Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Aeuilic Vr-nung.
toilleiilofer Hingebung und stumpfflnniger Tragheit, den
man am Kameel toahrzunehmen glaubt, villig verfchtoin-
det. Wesentliche Unterschiede liegen in der Bildung des
Futzes, Gel'isses und selbst des Magens. Der erstere
(Fig. 840.) besteht aus zwei ties gelremiten, elastischen
Zehen, bie, durch eine Sohle nichtdereinigt, unten mit ran-
hen Kissen, am Ende mit krallenartigen, etwas gekrumm-
ten, oben scharfkantigen, seitlich zusammengedruckten und
unten platten Hufen versehen sind und das zum Leben ztoi-
schen felsigen Gebirgen bestimmte Thier bezeichnen. Die
Vorderzahne stehen etwas entfernt von einander und gleichen
bereits den Eckzahnen, die sich nur durch Grotze unterschei-
den ; die Backenzahne dilden, wie bei anderen Wiederkauern,
eine regelmatzig fortlaufende Reihe. Von den letzteren
sind zwei im Oberkiefer, einer iin Unterkiefer einwurzelige
Luckenzahne. Nach alteren Angaden sollte der Magen
feine Spur des bei dem Kameel beschriebenen, zur Auf-
Hewahrung von Wasser bestimmten Banes zeigeit; der
schottische Anatom Knor Hat indessen in nettesten Zeitett
am Lama eine ahnliche, wetttt auch etwas abgeanderte
Einrichtung nachgewiesen. Er sand in der kurzeren Ab-
theilung des Pansen 16 Reihen von s/4 3oK breiten, an
der Mundung engen Zelleu und ebett so viele, aber grohere
Zellett in der langeren Abtheilung, sowie im zweitett
Magen eine noch weit betrachilichere Anhaufung ahnlicher,
wie Dachziegel uber einander liegenden Behalter. Alle
entbehrten aber eigentliche Schliehrnuskeln, enthielten fem
Wasser und waren dem Speisebrei zuganglich. Lama's
scheinen ubrigens felten Wasser ztt bedursen, mindestens
sieht titan fle im zahntett Zustande und bei reichlichem,
grnnen und saftigen Futter niemals trinfen. Es scheint,
dasi die in den Pflanzen vorhandene Feuchtigfeit sur fte
Hinreicht, weil fte auch ohtte Wasser ftets eine fehr reich-
liche Mettge von Speichel abfondern, den sie bei wirklichen
oder ttnr vermeinten Beleidigungen auf Personen spritzett,
und dem man ehedem mit Unrecht atzenbe Kraft zuschrieb.
Die Lama's und verwandten, derselben Gattung att-
gehorendett Thiere bewohnen allein die kalteren Regionen
des westlichen Sudamerifa vom Aequator bis nach dem
Feuerlande, Halten sich in Peru und Chile ausschliehlich
in den Hochsten Ketten der Andes nahe an der Schiteelinie
auf und fteigen, wie die Pflanzen, gegen den talten
Sudpol in die Ebetteit Hiitab. Darwin fah auf den oden
Steppen Patagoniens, ttitd zwar bis an das atlantifche
Meer, ganze Heerden dieser Thiere, welchen man in Chile
nicht niedriger als 8000 Fusi uber dem Meere, in Peru
sogar itttr senseits 10,000 Fusi absoluter Hohe begegnet.
Wie viele wirkliche Arten es gebe, und durch welche feste
Kennzeichen diese zu unterscheiden seiett, ist eine altere
und noch immer ungelofte Streitsrage. Die erften Be-
fchreiber und Chronisten Sndamerifa's haben stch zwar
fast alle uber bie Lama's verbreitet, bie sie „einheimifche
Schaafe" nennett, allein Verwechselungen und Misiver--
standniffe in Menge veranlasit. Bei der eiserfuchtigen
Verschliehung der Coloniett bttrch die Spanier toar es
unmoglich, genane Kunde einzuziehen, und Bitsson erhielt
zuerst eiiieit befferen Bericht durch dcu Abbe Beliardi.
Linne und Bnsson itahmen nur zwei Arten an, die man
lebend in Europa gefehett hatte, allein der in Chile gebo-
rette und als Jesuit vertriebene Molina, der mehr aus
dem Gedachtnisse als nach eigentlichen Borlagen die Na-
turgeschichte seines Vaterlandes schrieb, fuhrte funf an-
geblich verschiedeite Arten ein. Den nettesten Forschungen
zusolge ist es hbchst wahrscheinlich, dah ttur zwei eigent-
liche Arten vorhanden sind, und tvas soiist tinter man-
tiichfachett Namen ausgesuhrt wird, ztt den Spielarten
gerechnet roerben muffe, bie in einem, seit sehr entfernten
Zeitett bettt Menschen unterthanen Thiergeschlechte in
Amerika ebett so entstanben sittb, wie sie in anberen, glei-
cheit Bebingungen unterroorfenen Gattungen in Europa
sich erzeugt Habett. In Europa Hat bie Verivirruitg, zu-
ntal ausierhalb ber Kreise ber tvissenschastlichen Zoologen,
in ben letzten Jahren baburch eiitett fast unbeschrankten
Untfang gewonnen, basi man balb aus Zutgemeinter
Absicht, balb aus ubelberathener Speculation Lama's
tiiib ihre Spielarten mit ansehnlichen Kosten aus Peru
eingestthri und tinter 9?amen verkauft Hat, die theils itn-
redliche Getvinnsucht, theils Unwissenheit der in den ante-
rikanischen Kustenstadten angesiedelten Kausleute zu geben
sur gut fand.
Das Guanaeo, das eigentliche Stammthier, die roilde
Form des nttr gezahmt vorfommenden und je nach Land
tind Klima in viele Spielarten zerfallenden Lama, macht
die am meisteti verbreitete der zwei Arten der Gattung
aus. Ob es bis in das nordliche Peru reiche, ist unbe-
kannt, benn bort herrscht bie anbere Art, bas Vicuna,
vor, allein von Bolivia bis zur Magalhaensstrasie ist es
nirgenbs selten. Je heisier ber Sommer, je armer an
Wasser ttitb Pstanzetiwitchs bie nieberen Regionen roerben,
tint so hoher steigl es in bie Gebirge entpor, ttitb ber Win-
ter allein faun es zroingett, in tiefer liegenben Thalern
Schtttz ztt sucheit. Die fublichen ttitb sehr rauhen Corbil-
leras Verlaht es gatiz tvahreitb ber kalteren Jahreszeit, um
sich uber bie burch starke Regen zum Ergrunen gebrachten
Wusten Patagoiiiens zu verbreiten. Geroohnlich Halt es
sich in Heerben von 12 — 30 Stuck zusammen, boch sah
Meyen in Bolivia Heerben von 100, Darwin am Flusse
Santa Crtiz in Patagonien sogar Schaaren von 500 Stuck.
Stets stellen biese in ber Nahe ihrer Weibeplatze Wachen
aus, bie von einem Hoheren Stanborte tnittels ihres
eben fo fcharsen Gehors als Gesichts jeben Feinb schon
in ber Ferne entbecken ttitb burch ein scharfes Geschrei,
ivelches von manchen Berichterstattern bent Wiehern eines
Fohlens verglichen roirb, bie unbesorgteii Gesahrten toar-
nen. Bei lauterer Wieberholung bieses Zeichens setzt
sich ber ganze Trupp in Beroegung, trabt scheinbar ge-
machlich, in Wahrheit aber mit ansehnlicher Schnelle bie
steilsteit Bergfeiten ffinauf, verschroinbet vielleicht bettt
Blicke ttitb roirb zuletzt immer auf einem utterreichbaren
Felskamme toieber sichtbar, von tvo er neugierig auf ben
getauschten Verfolger Hinabschauet. Diese ben Jagern
in Chile toohlbekannte Neugierbe toirb einzelnen ober in
kleineit Hausett uberrafchten Guanaco's ost sehr verberb-
lich, bie ben unerivartet vor ihnen erscheinenben Menschen
mit Verrounberung betrachten, sich einige Schritte eni-
sernen, nochinals stehen bleiben ober ihn sorschenb um-
kreisen, zumal wenn er bie List antoenbet, burch allerlei
ungetoohuliche Beroegungen, z. B. burch Hinlegen aus
ben Boben unb gleichzeitiges Umherschlagen mit Armen
ttitb Futzen, ein bent Guaitaeo unbegreifliches Schauspiel
aufzufuhren. Der Jager getoiitnt babei Zeit zu einem
unb fogar zu mehrereti Schussen, bie keitten Schreckett ver-
urfachett unb, roie es scheint, von bent Wilbe fur Theile
ber intereffanten Scene aitgesehen roerben. Darroin unb
feiite Begleiter uberlisteten auf solche Art nicht nttr mait-
che ber sonst sehr sch etten Guanaco's, sottbertt toarett
sogar Zettgett, roie einzeltte bie annahernben Jager nicht
allein mit wiehernbent Geschrei empfiiigen, sonberti ihttett
tinter ben lacherlichsten Lustfprungeit, gleichsam Heraus-
attsforberitb, entgegen gingen. Sie sinb ubrigens ganz
roehrlos, versuchen niemals sich zu vertheibigen ttitb glei-
chett in manchen Stucken ben Schaafett, benn ein einjiger
Jagbhunb genugt, um bas grosite Guanaeo festzuffalten
bis zur Ankunst bes Jagers, unb gleichzeitig von ntehreren
Seiteit her erscheittenbe Reiter bringen ganze Heerben so
sehr um alle Bestnnung, basi sie, anstatt bttrch bie Ztoi-
fchenraume bes Kreises zu entfliehen, sich auf einem Puiikte
zusammetibrångett unb enblich eng einschliesien laffen. Die
patagonischen Jitbier hallen auf ihren Ebenen ost ber-
gleichen Treibjagbeit ttitb tobten bie Eingefchloffenett bttrch
Wttrse mit ber Schleuber, ben Bolas ober betit Lasso.
Auf ber Flucht fcheuett Guanaco's bas Wasser nicht, ftur-
zen sich unbebenklich in breite Fluffe unb felbst in Mee-
tesarme. Das Salzroaffer surchten sie tint fo weniger,
als sie baffelbe ztt trinfen pstegen; einige Offiziere ber
englifcliett, von Fttzroy commanbirten Erpebition nach
bettt Feuerlanbe fahen Guanaco's bas fehr fcharfe Wasser
ber grotzen natiirlichen Salzbecken um Cap Blanco begierig
trinfen, unb Byron beobachtete vor achtzig Jahren bas-
felbe. Fiittermangel fcbeint sie bisweilen ztt grotzen ge-
meinschaftlichen Wanberungeti unb zwar nach Gegenben
zu veranlasfen, in roelchen sie fonst fast niemals gefehen
werben. Dartvin fah unsern Baffia Blanca in Patago-
nien bie Sparen eines starfen Zttges, ber aus groper Ferne
gerabe auf bie Kuste losgegangen unb bei Entbeckung bes
naffeit Meeres mit grotzter Regelmatzigfeit eine Schwett-
ftitig gemacht unb parallel mit seiner ersten Marschlinie
zuruckgefehri roar. Sie haben ubrigens bie noch titter-
flarte, roie nran fagt, auch ben Vicuna's eigette Getoohii-
Heit, ihre Ausleeruiigeit itttr an bestiinntten Orten abzu-
fetzen. Der genannte britifche Naturforscher fanb Duit-
gerhausett von acht Futz Durchmeffer, bie, wie fchon Fre-
zier bemerkt, in Holzarmeii Gegenben ben Jnbiern eiitett
willfommenen Brettnstoff liefern. Eine anbere ffochft
nterfrourbige Sitte ber Guanaco's ist bie Wahl befott-
berer Orte, um ztt sterben. Am Fluffe Santa Crtiz
fanb man beschrankte, mit ihren Skeletten unb einzelnen
Knochen bicht bebeckte Platze. Die gute Erhaltung ber
Knochen, bie nicht bettagi noch zerbrochen waren, verbet
zu verinuthen, batz an biefett Tiellen bas Lager eines feine
Bente zufatnmenfchleppenben Raubthieres sich befunben
habe. Auch attt Fluffe Gallegos hat man folche Sterbe-
Platze gesunben unb uberhaupt beobachtet, bah bie von
ben Jagern verwunbeten Guanaco's an bie Fluhufer zu
gelangen fuchten.
Das Lama (Fig. 844—846.) i ft sicher itichfs Anberes,
als bie gezahntie, verhaltnihmahig nur menig geanberte
Form bes fvweit befchriebettett wilbett Guanaeo. Zu
welcher Zeit es zu einem Hausthiere gemacht worbett fe i,
ist nicht mehr nachweisbar, weil bie uberhaupt tnystische
Gefchichte ber Peruaner bieses Ereignitz in bie fruheste
Periobe verlegt unb mit ber irbifchett Erscheinung ihrer
Halbgotter in Verbinbung bringt. Die zuerst lanbettbett
Spanier fanben uberall attfehnliche Heerben von Lama's,
bie man zum Lasttragen benutzte, beren Fleifch, Fell unb
Wolle in ber Oefonomie ber Peruaner tint fo wichtiger
war, als biefe ein grotzeres Hausthier nicht befatzen.
Gregorio be Bolivar fchatzte im 17. Jahrhunberte bie
3ahl ber zum Tragett ber Silbererze von Potost ange-
Wenbeiett Lama's auf 300,000 unb glaubte, batz jahrlich
vier Millionen bes Fleifches roegen gefchlachtet tourben.
Die vielfeitige Nutzlichfeit entging felbst ben rohett Er-
oberertt nicht, unb baher sprechen alle Chrottistett unb
Befchreiber Peru's, bie sonst an Naturgeschichte toenig
Aiitheil itehmen, mit Interesse von ben Lama's, verwech-
feltt aber bie Naiitett ber verfchiebeneti Spielarten mit
einanber. Noch Heutzutage bienen biefe Thiere zur For-
beruttg geringerer Lasten, allein ihr Gebrauch ist toeit eitt-
gefchranfter als vor 300 Jahren, toeil inztoifchett bie ort-
lichen Berhaltniffe, bie Art bes Ackerbaues und des Han-
dels eine vollftandige Untfehrung erfaffren haben und das
toeit nutzlichere Maulthier allgetuein verbreitet toordett
ist. Der Jitdier der hochsten Gebirgsgegetiden Halt allein
noch Lama's, toeil fte toohlfeil ztt haben stud, tvenige oder
feine Abtoartung erheifchen und ihre Sutterung feine
Kosten verurfacht; er begnugt sich mit der geringen Ein-
nahrne, bie ihm feine Heerbe baburch gewahrt, batz sie
Erze von ber Grube nach ben Antalgamirtoerfen bringt
ober fonft fleine Dienste verrichtet, fann aber nie mit bein
toohlhabenbereit Maulthiertreiber in Concurrenz treten,
toeil feine Lama's nie uber 80 Pfuitb Labttng nehnten,
taglich hochstens brei beutfche Meilen zurucklegeit unb in
Heitzeren Nieberungen ihre Brauchbarfeit verlieren. Am
Starfsten toirb bie Zucht auf ben Hochebenen von Bolivia
getrieben, too bie inbifche Bevolkerung voriviegt, ange-
stantmte Sitten sich am Langsten erhalten haben unb bas
ausnehinenb unfreunbliche Klima ber Maulthier- unb
Pferbezucht fehr ungunstig ist. Ttotz ber fehr niebrigen
Temperatur ber oft 10—13,000 Futz uber bem Meere ge-
legenen Flachen kommen bie Lama's niemals in einen
Stall, fonbern berøringen bie Nacht auf einem mit rittg-
formiger Steintoanb eingefatzten, offenen Platze, ben Tag