arabietts oder auf ben perio-
disch ganz pflaitzenarmen Steppen Mittelastens gros ge-
mordenen Pferde bemiesen. Die normannische Rasse ist
daher, trotz ihres massenhaften Aenheren, den Krankheiten
sehr untermorfen und namentlich gegen die Einstusse des
Anfenthaltes in sehr grosen Stadten hochst empfindlich.
Die Rasse'der Bretagne (Fig. 764. 765.) ist der
normannischen verwandt; sie wird theils zum Lasttragen,
theils fur die leichte Reiterei und Artillerie verwendet; ein
zu ihr gehorender groherer Schlag liefert die besten Post-
pferde (Fig. 762.). Die Pferde von Poitou (Fig.
766.) sind gros, muskulos, aber von geringer Ausdauer,
merden jedoch, in Ermangelung besstrer, zur Leistung der
schmersten Arbeiten angehalten. Lothringen, An-
vergite unb Limonsin bringen sehr geschatzte Reit-
pferde hervor (Fig. 767. 768. 769.), deren Zttcht aber nicht
eintraglich ist, weil sie vor dem stebenten bis achten Jahre
nicht ausgemachsen noch dienstfahig sind. Sie bleiben
indessen bis zum Alter von 25 — 30 Jahren brauchbar
und verbinden Kraft mit Fluchtigkeit und Ausdauer. Na-
poleon bediente sich von 1806 — 1814 eines limousiner
Pferdes, Melches bis 1827 in der Reitschule von Verfailles
diente, und ein anderes, von Caulaineourt feit 1807 gerit-
tenes befaiid sich noch 1835 in den Stallen defselben.
Man Hat trotz dieser Vorzuglichkeiteu die Rasse so aus-
arten lassen, das znfolge gewichtiger Autoritaten im Laufe
eines Jahres in ganz Frankreich faunt zweihutidert ach-
ter Limousins geboren toerben. Die franzostschen Zug-
pferde sind zwar int Allgemeinen besser als bie Reitpferde,
konneii sich aber mit benjenigen Englands, Flanderns
und ver Rheiitgegendeit nicht messen. Weit verbreitet unb
viel gebraucht ist bas Zugpferb aus ber Franche-
Comte (Fig. 770. 771.); es taugt nicht zum schnellen
Laufe unb eben so menig zum Ziehen groser Lasten,
eignet sich aber vortrefflich zur Befpanitung ber kleinen,
leicht beladenen Karren, bie im Jnnern von Frankreich
einen ansehnlichen Theil bes Berkehrs unterbalten. In
ber Umgegenb von Rambouillet ist ein Schlag von
Pferben (Fig. 772.) Heimisch, ber, sonst nirgenbs in
Frankreich gewohnlich, zwar nicht sehr stark ist, allein
viele Energie besitzt, angemessene Lasten mit Schnelligkeit
fortzieht, in ber Umgegenb von Paris als Karrenpferb
bie meisten leichten Dienste verrichtet unb feiner grosen
Brauchbarkeit megen ziemlich theuer bezahlt wirb. Das
Steppenpferb Ruslands wirb in Frankreich burch bas
Pferb (Fig. 773^ von Brenne, einem Diftriete
bes Departements bes Jnbre, vertreten. Jene Gegenb
befteht zum grotzen Theile aus uuubersehbaren ebenen
Heiben, enthalt keine Dorfer unb tuenig weit verstreuete
Hutten, in welchen ein zwar gutmuthiger, allein ziemlich
roher Schlag von Menschen wohnt. In biefer von
grosen Lanbstrasen uiiberuhrten Einsamkeit ermåchst
jene nutzliche Rasse von Pferben fast unabhangig, bie,
so lange sie ein gehoriges Alter nicht erreicht hat, We-
ber Gebis noch Sattel noch anbere Menschen kemien
lernt als junge Hirteit, bie sich mit ihm in gleichem
Naturstanbe befinben, gute Reiter sind unb bie ihrer
Aufsicht anvertraueten Thiere mit groher Zartlichkeit
behandeln. Eine so unkunstliche Erziehung verleiht
Abhartung gegen eine Menge auserer Einstusse; bas
Pferb von Brenite ubertrifft bie anberen franzostschen
Rassen burch Genugsamkeit, Ausdauer bei schlechtem
Futter, im ubelsten Wetter unb auf ben ungaitgbarsten
Wegen, durch Kaltblutigkeit und Furchtlostgkeit und
durch Anhanglichkeit an den gemohiiten und sie frettnd-
lich behandelnden Reiter. Es geht mit Sicherheit,
scheuet keine Gefahr unb furchtet weder ben tiefen Mo-
rast noch ben breiten Flus. Seine Gestalt ist freilich
nicht schon, allein sie beutet auf Starke. Die Regierung
unterstutzt bie Zuchter in Brenite unb sucht bie Rasse ztt
verbessern, feit sie (1840) bie Erfahrung gemacht, bas
jene Gegenb noch am ersten vermag, rer Reiterei eine
ansehnliche Zahl brauchbarer Pferbe zu lieferit, Wentt bie
Nachbarstaaten aus gemohulicher Vorsicht bie Ausfuhr
verbieten. Die Zahl ber Pferbe ist uberhaupt in Frank-
reich verhaltnismasig geringer als in vieleit anderen
Landern unb nur lucttig bebeutenber als in Spanien
unb Italien. In Ettglattb verhalt sich bie Zahl ber
Pferbe ztt berjenigen ber Menschen lute 1:10, in Frank-
reich wie 1:19. In vieleit Gegenben Deutschlatibs unb
in ben Nieberlattben herrscht fast basselbe Verhaltnis wie
in Englanb, wo auf eitter gleich grosen Bodettflache
ohngefahr breimal mehr Pferbe gehalten werbett als in
Frankreich, defsen Bevolkeruitg keineswegs so gebrangt
wohnt, bas ber Ackerban unb baher bie Ernahrung
vieler Pferbe burch sie beschrankt tvurde. Die Zahl ber
letzteren betragt in Frankreich gegen 1,800,000 Stuck,
von melchen ohngefahr ^ ztt Lanbarbeiten unb als
Zugpferbe bienen, unb bebarf, ititt iticht zu sinken, eine
jahrliche Eiiiftthr von 14 — 15,000 Stuck aus Belgien,
Deutschlanb ttttb Englanb.
In ber Camargue, ben meifeit, witsten Ebenen, melche
bas Delta ber Rhonemunbungen bilben, leben in Halb-
wildent Zustande grose Heerden von Pferden, bie von
einigen franzostschen SFiMtstellerit mit llnrecht als
eigentlich milbe aitgesehen unb beschrieben morbett stub.
Das Camarguepserb (Fig. 774.) Hat alle Vollkom-
menheiten, aber auch alle zahlreichett Fehler, bie ans
einem durchaus nicht tibertoachten Leben int freien Zu-
stande entspringen. Es ist ungelehrig, schwer zu batt-
digett, Anfallett von Starrstnn untertoorfeit, bosar-
tig , schett line dem Menschen iticht geneigt, allein sehr
stuchtig, stark und ausdauernd tinter den schlimmsten