Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethierr.
Ueutite Ordning.
entlegenen Volkern vorfindet. Alle scheinen den Ochsen
nicht seines Fleisches oder die Kuh der Milch wegen ver-
ehrt, sondern ihre Wichtigkeit als Zugthiere, besonders
fur Feldarbeiten richtig erkannt zu haben; das mosai-
sche Gesetz enthalt manche Bestimmungen uber die Be-
Handlung der letzteren. Sin Orient zwang inan seit ur-
attesten Zeiten den Ochsen zum Austreten des gearndteten
Getraides; nicht allein biblische Stellen, sondern auch
auch Homerische Bilder und Vergleiche beziehen stch nuf
diesen Branch, der sogar noch unter den gedildeteren
Romern, und zwar zu Virgil's Zeiten, gewohnlich
war. Die Bewohner don Syrien, Aegypten und Nubien
sind ihm bis aus den Heutigen Tag tren geblieben; als
eine hinundwieder angewendete Verbesserung mag es gel-
ten, dah man die Ochsen an eine Walze oder ein ahnliches
Werkzeug spannt und hierdurch die Aussonderung der
Korner ohne zu grohen Verlust an Stroh erreicht.
Die umsiandliche Schilderung des Nutzens, welchen
das Rindvieh fur den Menschen unfeter Zeit nach Maah-
gabe der herrschenden hoheren Civilisation hat, gehort
nicht in das Gebiet der Zoologie. Die Zahl der Vvlker,
welche sich allein von dem Ertrage ihrer Heerden nahren,
ist jetzt ungleich geringer als in der Urzeit; indefsen Hat
die Rindviehzucht inehr allgemeine landwirthschastliche
Wichtigkeit als die Schaafzncht, obgleich diese periodisch
einen hohern Reinertrag abwerfen kann. Iene grohe Be-
dentung liegt in der Lieferung eines sehr guten Dungers,
ohne welchen in Landern, wo sorgfaltige Benutzung der
Oberflache durch Zusammendrangung der Bewohner und
hohen Preis des Ackerbodens zur Nothwendigkeit wird,
ein ergiebiger Feldbau durchaus nicht moglich sein wurde.
Der Ertrag an Milch ist nur in der Nahe groher Stadte
lohnend, die Bereitung von Kase nur da vortheilhaft,
wo Lage und Klima die Verwendung der Oberflache zu
Weideu allein gestalten. In iiulbcn Breiten ist die Er-
giebigkeit der Kuhe allezeit groher als in tropischen,
auherdem wird sic bedingt durch Rassencharakter und
durch kunstliche Pflege, vielleicht selbst durch individuelle
Anlage. Sin Holsteinischen giebt es einen Schlag soge-
nannter Marschkuhe, welche in 12 Monaten uber 3000
Mehkannen an Alilch liefern; in den nicht fetiten Haide-
gegenden zwifchen Elbe und Weser, wo theilweis anf
Biehzucht toenig Fleih verwendet oder dieselbe durch
naturliche Hindernisse aufgehalten wird, kennt man ge-
ringe, jnhrlich kaum 600 Kannen geb ende Rassen. Sehr
viel Milch giebt das Schweizervieh Wahrend des Attfent-
haltes auf den Alpen. Man pflegt den Ertrag eines
Tages bald nach.Ankunft auf den Alpen und wiederum
im Sommer und Herbste zu wiegen, um den Ertrag
bei befferem Futter und den Werth des Thieres fennen
zu lernen, hauptsachlich aber um die Grundlagen ge-
genseitiger Berechnung zu erlangen, indem mehrere Be-
sitzer sich zu vereinigen und die Milch ihrer Kuhe zur
gemeinsambetriebenen Kasefabrication zusammen ni thun
pflegen. Unter dem Aeguator, z. B. in Cayenn. geben
die besten Kuhe taglich nur ein halbes bis ganzes Litre
franzosischen Maahes an Milch, in Algier drei bis vier
Litres. Auch andert die chemische Beschaffenheit der
Milch nach Umstanven ab, mindestens in Bezug auf die
Gewichtsantheile der sie ausmachenden Substanzen.
Die Vereinigung der drei Eigenfchaften, der ansehulich-
sien Milchabsonderung, der Fahigkeit zum raschen Fett-
werden durch Mastung unv groher, das Zugthier bezeich-
nenden Korperstarke, finden sich fast nie in derselben
Rasse vereinigt. Gehorige Ausbildung ist auch hier, eben
so wie am Pferde, die Frucht einer sorgfaltigen Pflege
und besonders der Vermeidung zu fruhzeitiger Anstren-
gung. Selteit gelittgt Mastung nach Zurucklegung des
zehnten Lebensjahres,und anThieren,die man uberarbeitet
hat, bleibt fede Muhe Weggelvorfen. Bei dem Slusschlach-
ten eines gut gehalteneu Ochsens, vorausgesetzt, dah dabei
nicht auf rohe, handwerksmahige Art verfahren werde,
darf der Abfall nur den stebenten Theil des ganzen Gewichts
betragen; er geht da nicht ganz verloren, wo, wie in den ;
grohen Stadten Frankreichs, chemische Anstalten in der
Nfihe sind, welche jeden thierischen Rest vortheilhaft ver-
arbeiten, den Blutkuchen in Dunguiigsstoffe verwandeln,
aus den Knochen Gelatine, Leim, Dungerpulver oder das
geschatzte Knochenfchwarz darstellen, welches in Zucker-
raffinerien zur Abklarung des Syrups verbraucht wird.
Der Gebrauch und die Wichtigkeit der Horner und Fetle
sinv zu bekannt, nm hier Erorlerung erhalten zu konnen;
aus den ersteren, im naturlichen Zustande zu der viel-
fachsten Verwendung geschickten stellt man durch Wasfer-
dampfe und durch Gold- und Silberfalze Stoffe Her, die
nit Farbung und Glnnz dem Schildpntt nichts nnchgeben.
2. Der Buckelochs oder Zebu. (Bos Taurus var. Zebus.) Fig. 982 — 984.
Ob die Zebu-Rnffe der Ochsen, wie Einige behanpten,
von einem besonderen Stnmme entsprungen und sonnch
vom Hnusochsen speeifisch verschieden fet, ist eine viel
nngeregte, nber noch unentschiedene Frage. Dnh sie ge-
wisse, sehr chnrnkteristifche Kemizeicheit dnrbiete, unter-
liegt feinent Zweifel. Diefe bestehen in dem hohen, einen
grohen Fetthocker tragenden Widerriste, dem gewolbten,
in der Kreuzgegend vorzugsweis hohen und von dn nnch
hinten nuf eininnl abfnllenden Rucken, den dunnen Glie-
dern, einer grohen, Hangenden, gefnlteten Wnmme und
langen Hangeohren. Ein ungewohnlich milder und in-
telligenter Ausdruck ist dem iltuge eigen. Die Korper-
grohe wechselt so, dah nusgewachsene Individuen bald
dem grohteu Ochsen, bald nur eiitem jungen Katbe glei-
chett. Der Zebu Dertritt die Stelle uttseres Rindviehes
in Indien, im ostlichett Persien, in Arabien, in Afrika
sudlich vom Atlas, durch Oberagyptett, Abyssiitieu und
I Aethiopien bis Madagasear, jedoch nicht bis zum Cap,
Iwie Buffon nngab. Nach Unteragypten, wo er jetzt fehlt,
mag er in den Handel treibenden Zeiten der Pharnonen
gekommen sein; mindestens wird er auf agyptischen Denk-
malern neben attderett Rindern eben so deutlich abgebil-
det, wie auf den invischen von Etlorah, und ist sonnch
von sehr Hohem Alterthume. Aus Bildwerken derRomer
und Griechen muh man schliehen, dah auch titt sudlichen
Europa eine dem Zebu nahe verwandte und wahrschein-
lich durch fruhzeitige Einfuhrung desselben entstandene
Rasse dagewesen sei, die allerdings nicht den hohen Fett-
hocker, aber die eigenthumlich gefaltete Kehlwamme be-
sah. Archnologen des vergangenen Jahrhunderts haben
nicht angestanden, die Umrisse von Ochsen auf griechischen
Bronzen und Seulpturen fur verzeichnet zu erklaren,
weil sie von denjenigen unserer Hnusthiere gar zu sehr
abwichen; Zoologen rechtfertigten Hingegen die Alten,
indem sie auf den jetzt in Sudeuropa ganz ausgestorbenett
Zebu hinwiefen. Ueberhaupt scheint die reinste Rasse des
Zebu eben nur in Indien heimisch zu sein, denn west-
warts, nach Persien hin, geht sie in eine andere uber, die,
nach Chardin's Zeugnisse, der europaischen ahnlich ist
und den Ruckenhocker entbehrt. Die Reichen Indiens
Halten auf Zebus von reiner Abstammung, indem sie
stch derselben vorzugsweis gern als Zugthiere bedieneu,
und die niederen Volkselassen widmen der geringeren
Rasse Aufmerksamkeit, weil sie fur Zwecke des Landbaues
ungemeine Anwendbarkeit besitzt. In einigen Gegenden
Indiens zieht man eine vorzuglich grohe, die fogenanitte
Braminenrafse. Sykes erznhlt, dnh ein sonderbares,
herumziehendes Bolk, die Brindscharies, Zebu - Heerden
in solchen Zahlen besttze, dah ein Heer felten ohne
15 — 20,000 mit Mundvorrath beladene Ochsen zu Felde
ziehe. Ueber ihre Anwendung zum Reiten haben englische
Reisende neuerer Zeit manche Berichte gegeben. Der
beruhinte, den Granzvolkern des britischen Indiens furcht-
bare General Skinner zog auf feinent 100 englische Mei-
len westlich von Delhi gelegenen Meierhose eine Menge
Zebus, die im Gauge sich ganz von den gewohnlichen
Ochsen entfernten und sogar zur Beforderung von mili-
tairischen Courieren beuutzt wurden. Anstatt die Hinter-
fuhe in ungeschickter Art, einen Halbkreis mit den Hiifen
beschreibend, nach Art des gewohnlichen Rindviehes alter
Rassen zu bewegen, setzten sie dieselben gerade Vorwarts
und gtichen also, sowohl int raschen als lnngsamen Gange,
vollig den Pferden. Sie sprangen ohne Schwierigkeit
uber sechs Fuh hohe Zaune, wurden gesattett und legten
mit einem Soldaten auf dem Rucken taglich gegen 90
engf. Meilen zuruck. Schon Thevenot beschrieb den
Zebuochsen als eben so geeignet zum Reiten und Ziehen
wie irgend ein Pferd; er wurde paarweis in dieselben
Doppeljoche gespannt, die in vielen Gegenden Europa's,
wo man sich der gewohnlichen Ochsen als Zugthiere be-
dient, gebrauchlich sind, und mittels einer an den durch-
bohrten Nasenknorpel befestigten Schnur geleitet. In
gewissen sehr steinigen Gegenden Indiens legte man den
zum Lasttragen und Weiten Reisen bestimmten unter jeden
Fuh, wegen der Spaltung des Huses, doppelte Hufeisen,
lieh nber die zum Pflugen und zu nhnlichen Arbeiten ver-
wendeten unbeschlagen. Die vollig weihen werden sehr
ge;chntzt. Olearius snh ein solches Gespann vor dem
reichgeschmuckten Wngen eines indischen Fursten, und
Bischoff Heber erznhlt, dnh die Thakuhrs, der Adel der
Rndschputen, gewohnlich in Wngen reisen, welche durch
weihe, nn den Hornern vergoldete Zebus gezogen iver-
den. Tnvernier beznhlte fur ein nhuliches Gefpnnn 600
Rupien, neiint nber diesen Preis billig im Verhnltnisse
zu den grohen Leistungen desselben, indem es 60 Tage
hindurch taglich 12—15 Wegstunden im Trnbe zuruck-
legte und keine grohen Kosten durch seinen Nnterhalt
verursnchte. Die Braminen wnhlen die schonsten Zebus
aus, erziehen und pflegen sie mit groher Sorgfnlt und
erweifen ihiien religiose Verehrung. Nicht allein inuthet
tnnn ihnen niemals eine Arbeit zu, sondern sie Haben
auch das Recht, uberall frei hetumzustreifen, und Werden
daher zur Plage der um Calcutta gelegenen Dorfer.
Sie gehen nicht leicht Jemandem aus dem Wege, sind, Wie
alle durch grohe Znrtlichkeit verzogene Thiere, geneigt
zu boswilligen Streichen, brechen in Gnrten ein, berau-
ben die nuf den Strnhen nusstehenden Kuchen- und Obst-
verkaufer, strafen eine Zuruckweisung oder zu langsame
Befriedigung ihrer Wunsche mit Hornstohen und durfen
nie gefchlagen werden. Sie ernst zu zuchtigen oder gar
zu verwunden, gilt fur eine Todsunde. Dieselbe thorichte
Borliebe und Aufmerksamkeit wird keineswegs den ge-
wohnlichen Arbeitsochsen erwiesen; vielmehr erfnhren
diese nicht selten eine sehr Harte Behandlung durch die-
selben Braminen, welche privilegirte Zebus der Gottheit
Siva weihen und befser pflegen und Hoher achten als
Mitmenschen einer geringeren Kaste. Kuhen allein er-
weisen sie unter atten Umstanden die durch Glnubenssatze
gebotenen Rucksichten. In Persten gebraucht man die
Zebuochsen zu Kampfen mit dem Soiren (Fig. 985.);
obgleich furchtbnr verwundet, tragen sie nicht selten den
Sieg davon.
3. Der Gayal. (Bos gavaeus.) gig. 986. 987.
Indien besitzt mehrere Arten Ochsen, die in einigen
Glgenden nur im wilden Urstnnde, in anderen aber ge-
zahint gefunden werden und im letzteren Falle nuf eben
nicht grohe Landstrecken beschrnnkt bleiben. Unter deu-
selben ist der Gayal der Hindus einer der merkwurdigsteit.
Nach Macrae lebt er vollig wild in der Gebirgskette,
welche die ostliche Granze der Provinzen Arracan, Chit-
tngong, Tipura und Silhet bildet, gilt nicht fur gefnhr-
lich und wird daher auch von einzeliten Jngertt ohne
Besorgnih in das inttetste Dickicht der Walder Verfolgt.
Die Annaherung der Menschen bringt ihn zur eiligen
Flucht, und niemals versucht er angreifend sich seiner
Verfolger zu entledigen. Als Nahrung zieht er zarte
Schohlinge von Baumeit oder Blatter der Busche dem
Grase vor. Niemals walzt er sich im Schlnmme wie der
indische Buffet und gleicht uberhaupt diesem allein in
Hinsicht auf gewaltige Starke und Schnelligkeit, die sich
auch in der auheren, weiin auch etwas schwerfalligen
Form des Korpers deutlich nussprechen. Auherhalb
seines gebirgigen Vnterlnndes ist er Wenigen bekannt.