Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Wiederkauer.
Saugethiere.
265
Die Felsengebirge Nordamerikas und Californien Haben
andere Arten aufzuweisen.
8. DaS Hausschaaf. (Ovis Aries.) gig. 95S — 965.
Aus dem im Vorhergehenden Gesagten ergiebt sich,
dah man von kelner der im wilden Zustande vorkommen-
den, mehr oder minder bekannten Arten das zahme Schaaf
mit Sicherheit Herleiten konne, indem dieses Hinsichtlich
der Gestalt der Horner, der Grohe, Farbe, Bekleidung je
nach Aufenihaltsort, Klima und Behandlung so viele,
wo nicht noch mehr Veranderungen erlitten hat, als die
ubrigen Hausthiere. Eine der auffalligsten besteht in der
Umwandlung seines Haares in eigentliche Wolle. Lille
unbezweifelt wilden Mufflons und Argali's sind mit
einem langen, rauhen, ost sogar bruchigen Haar bedeckt,
zwischen deffen Wurzeln die spiral gedrehten Wollhaare
eine mehr oder weniger dichte Schicht bilden. Einzeln
und bei starker Vergroherung beirachtet erscheint ein
Wollhaar etwas plattgedruckt, an den Randern sagefor-
mig eingeschnitten und aus der Oberstache mit dachziegel-
formig liegenden Schuppen bedeckt; ein Ban, der die
Leichtigkeit, mit welcher sich Wollhaare zusammenfilzen
oder in Faden zusammendrehen lassen, genugend erklart.
Gewohnliches Haar oder Grannenhaar kann zwar eben-
salls abgeplattet fein, hat aber niemals sene seitlich stehen-
den Zahne. Durch den Einstuh der in sehr verschiedenem
Grade betriebenen Cultur hat das zahme Schaaf nicht nur
mehrentheils das Grannenhaar der wilden Arten ganz
verloren, sondern auch eine Wolle erhalten, die im gun-
stigsten Falle eine bei keinem wilden Sangethiere jemals
vorkommende Lange erreicht. Wenn nun auch unbezwei-
felt feststeht, dah menschliche Einwirkung diese Umande-
rung Hervorgebracht håbe, so bleibt doch der eigentliche
Hergang der letzteren in Dunkel gehullt. Man legt be-
hufs der Erklarung viel Gewicht aus das Klima, denn
wenn auch durch viele Sorgfalt es moglich ist, in kalte-
ren Landern aus gemeinen Schaafrafsen gradweis fein-
wollige zu machen, so lehrt doch die Erfahrung, dah ein
milder, trockener und Heiterer Himmelsstrich diese Um-
anderung nicht allein begunstige, sondern auch in weit
kurzerer Zeit und mit bleibender Nachwirkung Herbei-
suhre. Hodgson, der ihatige Erforscher der hoheren Thier-
classen von Nepal, versichert, dah selbst dort, wo das
Schaaf uberall den angemessensten Wohnort sindet, die
feinste und langwolligste, Huniah genannte Rasse nur
in den milderen Gegenden der nordlichen Provinzen ge-
deihe, Hingegen in den sudlicheren sichtbar ausarte. An-
dererseits ist wohl auch anzunehmen, dah Schaafzucht
treibende Boller seit den altesten Zeiten auf eine ur-
sprungliche Neigung einzelner Jndividuen zur Hervor-
bringung feiner Wolle aufmerksam geworden sind und
diese, ohne Anwendung jetzt gebrauchlicher Vorstchten,
zu erhalten und zu vermehren gesucht und hierdurch zu
Rassen den Grund gelegt haben, deren Entstehung weit
fiber die Zeiten hinausreicht, von welchen wir geschichi-
liche Kunde besitzen. Es halt selbst jetzt nicht schwer, die
mannichfaltigsten korperlichen Abstufungen an den Schaa-
fen, und zwar innerhalb der Granzen eines Continents,
nachzuweisen und hieraus auf den Gang, welchen die
Abanderung verfolgt haben mag, zu schliehen. Das
Schaaf mag lange, nachdem es bereits zum Wolle tra-
genden Thiere umgebildet war, die an den wilden Schaa-
fen Mittelasiens gewohnliche braune oder gelbliche Far-
bung einzelner Korpertheile beibehalten haben, die jetzt
in der Regel nur noch an wenigen, von den ubrigen,
durchgangig weihen Verwandten um so mehr abstechen-
den Jndividuen bemerkt wird. In Deccan, wo man der
Zucht keine Ausmerksamkeit schenkt, sind von zehn Schaa-
sen neun schwarz und mit kurzer, grober, Harscher Wolle
bekleidet. Dah die Beschaffenheit des Futters auf die
Umwandlung kurzer Wolle in lange und feidenartige
gleichfalls einwirke, lehrt die Erfahrung. Was indessen
uiiter angemessenen Klimaten in dieser Beziehung theils
freiwillig von der Natur hervorgebracht ward, theils
ohne grope Muhe von den Schasern erlangt werden
konnte, ist im Norden der Erde nur Frucht der aufmerk-
samsten Behandlung, Hauptsachlich aber der Kreuzung
verschiedeirer Rassen, die man, auf Erfahrung gestutzt,
kfinstlich herbeifuhrt. Es scheint, als ob in den edelsten
Merino's die Granze dieser Einwirkungen erreicht sei,
soweit fiberhaupt die minder gunstigen Verhaltnisse eines
europaischen Himmels die Umgestaltung des naturlichen
Typus eines Thieres zu den Zwecken des Menschen ge-
statten. Zwischen dem Merino und dem wenig gepflegten
Schaafe, wie es als Bewohner mancher menschenarmen
Haidegegenden Nordeuropa's auftritt, liegen freilich
anherordentlich viele Slusen, deren niedrigste, Hinsichtlich
der Wollbildung, von jener sich wenig entsernt, aus
welcher die meisten Wildschaase stehen. Bisweilen wiegt
das Grannenhaar so vor, dah die Schaafe eigentlich
haarige genannt werden konnen; es gleicht dann an
Lange, Glatte und Glanz demfenigen der feineren Wach-
telhunde. So bekleidet ist das in Creta, der Wallachei,
Ungarn und dem westlichen Asien heimische sogenannte
Zackelschaaf (Ovis Aries var. strepsiceros, Fig. 962.)
und das Schaaf der Bocharen. Nachst der Bekleidung
sind aber auch andere Korpertheile der Abanderung je
nach den Rassen unterworfen, vor allen die Horner, die
bisweilen beiden Geschlechtern fehlen, in dem auf Island
und den Faroern heimischen knrzschwanzigen Schaafe
(Ovis Aries var. brachyura, Fig. 958.) vier- bis achtfach
vorhanden sind, andere Male hinsichtlich der Grohe, der
Richtung und Krummung sehr variiren. Sogar der
Schwanz wird in den Bereich dieser Umgestaltungen ge-
zogen. In Persien, der Tartarei und vielen anderen Lan-
dern des Orients besteht seit alten Zeiten eine Spielart
(Ovis Aries var. stealopygos, Fig. 964.), welcher eine
grohe, das Hintertheil unb den Schwanz umkleidende
Fettmasse ein sehr wunderliches Ansehen verleiht; der
Schwanz ist ubrigens kurz, verschwindet fast zwischen
den nahen Fettpolstern, und das Eigenthumliche der
ganzen Erscheinung wird noch durch die abstechend grelle
Farbung des rauhwolligen Karpers und Kopfes erhoht.
Am fyrischen und aghptischen Schaafe (Ovis
Aries var. macrocercus, Fig. 963.) besteht ver langers
Schwanz aus einem einzigen Fettklumpen, wiegt ge-
wohnlichgegen 15 Pfund, erreicht aber bei dem sorgfaltig
gemasteten nicht felten das Gewicht von 70 —80 und,
wie gesagt wird, sogar von 150 Pfund und bildet dann
einen imbeguemen, vom Thiere muhsam nachgeschleppten
oder, wenn der Schafer sorgsam ist, auf einem kleinen
Radergestell nachgezogenen Anhang. Der diese Masse
bildende Stoff soll kein eigentliches Fett sein, sondern
Aehnlichkeit mit Knochenmark haben und ost anstatt der
Butler gebraucht werden. Dieselbe Spielart ist auch in
Arabien und Sfidafrika gemein, in dein letzteren Lande
aber mehr grobbehaart als eigentlich wollig. Auch die
Lange der Ohren wechselt in verschiedenen Rassen. Das
Schaaf von Guinea (Ovis Aries var. guineensis,
Fig. 965.) liefert ein Beispiel und ist ubrigens noch durch
sehr lange Beine, unter der Kehle befindliche Hautlapp-
chen und langes Haar, bei fast volligem Mangel an
Grundwolle, ausgezeichnet.
Unter den vielen Schaasrassen Europa's steht nnbe-
vingt diejenige der Merino's (Ovis Aries var. hispa-
nica, Fig. 961.) obenan. Merino's unlerscheiden sich
von gewohnlichen Schaafen durch mit Wolle bekleidete
Stirn und Wangen, die starken, breiten, gleichmahig
vom Kopfe abstehenden, in doppelte Spirale gewunde-
nen, mit ben Spitzen nach auhen gerichteten, ber Krum-
mung nach ost zwei Fuh langen Horner, ben grohen Kopf,
bie wenig eonvere Gestchtslinie, ben Ansatz zu einer
Kehlwamme, bie in Spanien immer als Zeichen einer
feinen Rasse gill, enblich burch Haufige, feine, sanst an-
zufuhlenbe, spiral gebrehle, olige Wolle. In Spanien
selbst nimmt man mehrere Schlage an, beren berithmteste,
Cavane unb Negrote, in Estremabura in Heerben von
mehreren Tausend Stuck bas wichtigste Besitzthum ber
sonst wenig betriebsamen Lanbbewohner bilben. Es ist
Sitte, mit ihnen, je nach ber Jahreszeit, Herumzuwan-
berit, sie im Winter in ben milbesten Gegenben unterzu-
bringen unb im Sommer auf ben besten Weiben zu ver-
theilen. Der Sovan genannte Schlag reist alljahrlich
aus Anbalusten unb Estremabura bis Soria unb sogar
bis in bie Pyrenaen unb legt Entsernungen von 100
beutschen Meilen zuruck. Die Heerbe solgt unter Leitung
von einigen vollkommen zahmen Wibbern orbentlich unb
ruhig bent Schafer, ber mehrere Gehilfen hat unb bie
Richtung unb Lange ber Tagereisen festsetzt. Einige
Maulthiere tragen Gepack unb Mundvorrathe ber Hirten,
unb ein besonbers starker Schlag von Hunben wehrt
nothigenfalls bie Wolfe ab. Eine besonbere Behorde,
Mesta genannt, beren Entstehung in ber Mitte bes 15.
Jahrhunberts nachgewiesen ist, regelt biese Wanberungen,
welche burch uralte Gesetze nicht wenig begunstigt wer-
ben, bem Bolksvorurtheile nach ben eigentlichen Grunb
ber Borzuglichkeit jener Schaafe abgeben sollen, ubrigens
aber unseren Begriffen einer richtigen Viehzucht unb ge-
orbneten Ackerbaues burchaus nicht entsprechen. Die
alten Gesetze verbieten bas Reisen auf einer Strahe, auf
welcher eben Schaafheerben wanbern, unb geben bem Scha-
fer nichtallein bas Recht, alles uneingehegte Lanb als Wei-
begrunb zu benutzen, sonbern forbern sogar, bah jeber
Grunbbesitzer ben wanbernben Heerben, wenn es ver-
langt wirb, mitten burch feine angebaueten Landereien
ben Durchzug auf einem neunzig Baras (270 Fuh) brei-
ten Raume gestatte. Mag es nun auch fein, bah biefe
bem Lanbmaune fehr verberblichen Satzungen jetzt nicht
mehr in voller Strenge Anwenbung finben, fo gefchieht
boch sicherlich bem Ackerbaue burch jene Wanberungen,
bie als boppelte gegen 14 Wochen bauern, alljahrlich be-
beutenber Abbruch. Die Erfahrung hat ubrigens gezeigt,
bah unter bem fpanifchen Himmel bie stehenben Merino-
heerben in Leon unb Estremabura eben fo feine Wolle
geben als bie wanbernben, unb bah gerabe bie Wolle ber
nie herumziehenben beutschen Merino's noch weit vor-
zuglicher ist als bie spanische. Auher biesen brei Rassen,
bie man wanbernbe (Transhumantes) nerint, giebt es
anbere, bie ihren Wohnort nicht verlassen (Estantes),
unter welchen biejenigen ber Pyrenaen burch minbere
Empfiublichkeit gegen Witterungswechsel unb bie Fein-
heit ihrer Wolle sich vortheilhaft auszeichnen. Sie ver-
bringen ubrigens nur ben Sommer auf ben Bergen unb
finben im Winter in ben Thalern Schutz. Das Blieh
eines fpanifchen Merino wiegt burchschnittlich 3—5
Pstinb, hat, auch wenn es von seinster Sorte ist, an ber
Oberstache eine fchmutzig braune, fast schwarzliche, burch
Staub entstandene Farbe, ist aber innen von ber reinsten,
am lebenben Thiere von ber rofenrothen Haut ungemein
abstechenben Weihe. Die Menge ber von Spanien aus-
gesuhrten Merinowolle betrug in ben letzten Zeiten jahr-
lich uber 9,700,000 Pfund. — Neber den Ursprung ber
spanischen Merino's finb mehrere Ansichteu im Umlaufe.
Spanische Schriftsteller halten sie fur Abkommlinge einer
nordafrikanischen, fchou frfihzeitig im Besitze ber Araber
gewesenen Rasse unb sinb unangenehm burch eine von
Englandern ausgesprochene Vermuthung berfihrt wor-
ben, welche bie Merino's von feinwolligen, englifchen
Schaafen Herlkiten will. Zur Unterstfitzung berfelben
wirb angeffihrt, bah seit ben frfihesten Zeiten in Englanb
auf bie Schaafzucht bie grohte Llufmerksamkeit verwenbet
worbeit sei, bah laut geschichtlicher Nachrichten Ebwarb IV.
sich verbinblich gemacht hade, bem Kouige Johann von
Aragonien eine Zahl von Zuchtschaafen zu liefern, enb-
lich bah selbst ber Name Merino auf ben Ursprung bieser
Rasse ober ihre Einffihrung „von jenseits bes Meeres"
Hinbeute. Wie bem auch sei, so steht soviel fest, bah
gegenwartig wenige Lanber hinsichtlich bes Umfanges unb
ber Bebeutung ber Schaafzucht sich mit Englanb messen
konnen. Man nimmt als runbe Zahl ber dort lebenben
Schaafe jetzt 32 Millionen an, bie einen Wollertrag von
mehr als 5 Biillionen Pfund Sterling an Werth im
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