Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Neunte (Ørbitung.
bie Weibchen haben nur zwei Zitzen. Das gemelne Gnu
konirnt an Grohe einem ausgewachsenen Esel gleich, mist
5V2 Fuh in ber Sålige unb steht vorn 3 Fuh IvZoll hoch,
ist im Ganzen von ties umberbrauner Farbe, bisweilen
fast schwarzlich, an Måhne unb Schwanz grau, biSwei-
len fast weihlich. Seiu eigentliches Vaterlanb sinb bie
weitausgebehnten, nur in ber Regenzeii mit Pflanzen
geschmuckten Karro-Ebenen unb bie nicht minber burren,
biese umschliehenben Hugelketien. Zu teiner Zeit ist es
bent Cap ber guten Hoffnung naher als 100 Meilen ge=
fommen ; gegenwartig hat es sich noch mehr in bas Jnnere
zuruckgezogen. Wie fern es norblich verbreitet fetn moge,
ist vollig unentschieben; soweit bis jetzt Reisenbe vorge-
brungen sinb, ist es uberall in mehr ober minber zahl-
reichen Heerben angetroffen worben. Von Eingeborenen
unb von ben Europaern wirb es viel verfolgt, ba sein
Fleisch als schmackhaftes Wilbpret gilt, attein es nimmt
an Zahl nicht ab, weil es, wilb unb vorsichtig, jebe Ge-
fahr rechtzeitig erkennt unb burch Flucht vermeibet. Auf
bas erste Warnungszeichen entflieht bie ganze Heerbe nicht
in einem ungeorbneten Haufen, sonbern in einfacher,
von einem alten Mannchen angefuhrter Reihe. Die
Schnelligkeit bes Gnu's ist ber gebrungenen unb krafti-
gen Korpersorm angemessen; ber Lauf gleicht, zumal
im Galopp, bemjenigen bes Pferbes. Ungestort traben
bie Gnus ober gehen im Pah. Sie ergreifen inbessen
uicht allemal bie Flucht, wenn irgenb etwas Furcht Ein-
flohenbes sich in ihrer Nahe zeigt, sonbern gerathen wohl
in anhersten Zorn unb sturmen, ausschlagenb, ben Kops
senkenb ober sich baumenb, in engen Kreisen Herum.
Selten wagen sie einen Llngriff, ausgenommen wenn sie
verwunbet unb von ihrem Feinbe gebrangt toerben ; sie
lassen sich bann auf bie Kniee nieber unb sturzen auf jenen
nrplotzlich unb mit solcher Getoalt, bag er verloren ist,
toenn es ihm an kaltem Blute unb Kenninih bieser Art
bes Kampfes gebricht. Der afrikanische Reisenbe Pringle
versichert ubrigens, bah jung eingefangene Gnus leicht
zahm toerbep unb vollig harmlos bie Rinberheerben nuf
bie Weibe begleiten unb mit benselben zum Stalle wie-
berkehren. In ben Menagerien Europa's sinb bergleichen
zahme Thiere in neueren Zeiten Haufig geiuorben; bie
Kaiserin Josephine von Frankreich erhielt 1804 ein solches,
toelches bis 1820 lebte unb ein Liebliug ber Pariser toar.
Die subafrikanischen Colonisten lieben ubrigens biese
Zahmungsversuche nicht, toeil bas Gnu getoissen Haui-
kraukheiten ausgesetzt ist, bie, auf bas Rinbvieh uberira-
gen, einen unfehlbar tobtlichen Ausgang haben. In ber
Gesangenschaft sinb ertoachsene Gnus selten mit un6e=
bingtem Zutrauen zu behanbeln; sie sinb Ansallen ber
boshaftesten Launen untertoorsen, bie, plotzlich unb ohne
Warnung eintretenb, ben Wartern leicht sehr verberblich
toerben tonnen. Weibchen sinb im Ganzen niemals so
gefahrlich als bie Bocke unb uberhaupt leichter erziehbar.
— Auher bent genteinen Gnu kennt man noch ztoei ihm
nahe verwanbte Arten, bas grohe Gnu ober Gorgon,
Kokun ober Kokong ber Bitschuanas, unb bas gestreifle
Gnu. Beibe betoohnen bas tiese Jnnere von Subafrika.
Vil. Ziege. (Capra.)
Gattungscharatter: Horner Halbmotibformig
nach hinten gebogen, zusainmengebruckt, eckig, gerunzelt,
osters knotig. Gestchtslinie gerabe ober eoncav. Kimt
bes Månnchens mit langerem ober kurzeren Barte ver-
sehen. Schwanz kurz.
I. Der Steinbock. (Capra Ibex.) Fig. 344. 945.
Nngeachlet aller schon seit Ausgang bes 17. Jahrhun-
berls von einstuhreichen Lanbbesitzern unb sogar von
Fursten ansgewenbeten Muhe wirb auch ber Steinbock
in nicht entsernten Zeiten unter ben Thieren auszuzahlen
fein, bie als erloschene allein Historisches Interesse er-
wecken und einen Beweis liefern von bem anbernben
Einstusse bes Menschen auf bie Thienvelt besonberer
Lander. Wahrscheinlich toar ber Steinbock niemals so
haufig toie bie Gemse, bie mit ihm bieselben Gebirge be-
toohnt, aber fruchtbarer sein mag; in ben beutschen Alpen
ist er ausgerottet seit langer als einem Jahrhunbert und
lebt jetzt allein auf ben Hochsten unb unzuganglichsten
Kammen ber piemontefer Alpen, an toenigen Orten ber
Pyrenaen, in ben Bergen von Asturien unb in Sibirien
jenseits ber Lena, too er inbessen, eden so toie in Europa,
schon zu Pallas' Zeiten nur vereinzelt vorkain. Waruin
er ben Verfolgungen so vollkommen erlegen fei, ist nicht
leicht erklarbar ; mit scharsem Spurvermogen ausgerustet,
bie hochsten, selbst von ber Gemse vermiebenen Regionen
betoohnenb unb Jagern allein erreichbar, bie mit Ent-
schlossenheit grohe Kraft unb Abharlung verbinben,
scheint er auher bem Bereiche gewohnlicher Gesahr zu
stehen. Gegenwartig unternehmen Hochst felten einzelne
leibenschastliche Jager einen Zug gegen ben Steinbock,
benn bas Leben steht babei unfehlbar auf bem Spiele,
unb Tage ntogen vergehen unb Nahrungsmangel zur
Heimtehr ztoingen, ehe bie Entbeckung einer Spur ge-
lingt. Das Fleisch gilt fur sehr wohlschmeckenb, giebt
aber nicht bie Veranlassung zur Jagb. Bei ber Selten-
Heit bes Thieres stehen gul bereilete Balge in hohem
Preise, unb bie toenigen im Lause eines Jahres in Pie-
inont, utn ben Monte Rosa unb Mont Cenis erlegten
Eremplare finben fast ohne linterschieb ihren Weg in
zoologische Sammluiigen. Der Steinbock lebt in kleinen
Gesellschatten, von toelchen sich inbessen bie alten Bocke
absonbern, unb ist gegen Kalte toeniger empfinblich als
irgenb ein anberes unter gleicher Breite lebenbes Såuge-
thier. Die Nacht verbringt er toeibenb an ber obersten
Granze ber Walbvegetation, steigt kanin toeiter Hittab,
besncht zittital nie bie tieferen Thaler unb bricht gegen
Morgen auf nach ben jenseits bes etoigen Eises gelegenen
Bergspitzen, bie er am Tage nicht toieber verlaht. Er
lauft unb springt mit einer bas iknglaubliche leistenben
Getoanbtheit, faun burch Verfolgung niemals erreicht,
sonbern nur bann erlegt toerben, toenn es gelingt, ihn
zu uberraschen, ober ihm auf ben hochsten Gipseln auf-
znlauern. Seine Brunstzeit fallt auf ben Januar; bas
Weibchen gebart nach 150 — 160 Tagen ein einzelnes
Junges, toelches nach ztoei Tagen ber Mutter zu folgen
vermag. Zur Nahrung bienen ihm im Sommer stark-
riechenbe Alpenkrauter, im Winter Moose unb Flechten.
Der ausgetoachsene Bock toiegt gegen brittebnIb Centner,
niigt in ber Lange 4% Fuh unb steht Hinten 2% Fuh unb
vorn ziemlich eben fo hoch. Die einfach nach Hinten unb
Halbntonbforntig gebogenen Horiter uteffen, toenn sie
sehr grog ftnb, 3 Fuh 2—3Zoll, sinb schtoer unb massiv,
stumpf viereckig, vorn abgerunbet, quergerunzelt unb mit
14—16 guergestellten runben Wulsten versehen, ubrigens
von schtoarzer Farbe; biejenigen bes Weibchens erreichen
niemals bie angegebene Grohe unb gleichen uberhaupt
mehr benjenigen ber genteinen Ziege. Die Korpergestalt
Hat nicht bas Leichte unb Zierliche, toelches bei bem Att-
blicke von Lintilopen sogleich ben Gebanken an grohe
Schnelligkeit ertveckt; sie erscheint vielmehr toegett ber
Kurze ber Fuhe ziemlich plump. Das Sommerkleib be-
steht alts kurzent, anliegeiiben Haar, bas Winterkleib ist
bichter unb langer. 3ni Sommer sinb Oberhals, Rticken,
Seiten bes Korpers unb Schtoanztourzel bttnkel grau-
rbthlich, in Braun ziehenb, Kehle unb Kinnlabe schmutzig
tveih, Unterhals unb Brust schwarzgrau, Bauch unb
Jnnenseite ber Glieber toeih, bie Fuhe vorn schtonrzbraun,
bie Httfe hoch, an ben Ranbern scharf. Im Winter toirb
bie Farbung einfach fahlbrautt. Die sibirischen unb py-
renåifchen Steinbocke unterscheiben sich theils burch kleine
Abanberuitgen in ber Gestalt ber Horner, theils burch
Farbung, sinb ubrigens aber nur als ortliche Spielarten
zu betrachten.
2. ter tautagfrtie Steinbock. (Capra caucasica.) Fig. 946.
Der kaukastsche Steinbock tourbe von Gulbenståbt
ani norblichett AbHauge bes Kaukasus entbeckt, gleicht
an Grohe bem europaischen, hat aber einen kurzeren unb
bickeren Rutitpf, kurzere, 22 — 24 Zoll lange, mit uit-
regelntahigen Querwtilstett besetzte Hbrner, granen Kops,
schtoarzbraune Oberseite, toeihen Bauch, buitkle Brust,
fchwarzlichen Ruckenstreis unb entlaiig ber Hinteren Seite
ber Oberschenkel einen toeihen Streif. In ber Lebensart
soll er seinent europaischen Verwanbten gleichen.
3. Die Bezoarziege. (Capra Aegagrus.) Fig. 947.
Der Unterschieb ztoischen ben sich gegenseitig sehr
ahnlichen Steinbocken unb Bezoarziegen liegt in ber Ge-
stalt ber Horner, bie bei ben letzteren mit ber Stirn einen
spitzigen Wintel bilben, hinten rtinb sinb unb toeniger
breite unb scharfgetrennte Ouerwulste haben. Sonst
gleicht bie in Persien Paseng genannte Bezoarziege in
ihren Nmrissen bem Steinbocke, hat brauitgrauen, mit
bunklereni Mittelstreise versehenen Rucken, schivarzes
Gesicht, braunen Bart, schivarzen Schtoanz. Das Weib-
chen ist kleiner unb von Farbe toeit heller als ber Bock,
fast ungehornt ober boch mit fehr kurzen Hornern ver-
sehen. Die erste Beschreibung bieses Thieres, von wel-
cheilt Mattche unsere zahnten Ziegen Herleiten, verbankt
man Gnielin unb Pallas. Es betovhnt ben Kaukasus
unb Taurus, soll sogar noch iit ben Granzgebirgen Jn-
biens vortommen unb in Sitten mehr ben genteinen
Ziegen als bem Steinbocke gleichen. Verwanbte, noch
teineswegs genugenb auseinanber gesetzte Arten Hat
man mehrere in anberen Gegettben Asiens entbeckt. Zu
benselben gehort bie von Hamilton Sniith beschriebene
Jentlah -Ziege, welche bie hochsten Bergknoten zwischen
bem ostlichen unb westlichen Himalaja bewohnt, ferner
bie von Hobgson in Nepal entbeckte Jahral-Ziege. Auch
Afrita besitzt ber Bezoarziege verwanbte Arten, von
welchen eine burch Friebrich Citvier unter bem Nanten
ber itubischen Ziege beschrieben tvarb. Welcher Art bie
in Palåstiita unb auf bem Sittai bemertten, von ben
Arabern Veben unb Taptal genannten Steinbocke attge-
horen ntogen, ist noch unentschieben. Man meint, bah
sie mit bem burch Asien weitverbreiteten Paseng zusam-
menfallen bursten.
4. tie gemcine Ziege. (Capra hircus.) Sig. 948.
Der Ursprung ber genteinen Ziege ist, wie im Vor-
hergehenben schon angebeutet warb, eben fo zweifelhaft
als berjenige ber meisten anberen Hausthiere. Man
nennt als Stammthier balb ben europaischen Steinbock,
balb bie Bezoarziege, balb bie kaukastsche Ziege unb un-
terstutzt jebe bieser Annahmen mit mehr ober toeniger
guten Grunbett. Nach Cuvier bringt sowohl ber ettro-
påische als ber kaukasische Steinbock mit ber genteinen
Ziege sruchtbare Nachkommenschaft Hervor; im pariser
Pstaitzeiigarten besanben sich Ziegen von sehr ansehnlicher
Statur, bie, wilb auf ben Alpen unb Pyrenaen einge-
fangen, von solchem Stamme entsprungen sein sollten.
Schwerlich wirb inbessen biese Frage jentals genugenb
gelost werben, inbeitt bie Zeit, in welche bie erste Zåh-
inung ber Ziege fallt, von ber unseren viel zu weit ent-
feritt ist. Die Ziege erscheint, soweit bie Nachrichten
uber bie Sitten ber Urvolker reichen, uberall als Haus-
thier, bessen Haar verarbeitet unb befsen Milch unb Fleisch
gem genossen warb. Schon bie fruhzeitige Eristenz von
besonberen Spielarten beutet bas Alter ber Zucht an.
Von jeher besah man in Syrien eine burch grohe, Han-
genbe Ohren unb langes Haar ausgezeichnete Varietåt
(Fig. 950 — 952), bie in grohter Volltommenheit ein sei-
benartiges Vlieh besitzt unb als Angora-Ziege bekaunt
ist. Ans bergleichen Haare webten bie Jsraeliten Vor-
Hange sur bas Allerheiligste thres Tempels, unb bie jetzigen
Araber geben ihm zur Versertigung bes Zeltzeuches ben
Vorzug vor bem Kanteelhaare. Von ben verwilberten,
in ben Gebirgen bunubevolkerter unb unter wårmereni
Himmel gelegenen Ziegen Wurbe sich am Ersten auf bie
wahrscheinliche Abstammung fchliehen lassen, allein auch
sie sinb ntanchem Wechsel ber Gestalt unterworfen, ob-
gleich burchschnittlich ber Bezoarziege åhnlicher als irgenb
einer anberen Art. Wahrscheinlich ist bas Urthier auch