Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
. Elfte Vrdnung.
biese einige Abtoeichungen bar, theils bestehen anbere,
obeir angefuhrte Unterschiebe, namenilich in ber Nickhaut,
ber Lage ber Zitzen, ber Bilbung ber Zåhne unb bem
Vorkommen verstreueter Haargruppen an mehreren Thei-
len. Man kann Hinzusetzen, bag bie Blntgefåhe einsach
verlaufen unb nicht bie oben beschriebenen, an ben Wal-
fischen beobachteten Vertoickelungen bilben, unb bah bie
Knochen, anstalt mit Oel erfnllt zn sein, burchaus fest
unb ohne Markhohlen gefunben toerben. Die Vorber-
glieber erlangen eine bei anberen Cetaceen ungetoøhnliche
Lange, ber Schtoanz besteht au8 einer knorpeligen Aus-
breitung, bie mit sehnigen Fasern unb bicker, glatter Haut
uberzogen, bie getobhnliche Horizontale Stellung Hat.
Unter ber Haut liegt eine starte Speckschicht, auf ben
Lippen erheben sich bicke, brahtartige Borsten. Die Zahl
ber Wirbelknochen anbert in Zahl je nach ben Arten.
Die Einlenkung bes Unterkiefers in eine besonbere Ge-
lcnkpfanne verhåli stch toie bei anberen Såugethieren,
toahrenb bei ben Cetaceen ber ztoeiten Familie bie Ver-
binbuug ztoischen Schåbel unb Unterkiefer allein burch
eine grebe Knorpelmasse hergestellt toirb. Der Magen
zerfållt in vier Abtheilungen, von toelchen bie ztoei klei-
nereu ;ur Seite ber grohen liegen. Jm Gebih sinb einige
Verschiebenheiten bemerkbar; bie Vorberzåhne fehlen eni-
toeber ganz ober sinb zu Hauern umgestaltet, unb bie
Backenzåhne sitzen enttoeber auf bem Kiefer burch An-
toachsung ober in bemselben burch Einkeilung fest.
I. Lamnutin ober Mauati. (Manatus.)
Gattungscharakter: Vorberzahne unb Eckzåhne
fehlen; Backenzahne uberaK acht, zusammengesetzt, auf
ber Kauflache mit ztoei bis brei breihåckcrigen Ouerhu-
geln (Gebih Fig. 1046.).
J. Der sudliche Manatl. (Manatus australis.) Fig. 1044 — 1047.
Getoohnlich toirb ber Name Manati ober Manato
als spanisches Verkleinerungstoort von Mano (Haub)
angesehen, allein seine Bilbung entspricht burchaus nicht
ben Gesetzen jeuer Sprache. Man meint, bah er stch auf
bie Vorberglieber beziehe, obgleich biese von Niemanb
unb selbst nicht von bem Untoifsenbsten mit Hanben ver-
glichen toerben kann. Wahrscheinlich ist jenes Wori ame-
rikanischeu Ursprungs, toenn auch bem Valke im portu-
giefischen unb spanischen Amerika jetzt unbekannt, bie bas
in Rebe stehenbe Thier Seeochs ober Seekuh heihen.
Lamantin eutstanb aus jenem bunkeln Namen burch eine
von Franzosen, toie es scheint, herbeigefuhrte Verber-
bung. Schon bie ersten Chronisten Amerika's, ber
geistreiche Anghiera (Petrus Martyr), Kanzler Kaiser
Karl's IV., Oviebo unb Gomara, gebenken bes Manati,
naturlich als eines Fisches, unb geben von ihm ganz
brauchbare Nachrichten. Die meisten spateren Reisenben
fugen ztoar eine ober bie anbere Notiz Hinzu, inbefsen
toarb genugeube Kenntnih erst seit Humbolbt's Reise
erlangt, bie Anatomie sogar nur in ben letztverflofsenen
Jahrzehnten genauer erforscht. Diefe Untersuchungen
sinb als geschlossene nicht zu betrachten, indem sie keines-
toegs alle bie Organisation unb Physiologie jenes merk-
tourbigen Thieres betrefsenbe Fragen gelost haben. —
Der amerikanische Manati toirb 16 — 20 Fuh lang unb
miht hinter ben Vorbergliebern im grohlen Umfange
5—6 Fuh. Das Skelett besttzt ztoar im Allgemeinen
ben allen Cetaceen zukommenben Bau, unterscheibet
sich aber burch Einzelnheiten. Am Schabel (Fig. 1045.)
ift bie auherorbentliche Kleinheit ber in einer Ausran-
bung bes Stirnbeines verborgenen Nasenknochen inerk-
tourbig. Die Ztoischenkieferknochen (a) stehen toeit Her-
vor, tragen aber nur im jugenblichen Zustanbe Zahne;
sie bilben ben Seitenranb ber Nasenbssnung unb verlan-
gern sich in knarpelige Anhånge, toelche eine Art von
stumpfem unb sehr breiten, am Enbe mit Nasenlochern
versehenen Russel stutzen. Die toeit nach vorn gelegenen
Augenhbhlen umgiebt ein vorstehenber Ranb ; bas Joch-
bein ist breit unb stark. Ueber bas Gebih herrschten ehe-
bem manche Ztoeifel; jetzt ist entschieben, bah bas junge
Thier ztoei obere, in ben ersten Tagen nach ber Geburt
ausfallenbe Vorberzahne habe, unb bah bie Backenzahne
ohngefahr in gleicher Art toie am Elephauten wechseln,
namlich burch grabtoeises Vorrucken ber Hinteren, toelche
bie vorberen enblich aus bem Kiefer Herausbrucken.
Die Gesammtzahl ber Wirbel betragt 46, von welchen
auf ben Hals nur 6 kommen. Die bereits in ber Ein-
leitung ertoahnten unteren, Vformigen Fortsatze ber ersten
11 Schtoanztoirbel machen bas Hintere Korperenbe zum
Werkzeuge kraftigen Schtoimmens. Brustbein unb Becken
sinb uur in unvollkommener Anbeutung vorhanben. An
ben Vorbergliebern vermiht man uur einige unbebeutenbe
Knochen, soust gleichen sie in osteologischer Hinstcht,
nothtoenbige Mobificationen abgerechnet, benjenigen an-
berer Saugethiere. Von ben funf Fingern ist ber Dan-
men ber kurzeste unb unvollkommenste.
Der Manati reprasentirt in Subamerika ben Dugong
bes rothen unb ostinbischen Meeres. Er scheint in alten
Zeiten viel haufiger getoesen zu sein als Heutzutage, too
er an ben Meereskusten Brasiliens nicht oft angefroffen
toirb. Gleichsam Sicherheit suchenb hat er sich in bie
Munbungen ber grohen Strome, beS Orenoko unb Ama-
zonas, zuruckgezogen unb steigt in benselben ziemlich Hoch
hinauf. Darf man ben altesten Schriftstellern uber Ame-
rika vallig tranen, so bemohute er im 16. Jahrhunberte
bie Getoasser um Haiti unb anbere Antillen, too er jetzt
nie gesehen toirb. Es scheint, bah er an ber Norbkuste
bes Festlanbes toeiter in bas offene Meer hinausgehe als
an ber Ostkuste unb ztoar nach Orten sich begebe, too,
toie Humbolbt angiebt, mitten im Oceane ansehuliche
Snhtoasserguellen hervorbrechen. Ans bem Amazonen-
strome geht ber Mauati in bie groheu, seittoarts liegeu-
beu Laubseen nub toirb bort von ben Jnbiern eifrig ver-
solgt. Sein Fleisch ist ehbar unb ohne ben Thrangernch,
ber ben gråheren Cetaceen bes Meeres anhångt, soll aber,
långere Zeit genessen, Scorbut unb Hantkrankheiten
Hervorbringen. Znr Nahruug toåhlt er Gråser, bie ben
Fluhraub einfassen, steigt, too er sich sicher fuhlt, mit
bem Halben Leibe aus bem Wasser, nm jene abzutoeibeu,
euttoickelt babei keinen besoubereu Scharfsinn unb toirb
leicht uberrascht unb mit Wurflanzeu erlegt. Er ist von
burchaus harmlosem Charakler unb znfolge alter Sagen
nicht allein znr Zåhmung, sonbern auch znr Abrichtnug
befåhigt. In ber Regel tristt man ihn in kleinen Gesell-
schaften von vier bis sechs Stuck, unter toelchen bie Weib-
chen ber Zahl nach vorherrschen. Diese ertoeisen ihren
Jungen bie zårtlichste Aufmerksamkeit unb unterstutzen
sie bei ber Flncht mit ben Vorbergliebern. Beibe Ge-
schlechter sinb von gleicher Grohe unb aschgrauer Får-
bung. Ihre bicke unb fleischige Schnauze eubet nach vorn
in eine Halbkreisformige Scheibe, bie von runben , vor-
toårtsgerichteten Nasenlochern bnrchbohrt toorben. Die
kleinen Augen geben bem Manati ein sehr bummes An-
seheu; bie åuhere Ohrenbffnung entbeckt man erst nach
långerem Suchen. — In ben Fluhmuubungen Afrika's
lebt eine anbere, viel kleinere Art (Manatus senegalensis),
bie burch kurzeren Kopf unb ovale Naseulocher von ben
amerikanischen Vertoanbten sich unterscheibet.
II. Dugong. (Halicore.)
Gattungscharakter: Ztoei obere, kegelformige,
schief nach vorn gerichtete unb herausstehenbe Vorber-
zåhne, uutere fehlen; brei Backenzahne uberall mit aus-
gehohlter, glatter Krone, bie hinteren, ettoas groheren mit
glatter Seiteufurche (Gebih Fig. 1050.). Vorberfuhe
finnenfårmig, funfzehig, uagellos (Skelett Fig. 1048.).
1. Der indische Dugong. (Halicore indicus.) Fig. 1048 — 1051.
Die Verbiubung ztoischen ben zwei Abtheilungen ber
Cetaceen toirb augenscheinlich burch bie Gattung Dugong
hergestellt, bie burch åuhere Gestalt, besonbers aber burch
bie flossenformigen, ungetheilten unb nagelloseu Vorber-
glieber an Delphine erinnern. Die ztoei Arten bes Du-
goug betoohnen bas inbische unb bas rothe Meer unb
sollten baher seit alten Zeiten bekanut sein, gehoren aber
bennoch zu benjenigen Thieren, uber toelche ber rege
Forschungseifer ver Neueren zuerst Licht verbreitet Hat.
Man vermuthet mit vollem Rechte, bah bie Sirenen bes
Alterthumes unb bie Seejungfern ber spåteren Jahrhun-
berte burch Mihbeutung beS Dugong entstanben sein
niogen. Die ersten genaueren Nachrichten verbankt man
einem Deutschen, Barchetoitz, ber, von 1711 — 1722
in hollåubischen Diensten stehenb, vorzuglich bie kleinen
Jnseln ber Philippinen besuchte. Eine eigentlich toiffeu-
schaftliche Nntersuchung toarb 1819 mbglich, als bie
franzosischen Naturforscher Diarb unb Duvaucel in Sin-
capore einen Dugong erlangt Hatten, beffen 9lbbiIbung
unb Skelett sie nach Paris senbeten. Gleichzeitig in
Lonbon burch Raffles erhaltene Pråparate unb Zeich-
nungen gaben ben ausgezeichnetsten Anatomen Frank-
reichs unb Englanbs, Home unb Cuvier, Gelegenheit zu
grunblichen unb vergleichenben Untersuchungen, toelche
bie Naturforscher ber Weltumseglung D'llrville's einige
Jahre spåter in Jnbien nochmals anzustellen unb zu er-
toeitern Gelegenheit fanben. Die Gestalt bes Korpers
verhålt sich toie am Manati, ber Schtoanz ist Halbmønb-
formig unb nicht oval, toie bei jenem, ber Hals åuherlich
angebeutet, bie Schnauze mit einer uberhångenben Ober-
lippe versehen, vas Auge klein, sehr getoolbt, burch eine
Nickhaut geschutzt. Das Hororgan verråth sich burch
eine kaum bemerkbare Oeffnung; bie spaltformigen
Nasenlocher stehen am oberen Enbe ber Schnauze unb
tonnen, mittels eines vorragenben, als Klappe bienen-
ben Seitenranbes, toillkurlich geschlossen toerben. Die
kurze, schmale, vorn zugerunbete unb mit Hornigen War-
zeu bebeckte Zunge scheint bis zu zwei Dritttheilen ihrer
Långe angetoachsen zu sein. Eine beinahe zollbicke, Hin-
unbtoieber mit kurzen, rauhen unb sproben Borsten be-
setzte Haut uberzieht ben ganzen Karper; sie ist oben
schieferblau, unten toeih; entlang ben Seiten stehen un-
regelmåhige, bunkler gefårbte Flecken. Das Gebih ånbert
nach Maahgabe bes Alters; junge Dugangs haben aben
vier, unten sechs bis acht Varberzåhne; bie letzteren fal-
len vallstånbig aus unb toerben nie ersetzt; bie oberen,
bem Wechsel unterroorfenen finben sich am erwachsenen
Thiere nur in ber Ztoeizahl. Auch bie Backenzahne un-
terliegen åhnlichen Gesetzen; sie sinb bei jungereu Jnbi-
vibuen in groherer Zahl vorhanben, minbestens funf
uberall, unb burften, vor enblicher Erreichung ber gerin-
geren Narmalzahl, mehrmals getoechselt toerben. Bil-
bung unb Stellung bes Maules, Muskulatur unb Be-
toeglichkeit ber borstigen Lippen unb bie kurzen Vorber-
zåhne bes Oberkiefers setzen bie Dugongs in Stanb, bie
langen Ranken unterseeischer Gewåchse (Tange), bie
ihre toeseutliche Nahrung bilben, aus ber Tiefe Hervor-
zuziehen. So getoaltige, burch ehbares, toie man sagt,
bem Kalbe gleichenbes Flessch anlockenbe unb mit Speck-
lagen eingehullte Thiere muffen nothtoenbig vielen Ver-
folgungen ausgesetzt sein. In bem Meere ztoischen ben
Sonba-Jnselu benutzt man bie Zeit bes narblichen Mon-
suhn zu bieser eintråglichen Jagb. Das Meer ruhet bann
mehr als zu irgenb einer anberen Jahreszeit unb gestattet
bemannten Boten, sich ohne vieles Geråusch ben Orten
zu nåhern, too bie Dugongs ihre Ankunft an ber Ober-
flåche burch lautes, schnarchenbes Athmen verrathen.
Die Malaien besitzen im Harpuniren eine nicht gewohn-
liche Getoanbiheit; sie beeilen sich, bem glucklich getraffe-
nen, im Wasser ungemein starken, auf bem Trockenen fehr
unbehilflichen Thiere ein Seil um ben Hinterkorper zu
schleifen unb es an bas Lanb zu ziehen, too sie es ohne
viele Gefahr tabten, sabalb bem, toie an anberen Ceta-
ceen, mit auherarbentlicher Kraft begabten Schtoanze bie
Mbglichkeit freier Betoegung unb hiervurch bie Gefåhr-
lichkeit genommen ist. Die Mutter unb Jungen fuhlen
so grohe gegenseitige Anhånglichkeit, bah ber Fang
bes einen fast immer bie ubrigen in bie Hånbe bes Fi-
schers liefert. Auch bie paartoeis lebenben Jnbivibuen
verschiebenen Geschlechtes søllen gleiche Liebe zu Tage
legen; schon Barchetoitz toar Zeuge, toie ztoei bieser Thiere