Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Ueuntc Vr-nuiig.
anteren Lanlern sehr feltenen Fårbung toaren. Das
schon erwahnte Stillschweigen ter classifchen Schrift-
steller macht es fast unmoglich, tie Geschichte tes Ka-
meels $u verfolgen, welches wahrscheinlich tie Romer
tarum toenig interessirte, toeil sie an seine Brauchbarkeit
in europaischen Kriegen nicht glaudten unt es im Besitze
verachteter nomatischer Volker fanten, teren Unter-
jochung theils unmoglich, theils anch nicht ter Mithe
toerth $ii seili schien. Ungeachtet ter Haufigen Kriege,
$u toelchen sich tie Romer in Nordafrika geztoungen
fahen, ertoahnen ihre Gefchichtfchreiber erst $ur Zeit
Belifar's auf Kameelen in tie Schlacht reitente Horten.
Riit lem siegreichen Vortringen les Mohammetanis-
mns tourte auch tas Kameel toeiter verbreitet unt ge=
wann wahrscheinlich an Wichtigkeit, toie in Folge ter
entfetzlichen Ausrottungskriege jener Zeit gan$e Lanler-
striche veroteten, ter Ackerbau aufhorte unt ter kriege-
rifche Nomate seine Sitten $u ten herrschenten machte.
Zugleich mit tem Koran trang tas Kameel uder ten
Bosporus unt tourte balt in allen Theilen ter euro-
paischen Turkei heimisch; im toestlicheren Europa fant
es nie allgemeine Aufnahme, unt ter in Toseana unter
tem Grohherzoge Fertinant II. in ter Mitte tes 17.
Jahrhunterts unternommene unt noch jetzt fortgefuhrte
Versuch feiner Vermehrung unt Nutzlichmachung steht
isolirt ta. Die Zahl ter auf ter Domaine von San
Rossore unfern Pifa ge$ogene Kameele betrug 196
Stuck beiler Gefchlechter im Jahre 1789 unt im Jahre
1810 ohngefahr 170 Stuck. Man hat tiefe $um Last-
Iragen angetoentet, jetoch fint sie in anderen Gegenten
Italiens nicht eingefuhrt toorten. In Spanien blieben
nach Vertreibung der Manren viele Kameele $uruck,
allein tie Sieger fchenkten ihnen keine Aufmerksamkeit
und liehen sie endlich aussterben, obgleich sie fur tie
Sutprovin$en als Lastthiere befonders geeignet getoesen
toåren. Nach ten canarischen Jnfeln sint sie im 17.
Jahrhuntert gekommen unt haben unter tem fast afri-
kanischen Himmel unt auf tem grohentheils mit vnlka-
nischen Trumnterit uberschutteten Boten so angemefsene
Lebensbetingungen gefunlen, tah sie sich viel vermehrt
unt tauernt nutzlich ermiesen haben. Von liesen Jnseln
hat man sie spater nach Brasilien unt einigen Provin$en
les spanischen Llmerika gebracht, lie Fran$osen Haben
sie auf Martinique unt tie Englånler auf Jamaika ein-
gefuhrt, allein keiner tiefer Verfuche ist mit Erfolg be-
lohnt toorten, fei es, tah Klima unt Nahrung unange-
messen toaren, oter lie Colvnisten mit len fremten Thie-
ren um$ugehen nicht verstanlen.
Die verhaltnifimahig geringe Verbreitbarkeit les Ka- 1
meels erklart sich aus feiner fast nur auf las Leben in
fanligen unt Heihen Wusten berechneten Organisation.
Seinen Fup schutzt $toar eine Letersohle, allein intem
tiefe breit genug ist, unt festen Tritt felbft auf Flugfant
$u gestalten, Hat sie nicht genug Harte, unt ler anhal-
tenten Reibung ausgetehnter Felsfchichten $u toiler-
stehen. In sehr gebirgigen unt felstgen Gegenten erlahmt
las Kameel lurch Abnutzung ler Sohle, abgefehen
davon, tah es vermoge feiner Statur ungefchickt und
nur mit Anstrengung an steilen Abhangen anf- oder
absteigt. In Landerit, die der gemapigtett Zone ange-
horen, toird es nicht alleitt lurch Witterungstoechfel toeit
mehr angegriffen, als las Pfert, fonlern leitet lurch
Feuchtigkeit unt befonlers lurch fchmelzenten Schnee so
fehr alt ten leicht ertoeichten Fuheit, tah es nach toenigen
Tagen unbrauchbar $uruckgelafsen toerlen muh. Selbst
las $toeihockerige oter baktrifche Kameel, toelches toeit
kaltern Lander angehort als das arabische und lurch
tie grohere Harte feiner Fuhbekleitung viel geschutzter
ist, vertragt Schnee unt ahnliche Erfcheinungen eines
kalten Himmelsstriches fo toenig, tah es in Mittelasten
viel an sicherer Nutzlichkeit verliert. Das Kameel D an
feinent Platze nur in len Wusten, tie einen grohen Theil
Afrika's unt fast tie gan$e Oberstache ler arabischen
Halbinfel uber$iehen unt von len Arabern ztoar in viele
Gattungen getrennt unt anit verschietenen, ten tounler-
baren Reichthum ler Sprache betoeifenten Lianten belegt
toertelt, aber alle lurch Unbetoohnbarkeit unt Gefahr-
lichkeit sich gleichen. In vollkommenster unt schrecklich-
ster Form erfcheinen sie als Ebenen, tie, kanut mit toel-
lenformigen Erhohungen turch$ogen, mit lem Hori$onte
$ufantmenfliehen, Tagereifen toeit in unveranlerter Durre
toeter einen Grashalm noch eine turftige Quelle lar-
bieten", als ein Meer ohne Waffer, ein Bolen ohne Fe-
ftigkeit, too felbst lie Spur vornberge$ogener Karavanen
nach einigen Stunlen vertoeht ist, Sonne unt Sierne
allein len vielfach betrohten Reifenlen leiten. Kein
Thier auher lent Kameel verntag tie Wanterung lurch
folche Gegenten aus$uhalten, unt felbst mit feinent ab-
geharteten Pferte toagt ler Araber sich nur tamt in tie
Wuste, toenn periotifche Regen eine turftige Vegetation
Hervorgelocki unt stellentoeis kleine Lachen $uruckgelaffen
haben. Das Kanteel ubertrifft lurch Genugfamkeit unt
lie Fahigkeit, Harten Mangel $u ertragen, alle anteren
Saugethiere. Es ist $usrieten mit ten turren Aesten
torniger Halbstrauche, mit ten Zweigen unt Blattern
ler Tantariske unt len Blattern ler Dattelpalme, unt
mitten in ler Wuste, too auch tiese Nahrung fehlt unt
las Auge ringsum nur auf Sant unt Steine trifft, be-
gnugt es sich mit einer mahigen Menge $erstohener Dat-
telkerne unt Bohnen oter einigen aus grobent Gersten-
mehl gemengten, luftgetrockneten Kuchen. Eine geringe
Menge fo armfeliger Liahrung reicht hin, unt ihm Kraft
unt Ausdauer $u erhalten, unt im schlimmsten Falle
ertragt es einige Tage tie Verminterung feines fpar-
lichen Antheils unt rettet lurch eine letzte unt auherste
Llnstrengung feiiten Reiter uber lie Gran$e ler Wuste in
las fruchtbarere Lanl. Dem Mangel lange Zeit aus-
gefetzt, verliert es gratweis len aus Zellgetoebe unt
Fettfchichten $ufammengefetzten Ruckenhocker, ler aufge-
fogen unt $um Besten tes ubrigen Korpers vertoentet
toirl unt erst nach trei bis vier Monaten ruhigeren Le-
bens unt Hinreichenter Nahrung, jetoch nicht eher sich
toieler billet, als bis am ubrigen Korper lie Magerkeit
getoichen ist. Die Araber fagen nicht mit Unrecht, tah
las Kameel von feinen eigeneu Ruckenhockern lebe. Noch
ungewohnlicher erfcheint tie Fahigkeit, Durst $u ertra-
gen. Sie ist nicht bei allen Rasfen gleich unt toirl $um
grohen Theil lurch Er$iehung unt Getoohnung bestiimut.
Burckhartt bemerkt, tah lie anatolifchen Kameele im
Sommer jeten $toeiten oter dritlen Tag Waffer detur-
fen, dah Hingegen die arabischen vier bis funf Tage aus-
Halten, ohne $tt trinken. 3m Fruhjahre, toenn auf ler
besferen Art der Wusten stellentoeis junges Gras den
Boden uberzieht, belarf las Kanteel fast gar kein Waf-
fer, unt Reifente legen latin lett langen Weg von 25
Tagereifen lurch tie shrische Wuste von Dantaskus bis
Bagtal $uruck, ohne sich mit Wafservorrathen fur ihre
Thiere $u belalen, oter auf grohen Unttoegen duetten
auf$ufuchen. Unter lem grohten Mangel, toenn las
Pfert in Verztoeistung gerath, enttveler $usammensinkt
oter ler leitenlen Hånt len Gehorsam verfagt, bleibt
las Kameel gelullig, unt obgleich es mit feltener Sin-
Itenfcharfe las nahe Waffer toittert unt feine Schritte
befchleunigt, fo stur$t es sich loch nicht in ten entleckten
Teich oter Fluh, fontern fucht, toenn auch eilig, einen
beqnemen Zugang. Die Fahigkeit, las Waffer bis auf
Entfernung einer Stunte $u toittern, beruht toahrschein-
lich auf Auffassung eines unmerklich fenchteren Luftstro-
mes unt hat schon ost Karavanen gerettet, leren Fuhrer
mitten in ler Wuste einen Teich oter angesammeltes
Regentoafser nicht vermutheten unt ohne len Scharfsinn
ihrer Thiere nicht entleckt Habeit tourlen. Gelehrigkeit
unt Gelttll sint aniere toerthvolle Eigenschaften des
Kameels, toelches nur lurch Uebermaah schlechter Be-
Handlung $um Wiiersiante gerei$t toirl unt lurch scharfe
Bisse sich $u rachen sucht. Fur Beleitigungen Hat es
ein treues Gelachtnih unt racht sich fruher oter spater.
Hat es seiiter Rachsucht Befrieligung verschafft, so
vergiht es schitell len ganzen Vorgang. Von Natur ist
es zutranlich, tankbar, fotoeit seine ettoas beschrankte
Jntetligen$ solche Regung $ulaht, unt lem Menschen
$ugethan. Es strengt, unt lent freuntlich $usprecheitten
Fuhrer $u gefatlen, seine Krafte an, bis es nietersinkt
unl ein uber len gan$eit Korper Hervorbrechenler Schtoeih
len Tot anfunbigt. Nur lamt, toenn man ihm $u
schtoere Lasten auftegt oter unmenschlich genug ist, feinen
tounlgelruckten Rucken nicht $u fchonen, vertoeigert es
ten Gehorsam, steht nicht vom Boten auf unt bricht in
ein lautes Gefchrei aus, toelches nicht Zorit anleutet,
fontern toie bittere Klage klingt unt Europaer juni
tebhaften Mitleilen stinimt. Sinkt es, belalen oter
frei, aus Hunger unl Erfchbpfung auf lem Wege nieler,
fo steht es felten toieler auf unl toirl feinent Schickfale
ubetlasfen. Der arabifche Reifente Wettstel fchiltert in
ergreifenlen Worten ten Eintruck, toelchen tas Zusant-
mentreffen mit folchen lem Untergange getoeihten Thie-
ren auf ihu machte, tie, ihres Schicksals sich betouht, tie
ab$iehente Karavane mit trauerntem Blicke verfolgen
unt entlich stohnent sich auf lem Sanle nieterstrecken.
Der Araber vertoeigert ihnen ten Tot $u geben unl
ihre Leiten ad$ukur$en, toeil religiofe Vorfchriften ihm
allein lie Tottung tes Fleifches toegen gestalten unt
felbst in tiefenr Falle eine fromme Abditte zur Psticht
ntachen. Begierig umlagern lie unermutlichen Begleiter
ler Karavanen, tie Geier, tie gefallenen Thiere unl de-
giniteit sie, nicht felten vvr lent Erloschen tes letzten
Lebensfunkens, $u zerreihen. In jeter Wuste bemerkt
ler Reifente lie Reste jenes treuen Dieners les Men-
fchen, ball als Skelette, die das angedorrte Fell eng um-
$ieht, bald als Gebeine, die unter den unverhultten Strah-
len einer fast fenkrechten Sonne $ur blendenden Weihe
gebleicht toorden sind. Ein$elne Kanteele $eichnen sich
durch storrisches Weseit aus und toerben von den Ara-
bern too ntoglich aus den Karavanen entfernt, bantit ihr
bofes Beifpiel nicht auf bie anteren toirke. Unter sich
sint sie ost uneinig unt gerathen felbst am Schluffe einer
ermutenten Tagereife, fodall sie von ler Latung befreiet
sint, fo Hart an einanter unt verbeihen sich fo Heftig, tah
lie Fuhrer sie nicht ohne perfonliche Gefahr $u fontern
Verntogen (Fig. 836.). Die Turken in Kleinasien benutzen
tiefe Kampftust, unt sich ein rohes Vergnugen $u berei-
ten, bringen Kanteele an einanter, toelchen man las
Maul verbunten Hat, unl nehinen mit ungetoohnticher
Leitenfchaft Theil an lem Ringen ler ergrimmten Thiere,
lie sich nieter$utoerfen streden unl noch auf lem Bolen
len Kampf fortfetzen, ler ost mit fchlimmen Vertoun-
lungeit les Unterliegenlen enlet.
Das Kanteel erlangt feine grohe Wichtigkeit nicht
fowohl lurch ungewohnliche Gefchtoinligkeit als lurch
feine Auslauer auf Reisen, lie so lang unl mit so vieten
Beschtoerlen unl Entbehrungen verbunten sint, tah kein
anleres unter unseren $ahmen Saugethieren sie aushal-
ten tourte. Die Schnelligkeit ler besteit Heiri's, lie alleitt
von Eilboten geritten unl schon im Koran lobgepriesen
toerleit, ist eine inahige unt entfpricht turchaus nicht ten
abenteuerlichen Angaben arabischer Schriftsteller unl
Dichter. Stark angetrieben, versetzt sich ein Heiri $toar
in Galopp, halt aber tiesen hochstens eine Halbe Stunte
lang aus unl toirl von guten Pferlen balt eiiigeholt.
Dagegen verntag er im starken Trabe mehrere Stunlen
ohne Unterbrechung $u laufen. Wellstet Halt einen vier-
unl$toan$igstuntigen, kaum unterbrochenen Marsch bei
einer Geschtointigkeit von sechs dis acht englischen Mei-
len in ler Stunte fur Hochste Leistung eines Reitkameels
ler besten Oman-Rafse. Der gewohnliche Gang eines
guten Heiri ist eine Art von bequemem, aber fchnell for-
lernleit Pah, $u funf dis funf unt einer halben engli-
fchen Meile in ler Stunte. Unt-fchnell fortzukommeit,
foll man lem Thiere feinen Willen laffen unl es nicht
$u rafcherent Laufe antreiden, lenn ungestort vom Reiter
verfolgt es mit immer gleichbleidenter Gefchtoinligkeit
len Weg, legt einige Tagereifen $uruck ohne tangere