Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Walthierc.
Saugethiere.
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uberflusstg erscheint. Die Gestalt ist wo moglich nod)
plumper und unverhaltnihmahiger und mag fogar un-
formlich genannt toerben, toenn man andere im Waffer
lebenden Saugethiere und selbst die Delphine der Ver-
gleichung zu Grunde legt. Der ungeheure Kops Hat
ztoar eine gebogene Mundspalte von drohender Weite,
aber die fauin drei Zoll breiten, sonach auherorbentlich
kleinen Aitgen stehen so ties und so nahe an den Mund-
ivinkeln, die Justere Oessnung des Gehbrganges zeigt so
geringen Uinfang, das jedem Beschauer sich sogleich der
Gedanke an Stiimpssinnigkeit jetter Thiere ausdrangen
toirb. Das Knochengerust verhalt stch im Allgemeinen
ztoar toie bei ben Cetaceen nberhaupt, indessen vermipt
man zumal am Schabel eine genaue unb sehr seste Ver-
binbung ber einzelnen Knochen, bie getoissermaahen lo se
auf einander liegen unb zum Theil allein burd) betoeg-
liche Knorpelschichten verbnnben sinb. llnter ber glatten
unb glanzenben, bis 8 Zoll biden, mit vielen grosten
'- Poren versehenen Haut liegt eine Speckschicht von 10
bis 20 Zoll Dicke, bie an einzelnen Stelsen ein dunn-
flussiges, nach Berletzungen auch ohne Drnck ansstro-
mendes Fett oder vielmehr thierisches Oel enthalt; die
Lippen scheinen fast nur aus Zellgetoebe und Fett zu be-
stehen. Die Betoegiingsorgane verhalten sich toie bei
anderen Cetaceen; eine Riickenfinne ist bald vorhanden,
bald fehlt sie. Aeltere Schriftsteller sprechen von 200
Fust langen Walstschen; da man in unseren Zeiten die
auherste Lange stets zu 65— 70 Fust sand und eine Ver-
kummerung und ein Kleinerwerben der Walfische im
Lanse einiger Jahrhunderte nicht eingetreten sein fann,
fo wird man fene Angaben unier die Uebertreibungen zu
rechnen haben, deren sich die tonnderliebenden Naturbe-
fchreiber vergangener Zeiten nur zu ost fchulbig machten.
Man trennt die Bartentoale in folche, deren Bauchhaut
von der Unterlippe bis zum Nabel in Handtiefe Langs-
salten zusammengelegt ist, und in Glatttoale, an toelchen
bie Bebeckungen sich getoohnlich verhalten.
VIII. Walfisch. (Balaena.)
Gattnngscharakter: Anstatt ber Zahne Barten.
Bauch nicht gefaltet. Keine Riickenfinne.
1. Der gemeine Walfisch. (Balaena Mysticetus.) Fig. 1092. — 1097.
Alle grosteren Cetaceen erregen burch ihre Riesenhas-
tigkeit bie Vertounberuiig bes im Vergleich ztoerghasten
unb bennoch bie organische Welt beherrschenben Men-
schen, allein keine Art Hat bie allgemeine Ausmerksamkeit
so sehr auf sich gezogen, als ber gemeine ober gronlan-
dische Walfisch, keine hat inbessen auch ber Beobachtung
sich eben fo haufig bargeboten. In Entsernung gefehen,
gleicht biefes ungeheure Thier einer schtoarzlichen, un-
formlichen Masse unb erregt im Natursorfcher leicht ben
Gebanken, bah er eines ber toenigen Colosse fei, bie, aus
einer fruheren, nach toeit groherem Maaststabe angelegten
Schopfiliig stammenb, alle Revolutionen ber Erbe uber-
lebt haben. Nur die nahe Betrachtung des todten Kor-
pers gestattet das organische Wesen zu erkennen, dessen
Gestalt mit einem unregelmahigen Cylinder verglichen
toerden fann, an toelchem der Durchmesser dem dritten
Theile der Lange gleichfommt. Diese betragt niemals
uber 70 oder Hochstens 80 Fust. Scoresby, der in vielen
Reisen den Fang von mehr als 300 gronlanbischen Wal-
fischen ansah, sagt ausdrucklich, dast ihm nie ein uber
60 Fust langer vvrgekommen fei ; er glaubt nicht, dast
die Haufigeren Versolgungen unferer Zeit die Wale an
Erreichung ihrer normalen Groste verhindern, und beruft
sich ausdrucklich aus das gleiche Urtheil der Walfisch-
fanger vergangener Jahrhunderte. Der Kops macht ein
Dritttheil des ganzen Korpers aus und hat toegen der
Wolbung seiner Oberseite getoisse Aehnlichkeit mit einem
Theile eines grosten Spharoibs, aus dessen Mitte, jedoch
ettoas nach hinten geruckt, eine Erhohung die auch anher-
lich getrennten Spritzlocher umgiebt. Die Augen stehen
etwa 1 Fust vom Mundtoinkel entsernt, ubertreffen an
Groste faum diefenigen des Ochsen und sind mit ztoei
Augenlidern versehen, toelchen aber durch dicke Fettschich-
ten ziemlich fede Betoeglichkeit entzogen toird, und die
daher, und toeil ihnen die Wimpern sehlen, als schutzende
Organe nicht toirfen kvnneil. Der Angapsel besteht aus
den getoohnlichen Schichten oder Hauten, toie an jedem
anderen Saugethiere, unterscheidet sich jedoch von dem-
jenigen ber Landthiere durch starke Abplattung der vvr-
deren Halste und besitzt ubrigens die getoohnliche Be-
toeglichkeit. Die Mundung des Gehorganges gestattet
kann, das Eindringen eines kleinen Fingers und ist von
Scoresby, der sie ganz ableugnet, ubersehen toorden.
Die Zunge erscheint als eine ganz unsormliche, fleischig-
schwammige, theiltoeis aus Speck bestehende Masse von
20 Fust Lange, 9—10 Fust Breite. Die Sinne des Wal-
fisches niogen auf einer sehr niedrigen Stuse der Aus-
bildung stehen, mindestens fur feinere Einbrucke, nament-
lich bei Erhebung des Kopfes aus dem Wasser keine
Empfanglichkeit haben. Theils toird diefe allgemeine
Vorausfetzung durch die Erfahrungen der Seeleute ge;
rechtfertigt, theils entspricht sie auch getoiffen, an den
verfchiedensten Thieren angestellten Beobachtungen, aus
toelchen uberzeugend hervorgeht, dah Geschopse in dem
Verhaltnisse toeniger enttoickelte Sinnesorgane besitzen,
als fle durch Lebenskraft und ungetoohnliche Starke sich
auszeichnen. Sie tonnen die ersteren um fo leichter
entbehren, als die letzteren ihuen die Mittel barbieten,
allen getoohnlichen, bie Eristenz bebrohenben Gefahren
mit Ersolge zu trotzen. So gar stiefmutterlich, toie
Manche meinten, hat inbeffen bie Natur ben Walfisch
nicht behanbelt; so gut toie taub austerhalb bes Wassers,
hort er bennoch, Itoie oben (S. 291) erwahnt, unter
bemselben mit vieler Scharse, unb bas burch kein Lib ge-
schutzte, burch bie Spiegelung von Eismassen, toie man
glauben sollte, schmerzhaft beruhrte Auge erhalt burch
seine Converitat eine getoisse Unempfinblichkeit. Mogen
bie Sinnesorgane unvollkommen erscheinen, so sinb fle
boch bem Aufenthalte bes Walfisches im Meere jebensalls
genau angepastt. Die Vorberglieber kommen in ihrem
Baue mit benjenigen anberer Walthiere ganz uberein
unb bienen nur zur Erhaltung beS Gleichgetoichts. Alle
Fortbetoegungen unb selbst bie seillichen Wenbungen
gehen vom Schwanze aus, ber nicht allein mit sehr fraf=
tigen, sonbern auch so reizbaren Muskeln versehen ist,
bah bie bei Zerlegung bes Karpers abgetrenuten Stucken
gerauine Zeit in ihren Ziisammenziehungen sortsahren
unb fogar sich emporfchnellen. Ungeachtet ber ungeheu-
ren Korpermasse fchtoimmen Walfifche fchnell unb ohne
bemerkbare Anstrengung. Sie finben in ihrer, bem Waf-
fer ziemlich gleichen fpecififchen Schtoere gehbrige Un-
terstutzung unb vermogen nothigenfalls 9 engl. Meilen
in einer Stunbe zuruckzulegen. Um unterzutauchen, krum-
men sie ben Rucken, brucken bas Waffer mittels ihres
breiten Schtoanzes von unten nach oben, erlangen bem-
nach eine fenkrechte Stellung unb gehen, ben Kopf nach
uilten gerichtet, in bie Tiefe. Scoresby toar Zeuge, toie
ein vom Harpun getroffener Walfisch 400 Klastern tief
versank, unb ztoar mit einer Schnelligkeit von 9—12
engl. Meilen in ber Stunbe. Erschreckt sollen biese
Thiere so getoaltsam sich Hinabsturzen, dah sie ben
Schabel an unterseeischen Felsen einrennen ober minbe-
stens bie Kiesern zerbrechen. Es verlieren biese Ereignisse
bas Wunberbare, too nicht Unglaubliche, toenn mav be-
benkt, bah ein ausgetoachsener Walfisch gegen 300,000
Psunb toiegen kann, unb bah biese, an Getoicht 300 Ele-
phanten, Rhinoceros ober Flustpserben gleichkommeube
Korpermaffe mit ber untoiberstehlichsten Getoalt vortoarts
getrieben toirb. Besahen bie Walfische eine ihrer Krast
unb Grohe angemessene Ueberlegung, so tourbe nicht nur
kein Boot, sonbern auch keines ber grostlen Schiffe ihrem
Stohe einen Angenblick toiberstehen fonnen unb sie bie
toahren unb einzigen Beherrscher bes Oceans sein.
Der bis an bie Wurzel ber Vorberglieber unb bis
unter bie Spritzlocher reichenben ungeheuren Mauloff-
nung unb ber Weite bes Rachens entspricht keinestoegs
bie Weite bes Schlunbes, ber einem grosteren Fische ben
Durchgang nicht gestatten tourbe. Die Speiserohre mistt
bagegen uber 10 Fust in ber Lange. Die Nahrung be-
steht in Weichthieren, Krustenthieren unb Ringeltourmern
berjenigen Arten, bie ihr Leben mehrentheils im offenen
Meere schtoimmenb verbringen. Von ben Weichthieren
gehoren hierher besonbers bie Floffenfuher (Pteropoben),
unter toelchen vor allen bie norbliche Clio (Clio borea-
lis) in unsaglichen Mengen bas Eismeer uberbeckt.
Wire es uberhaupt nothig, ben Betoeis zu suhren, bast
bas thierische Leben im Oceane eine weit grohere Ver-
breitung gesunben hat, als auf bem Festlanbe, so tourbe
es genugen, aus bas Beispiel bes Walfisches Hinzutoeisen,
toelcher ungeachtet seiner riesigen Grohe von ausnehmenb
kleinen Geschopsen ohne Muhe sich ernahrt. Der Ban
ber Verbauungsorgane, Hauptsachlich bes in funs Ab-
theilungen zersallenben Magens, verhalt sich toie bei ben
ubrigen Cetaceen. Die Spritzlocher sinb bis zur Mun-
bung burch eine Scheibetoanb getrennt unb fliehen nicht,
toie in manchen anberen Walthieren, in eine einzige Oeff-
nung zusammen. Im ruhigen Zustanbe nahert sich ber
Walfisch alle 2 — 3 Minuten ber Oberstache, um zu
athmen, blast eine bis 40 Fuh hvhe Saule von Wasser
unb Damps von sich unb versinkt, um bald toieberzu-
kehren unb hierburch schvn.auf bie bedeutenbe Entser-
nung von 6000 Fuh ben Weg zu verrathen, ben er eben
nimnit. Vertounbet ober verfolgt, vertoeilt er moglichst
lange unter bem Wasser, selten jeboch langer als 30 ober
40 Minuten; kviumt er enblich toieber an bie Oberstache,
so verrath er bie auherste Erschopsung, fei es in Folge
bes Druckes bes Waffers, ben er mit toahrhaft unbe-
greiflicher Kraft ausgehalten unb toelchen Scoresby bei
einer Tiefe von 800 Klastern zu 211,000 Tonnen (zu
2000 Pfunb) berechnet, ober ber geraumen Unterbrechung
bes Athmens. Man hat, toie aus ben verfchiebensten
Berichten hervorzugehen fcheint, nie vom Walfisch Tone
gehort; Scoresby halt es sogar sur unmoglich, bah er
bergleichen ausstohen fonne. Aus anatomischen Grunben
fann man bieser Behauptung barum nicht beipflichten,
toeil ber Kehlkops sich verhalt toie bei Rorgual unb
anberen Cetaceen, bie, nach sicheren Aussagen, aus bie
Kusten getoorsen, durch ihr Gebrull alle Nahenden er-
schreckten. An Blut ist er reicher als Landsaugethiere.
Seine Gefahe entsprechen biefent Ueberflusse, benn bie
grohte ber Schlagabern, bie Aorta , Hat 13 par. Zoll
Durchmesser, nimnit also mit Leichtigkeit einen Mannes-
arm auf. Es laht sich benken, bah bei solcher Blutmaffe
bie Muskelreizbarkeit sehr grost sein unb folglich bie
Darlegungen einer an bas Unbegreifliche granzenben
Kraft herbeifuhren muffe. Sie finbet ihre Unterstutzung
ztoar nicht in bem leichter gebaueten unb in feinen Ver-
binbungen unsesten Schabel, ber ubrigens einen grohen
Wiberstanb zu bestegen ober Beihkrast auszuuben nicht
bestimmt ist, toohl aber in bem einsachen, aber starken
Knochengeruste bes Stammes (Fig. 1087.) , an toelchem
man bie getoohnlichen 7 Halstoirbel, 63 Rucken - und
Schtoanztoirbel, von toelchen der letzte 18—19 Zoll im
Durchmesser hat, zahlt. Die in 15 Paaren angebrachten
Rippen sind nicht selten 21 Fuh lang und Haben 18 — 19
Zoll im Umsange; die Betoohner nordeuropaischer See-
kusten bemitzen sie zu manchen Ztoecken, stellen sie aus
Weiden, um bem Vieh Gelegenheit zu geben, sich zu
reiben, und fennen sie besser als die Betoohner des Bin-
nenlandes, an beren Kirchen und offentlichen Gebaudeil
sie nicht selten seit dem Mittelalter ausgehangen zu
schauen sind unb ben Untoissenben als Reste von Drachen
unb ahnlichen Ungeheuern gezeigt toerben. Alle Knochen
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