Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Liste Vrbnung.
aus der Hånt schneiden die Kustenvolker Rieinen, die
zu Netzen fur andere verwenbet werden. Die Samoje-
den stecken die Schabel auf Pfahle und Weihen fte ihren
Gottern juni Opfer. Er schwimmt mit groser Schnel-
ligkeit und soll im Frtthjahre zwei Junge gebaren, eine
in dieser Familie jebenfalls seltene Zahl.
V. Inia. (Inia.)
Gattungscharakter: Kopf des gemeinen Del-
phins iit eitteit fchmalen, cylitibrischeti, stumpfen, steifbe-
Haarten Schnabel verlangert; Zahne zahlreich (Fig.
1074A), stumpf, kegelfortttig, die Spitze ausgenommen
tief gerunzelt (Fig. 1074 B). Korper unbehaart. Rttckett-
flosse sehr klein.
1. Boliviamsche Inia. (Inia boliviensis.) Fig. 1075.
Es steht dahin, od titan Recht gethan, den die Fliisfe
und Seen von Bolivia (Oberperu) bewohnenden Delphin
zuttt Reprasentanten einer neuen Gattung zu erheden;
im Ganzen ist auf die Zahnbildung wenig Gewicht in
einer Gruppe zu legen, mo das Gebis uberhaupt viel-
fachen Abanberungen unterworfen ist und nach Maah-
gabe derselben nvch ungleich tttehr Spaltungen vorge-
nontmen werden komiten, als die Neueren, ohtte eben die
Wiffettschast zu fordern, bereits vorgeschlageti haben.
Aus osteologischen, jedoch ttur die Bildting ves Schabels
betreffenden Grunden Wttrde vielleicht diese Trennung
alleitt zu rechtfertigen seitt. D'Orbignh, der verbiente
Forscher des ehedetn kautn gekannten, obgleich seit drei
Jahrhttttderten von den Spaniern eroberten Oberperu,
war nicht wenig verwundert, im tiefen Jnneren des sttb-
amerikanischeti Eotttinettts, funfhundert Meilen vom
atlantischen Ocean, von einettt grohett Fische zu Horen,
melchen er alts der Beschreibung alsbald als einen Del-
phin erkannte; mas Deutsche vor ihtti gethan, das Spir
und Martins bie Anmefenheit von Delphinen im Ama-
zonenstrome und ztvar bis zum Fuse der peruanischen
Andes nachgewieseti, war ihtti unbekannt. Er fand spater
die Jnias, wie sie in Bolivia heisen, uber die ganze
Provinz Moros verbreitet, vermochte sich aber nicht
einen zu verschaffen, weil die Jndier mit dem Gebrauche
des Harpuns durchaus nicht vertrauet stnd. In dem
brasilianischen Granzposten Principe do Beira beschaf-
tigten sich die Soldaten mit diesent Fange tind zogett
nach Ankunst des Reisenden sogleich auf denselben, ver-
mochten aber erfi am vierten Tage eins der noch uttbe-
kannten Thiere zu harpuniren, melches sie lebend Herbei-
brachten. Es starb nach sechs Stunden und bot sonach
vortreffliche Gelegenheit zum Zeichnen und Untersuchen.
Der Korper glich, abgesehen von etmas groherer Dicke,
vollkommen demjenigen der eigentlich sogenaiinten Del-
phine; die stumpfen Brustsinnen erreichten ansehuliche
Grose, die Ruckenflosse trat menig uber die Ruckenlinie
hervor, der Schwanz ivar tief eingeschnitten. In jeder
Kinnlade zahlte man 66 oder 68 Zahne, von der oben
beschriebenen eigenthumlichen Gestalt; die vorderen des
Oberkiefers erschienen ntehr gekrummt und genauer kegel-
formig als die tibrigen, die hintersten murden nach und
nach stumpfer und fast marzenformig. Das Fell Mar im
Ganzen glatt, anser auf dem Schnabel, der mindestens
bei dem Jungen mit kurzen, dicken und krausen Haaren
sparsam besetzt mar. Die Farbung mag ntancheln Wech-
fel unterworfen fein; die Mehrzahl der Jnias ist oben
blasblaulich und rothlichweis, an den Flosseit blaugrau;
an einigen erscheint die Farbe noch heller, an anderen
Hingegen fast schwarzlich, bisweilen sogar gestreift oder
gefleckt. Von den im Meere lebenden Delphinen tittter-
scheiden sich die Jnias durch langsame und weniger leb-
Hafte Bewegungen; sie schwimmen ruhig, kommen sehr
oft an die Obersiache, um zu athmen, vereinigen sich zu
Drei oder vier Stuck zahlenden Gesellschasteit und Heden
den Kopf uber das Wasser, um die ergriffenen Fische zu
verschlingen. Sie bewohnen alle grotzeren Flttsse von
Bolivia, den Mautors, Guapors und die mit diesen ver-
bundenen Landseen und scheinen auch in eittent Theile
des Madeirastromes vorzukommen, also zwischen dem
10° und 17° s. Br. eingeschlossen zu sein. D'Orbignh
fuhrt die zahlreichen Namen an, welche sie von den ein-
geborenen Volkerschaften erhalten; bei den Spaniern
heisen sie, wie der Delphin des Amazonenstromes, Bu-
feo, bei den Brafiliern Bote, bei den Guarahos Inia.
VI. Nartval. (Monodon.)
Gattungscharakter: Gestalt der Delphine.
Ruckenflosse fehlt. Kiesern zahnlos, auher zwei geraden,
weit vorragenden Stohzahnen des Oberkiefers, von wel-
chen in der Regel einer unentwickelt bleibt (Schabel
und Zahn Fig. 1076.).
1. Der gemeine Narwal. (Monodon Monoceros.) Fig. 1077. 1078.
Im Mittelalter kannte man bereits lange, schnurfor-
mig gedrehte, sehr Harte Zahne, legte ihnen als Arznei-
mitteln hohen Werth bei, blieb aber uber das Thier, von
dem sie herkamen, so sehr im Dunkel, das man es sogar
fur einen Bewohner Afrika's Hielt. Die entfernte anhere
Aehnlichkeit des Zahnes mit gewissen Antilopenhornern,
die vielleicht durch unvollkommene Beschreibung bekannt
sein mochten, erklart nin Ersten dieses Mihverstanbttih.
Im 13. Jahrhunderte Wusten Einige, vas das sogenannte
Einhorn im Meere lebe, und Hielten es naturlich fur
einen Fisch. Schriftsteller des 16. Jahrhunderts tiber-
gingen in ihren Verzeichniffett das bereits wieder als
fabelhaft angesehene Ungeheuer, und erst um 1650 er-
schienen einigermaasen kenntliche Abbildungen. Nach
tind nach ntehrie sich die Kunde ; die nteisten der Reisenden,
welche die arktischen Meere besucht hatten, und matiche
Natursorscher des Nordens erwahnten und beschrieben
den Narwal. Die besten und dem Heutigen Stande der
Missenschaft angemessenen Nachrichten gaben Fleming,
welcher einen an den Shetlandinseln gestrandeten Narwal
untersuchen konnte, und Scoresby, der im gronlandischen
Meere zwei Narwale fiitg und bei anderen Walflschfatt-
gern Nachfragen anstellte, die viel zur Aufklarung alter
Jrrthiimer beitrugen. Das erstaunliche Maah von 60
und ntehr Fus, welches dem sogenannten Einhorne eittst
zugeschrieben ward, ist auf eine geringere Zahl zuruckge-
fuhrt worden; der langste Narwal mist 18 — 20 Fus.
In Gestalt gleicht er dem Beluga und dem ruttbkopfigeit
Meerschweine und ist daher zum raschen und anhaltenden
Schwimmen sehr befahigt; die Brustgegend hat den
grohten Untfang von ohngefahr 3 Fus; weiter nach Hin-
ten nimmt der Korper so ab, das der Durchmeffer in
der Nahe der Schwanzfinne nur 9 Zoll betragt. Der
Kopf ist klein und stutttpf, das Maul tvenig ausdehnbar,
die Unterlippe keilformig. Die Augen stehett mit dem
Mundwinkel aus gleicher Linie und 13 — 14 Zoll von
betuselben entfernt; die Nasencanale vereinigen sich zu
einettt einzigen, auf der Hohe des Kovfes, senkrecht uber
ven Augen, gelegenen , Halbkreisformigen Spritzloche.
Die 14 — 16 Zoll langen, 6 — 8 Zoll breiten Vorder-
fittnen stehett im Schmittimen horizontal und ubett auf
die Vorwartsbewegung durchaus keinett Einflus. Eine
eigentliche Ruckenflosse fehlt, tvird aber angedentet durch
einen scharfen, den Rttcken entlang verlaufenden Hatit-
sattm, der, wahrscheinlich in Folge der Reibung gegen
Eisschollen, meistens abgenutzt oder zerrissen gefunden
wird. Junge Narwale sind auf bent Rttcken schtvarzlich-
grau tind mit zahlreichen, dunkleren, unregelmasig durch
einander laufenden Flecken gezeichnet, die an den weisett
Seiten sich deutlicher wiederholen; der Bauch ist weis
und ungesieckt. Jtt erwachsenen Thieren weicht die dunkle
Farbung des Ruckens einer sehr hellen, gelblichweisen,
wahrend die granen oder rusfchwarzen Flecken bisweilen
eine "“‘ft ringformige Gestalt annehmen. Das Hautge-
webe foll sich Wie bei dem gemeinen Walfische verhalten,
ist jedoch von viel geringerer Dicke. Die ganzen Kiefern
sind za^ulos, alleitt int Zwifchenkieferknochett stehett die
zwei nl'^erechten Stohzahne, von welchen nur detjetiige
der lins Seite feine volle Lange erreicht, der rechte aber
nnentwlfklt in feiner Hohle znruckbleibt. Soweit znver-
lassige Nachrichten ans fruherett Zeiten eitt Urtheil gestal-
ten, scheinen alle Beobachter diese merkwnrdige Ungleich-
Heit des Wachslhttntes symmetrischer Theile gekannt zu
haben. In manchen Abbildungen des Schadels und selbst
in der sonst sehr genatten, unter Honte's Augett attgefer-
tigten (Fig. 1076.) ist gerade dieser Charakter nicht wieber-
gegeben, die rechte Seite mit der linken verwechselt wor-
den. Weiblichen Narwalen solleti diefe Stohzahne ganz
fehlett, indeni beide in ihren Hohlen unvollendet ztiruck-
bleiben; gleichmasig entwickelt, also paarig uber den
Kops weit vorragend, Werden sie auserordentlich felten,
wenn uberhaupt jentals gefunden. Scoresby brachte von
einer feiner Reisen den Schadel eittes Weibchens mit,
welchen Home beschrieb, und der allerdings zwei, aber
tiur 2% Zoll lang vorragende Stoszahne gewahren lieh.
Auch an den Jungen sind sie sehr kleitt. Am Mannchett
erlangt der linke Stoszahn eine Lange von 5 —8 Fus,
felten wohl von 10 Fus, detttt folche Eremplare findett
sich felbst in Wenigen jetter Sammlnngen, die, in fruherett
Zeiten angelegt, zutnal Dinge begreifen, die man als
wunderbare Raritaten betrachtete und bemgemah atts-
fchweifend theuer bezahlte. Man nimmt uuå guten Grun-
den an, das auch der rechte Stoszahn int fpateren Leben
ttachwachfett kottne, wentt zufallig der linke abgebrochen
war. Der ausgewachfette besteht aus einer elfenbeinarti-
gen, aber Harteit Masse, ist an dettt unteren Ende hohl
wie eitt Elephantenzahn, vollig gerade, regeltttasig zu-
gefpitzt, ant Ende durch Gebrauch abgenutzt, von Weis-
ltcher Farbe und in feiner ganzen Listige, vvrzugstveis
aber ant unteren Ende mit tiefen, schraubenformig von
der Rechten zur Linken gehenden Linien gefurcht. Crantz,
eitt Beschreiber Gronlands, halt ohne genugenden Grund
diesen Zahtt fur ein zuttt Entwurzelit oder Abreitzen von
Seepstanzen bestintttttes Werkzeug. Es last sich einwen-
dett, das eintual die Ernahrungsart beider Geschlechter
sehr verschieden sein muhte, da nur das mannliche mit
Stohzahnen versehen ist, und auserdent geht schon aus
der Geradlinigkeit und der ganzen Stellung jener Zahne
hervor, das sie zuttt attgegebenen Ztvecke durchaus nicht
anwendbar sind. Bekannt ist es fertier, das der Narwal
nicht von Seetangen, sondern von Seethieren, sowohl
Mollusken als Fischen, lebt. Scoresby fand die Reste
von Tintensischen (Sepien) in bent geoffneten Magen,
unb ahiilichen Jnhalt entbeckte man int Magen eines bei
Boston in Lincolnshire int Jahre 1800 an bie Kuste ge-
worfenen Narwals. Wahrscheinlich ist jener Zahn eine
Wasse, bie, so gutmuthig ober harmlos bie Narwals allen
Beschreibungen nach auch sein tnogett, gegen ubermach-
tige Feitibe, anbere Cetaceen ober vielleicht gegen grose
Haie Anwenbung fiitbet. Von ihrer Furchtbarkeit zeugen
mehrsache Erfahrutigen ber Walfischfanger. Das an sich
zum Schwimmen vorzuglich gut organisirte Thier kann,
von Leibenschaft aufgeregt, bas Wasser mit einer jebes
Wiberstanbes spottenben Gewalt burchschneiben unb seitten
Zahn in jebett nicht eisenharten Korper versenken. Die
Rippett bes festestett Botes wttrbe es ohne alle Schwie-
rigkeit burchbohren, benn auf ben Bauhosen englischer
Hafen hat man bei Reparatur von Gronlaitbsfahrern
mehrmals brei Zoll bicke Eichenbohlen in ben Schiffseiten
entbeckt, als Seltenheiten ausgefagt unb bewahrt, bie
von Zahnen bes Narwals burchbohrt warett. Glucklicher-
weise waren biese burch bie Gewalt bes Stohes abge-
brochen unb Hatten bie Oeffnung, eittent Pflocke vergleich-
bar, verstopft. Man kennt bie Ursachen nicht, welche
bieses furchtbare Zusammentreffen bes segelnben Schiffes