Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Snugethiere.
Neuttte Vrditttttg.
Iahre liefern. Dieselbe Industrie ist auf alle durch Klima
und Boden geeignete britische Colonien ubergegangen
und Hat befonbers in Australien Wurzel gesastl. Man
theilt die englischen Rafsen in kurzwollige, mittelfeine
und langwollige, welche durch Kreuzung und ortliche
Einflusse in viele Schlage zerfallen sind. Von mittelfei-
nen Schaafen unterscheidet man das Schaaf von Wales
(Fig. 959*), das South-Down Schaaf (b), das Dorset-
schaaf (c), das Cheviot Schaafmit schwarzem ®e^^^^t(d),
das Norfolk - Schaaf (e) und das Ryland-Schaaf (').
Die englischen langwolligen Schaase (Fig. 960.) sind
durch Kreuzung theilS mit Merinos, theils und Haufiger
mit deutschen Schaafen entstanden. In Deutschland ist
die Schaafzucht zuerst in Sachsen sehr vervollkommnet
und eine feine Rasse eingefuhrt worden, in Frankreich
liegt sie verhaltnihmahig danieder und hat ihren eigent-
lichen Sitz nur in den an das Mittelmeer stohenden Pro-
vinzen; in den nordlichen, wo Neberfluh an Futter
Herrscht, sindet man es vortheilhafter, die Zucht der
Pserde und des Rinbtiiehes zu betreiben. Das Gewicht
der jahrlich in Frankreich gewonnenen Wolle wird auf
20 Millionen Kilogramme, ihr Werth auf 114 Millionen
Franken angeschlagen. Es reicht diese Menge nichr ent-
fernt fur den eigenen Verbranch Frankreichs hin, und
daher enlstehl die Nothwendigkeit, aus Deutschland allein
jahrlich ohngefahr 10 Millionen Kilogramme einzn-
fuhren. 3ui Uebrigen fehlt es in Frankreich nicht an
einzelnen unternehmenden Landbesitzern, welche die Ver-
feinerung der Schaase ernstlich betreiben; nur ist bisher
der gemeine Mann noch nicht dahin zu bringen gewesen,
diesem Beispiele zu folgen. Schon unter Colbert tier-
suchte man die Einsuhrung von Merittos, fattd abed
Widerstattd oder Gleichgiltigkeit bei den Landletttett;
1776 wttrden die ersten spanischen Schaase nitter Ver-
mittelung des Ministers Trudaitte und attf Anrathen
Daubenton's eingefuhrt. In Sudrustland ist tinter
stilerander die Schaafzucht in ahnlicher Weise verbessert
worden, und Nordamerika hat in gleicher Absicht viele
Rassenschaafe aus Deutschland bezogen, die anherbent
ihren Weg nach Australien, ttach dem sudlichen Brasilien
und nach Chile gesttnden haben.
Es dt'trfte uberflussig seitt, das bekanttte, gutmuthige,
aber einfaltige Skaturell der Schaase an diesem Orte zu
beschreiben. Sie beweisen durch ihre Beschrankcheit, ihre
Unfahigkeit, drohenden Gesahren zu entgehen oder auch
nur einen Schntzort gegen Unwetter zu entdecken und zn
benutzen, bast sie seit uralten Zeiten dem Menschen unter-
than gewesen sein mussen. Sie haben unter dieser lang
fortgesetzten Einwirkung alle jene Zkige verloren, die den
Wildschaasen eigen sind, nnd konnen gewissermaahen als
entartet und ihrem Urstamme, gleichviel welcher es ge-
wesen sein mag, fernstehend angesehen werden. Krank-
Heiten sind sie tttehr unterworfen als irgend eitt anderes
Hausthier und werden von den leichtesten Einsiussen so
beruhrt, das man auch in dieser Beziehung an das tioll-
kommene Verschwinden der die unverdordenen Thiernatur
bezeichtteitden Eigenschaftett glauben ntochte. Wurdett
sie sich jemals selbst uberlaffen, so mochten sie schwerlich
nach dem Vorgange anderer Hausthiere in den Zustand
der Vertvilderung verfallen und enblich in einett urfprung-
lichett Zustand zttruckkehrett, sondern aller Wahrschein-
lichkeit nach aussterben. — In unseren Breitett pstanzt
sich das Schaaf langsam fort; es wirft nur ein 3unges
itu Iahre. 3n Warttteren Vantern toerfen ntanche Rassett
ztoei Mal int Iahre, jedes Alal ztoei Lammet. Die
Tragezeit bauert funf Monate; die Mutterschaafe behal-
tett Milch bis zttttt siebenten oder achtett Monate nach
der Gebtirt des Lammes, Welches jedoch gewohnlich am
Ende des dritten Monats abgefperrt toird. Fortpstan-
zungsfahigkeit tritt bei ben Schaafen gemeinlich mit An-
fattg bes ztoeiten Lebensjahres ein unb erhalt sich bis in
bas zehttte Iahr; Wibber toerbett spater reif. Jm ersten
Iahre erscheinen bie acht Vorderzahne, int nachsten Iahre
fallen bie ztoei mittleren aus unb so paartoeis ber Reihe
nach bie ubrigen bis in bas sunfte Iahr. Bistoeilen
toechseln bie Zahne ettoas schneller; niemals aber iff es
moglich, aus ben Zahnen bas Aller eines mehr als sechs-
jahrigen Schaafes anzugeben. Die Lebensbauer reicht
nicht uber 14 Iahre, bie Nutzbarkeit nicht uber bas
siebente Iahr.
Der Nutzen bes Schaafes fur ben Menschen ist allge-
ntein betannt. Weitn es in ben betriebsamen unb Hoch-
eivilisirten Staaten ber Heutigeit Well von solcher Be-
beutung geworben ist, bast bie Regierungen selbst bie
grostten Opfer bringen, um feine Zucht zu verbessern,
unb unter staatswirthschaftlichem Gestchtspunkte auf
feine Zahl unb feltten Ertrag Gewicht legen, Weitn es
eine reiche Literatur, bie nur mit ihin sich beschastigt,
Hervorrufen konnte, so spielte es allezeit unter ben
roheren Volkern eine gerauschlosere, aber nicht tttinber
wohllhatige Rolle. Es ist bas Thier, an welches sich von
jeher bie Eristenz vieler einfacher Hirtenvhlker knupfle,
unb baher ein Gegenstanb ber altesten Dichtungen. Wo-
Her es stamme, unb toer es zuerst zum bemulhigen Sela-
ven unseres Geschlechtes umgestaltet habe,.wiffen roir
freilich nicht. Solche ber granen Vorzeit angehorenbe
Thaten anspruchsloser Menschenståntme liegen int un-
bttrchbrittglichen Dunkel. Die Geschichte, bie bis in bie
Mhthische Zeit Hinauf ben Namen eines jeben Eroberers
zu erhalten gesucht hat, gebenkt ihrer nicht.
II.
Ochscnartigc Wirdcrkaucr.
IX. Ochs. (Bos.)
Gattungscharakter: Horner in beiben Geschlech-
terti. Thranenspaltett unb Drufengruben zroischen ben
Zehen unb itt ben Weichen fehlen stels. Vier Zitzen.
Die naturliche Familie ber ochsettarligen Wieberkauer
unterscheibet sich schon burch bas Aeustere von ben beiben
anberen. Die ihr angehorenben Thiere sinb mit roenigen
'Austtahmen bie grostren unb schwersalligsten ber ge-
Hornten Wieberkauer. Ihre seitlich gebogenen Hornet
strebett mit ber Spitze nach oben unb vortt, sind an ber
Wurzel mit Ringen versehett, roelche bas Alter anbeuten,
inbettt sie mit ber Zeit an Zahl zunehmett, unb bekleiben
einen int Jntterett entroeber hohlett ober boch zelligen,
aus ben breiten, kammartig erhohten Stirnbein entsprin-
genbett Knochettzapfen. Das Maitl ist bei ben meisten
zur birken, sehr fleischigen, beweglichen, itervenreichen
Schnauze aufgetrieben; bie Glieber sinb stark gebauet,
selten von grosterer Hohe; am Halse hangt bei ben ntei-
stett eine Hautfalte, bie sogenannte Wantme, Herab. Lim
Skelett (Fig. 812.) bemerkt man vor Lllletn bie Enlwicke-
ltittg ber Dornfortsatze ber vorberen Ruckenwirbel, an
roelche sich bie Muskeln bes kraftigen, eineit sehr schroe-
ren Kopf tragenben Halses befestigen. Alle Arten bieser
uber bie ganze Erbe, mit Ausnahnte Neuhollanbs, tier-
breileleit Gruppe sinb gesellig, bilben unter ber Leitung
kraftiger unb kantpflustiger, polvgamisch ledenden Bullen
roandernde Heerden, roahlen int vollig roilden Zustande
bald nur roalbige Berge, balb offene Ebenen, einige fogar
fumpsige Nieberungett zum Wohnorte, besitzen viel In-
stinet, aber roenig Jntelligenz, etttroickeln viele Leibenschafl-
lichkeit unb nteistentheils groste Wilbheit, sind aber doch
bis zu einent geroiffen Grade erziehbar, ansgenotttmen
diejenigett Arten, die nur in der Paarungszeit sich auf-
fuchen, fonst aber in voltiger Abgefchiedenheit ihr Leben
verbringen. Sie vertheidigen sich nicht allein gegen ihre
Feinde mit entfchloffenem Muthe, fondern fallen bis-
roeilen auch ungereizt und mit blinder Wtith uber be-
gegnende Thiere unb Menschen Her unb roerben biefen
burch ihre austtehmenbe Starke unb keinesroegs geringe
Beroeglichkeit leicht sehr gefahrlich. Ihre Stintme ist
bru((enb unb brurft burch bekannie Steigerungen bie Art
unb ben Grab bes Affeetes aus. Unter sich sinb sie int
Allgemeinen vertraglich, ausgenommen in ber Paarungs-
zeit, roo bie ntannlichen Inbivibuen sich bie furchtbarsten
Gefechte liefern. Wie bei allen durch Korpergroste aus-
gezeichneten Thieren geht bei ihnett Wachsthum und
Reife in langsamem Maaste vorwarts, dafur ist aber ihre
Lebensdauer ziemlich bedeutend. Nach demselben Gesetze
sind sie verhaltnistmastig roeniger fruchtbar als bie ntei-
stens kleinerett Antilopen unb Schaafe, trageii geraume
Zeit unb roerfen nur eitt Junges, welches nicht unter
eittigett Tagen ben vollett Gebrauch seiner Glieber er-
langt unb lange gesaugt wirb. Ihre Nahrung besteht
fast nur itt Gras unb niebrigett Krautern. Wenige Llrten
anSgenuntmen sinb sie mit kurzent Haar bekleibet, von
weistlicher ober bis zum Schwarzbrautten gesteigerter
Farbung, im tvilbett Zustattbe aber niemals geschackt
ober sehr bunt. Ursprunglich haben sie einen weit groste-
rett Verbreitungsbezirk besessen als Heutzutage, inbessen
ber Mehrzahl nach ben warnten ober boch gemahigten
Breitett angehort. Mehrere 9(rten sinb vollig ausgestor-
ben. Ihre Halb ober ganz fossilett Kttochett liegen mit
ben Resten von Elephanten unb Rhinoeervs, wenn auch
in kleinerett Mengett vermischt, in ben obersten Erbschich-
ten ober in alten Torftnooren eingebettet. Die itt ben
letzteren borfontmenben Speeies weichen von bent zah-
nten Rinbvieh nicht bemerklich ab unb burfen als ber
Urstanttit besselben gellen.
1. Der Hausochs. (Bos taurus.) Fig. 970 —9SL
Was von ber Unsicherheit ber Abstantmuttg unserer
Hausthiere bereits an mehreren Orten gesagt worbett
ist, fittbet auch hinsichtlich bes Ninbviehes volle Geltung.
Der Ochs wirb schon in ben Schriften Moses' als ein
gezahmtes, vielfach nutzliches Thier erwahnt, finbet sich
in Asien uberall als ein aus ber granen Vorzeit uber-
kointtteites Besitzihutit, war selbst ben spater gereiften
Volkern Europa's, soweit itnsere Kttttbe zuruckgehl, von
jeher bekaunt, lastt sich aber von teiner ber jetzt lebetibeit
roilben Arten mit Sicherheit ableiten. Zufolge ber ge-
lehrten unb scharssinttigen Forschungett Cuvier's ist er
ein Nachkomttte bes eiitsi uber Nvrbeuropa unb Vielleichi
Mittelasien weitverbreiteten Urstieres (Bos primigenius),
von welchem man in alteren Torfschichten eben nicht sek-
ten bie Schabel, in ber Gegenb von Weintar fogar ein
vollstanbiges Skelett aufgegraben Hat. Nach Cuvier be-
steht zwischen biefent ansgestorbenm Urthiere unb bem
noch lebenbett eben fo grosten unb ahnlichen Anerochseit
mancher, ttur bei genauer Nergleichung Hervortretenber
Unterfchieb. Die fossilett Schabel ubertreffen an Ilmfang
unb zumal burch bie erstaunlich grosten Hornet bieKopfe
aller jetzt lebenben Rinbviehrassett unb zeichnen sich aus
burch ungemeine Breite ber verhaltnistmastig kurzen,
etroas vertieften Stim unb burch bie Stelltttig ber Hor-
ner feitwarls von eitter bie Stim tioni Hinterhaupt son-
bernben Knochenleiste. An einent bei Melksham in Eng-
lanb ausgegrabenen Schabel, ber ohne Unterkiefer 63 Pfb.
roog, betrug bie Entfernung der Spitzen der Stirnzapfen
vier Fust; benkt man sich auf diefe entfprechend groste
Horner aufgefetzt, fo erhalt man das Bild eines Kopfes
unb einer Bewaffttung tiott fellenster Art. Der Zustanb
biejer Schabel unb Knochen bes Urftieres ist ubrigens
Haufig io utibonfominen fossil, bah man bie Voraus-
fetzung nicht mistbilligen kattn, welche ben Untergang ber
Art in tierhaltnisttttastig nette Zeiten tierlegt unb bie letztere
mit geroiffen, von ben Romertt unb fogar noch von ben
Chronisten bes Mittelalters erroahitlen roilben Ochfen
Norbeuropa's in Verbinbung bringt. Cafar gebenkt nit-
ter bem Namen Urus eines bie Walber Deutschlaubs be-
wohnenben Ochfen, welcher, wie er fagt, bem Elephanten
an Groste sast gleich kam, fonst aber bie Gestalt, Farbe
unb Sitten eines gemeinen StiereS hatte, ansterorbent-
liche Starke unb Schnelligkeit befast, Menschen unb
Thiere angriff unb tobtete unb selbst jung eingefangen
unzahmbar blieb. Die Jager fingett ihn in Saftgruben;
junge Maniter erlangten burch biese gefahrliche Jagb
Muth unb Abhårtung unb erhielten offentliche Belo-
bungen, wenn sie mit einer grofjeren Zahl tion Hornern,