Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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avicdcrkliucr.
Saugethiere.
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immer noch sehr theuer, inbessen burch Reisende so ost
nach Europa gebracht worden, das toenigstens alle grose
Sammlungeu ausgestopste Eremplare besitzen.
IV. Moschusthier. (Mosehus.)
. Gattungscharakter: Oberkiefer ohne Border-
zahne, am Mannchen mit einfachen, zugespitzten, ror-
bagenden Eckzahnen (Fig. 860 — 862.). Geweihe und
ThranengruLen fehlen. ZweiZehen und ztoei Afterzehen
mit fluten, spitzigen Husen.
I Das achte Mosehusthier. (Moschtis nioschiferus.) Fig. 865. 866.
Linne gab den Namen Moschusthier einer artenarmen
Gattung von Wiederkauern, weil die Eigenschafi, in
einem besondern Organe die bekannte, Moschus genannte
Substanz abzusondern, die 'Art auszeichnet; von welcher
er zuerst Kenntnih erhielt. Dieser Charakter sindet sich
sreilich nicht an den anderen, 'spater entdeckten Spe-
cies der Gattung. Unter alten Wiederkauern sind die
Moschusthiere die .kleinsten und zierlichsten. Sie glei-
chen, abgesehen vom Mangel der Geweihe, den Rehen,
die sie aber, mit einer einzigen Ausnahme, nicht entsernt
an Grose erreichen. Sie verdienen schon genannt zu
■ roerben; obgleich der mit glatt anliegendem, glanzenden
.Haar bedeckte, etroas dicke Korper mit -bent Halse, bem
fein zugespitzten Kopfe unb ben uberaus zierlichen Fusen
nicht int vesten Ebemnaase steht. Alle Formen sinb ge-
fallig unb abgerunbet, unb ben angenehmen Einbruck ber
ganzen Erscheinung vermehrt bas-grose, schroarze, led-
haft glanjenbe, inbessen boch von Milbe zeugende Auge.
Obwohl ber Gruppe ber ungehornten Wieberkauer, bie
sich burch sehr eigenthumliche Gestalten auszeichnet', an-
gehorenb, sinb sie boch nicht so adweichenb gedilbet wie
die Kameele unb stellen offendar die Berbinbung mit
den Geweihe tragenben Her. -In Stellung bes Karpers'
unb Umrissen dewahren sie sich sreilich auch als geson-
berte Gruppe, benn ba ihr Vvrbertheil weit niebriger
ist als ber Hintere (Skelett Fig. 864.), so Haden sie
gerade nicht bas leichte unb fluchtige Ansehen ber Hirsche;
auch weichen sie von benfelben burch bie int Verhaltniffe
zu ben Fusen fast zu debeutenbe Rundheit unb Grose
bes Rumpfes ab. Man kennt dereits gegen zehn Arten,
bie. alle ber alten Welt angehoren, meist nur in Warme-
ren Gegenben von risten vorkommen unb eben so frieb-
lich als unschadlich unb furchtsam sinb.
Das achte Moschusthier scheint unter allen Nerwanb-
ten gegen Kalte am wenigsten empfinbllch unb bewohnt
ben grvsen Gebirgszug, ber, bie norbliche Granze Jnbiens
herstellenb, nach Sibirien, Tibet unb ' China lange Zweige
abgiebt unb nit vielen Orten weit uber bie Schiteegranze
Hinausragt. Dort halt es sich vorzuglich in ben felsigsten
Gegenben auf, jeboch nicht allein auf ben hoheren Ge-
dirgsrucken, sonbern auch in ben geschutzteren Thalern.
In Nepal, Btttait unb ben Graitzprovinzen China's ge-
hort es zu ben gemeinsten Thiereit unb ist seldst auf bem
Altai tNtb um ben Baikalsee unb dis tinter ben 60° ber
Breite, wo es von Pallas beobachter wurbe, nicht felten.
Seiite Behaarung zeigt bas fur kalte Klimate bestimmte
Thier an; sie ist nicht allein bicht unb lang, sonbern be-
■ sitzt jene eigenthumliche Steifheit unb an bie Stachelbil-
buiig granzenbe Harte, bie man in eiwas geringerem
Grabe an ber Gemse unb an bem Klippspringer, einer
Antilope ber hochsten Berge Subafrika's, wahrnimmt.
Anstatt schlicht an bie Haut anzuliegen, steht bas Haar
fast rechtwinklig ab unb ist so bicht unb haufig, bah es
eine vorzugliche Schutzbecke gegen bie Kalte abgiebt. Die
Klanen vermag bas Moschusthier so weit von einanber
zu entfernen, bah es eine breite Basts gewinnt unb, ohne
einzusinken unb fast ohne eine Spur zu Hinterlafsen, uber
deschneiete Flachen mit Schnelligkeit bahinlauft. Nur
int Winter versammelt es sich zu kleinen Rubeln; int
Sommer lebt es einzeln unb halt sich dann gern in Fich-
tenwalbern auf. Seine Beweglichkeit unb Behenbigkeit
ist so gros, bah es, gleich ber Gemse, an ben tiefsten
Abgrunben unb auf schmalen Felskanten eben so schnell
als sicher forteilr unb uber bie weitesten Spalten unge-
fahrbet hinuberspringt. Auherorbentlich schen unb tttih-
lranisch, last es sich kanin burch einen Jager uberraschen
unb entstieht bei bent geringsten Berbachte von Gefahr
auf Hohen unb Felsen, wohin ihm Niemanb folgen
kann. Dennoch tuerben Mengen getobtet, nicht burch
Feuerwaffen, sonbern burch Fallen unb in Schlingen,
welche bie in solcher Jagb geubten Sibirier auf ben Pfa-
ben (ober Wechselit, wie beutsche Jager sagen tourben) uuf-
stellen, bie sie so regelmahig betreten wie viele ber Hirsch-
artigen Thiere. Das bie Moschus trotz vielfacher Berfol-
gilitg noch immer gentein fein muffen, mag titan aus ber
Menge ber alljahrlich uber Moskau zu uns gelangenben
Moschnsbentel fchliehen. Zu Pallas' Zeiten waren sie
febettfalls noch haufiger, benn bantals galt an ber Lena
ein solcher Beutel nur ben britten Theil bes gegenwartig
bort nblichen Preises. Sie nahren sich, wie alle anbereit
Wieberkauer, ausschliehlich von Psianzen unb wesentlich
von niebrigen Alpenkrautern unb solleit, wie Tavernier,
aus bie Aussagen inbischer Kausleute suhenb, erzahlt, int
Hartesten Winter, burch Nahrungsntangel gezwungen,
nach sudlicheren Gegenben auswanbern unb bis unter
hen 460 norblicher Breite vorbringen, roo bie Jagb aus
sie nicht mit groher Anstrengung betrieben zu roerden
scheink, roeil uber Indien und China ungleich tueniger
Moschus zu tins konimt als uber Ruhland. In Statur
gleicht das achte Bloschnsthier unserem gemeinen Reh,
indent es ohngesahr 3 Fuh in der Lange mist und vorn
2 Ftth hoch steht. Seine allgenteinen Umrifse sind ge-
brangt unb zeugen von Krast unb Ausbauer. Die Stirn
ist gerooldt, die Augen unb sehr deroeglichen Ohren Haden
bebeutende Grohe. Der Schroanz gleicht einem Stummel
unb ragt kanin uber das nach hinten vorzugsroeis ent-
wickelte, Hallsstachlige Haar hervor; bie Farbe ist braun,
mit .Nebergang in Gran ober Blahgeld an ben Seiten,
besonbers an jungeren Thieren, inbent jebes einzelne
Haar eine heller gesarbte Spitze hat, bunkler an ben
Schultern unb bem Halse als am Rumpfe. Die Weib-
chen erreichen nicht bie Grohe ber Mannchen, entbehren
bie vorragenben Eckzahne berselben unb Haden nur zroel
Zitzeii am Eiiter. Die Jungen sinb Hellgeflerft ivie bie
meisten jungen Hirsche. Od es roirklich zroei Arten in
Mittel- unb Subasien gede, roie Einige aus ber Gestalt
ber russischen unb inbischen 'Meschusdeutel geschlossen
Haden, muh bahingestellt bleiden, benn auf solche Bor-
lagen ist keilt sicheres Urtheil zu begrunben.
Der beruhmte Stofs, Moschus, besindet sich in einer
ben Genitalien bes Mannchens nahe gelegenen Hautfalte
unb gehort unter bie manchen Saugethieren eigenthunt-
lichen, starkriechenben Aussonberuitgsstoffe, bie sich naher
ober. entfernter auf bas Geschast ber Fertpstanjung de-
ziehen. Int frischen Zustande ist Moschus von salben-
artiger Beschafsenheit, int Hanbel Hingegen erscheint es
als trockne, krumelige, fehig anzufuhlenbe, braune
Maffe, bie in einen aus mehreren Hauten bestehenben,
fest zusamntengetrockneten Beutel von Grohe eines Tau-
beneies eingeschkosfen ist. Es roirb nicht itorhig fein, sei-
nen roeltbekannteit, in ber Nahe ammoniakalisch unait-
genehmen Geruch zu befchreiden, her fogar polirten
Aietallflachen anklebt unb in ber Regel als schlagenbes
Beifpiel ber unenblichen Theildarkeit ber Materie barnnt
angesuhrt roirb, roeil bas kleinste Stuck hinreicht, mehrere
taufenb Onabratstih mit feinent fpeeistfchen Geruche zu
schwangerit. Int Hanbel unterfcheibet man streng ztoi-
fchen bent tibetanischen, uber Jnbien unb China nach
Europa gelangenben unb bent sibirischen Moschus, ber
aus Ruhlanb konimt, unb giebt bent ersteren ben Vorzug
vor bem mehrentheils schroach, theils frembartig riechen-
ben russischen. Der zientlich hohe Preis veranlaht zuntal
bie chinesischen Zwifchenhanbler zu vielerlei Berfalschun-
gen, besonders burch Beimengung von getrocknetem Blute,
bie inbessen von bent geubten europhifchen Droguisten
leicht erkannt roerben. Als Arzneimittel nimmt Moschus
in ber Classe ber reizenden unb beledeuben eine hohe
Stuse ein unb ist so zientlich bas letzte unb int auhersten
Falle vont Arzte uerorbnete; bebeutenb ist auch seine
Verroeiibung zil ivohlriecheitben Salben unb bergleichen,
bie aber nicht Jeberinann angenehtn finb unb febensalls
sehr vorsichtigen Gebrauch erheischeit. In vergangenen
Zeiten ist ubrigens ber Berbrauch soivohl fur ben einen
als ben anberen 3roerf roeit bebeutenber geroefen als Heut-
zutage. So gentein bas Moschusthier in ben Gebirgen
listens auch ist, so blied es bennoch ben Alten unbekannt;
es roirb roeber von Plinius noch von Aristoteles erroahnt.
Seiit AuSsonberungsstoff ist zuerst int 8. Jahrhunbert
burch bie Araber als Heilniittel eingefuhri unb roahr-
scheinlich burch bie Kreuzfahrer in Europa bekannt toor-
ben. In Butan unb Tibet scheint er seit unvorbenk-
lichen Zeiten Anroenbuitg gefunbeit zu haben unb Gegett-
stanb eines ansehnlichen Hanbels geroesen zu sein. Der
aradische Arzt Abuseib Serafi vergleicht bas Moschus-
thier in ber Gestalt ganz richtig mit einem Rehe, ertheilt
ihln aber Horner, ein Jrrthum, ben Albrovatibi in
seine Naturgeschichte ausnahm. Avicenna beschreibt ben
Beutel unb bie vorstehenben Eckzahne bes Moschusthie-
res; bah bie Chinesen fruhzeitig bas letztere gut gekannt,
geht aus einer ihrer Encyclopabieen hervor, aus roelchen
ber Jesuit Kircher Auszuge lieferte. Diese nennt es .¥e
ober Sche unb suhrt an, bah es in ben Provinzen Su-
chueti unb Junnan sehr gemein unb in Menge getobtet
toerbe, unb bah man nicht allein ben Moschusstoff schatze,
sonbern auch bas Fleisch fur sehr roohlschnterfenb Halte.
Die Verfalschung bes ersteren scheint von feher eifrig
betrieben roorben zu sein unb roirb schon von Tavernier
ernstlich'beklagt, ber zu seiner Zeit einer ber-utttemeh-
menbsten unb grotten europaischen Kausleute int innereti
Asien roar unb in Patana auf Einmal 1763 Moschus-
beittel kaufte, bie 2557 linjen roogett unb 4a2 linjen rei-
nen Moschus enlhielten. Sotuohl Tavernier als^ der
Reisenbe Charbin geben gar adenteuerliche Berichte uber
bie auherorbentliche Heftigkeit bes Geruchs ber frischen
Substanz; bie Siger solleit genothigt fein, vor bem Ab-
schneiden bes Beutels sich Munb unb Olase zu verstopsen,
roeil unvorsichtiges Einathmen ber Ausbunstung fogleich
Blutfluffe veranlasse, bie oft tobtlich rourben. Charbin
setzt Htnzu, bah er in Jnbien, roo er gleichfalls Hanbel
mit Moschus trieb, nie int Stanbe geroesen sei, sich ben
Berkausern, unb seldst in freier Luft nicht, zu nahern,
bah er seinen lAgenten bie Einkause uderlaffen hade, unb
bah der Geruch in Jnbien nicht allein Heftige Kopfschmer-
zen verursache, sonbern ganz unertraglich unb fur unge-
roo Hitte Europaer fogar sehr gesahrlich fei. Dah Hier
eine Ilebertreidung vorliege, ist nicht zu bejroeifeln, benn
der auf geroohnlichent Hanbelsroege erlangte Moschus
'bringt in Europa so gewaltige Wirkungen nicht Hervor
unb kann, roenn er auch roahrenb ber Reise an Starke
verliert, boch niemals sich se vollkontmen uitahnlich ge-
roorben sein.
In zoologischen Santntlungen ist bas Moschusthier
jetzt nicht ntehr so felten, roie in fruheren Zeiten, ba
man burch Bermittelung russischer Naturforscher gute
Balge erhalten hat; ledeiib ist es fehr felten in Europa
gefehen roorben. Int Jahr 1772 defanb sich ein Manit-
chen in Verfailles, welches brei Jahre lebte unb von
Daubentoit als bent Reh unb ber Gazelle ahnlich defchrie-
den wurbe. Sein Geruch toar fo stark unb wurbe burch
ben Winb fo weit verbreitet, bah man ihm nur zu fol-
gen drauchte, um bas Thier zu entrerfen, welches udri-
gens eben so furchtsam als schett, aber ganz Harmlos
toar. Man glaubt, bah es nicht unmoglich sein wurbe,
jung eingefangene Jnbivibuen vellig zu jahnten, weil
bie anderen Arten ber Gattung bei guter Behanblung
zutraulich toerben unb sich an ben Men schen getoohneit,
unb Hat uorgeschlagen, ben Bersuch ber Einfuhrung in
hoheren Gebirgen, zuntal ben Pyrenaen, jtt machen.
2. Das ceplønische Moschusthier. (Moschus Meminna.) Fig. 867.
Mit Ausitahme ber vorhergehenben Art sinb alle
Moschusthiere Betoohner von Jnbien unb bureb mehrere
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