Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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tUictierkiincr.
Snugcthiere.
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Ruhe, als zum Fressen erforderlich sein mag, und gelangt
in funf Tagen an Orie, die mit gewohnlichen Karavanen
nicht unter 25 Tagen zu erreichen sind. Die Bewegung
des Kameels ist ubrigens fur Ungewohnte nichts meni-
ger als angenehm, denn jeder Tritt ist mit einem Heftig
erschutternden Stosie verbunden. Geroohnltche Karava-
nen bestehen zum grohten Theile aus Lastfameelen, die,
mit 500 — 800 Pfund beladen, zwar nur 2 — 2% engli-
sche Meilen in der Stunde zurstcklegen und taglich nicht
langer als acht Stunden auf dem Marsche sind, atlein
eine ununterbrochene Reise von 50 Tagen aushalten.
Leichtere Karavanen reisen schneller, weil die Kameele
nicht allein rascher traben, sondern auch taglich zehit
Stunden lang in Bewegung bleiben muffen. Man kennt
diese Einzelnheiten durch die Berichte europaischer Rei-
sender, welche die Wusten passirt haben ; Carmichael
kreuzte i. J. 1751 die grosie Wuste von Aleppo nach
Bussorah mit einer schweren Karavane und brauchte
zur Zurucklegung des 797 englische Meilen langen We-
ges 322 Stunden; Jrwin reiste 1781 durch die kleine
Wuste von Aleppo nach Bagdad, 480 englische Meilen,
und war 1397a Stunde unterwegs. Von der Beschaffen-
heit des Bodens hangt naturlich auch die Schnelligkeit
des Kameels ab; in weichem Flugsande sinkt das bela-
dene Thier bei jedem Schritte tief ein und erschopft bald
seine Kraste. Trockene und Harte, aber etwas sandige
Ebenen sind seinem Fuse am Meisten angemefsen. Zu
anhaltenden Bergreisen ist es uicht geschaffen; es ersteigt
zwar Abhange ohne Schwierigkeit und halt einige Zeit
die rauhesten Gebirgswege aus, allein es erlahmt leicht
und ist nicht entfernt so stcher roie ein Maulthier. So-
roohl um zu ruhen, als um sich beladen zu lassen, knieet
es nieder und druckt die Brust platt gegeu den Boden.
An dieser und an den Gelenken der Vorderfusie stehen
dicke, unbehaarte Schwielen, die nach Friedrich Cuvier's
Versicherung dein jungen Dromedar fehlen, aber bald
sich ausbilden durch die naturliche und keinesroegs durch
Erziehung beigebrachte Gewohnheit des Niederknieens,
eine Stellung, in roelcher das Kameel zu schlafen pstegt
und sogar stirbt. Beladen erhebt es sich vom Boden,
indem eS die Hinterfusie nach vorn und unter den
Bauch bringt. Indem es mit dem Hintertheile, der
schroachsten Halfte seines Korpers, zuerst aufsteht, er-
Halt es Gelegenhelt, das Geroicht der ihin aufgelegten
Ladung zu prufen. Leistet es dann Widerstand, so famt
111*111 uberzeugt sein, dasi nicht Halsstarrigfeit, sondern
das Vorgefuhl der UnniLglichkeit, unter unangemessen
schwerer Last sich zu beroegen, die Veranlassung sei.
Obgleich die Kameele in manche Rassen zerfallen, so
scheinen sie doch Hinsichtlich der Sinnesfahigkeiten alle
auf derselben Stufe zu stehen. Sie haben, roie die uKri-
gen Wiederlauer, grosie und halbfuglich vorstehende -Au-
. gen und eine horizontal verlangerte Pupille, indessen
feine Thranengruben roie die Hirsche. Eigenthumlich ist
ihnen ein roeit Hervorragender Brauenfnocheit , der das
ubrigens scharfe Auge gegeu den senfrechten Sonneit-
strahl beschattet. Die ziemlich hoch oberhalb der Lippe
stehenden Nasenlocher sind in der schon beschriebenen Art
gegen den Staub und glithenden Witid der Wuste ver-
schliehbar und nicht mit einent drusigeit Kissen itntgeben ;
das Gerttchsorgait ist dennoch scharf und besonders zttr
Witteriing des Wassers geschickt. Keitt ausieres Zeicheii
deutet auf eigenthumliche Scharfe des Hororgans, denn
die Ohrmuschel zeigt verhaltnisimahig fehr geringc Ent-
roickelung, allein Kameele horen so scharf und schlafen
so leise, dasi das leichteste Gerausch sie aufweckt. Die
Smige ist lang und fuhlt sich ausnehmend weich an ; der
Geschmacksfiitn ist keinesroegs so stumps, roie man aus
dem Fressen vertrockneten Gestrupps ^chliesieit inochte,
mit welchem das Kameel in der Wuste sich degnugt. Wo
die Wahl freisteht, zieheit Kameele stets das bessere Fut-
ler vor. Sie lieben Salz und belecken mit unverkenn-
bareitt Vergnugem Alles, roas nach demselben schmeckt.
Jhr eigentliches Tastorgan ist die einer ntannichfachen
Beroegung fahige Oberlippe; die Hant scheint nicht fehr
empfindlich zit sein nnd ist mit zroeierlei Haar bedeckt.
Das langere nnd seidenartige ist sparsanter vorhanden als
das kitrze Wollhaar nnd dietit bekanntlich zttr Verferti-'
gnng verschiedener Stoffe. Am Schlusse der Fortpflan-
zttiigsperiode, roelche iitt ersten Fruhlinge gegen zHei
Moiiate daitert, degitint das Haar anszitfalleit, indessen
am arabischen Kameel im geriitgeren Grade als an dem
zroeihockerigeit, roelches fast ganz kahl roird und datin
eineit doppelt hasilichen Anblick darbietet. Ohngefahr
zroei Alonate sind zttr Ersetzititg des Haares erforderlich;
erst gegen Ablattf des Juni hat das Kleid seine vorige
Dichte roieder erhalten. Wahrend jettes Seitraiimes ist
die Erreguitg der inaiinlichen Kameele so grosi, dah man
sich ihnen mit vieler Vorstcht nahern iititsi; in blinder,
grintmiger Wiith sttcheit sie Menschen nnd Thiere mit
ihreit gefahrlichen Zahnen zn erfassen nnd gleicheti furcht-
barett Ranbthieren ntehr als friedlichen Wiederfauern.
Sitgleich treiben sie ans dem Rachett eine grosie, blutrothe
Blase Hervor, die seitlich Herabhangt nnd nichts Anderes isi,
als das Periodisch zu ungeroohiilichein Umfange anschroel-
lende Zapfchen und ein Theil des sogettannien Gauinen-
vorhanges. Das roeibliche Kameel tragt zivolf Monate
und roirft ein Junges, roelches mit offeneit Augen und
den Spnren eines Ruckenhockers, allein ohne Schroielen
an Britst und Beiiten, zur Weli kornint, ein volles Jahr
gesaugt roird und nach und nach Pflanzen abroeideit
lernt, am Ende seines zweiten Lebensjahres Spuren ein-
tretender Mannbarkeit zeigt, unter vier Jahren nicht er-
roachsen ist und erst im siebenten Jahre seine vollige Reife
erlangt. Die Lebensdauer Hangt von der Behaitdlung
und Pflege ab und soli 35—40 Jahre betragen; in In-
dien halt man Kameele schon im neunzehnten Jahre fut-
alt und ausgedient.‘
Die Dienste des Kameels sind nicht auf Tragett von
Reitern und geroohnlichen Lasten beschranft. Man Hat
diese Thiere in Asien nicht selieit in Kriegen benutzt, ul-
dent man sie mit kleinen, auf besonderen Satteln befe-
stigten Kanonen belttd, die titan abfeuert, ohne sie abzu-
ladeit. Die britisch-ostindische Compagnie unterhalt ein
besonderes Corps dieser fliegendeit, von Dromedaren ge-
tragenen Artillerie, und die Chittesen Haben ahnliche
schon vor langer Zeit angeivendet. Die nomadischen
Volfer, zittnal die Araber, roelche die Milch der Ziegett
und Schaafe zur Verfersigung von Biitter verivenden,
benutzeit Kameelinilch als geroohnliches Getranf, reichen
sie ihren Lieblingsstuten und Fohlen und vermengen sie
im srischen oder gesauerten Zustande mit Mehl, Hirse
tind dergleichen zu Gerichten, die unter den Namen Ayesch
und Behatta von vielen Reiseitden erroahnt roorden sind.
Sie essen gern Kameelfleisch, obgleich dasselbe den He-
braern, von welchen sie eine Meiige von Satzungen und
Geivohnheiten beibehalten haben, verboten roar, gestatten
sich aber den Genuh nur bei festlichen Gelegenheiten. Der
ganze Stamm nimnit damt an dem Gastmahle Theil; das
ubrig bleibende Fleisch roird in Gesahen, mit Fett tiber-
gossen oder an der Sonne gedorrt, zu kunftigem Gebrauche
ausberoahrt. Aus dem im Fruhjahre abfallendeit Woll-
haare ivebt man grobe Zettche, die zu verschiedenen Zroek-
ken Hauptsachlich zu Zeltdecken, nutzlich sind. Dem Hei-
mathlosen Araber der Wuste liefert sonach das Kanteel
die Mehrzahl seiiter Beditrfnisse, Nahrung, Kleider, Zelte,
Sandalen, Sattel und Ledereimer, es tragt ihn und seine
Familie in grosie Ferneit, und im Kreise gelagerte Kameel-
Heerden dienen als Wall gegen den Angriff fluchtiger
Reiter und als Schutz gegen die Sandivolken Herbeifuh-
renden Wirbelroinde. In Aeghpten, Arabien und Per-
sien ist Karneeldunger an vielen Orten der einzige Breitn-
stoff, aus desseit Rusi man ehedem fast allein den Sal-
miak bereitete, roie die in Cairo und anderen Stadien
Aegyptens um 1720 noch vorhandenen Fabriken beroiesen.
2. Das zwelhockerige oder baktrische Kameel. (Camelus bactrianus.)
Fig. 837 — 839.
Das roesentlichste Keiinzeichen der anderen Art der
Gattung Kameel besteht in den zroei Hockern, von roelchen
der vordere auf den Schulterit, der Hintere auf dent Kreuze
aufsttzt. Beide verhalten sich hinsichtlich ihrer iiinern
Struetur roie am arabischen Kameel, sind ebenso dem
Snsammensinkeit unierroorfeit und trageit obenauf eineit
langen Haarschopf. Aitdere Bundel langer Haare stehen
auf dent Oberfopfe und an der vorderen Seite der Vor-
derfusie von der Brust bis zum ersteit Gelenke. Die
Farbe ist geroohnlich braun, die Lange ves Korpers be-
tragt 107^Fuh,-die Hohe am Widerrist 6 Fttsi, am
Kreuze 5 Aiisi, indessen scheinen Spielarten nicht zu feh-
len, die soroohl durch Farbung als Grosie abroeichen und
nothroendige Folge einer ttralieit und roeitverbreiteten
Cultur sein mussen. Der bekannte Beschreiber China's,
der Jesuit Du Halde, versichert, dasi in biefent Lande
eine ausieror^ntlich fleine Rasse gefunden roerde, und
dasi eine aitdere, durch Schnelligkeit ausgezeichnete ebett-
daselbst vorkomme, rntisi man aus dent Nanten Tong-
kyo-Fo abnehinen, der ein „ Kameel mit den Fusieit des
Wiiides" anzeigt. Der Verbreitungsbezirk des baktri-
schen Kgmeels ist roeit beschranfter als derjenige des ara-
bischen und begreift eigentlich allein Mittelasien, nordlich
vom Tattrus und Himalaja bis an die Sudgranze Sibi-
riens. Niebuhr sah roahrend seitier langen Reisen in
Aeghpten und Arabien im Ganzeit nttr drei Stuck; der
viel spatere Reisende Maefarlane sah in Kleinasiett ein
einziges, aus einer feriten Provinz Herbeigefuhrtes. Auch
in Indien gehort es zu den grositen Selteitheiten. Nach
alteren Nachrichten soll les in Turkestait, der Baetriana
der Alten, im milten Sustatide leben, und nach Pallas
beroohnt ein sehr groher, aber vollig roilder Schlag die
an China gr-nzende Wuste Schamo, deit Andere nur als
verroilderten oder als Nachkommen solcher Thiere aner-
keiinen roollen, die von deu Kalinucken aus religiosen
Grundsatzen in Freiheit gesetzt roorden find. Jedenfalls
ertragt das zroeihockerige Kameel kalte Klimate roeit
besser als das arabische und eignet sich daher vorzugs-
roeis zum Hausthiere der mongolischen Horden, die mit
ihm bis an den Baikalsee streifen. Im Antar, einem
etroa aus dent zehnten Jahrhunderte stammenden arabi-
schen Gedichte, roird es erroahnt als im ostlichen Arabien
unbekannt und allein in den Gebieten von Kosroe und
Irak Heimisch. J>t Sitteii und allgemeiitent Verhalten
gleicht es dem arabischen Kameel und soll dieses an Trag-
fahigfeit ubertreffen und mit 1000 — 1200 Pfund bela-
den rocite Reisen macheit konnen. Tartaren richten es
ab zum Ziehen leichter Wagen, indessen verliert es seineit
roahren Werth und seine Bedeutuitg auherhalb der pflan-
zenarmen Wuste.
11. Lama. (Auchenia.)
Gattungscharakter: Vorderzahne oben zroei,
nitten sechs. Eckzahne uberall einer. Backenzahne ttberall
funf oder vier, ohne Zroischenrautn nahestehende Falten-
zahite, mit platter Krone.
1. Das Guanaco. (Auchenia Guanacus.) Fig. 841— 844.
An die Stelle der Kameele treten in der netten Welt
die Guanaco's ttitd Lanta's, die mit jetten eine unverkenn-
bare Familienverroandtschaft haben, indessett theils als
Gattung verschieden sind, theils auch, roie die meisten
Thiere Amerika's, Hinter ihren in der ostlichen Halbkugel
Heintischeit Vorbildern an Grosie roeit zuruckbleiben. Die
grositen Arten oder roahrscheinlich Spielarten dieser ante-
rikanischen Kanteele erreichen faunt die Hohe von funf
Fttsi, und obgleich sie an diejenigen der alten Welt int
allgenteinen Ansehen erinnerit, mit ihnen die tiefgespal-
tene und beroegliche Oberlippe, die mit Klappen ver-
sehenen Nasenlocher, die uberhangenden BraueN^ogeit,
die mageren Glieder und die laitgivollige Bekleidung des
Korpers geinein haben, so sehen sie doch nicht entfernt so
schroerfallig und dumm aus, trageit auf dem Rncken feine
ui^rmlichen Hocker uub erhalten dnrch seineren Kopf,
zugespitzte und beroegliche Ohren und tingentein lebhafte
Augen einige Aehnlichfeit mit Ziegen und geroiffen Hirsch-
arten. Den langen und dunneit und daher unschoneit
Hals traaen sie mindestens so aufrecht, dah der AuSdruck
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