Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Widerspruche es tinteniommen, ba1b die Verwandtschaft
itad'zutoelseii, die sie zwischen Affen und Menschen in
geistiger Beziehung vermutheten, bald die unerfullbare
Lucke darzulegen, welche Beide trennt. Schwerlich wird
eine dieser Partelen jemals zu einem genugenden Resul-
tale gelanflen, denn beide begehen den JnThum,den Hund-
lungen der Thiere dieselben Trlebfedeni unterzulegen,
welche den Menschen bewegen. Die Ursachen der Hund-
lungen lussen sich nur uus Beknmitem ubleiten; du toir
nitn Hierzu uns nur der Kenutnis unseres elgenen Wesens
bedienen tonnen, so identifieiren toir die Thiere mit uns
selbst und begehen sonach grosie, allerdings uber unver-
meidliche Jrrthnmer. Nur toenn mun dieser Erklarung
belpflichlel, lernt man einsehen, toie sonst tuchtige Denter
sich bis zu dem Grude tauschen lussen konnten, dusi sie
dem Orang-Utan Civilisirburkeit zutrauten und sogur
die Vermuthung unsstellten, es toerde in dieser Thiergut-
tung der schlummcrnde Geist dnrch Umgang mit Menschen
zu ertoecken seiii, vielteicht sogur uus dem Bedurfniffe
der Mittheilung neu entstundener Ideen sich Redesuhig-
keit enttoickeln. Vorunsgesetzt, dasi dergleichen Anstchten
ehrlich gemeint und nicht ans geschmuckloser Liebe zum
Parudoren entstanden sind, so verbienen sie mindestens
ben Vortourf, unf luftige Speculution und nicht auf trich-
tige Naturforschung begrundet zu sein. Ein Geschops,
toetdies ertoiesener Maasien niemals int Stande sein toird,
den Vorzug eines bestandig anfrechten Ganges mit dem
Menschen zu theilen, nicht einmul auf ebener Flache
sich unders uls mit Muhe und Unsicherheit fortbetoegt,
niemals einen menschlich vollkommenen Gebrauch von
.feinen Fingern und Hånden machen kann, vermoge des
Banes seines Stimmorganes urticnlirte Tone Hervorzu-
bringen nicht vermag, sondern trotz alter Anstrengung
nicht hindern toird, dasi seine Stimine in rauhes nilsito-
nendes Heulen ubergehe, ein Geschopfendlich, dessen gunze
Organisation jedem Anatomen und Physiologen den Be-
toeis liefert von unvermeidlicher llnterthanigteit unter die
grobfte nnd nnbundigste Sinnlichkeit, — ein solches als
dem Menschen nachstvertoandt und fur menschlich bildungs-
fahig zu erklaren, ist ein toahres Vergehen. So toie unter
dem kunstlerischen — nid't dem naturhistorischen — Ge-
sichtspunkte die Gestalt des Affen toie eine misirathene
Copie oder eine Verschlechterung der menschlichen Form
ersibeint, so spricht auch ans Haltnng und Phystognomie
der Affen immerdar das Thier, weldies unselbststandig,
von den rohsten Trieben regiert toird und das morulische
Gesuhl ganz entbehrt, toegen dessen Mangel toir ztoar die
Thiere nicht verurtheilen, den Menschen Hmgxgen als bis
zu tiefster Stufe gesunken betrachten. Lassen die Affen,
toie man gern zugiebt, durch bemerkbar hohere Jntelligenz
die ritriflen Sangethiere toeit hinter sich, so sind darnm
ibre Handlnngen den menschlichen noch nicht gleid'znstel-
len. Wenn mun das Fabelhafte nnd Nnertoleseneabrechnet
von den zahllos nmlanfenden, theilweis urulten Er-
zuhlungen uber bie Klugheit oder Plunmasiigteit ber von
Affen angeblich vorgenommenen Handlnngen, so toird
das Uebrigbleibende und Wahre ineift nur Getoohiillches
feitt, toovon auch in underen Sangethierfamilien sich
Beispiele ergeben..Die hochgeruhmte Jntelligenz der Affen
lusit sich fuglich unf ztoei Grundursachen zurrickfuhren.
Als die erste hut mun den mit grosier Gelehrigkeit ver-
bundenen Nachahinungstrieb ztt betrachten, der durch die
Fahigkeit, Erlerntes zu behulten, unterstutzt toird. Affen,
ztintal biejeniflen ber grosieren, ber ulten Welt angehoreii-
den Arten, lernen in kurzer Zeit ben Gebrauch von Trink-
geschirren unb Gabeln sich aneignen, sie getoohnen sich
zur Verrichtungkleiner HauslicherDienste unb zum Genuffe
bauslicher Beguemlichteiten, alleln alle biese Dliige torirben
Hunbe ber intelligenteren Racen eben auch lernen, jedoch
toeren bes Mangels an Hanben schwerer ausfuhren.
Mu« beinertt ztoeitens an ben Affen eine beschrankte
ceif, ^been zu verbinben. Das unterscheideubeUrtheil
treie Wille, toelche bem Menschen in hohem Grabe
feltten ilmen Hingegen ganz, Jhr Nach-
ahmungstrieb ist start, aber gerabe toeil er auch ganz
Unztoeckmasiiges vornimm^erscheint er als Vernunstloser.
Die Unvottkommenheit ihres Jutelleetes ergiebt sich schon
aus dem besonderen Enttoickelungsgange deffelben. Der
junge Affe Hat nicht nur int Verhaltnisi boppelt so viet
Hint als das ertouchsene Thiere derselben -Art, sonderu
auch eine menschenahnliche Bildung des Schadels. Mit
diesen korperlichen Eigenthumlichteiten steht grosie Lebhaf-
tigkeit und Zahmbarkeit in Verbindung. Je alter jedoch
der Affe toird, mit so ntehr tritt das' Thier in ihttt Her-
vor; dus frither Erlernte toird vergessen oder mrihsam
gethun, und zur Zeit vollkommener Reife unterscheidet
sich dieses in der Jugend vielversprechende Judividuum
vielleicht kaiint ntehr von dem ivilden Vertoandten der
tropischen Walder, der niemals einen Menschen suh.
Wie entgegengesetzt der Gang der menschlichen Ent-
toickelung sei, toird zu erinnerit unnothig sein. Selbst die
Zuhmbarkeit der Affen ist bei toeitent nicht so grosi, toie
sie gemeiithin geschildert toird, benn bie zahmen in linse-
ren Menagerien vorkommenben Affen gehoren seliett
ntehr uls fititf bis sechs Arten an, toahrenb bie nteisten
anberen atten Erziehungsversuchen toibersteheit, ber Man-
brill unb vertounbte afrikunische Arten immerbur Hochst
gefahrliche Thiere blelden.
Man theilt bie Affen eitt in 1) Affen ber alten Welt
(spitznasige Affen). Sie huben mtr 20 Backenznhne, die
mit stumpfhockeriger Kaustache toie die menschlichen ver-
sehen sind. Die einander genriherten ntehr ttach nitten
als nach vom geoffneten Nasenlocher sind durch eine
schmale Scheidetoand getrennt. Ein Schtounz ift nicht
allemal vorhanden, ost aber fchtoielige Kiffeii auf dem
Gefasi und Backentaschen. 2) Affen der neuen Welt
(plaitnusige Affen). Buckenzahne sind enitoeder mit 20
stumpshoekerige, oder 24 mit scharsen Spitzen versehene
vorhanden. Die seitlich stehenden Nafenlodier sind durch
eine breite Scheidetoand getrennt. Der Schtoanz sehlt nie-
mals und ist nicht selten ein Greifsd'toaitz. Schtoieleit-
kissett und Backentaschen kommen niemals vor.
I.
Affen der alten Welt.
An der Spitze dieser Gruppe fteheit die drei Gattungen
der Orang-Utan, Tschimpanse und Gibbon oder Langnnit-
uffen, toelchedurch Mangel an Schtoanz tind Backentaschen
und durch die ungetoohnliche Lange ihrervorderen Gliedmu-
sienmit einander ribereinkommen. In getoiffen Beziehungen
sind Oraiifl und Gibbon um nachsten vertoundt, z. B.
durch ungetoohnliche Ertoeiterungen des Kehlkopfes, die
Lange der »orderen Glieder, Kleinheit berHande und Fusiei
i« anatomischer Beziehung toeichen sie indefsen gegenseitig
uff. Die Gibbon unterscheiden sich von den Orang und
Tschimpanse durdi einen kleinen runben Kopf, ein seitlich
ziisammengedrucktes Gesicht, schmale Unterkiefer, dicht-
toolligeit Pelz nnd Gesasischtoielen. Andererselts sind
Orang nnd Tschimpanse niditfo nuhe vertoundt, toie Guvier
es geducht but. Jrn Attgeineitten koriimt der Tschimpanse
dem menschlichen Vorbilde naher, benn er besttzt ein
Gaumeiizapfchen, entbehri bie Luftrohrensucke bes Orang-
Utan, Hat aber an ihrer Stelle Erweiterungen bes Zun-
genbeins, inbeffen ift vie Vertoanbtfchaft Beider unter'
einanber immerhin grosier als bie ber Gibbon mit bem
Orang. In Beting auf geographische Verbreitung vertreten
sie einanber, benn toahrenb ber erstere bie einsamenWalber
Westafrika'sbetoohnt, lebtber anbere in ben noch dichtereit
Urtoaldern von Borneo unb Sutnatra.
T. Tschimpattsc. (Troglodytes.)
Gattungscharatter: Schnauze lang, vorit abge-
stilinpft; Brauenbogen vorstehenb; Stirit fehr zurrick-
liegeitb ; Schubel glatt, ohtie Knochenleisten ; Gesichtstoinkel
30°; Ohren grotz, abstehend. Keitt Schtoanz. Arme bis
unter bas Knie herabreichenb; Hinterhaitde breit; iHr
^ " zweite Glieb des ztoeiten tZeige-)
Fingers reichenb, ftets mit einem Nagel verfehen. Eckzahne
grosi, einer riber ben anbern schief Hinausragenb ; Ztoischen-
kieferknocheit mit ben Kiefertnochen ivahrenb ber ersten
Zahnung nicht verwachsen. Rippen breizehn Puur. Backett-
tafchen fehlett. Lustrohrenfucke klein.
1. Ler schwa^e Tschimpanse. (Troglodytes niger.) Fig. 8—12.
^cr Tschimpanse Ivohnt iitt iveftlichen Afrika initerhalb
10—12° zu beiben Selten bes Aequators, buher iu Gui-
nea, Benin, Gongo, Angola u. f. iv. In munchen Gegenben
scheint er ziemlich gewLhnlich zu sein ; nach Botobich koninit
erunt Gabuhu Haitfig vor unb tragt bort bei ben Eingebore-
nen ben Nanten Jutfchego ober Jnbscheno. Er soli nach ben
Berichten der Neger volltommeit ertvuchfen an frinf Fusi
hoch tverden, guer riber die Schultern fehr breit sein und
eine unglaublich groste Sturke desitzen. Ein in London
befiitdliches toeibliches Skelett ift nnr 3 Fusi 10 Zoll Hoch
und veranlastte die Vermuthung, dasi die mannlichen Jn-
dividuett durchschiiittlich grosier sein mogeit, tous nicht
minder aus der Grosie einer in Weingeift betoahrten Hånd
eines anderen ertoachsenen Tschimpanse sich ergiebt, indettt
dieselbe 9^ Zoll in der Lange, in der Breite aber (quer
riber die inttere Hundstache gemeffen) 3Zoll 4 Linien ntisil.
Der Tschimpanse, der Orang unb ber Manbritt flub
von ulteren Reifenbeu viel verwechselt toordeit, titib felbft
licitere Naturforscher huben bie erfteren frir identifch er-
klart. Tulpius ttahm ben Numett Ottojus Morrott nn,
welchen Barbot in seiner Befchreibung von Guinea unb
Dapper (ber ben Tschimpanse auch bett ufrikanischeu Walb-
teufel Heisit) gebruucht Hatten, alleiit er verwechselt bas
afrikunische Thier mit bem ittbifcheit tiitb bilbet an ber Stelle
bes ersteren einen Orang ab, ber von Borneo gebracht,
bem Priitzeit von Oranieit hit Jahre 1777 zum Gesebeitk
gemaebt worben tour. Buffoit ivuhlt bie Nanten Poitgo
ober Jocko (von Jntschego, Eubscheeo ober Enbjocho ber
Eingebornen Gtiinea's) unb gab (1756) in seinent grohen
Werke eine uitvollkontmene Skizze elites jungen von Gab uhu
gebrachten Tschimpanse, ben er 1740 lebenb in Paris ge-
sebeu hatte. JitbenNachtragen(Bb.'VU.) sinbble anfangs
nicht von einanber unterschiebenen Orang unb Tschimpanse
flctrennt uufgeftthrt; ber afrikunische Affe erhalt bort ben
Nanten Pongo, ber asiatische heisit Jocko. Shato beschreibt
ben „Pongo oder grosten schmurzen Orang-Utan" als elnett
Betoohiter von Afrika unb bett „rothllch-bruunen ober
nusibruunen, Jocko geitannten Orang-Utan" als Betoohiter
von Borneo unb anberen subastatifchen Jiifeln. Es ift
hochst toahrfchelnlich, buh ble ulteren nsrlkunlfchen Relseit-
ben unb Nuturbeschrelber, lille Bosmait, Merolla, Pprurb
(1619), Schouten, Dapper tt. A., bei Schilberung ge-
toiffer grosier Affen nicht bett Tschimpanfe, fonbern nur
ben bekaniiten Manbritt lut Auge gehabt hubeit. Wahr-
fchelnlich Hat Ogilbp zuerst barauf auftNerksani gemacht,
basi ber Tschimpanse in elitent Werke von sehr hohem
Alterthitme, dem Seefahrisberlchte des Hanno (Periplus
Hannonis), ertoahnt toird. Huitito, der seine Entdeckungs-
reise um das Jahr 500 v. Chr. antrat, segelte von der
Meeretige von Gibraltur bis zur Jitfel Gerne (vermuth-
1id> elite der Canarien) in zwblf Tagen', steuerte dann der
Kttste etttluttfl titid tant itucd siebzehn Tagen nit ein Vor-
geblrge, dns westliche Horn genannt. Eine nette drei,
triglge Fahrt entlnug einer glubenden Sandtoiiste brnchte
ihn nit dns sttdliche Horn, too tunn elite Jitsel entdeckte,
von Wesett betoohnt, die fur toilde Mensdieit gehulten und
von den Dolmetschern „Gorilloi" gennnnt totirden, mit
tangent fchtoarzet^aar bedeckt toaren, ftdi vurch Steln-
tourfe vertbeidlgten und entsiiebend in den Geblrgen
Sicherhelt suchten. Die Mannchen ciitfainen alle, tind nur /
mit grosier Muhe gelnng es, von ben zuruckgebllebenen
Weibdien brei zu fangen, ble sich jeboch mit fo viel Muth
verthelbigten unb fo um filt bissen, dasi man genothigt
tonr sie zu titoten. Hatttto brachte ihre zuberelteten
Felle nnd Kartbago zurttck tind Hing sie in einem Tempel
auf als geheiligte Andenken des Seezuges. Von jenent
entlegen balter bis zum 16. Jahrhuitdert Horen