Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Snugethierc.
Lifte Vrbnung.
Zahnen in Letben Kiefern oder mit langen und geraden
Stohzahnen des Zwischenkieferknochens versehen sind
(Delphin und Narwal), und in Potwale mit Zahnen
des Unterkiefers allein. Mit Ausnahme Weniger Arten
eigentlicher Delphine bewohnen die fleischfressenden Wale
ausschliehlich das Meer; ihre geographische Verbreitung
unierliegt nicht weniger strengen, wenn auch noch nicht
erkannten Gesetzen als die Verbreitung der Landsauge-
thiere. Eigentlich kosmopolitische Arien durfte es unter
ihnen nicht geben, ungeachtet der Leichtigkeit, mit welcher
eine regellos Herumstreifende Lebensweise im Meere
durchzufuhren sein wurde.
IV. Delphiu. (Delphinus.)
Gattungscharakter: Kegelformige Zahne in
beiden Kiefern rings herumstehend.
1, Das Meerschwein. (Delphinus Phocaena.) Fig. 1054—1057.
Da die Delphine eine sehr artenreiche Gruppe dilden,
so sind sie von den Systematikern in mehrere Gattungen
gespalten worden, welche auf die Prostllinie des Kopfes
(vgl. Fig. 1065. 1069. 1074^), die Zahl der Zahne und
Verbaltnihmahige Lange der Kiefer (vgl. Fig. 1058. 1066.
1068.), die Anwefenheit oder den Mangel einer Rucken-
flofse begrundet sind. Die mit kurzem, gewolbien Ober-
kiefer oder Schnabel, mit zahlreichen, unregelmahigen
Zahnen und einer Ruckenstosse versehenen bilden die
Gattung Meerschwein (Phocaena), unter welchen
die abgebildete Art die in allen enropaischen Meeren ge-
meinste ist und selbst der Ostsee nicht fehlt. Sie erreicht
im Verhaltnisse zu ihren Verwandten nur geringe Grohe,
wird selien isinger als 5 Fusi und zeichnet sich durch die
Stumpfheit des Kopfes aus. Die dreieckige Ruckenstosse
ist 3‘/a Zoll hoch, der Schwanz gegen 5 Zoll breit. In
jevem Kiefer stehen 40—46 kegelfsirmige, seiilich zusam-
mengedruckte, oben etwas verbreiterte, leicht ruckwarts
gebogene Zsihne. Die schwsirzliche Oberseite des Korpers
spiegelt in das Violette oder Grunliche, die Unterseite ist
weisi. Die Meerschweine leben in zahlreichen Gesellschaf-
ten an der Oberstsiche des Meeres, welche sie nur verlas-
sen, um, schnell untertauchend, einen Fisch zu erhaschen.
Niemand mag von Deutschland nach einem englischen
Hafen segeln, ohne nuf solche Heerden zu tressen, die
zwischen den rollenden Wecken herumzutaumeln fcheinen,
eine eigenthumliche Art der Bewegung, die sich aus der
Horizontalen Steckung des Schwanzes und den senkrech-
ten Ruderschlsigen deffelben erklsiren lsiht. Sie entfernen
sich nicht weit von den Kusten, Halten sich vorzuglich gern
in den weiten Flupmundungen auf und gehen in den
Flussen selbst bedeutend hoch aufwsirts. Man Hat sie
einige Male unfern Paris in der Seine, in der Ga-
ronne, der Schelde u. s. w. gefangen. Ihre Gestahigkeit
ist mindestens unter den Fischen spruchwsirtlich grosi; sie
verdauen so schneck und bedurfen einer so ansehnlichen
Menge von Nahrung, dah sie in gewissen, von feineren
und gesuchteren Fischen bewohnten Kustengegenden als
Verderber sehr gehasit werden. Die dunnen Netze zer-
reisien sie ohne Muhe, nachdem sie die gefangenen Fische
verzehrt, in den stsirkeren bleiben sie Hingegen Hsingen
und sterben, am Lnftathmen gehindert, durch Erstickung.
Sie gesecken sich als die furchtbarsten zu den vielen Fein-
den, welche die wandernden Schaaren der Hsiringe ver-
folgen, und gerathen dann nicht felten in die Hsinde der
gegen sie keine Schonung ubenden Fischer. Wahrend der
im Sommer eintretenden Paarungszeit verfacken sie in
einen Zustand so leidenschaftlicher Verblendung, dah sie
keine Gefahr erkennen oder furchten, in der Verfolgung
der Weibchen gegen segelnde Schiffe anrennen und, ohne
es zu bemerken, sich auf das trockene Ufer sturzen. Ihre
Tragezeit sock sechs Monate dauern und bei feder Geburt
nur ein Junges zur Welt kommen, welches im Augen-
blicke seines Erscheinens 20 Zoll in der Lange misit und
von der Mutter mit der an acken Eetaceen im hohen
Grade Hervoriretenden, furchtlosen Liebe gepflegt und
vertheidigt wird, ubrigens ein vockes Jahr braucht, um
zur Selbststandigkeit zu erwachsen Verfolgt oder selbst
verfolgend, vermogen die Meerschweine in gerader Rich-
tung und mit grosier Schnelligkeit zu schwimmen; burch
das Vorgefuhl kommender Sturme ergriffen, nahern sie
sich der Oberstache noch mehr als gewohnlich, schwimmen
dann gegen den eben Herrschenden Wind und springen
gelegentlich aus dem Meere hervor, eine schon den Alten
bekannte Empfindlichkeit gegen atmospharische Zustande,
die indeffen in ihrem Umfange und in ihren Darlegungen
sehr ubertrieben geschildert worden ist. Die Verbrei-
tungsgranzen der Art sind noch nicht genau festgesetzt;
sie umgiebt ganz Europa, geht durch das mittecksindi-
sche Meer bis an die Dardanecken, wird aber nicht uberall
zu denselben Jahreszeiten angetrossen und mag wohl
Wanderungen vornehmen, die, vom Sommer abhangig,
abwechselnd nach Suden oder nach Norden gerichtet sind.
An den nordeuropaischen Kusten ist ste im Fruhjahre
und Herbste am Gemcinsten, in Gronland im Sommer.
Das Meerschwein tragt auch den Namen des Braun-
fisches und kleinen Tummlers, in Danemark Heisit es
Bruskop, in Norwegen Niser, in Island Suinhual
(Schweine-Wal); sein Fleisch ist schwarzlich, thranig
und von einem anwidernden Fischgeruche durchdrungen,
wird aber in Island und Gronland gegessen. In Eng-
land galt es einst ebenfalls als Leckerbissen, der zumal
bei den grohen Festmahlern der Corporationen von Lon-
don nicht fehlen durfte, jetzt durch die Seeschildkroten
vollig verdrangt ist und den Beweis liefert, dah man im
Mittelalter leichter zu befriedigen gewesen oder einen
ungleich weniger verfeinerten Geschmack besessen Haben
musse als in unseren Zeiten.
2. Das graue M-erschwein. (Delphinus griseus.) Fig. 1003.
Die Kenntnih der Wale ist um so unvollkommener,
je weniger Zeitdie Beobachter in der Regel gehabt haben,
um die feltener vorkommenden Arten zu beobachten, und
je langere Perioden zwischen dem Erscheinen derselben
in der Nahe der Kusten verstricheu sind. Diese Bemer-
kung sindet vockkommene Anwendung auf den sogenann-
ten grauen Delphin, der vielleicht schon von alteren
Zoologen unvockkommen beschrieben sein mag, den man
aber auf keine der seit langen Zeiten bekannten Arten
mit Sicherheit zuruckfuhren kann. Der altere Cuvier
verfuhr ganz recht, als er diesem um 1822 zuerst erhal-
tenen Thiere einen neuen Namen beilegte, statt uber die
Aufklarung einer zweiselhaften Synonymie Zeit und
Muhe zu verlieren. In Paris Ward das erste Skelett des
grauen Meerschweines von Brest erhalten; d'Orbigny
zeichnete spater eines derselben Thiere, welches in Gesell-
fchaft mit drei anderen unfern Aiguillon in der Vendée
an die Kuste geworfen worden war. Eine zahlreiche Heerve
gerieth bort auf die sandigen Uniiefen, wahrend sie die
Zuge eines wandernden Fisches (Mugil cephalus) ver-
solgte. Die Fischer wurden um Mitternacht durch einen
furchtbaren Larm geweckt, der aus dem Meere aufzustei-
gen schien, und welchen sie spaterhin in ihren Erzahlun-
gen mit dem gleichzeitigen Gebrull vieler Hunderte von
Siieren verglichen. Die Muthigsten wagten sich bis an
den Strand, kehrten aber, durch die furchtbaren, wahrend
der eben herrschenden Meeresstille um so vernehmbareren
Stimmen geschreckt, nach Hause zuruck. Mit Tages-
granen sich von Neuem dem Ufer nahernd, fanden ste,
zu ihrem nicht geringen Erstaunen, ben Sand auf meh-
rere Hundert Schritte Entfernung aufgewuhlt und ge-
furcht und entdeckten endlich vier grohe, unter schreck-
lichem Geschrei sich walzende und mit dem Tode ringende
Meerschweine, ben Rest einer grohen Heerbe, bie gluck-
licher gewesen unb nach vielen nachtlichen Anstrengungen
wieberum in tieferes Wasfer entkommen war. Unter ben
Liegengebliebenen nnterschieb man leicht bie alteren;
sie maahen gegen 10 Fuh in ber Lauge, hatten im Ober-
kiefer keine Zahne, im Unterkiefer zehn bis zwolf, einen
kurzen Kopf, gewolbte Stirn, 3 Fuh lange Finnen, eine
14 Zoll hohe, in ber Mitte bes Ruckens stehenbe Flosse,
20 Zoll langen unb gleich breiten Schwanz; sie maahen an
ber Brust 3 Fuh im Umfange unb waren auf ber Ober-
seite nicht sowohl gran als blaulichschwarz, unten
schmutzigweih gefarbt. Von ben Sitten bieses auch an
anberen Kusten bisweilen gesehenen Thieres ist etwas
Genaueres nicht bekannt.
3. Das rundkopfige Meerschwein. (Delphinus globiceps.)
Fig. 1064 — 1067.
Zufolge ber von Traick unb von Seoresby angesteck-
ten Untersuchungen ist bas runbkopfige Meerschwein
haufiger unb verbreiteter in ben norblichen Meeren als
irgenb eine anbere Art unb nicht allein seit alten Zeiten
ben Bewohnern ber schottischen Jnseln, ber Faroer unb
Jslanbs sehr genau bekannt, sonbern auch Gegenstanb
einer eifrig betriebenen Jagb. Die Chroniken unb Ueber-
lieferungeu jener Jnseln gebenken ungemein ost ber an
bie Kusten geworfenen Heerben bieser Thiere, bie, burch
ihren reichlichen Thran ber armen Bevolkerung von
grohem Werthe, in ihren Wanberungeu unb Sitten um
so aufmerksamer beobachtet wurben, je groheren Vortheil
biese Kenntnih ben Fischern versprach. Sie folgen, wie
erzahlt wirb, mit blinbem Jnstinete einem Fuhrer unb
stub verloren, wenn es gelingt, jenen vom Meere abzu-
schueiben unb auf Uniiefen zu tretten. Solche Heerben
bestehen bisweilen aus 500 Jnbivibuen; sehr gewohnlich
sinb bie kleineren, 150 bis 200 Stuck zahlenben, bie, burch-
aus Harmlos, nur kleinen Fischen unb Weichthieren ge-
fahrlich toerben unb, in ber Verfolgung berselben begrif-
fen, in bie engsten, ihnen selbst ost verderblichen Canale
zwischen ben Jnseln einbringen. Wahrfcheinlich gebaren
sie ihre Jungen im Spatjahre, benn man hat biese sowohl
im Norben als an ben Kusten Frankreichs im Decem-
ber unb Januar als Sauglinge von ber allerbings be-
beutenben Lange von 5—7 Fuh angetrossen. Umstanb-
lich, aber in lebhafter Darstellung beschrieb Graba, ber
Naturhistoriker ber in vielen Beziehungen intereffanten
Faroer, ben Fang bieses, auf jenen Jnseln Grinbewal
geheihenen Delphins. Die Entbeckung einer gegen 80
Stuck zahlenben Heerve brachte bie Bewohner mehrerer
Jnseln in Aufruhr. Von acken Seiten liefen wohlbe-
niannte Bote aus, umzingelten bie Delphine unb trieben
sie enblich in eine enge Bucht, wo bas Morben begann.
Geangstigt burch Geschrei unv Wunben, wuthenb ge-
macht, aber wie verdlenbet burch Anblick unb Geruch bes
Blutes, welches balb bie Wasserstache farbte, versuchte
keines bieser Thiere bie Linie ber Bote zu burchbrechen
ober von seiner Kraft Gebrauch zu machen, sonbern acke
raunten auf ben Stranb, wo sie unter ben Lanzen unb
Messern bas Leben aushauchten. Fang unb Vertheilung
ber Bente unterliegt sehr alten, aber streng beobachteten
Gesetzen. So nutzlich bie Grinbewale ben Farvern auch
sein mogen, so ist ihr Werth im Gelbe bennoch unbebeu-
tenb. Jebes ausgewachsene Thier giebt etwa eine Tonne
Thran unb eine grohe Menge Fleisch, welches nur am
ersten Tage frisch gegessen toerben kann, eingesalzen bie
Wintervorrathe vermehrt unb minbestens jenen nicht
verwohnten Jnsulauern fur schmackhast gilt. Die
Lange bes Kvrpers betragt bis 20 Fuh, felten mehr, ber
llmfang hinter ber Ruckenfinne 10 Fuh, bie Breite ber
Schtoauzstosse 4 Fuh; bie Zahl ber Zahne toechfelt; ganz,
junge Thiere entbehren bie Zahne ganz, anbere haben in
jebem Kiefer nur zehn; an erwachfenen zahlte man in
jebem Kiefer 18 — 26, von kegelformiger Gestalt unb
mit leicht nach Hinten unb tunen ubergebogener Spitze.
Gewohnlich stub biese Zahne fehr abgenutzt unb ragen