Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Snugethicre.
Ueunte Vr-nung.
ostmals fo wenig fest, tap es schwer halt, fte gehorig zu
sondern. Klima, Nahrung und uberhaupt uligere Ver-
Haltniste haben viele Abanderungen Hervorgebrachi, die
mit Worten schwer zu beschreiben sind, und andere haben
die Lanbwirthe durch Kreuzungen herbeigerufen, je nach-
dem sie zuui Zuge oder zum Melken oder fur den Flei-
scher brauchbare Thiere zu erziehen wunschten. In vieten
Gegenden von Mitteleuropa, besonders aber inEngland,
wird der erste Zweck wenig beachtet, iit cinigen Landern
bes ostlichen Europa und in Frankreich Hingegen ver-
folgt, weil Ochsen, bei der grogen Starte des Kopfes
und der Schultern, fur gewifse Arbeiten geschickter sind
als Pferbe, ihr Unterhalt weniger kostet und sie nach
cinigen Dienstjahren als Schlachtvieh noch nutzlich blei-
ben. Eine auf anatomische oder gute zoologische Merk-
inale gegrundete Eintheilung dieser mannichfachen Raffen
ist zwar mehrmals, aber nie mit Erfolg versucht worden.
Man ist daher gezwungen, sie auf allerdings mangelhafte
Weise, namlich nacki ihren Heimathslandern, zu ordueil.
I. Deutsche Rassen. An der Spitze derselben
steht das mit Rechi beruhmte Schweizervieh (Fig.
975.), mit langem, grogen Korper, starkem Halse, langer
Wamme, geradem Rucken, sehr hohem Kreuze, kurzem,
dicken Kopfe, nach augen gebogenen, an der Wurzel starten
Hornern, grogen, etwas Horizontalen Ohren, hoch ange-
setztem, mit feinhaariger Endquaste versehenen Schwauze,
kurzen, kraftigen Beinen, kleinen und Harteit Hufen, sehr
starter Haut und grobein, dicken Haar. Die Farbe ist
nteist schwarz. Man kann das Schweizervieh als Re-
praientanten der Grttppe betrachten, welche vou mehre-
ren Schriftstellern mit dem Natnen des Bergviehes
belegt wird und auger der genannten Rasse noch folgende
einjchliegt: die freiburger Kuh mit Horizontalem
Ruckeu und Kreuze, starkknochigem Korper, breitem
Runtpfe, kurzen und dunnen Hornern, kttrzem Schwauze,
dunter, rothbrauner und weiger oder schwarzer und Weiger
Farbung; die Hasli-Kuh von kleiner Statur und
feinent Batte, mit dunnen Fugen, kleinen Hufen, langetu
Schwanze, schmalem und kleinen Kopfe, langen Haar-
buscheln an den Ohren, schwarzbrauner tind weiger Far-
bung; die tyroler und vorarlberger Kuh mit
kurzen Hornern, langen Haarbuscheln an den Ohren,
sehr lang herabhangender Wamme, etwas grobein Baue,
dunkelrothbraunein Korper, gelbfahlem Rucken und Streif
am Bauche. Durch Kreuzung sind aus diesen Rassen an-
dere zahlreiche entsprungen. Das Bergvieh giebt wenige,
aber sehr fette Milch, pagt aber nicht zttr Mastung oder
zum Zuge. Jhiit gegenuber steht das Niederungsvieh,
unter welchem als am Besten charakteristrbar folgende
Rassen Hervorhebung verdienen: die ostfriesische
Kuh mit kurzent, nach vorn verschmalerten Kopfe, nach
vorn unb wenig nach augen gebogeneu Hornern, auf-
rechten, weit Hinten stehenden Ohren, schmalem und nach
der Brust hin an Hohe zunehtnenden Halse, langetn, brei-
ten und starten Korper, hohem Miderrist, Horizontalem
Rucken, abschitssigem, schmalen Kreuze, meist rother
Farbung; die oldenburger Kuh mit langetn Kopfe,
bogenformig nach attgett gekruminten, mit der Spitze
einwarts gerichteten Hornern, langetn und schmalen
Halse, etwas knrzein Korper, wenig vorragendem Mider-
rist, hohem Kreuze, schwarzer, nicht felten gcschackter
Farbe. Man rechnet zu dem Niederungsvieh noch eine
Metige von Rassen, wie die danziger, oderbrucher, wil-
Helinsburger, brabanter, flandrische, limburger und jut-
landische. Alle Rassen, die weder unter dem Bergvieh
noch unter dem Niederungsvieh ihren Platz finden kon-
uen, neniit man Landrassen, die, an sich unzahlbar, dttrch
absichtliche Kret^ung aNjahrlich so verntehri werden, bag
beinahe fede Heine, zur Viehzucht geeignete Provinz eine
eigenthuntliche aufzuweisen hat. Andere gehen freilich
wieder unter, weil entweder nicht mit gehoriger Sorgfalt
auf ihrer Reiithaltung geachtet wird oder diefe nicht
ausreicht, utit dem Zuruckgehen tind llmfchlagen der be-
fonderen Eigenschaften vorzitbeugen.
2. Englische Rassen. Man theilt das Rindvieh
in England itt kurz- und langgehornte Rassen. Unter
den letzteren scheinen einige sehr alt zu seiti, so der Cra-
Ven-Ochs (Fig. 973'), der seinen Nanten von einent
Districte von Uorkshire erhielt, wo er seit ben altesten
Zeiteit heimisch war, bis um bie Mitte bes vorigen Jahr-
hunberts gluckliche Kreuzungen ihn umgestalteten. Er
war grog, grobknochig, hatte langen, eckigen Korper,
platte Seiten, augerorbentlich lange, bisweilen recht-
winklig utib Horizontal vom Kopfe abstehenbe, in ber
Regel aber nach innen unb mit ben Spitzeti nach tinten
gebogene, bis unter bas Maul hinabreichenbe, bisweilen
am Grafen Hinbernbe Horner. Aus ihnt entstanb burch
Kreuzung bie langgehornte Leieester-Rasse (Fig.
973°), bie sich burch bie Beschaffenheit ihrer Milch weni-
ger empfahl als ber Urstamm, aber besseres Fleisch lie-
ferte. Unter ben langgehornteit Rassen nimmt bie von
Shropshire (Fig. 973b) einen Hervorragenben Platz
ein. Sie ist ebenfalls burch starkknochigen Batt attsge-
zeichnet, alleitt felten reitt aiizutreffen. Zwischen ben
lang- unb kurzgehornten Rassen stehett gewifse itt ber
Mitte, z. B. bie Devonshire-Rasse (Fig. 973d),
welche burch ihre Schonheit beruhmt ist, seit alten Zeiteit
eristirt zu haben scheint, einen feingebilbeten, aber guer
tiber bie Stirit sehr breiieit, gegen vorn verschmalerten
Kopf, gefassig aufwarts gebogene Horner, breite Brust
tiiib geraben Rucken hat, in ihrer Heimath vorzugsweis
als Zugthier angeivetibet, aber auch zur Mastung geeig-
net ist unb vortressliches Fleisch, inbessen geringe, wenn
auch reichliche Milch liefert. Die Hereforb-Rasse
(Fig. 973° Ochs, f Kuh) ist beruhmt tvegen ber Eigen-
schaft, auch bei geriitgem Futter fett zu werbett, giebt
wenig Milch, aber sehr gutes Fleisch. Die Susser-
Rasse (Fig. 973°) enblich steht in ber Mitte ztvischeit
ben zwei vorhergehenben, gleicht burch Starte ber Rasse
von Devonshire, burch Beschaffenheit bes Fleisches ber
Rasse von Hereforb. Ochsen bieses Schlages sinb so
start unb so schnell, bag Gespanne mehrere Mochen
Hinter einanber taglich 15 ettgl. Meilen zuruckgelegt
haben. Die Alderney-Rasse (976' u. b) stammi
eigentlich aus ber Normanbie unb von ben Jnselit bes
britischen Canals, ist klein, von ungeschicktem Ansehen,
im Rucken sonberbar gekrummt, kurzgehornt, uberhaupt
ntehr ober weniger fehlerhaft gebauet, aber beruhntt burch
bie Gute unb Menge ihrer Milch. Durch Kreuzung er-
Hielten beruhmte Lanbwirthe tteue Rassen, z. B. Allop
(Fig. 976 ° r), Lorb Althorp s Rasse (4 •) unb bie
Zuchten von L in c olitshire (') unb V ortf^ire(k).
^ltich Schottlanb besitzt eigene Rassen, unter Welchen
biesenige ber westlichen Hochlaitbe (Fig. 974. unb
976s) in ansehnlichen Heerben subwarts getrieben wirb
unb in Lonbon einen guten Markt finbet. Sie zerfallt
wieberum in mancherlei Schlage, z. B. bie sogenanuten
Kyloes ber westlichen Jnseln unb ber Hebriben, welche
zwar keine bebeutenbe Groge erreichen, alleiit sehr gutes
Fleisch liefern unb mit bent grobsten Futter sich begitfi-
gen. Man glaubt, bag auf ben Hebriben zufammen an
150,000 Stuck leben, von welchen jahrlich ohngefahr ber
fuiifte Theil nach bent Festlanbe gebracht wirb; zu 5 Pfb.
Sterl. bas Stuck gerechnet, schaffen sie ber Vevolkerung
eities soitst sehr unfruchibaren Archipels eine Jahresein-
nahiite von miubestens 150,000 Pfb. Sterl. Auf beat
schottischen Festlanbe finbet man anger ber Glantor-
gan-Rasse (Fig. 976h) zuntal in Argyleshire bie
besten Schlage von Rinbvieh, welches einen grogen Theil
bes Jahres in ben unbewohnten Milbnissen frei Herunt-
"treift unb baher weniger zahnt ist.
3. Franzosische Rassen. Desmarest fuhrt 20
franzosische Raffen an, bie burch Beschreibung kanut alle
kenntlich zu machen sein burften. Unter ihnen verforgt
Hauptsåchlich bie Rasse von Perigorb Paris mit Fleisch;
sie ist stark gebauet, sehr hell gefarbt, hat groge, gekrninmte
Homer nnb wiegtsOO—850 Pfnnb. Man treibi sie jung
nach ber Norntanbie, unt sie bort fur ben Gebrauch ber
grogen Stabte zu masten. DieRasse von Gaseogne wirb
eben so schwer unb ist eben so hell gefarbt, hat aber auger-
orbentlich groge Horner. Ihr Fleisch wirb in Borbeaur
unb ber Untgegenb mehrentheils zum Verbrauche ber
franzosischen Secinacht eingesalzen. Die Rasse von
Auvergne ist stark gebauet, erlangt aber kein sehr bebeu-
teiibes Gewicht. Ihre Farbe ist genteinlich roth o‘ er
branit; bie kurzen Horner kruntiiten sich aufwarts. Als
bie beste aller Rassen betrachtet Desmarest bie bes Pays
b'Auge; sie wachst zu sehr ansehitlicher Groge, wirb dis
1200 Pfnnb schwer, ist wohl proportionirt, hat einen
kurzen unb breiten Kopf, kurze, weige, ant Enbe abge-
runbete Horner, roth unb weig, roth tinb schwarz ober
schwarz unb weig geschacktes, grobhaariges Fess. Die
Rafie von Eotentin ist burch Kreuzung ber vorhergeheu-
ben mit hossanbischem Vieh entstanben, wiegt ost bis
1400 Pfnnb, hat lange, bunne, zngefpitzte Horner,
schwarzbraitne Farbe, giebt gelben Talg, vieles unb
gules Fleisch unb bilbet eine Ausnahme ber int llebrigen
keineswegs auf hoher Slitfe stehenben Viehzucht Frank,
reichs. Rur bie norbwestlichen Provinzen, Bretagne,
Maine, bie iintere Norntanbie unb ein Theil von Poitoii,
erzeugen hinreichenbes Rinbvieh zur Betreibung eines
grogartigen Hanbels; weniger reich an Heerben sinb bie
westlichen an Dentschlanb granzenben Gegenben; ant
armsten ist ber Stiben, ber jenseitSlves 45° fast gar keine
Rinberheerbeit besitzt. Unter beiti mittleren Proviiizen
konneit allein bie Auvergne u. s. ns, , unb unter ben norb-
lichen Flanbern unb Artois sich einer bebeutenben Vieh-
zucht ruhinen. Das Zahlenverha tnig ber menschlichen
Bevolkerung zu bent Rinbvieh stellt sich in Frankreich
ohngefahr wie 5:1, in ben Nieberlanbeit, Norbbeutsch-
lanb ti. s. w. wie 3:1; in Englaitb, Murtemberg, Schwe-
ben ist bie Zahl beiber fast gleich. Der Verbratich bes
Rinbviehs ubersteigt in Frankreich bie Erzeugnng unt
30 — 40,000 Stuck, bie assjahrlich aus Belgien unb
Dentschlanb eingesuhrt werbett mussen. Paris allein ver-
zehrt jahrlich uber 150,000 StucE verschiebenen Alters;
inbessen ist int Allgemeinen ber Verbrauch von Rinbfieisch
in Frankreich weit geringer als in Englanb: in Paris
kontmen gegen 60 Pfnnb jahrlich auf jeben Einwohner,
in Lonbon gegen 150 Psttttb. In letzterer Stabt wttrben
int Jahre 1832 1,364,160 Stfick Rinbvieh geschlachtet.
4. S ttbeurop aische Raffen. Italien besitzt eine
ntehr als Halbwilbe Rasse (Fig. 971.) in ber Marenttita,
einent fast ganz flachen, von Genua bis Gaeta rcichenben,
fehr fruchtbaren, aber augerorbentlich ungefunben, beitt
Fremben tobtlichen unb fehr bunn bewohnten Kustenstriche.
Groge Heerben wattdern bort bas gaitze Jahr Hinburch
Herniit, entfernen sich jeboch nientals weil von ber Gegeitb,
in ber sie heimisch sinb, unb ffihrett fast basselbe Leben
wie bie berfihntteit Heerben ber aiiterikanischen Pampas.
Ihre Besitzer fennen ost kaunt ben eigenen Reichlhum unb
vertrauen Sorge unb Ueberwachung einent rohen Schlage
von Menschen, unter welchem nicht felten cntflohene
Verbrecher Aufnahme finben. Solche Aufseher leben wie
bie amerikanischen Gauchos nteist int Sattel, sinb gegen
Entbehrungen unb bas giftige Klima gleich abgehartet,
treiben bie Heerben gelegentlich zusamnten, tint sie ztt
zahlen unb ztt zeichnen, unb geleiten bie ausgewahlten
Stficke nach ben Markten jenseits ber Maremnta. So-
wohl biese Rasse als biejenige ber inenscheiileeren Catit-
pagna von Rom (Fig. 972.) ist sehr grog, wohl gebilbet,
hat lange, seitlich stehenbe, gerabe aufwarts unb nach
atigen gekrfimnite, oben an brei Sug von einanber ent-
ifemte, spitzige, weigliche Horner, ist von btinkelgrauer,
auf bent Rucken unb bent Kopfe in bas Braunliche ziehen-
ber, bisweilen Hellgrauer, am Kopfe weiger Farbung
tiitb fommt mit bent ungarischen Rinbvieh sehr uberein.
Mahrscheinlich staiitmi sie auch baher ober boch aus bent
ostlichen Europa unb ntag burch bie Gotheit zugleich mit
bent Bfiffel eingeffihrt worben fein, benn auf altromischen
Basreliefs ist sie nirgenbs bargestesst. In Toscana eristirt
Hingegen ein nahe verwanbter Schlag, ben titan fur tiralt