Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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S'nuge1Hierc.
Erstc Vrbnuiig.
IV. Lori. (Stenops.)
Gattungscharakter: SchneibezShne ofen 4, tinten
6; die oberen paarweis gestesst, bie unteren schief nach
Dorn stehenb; Eckzahne lang, kegelformig; Backenzahne
mit scharfspitzigen Hockern versehen. Angen grof;, nach
torn gerichtet, einander genahert. Glieber sehr lang unb
bunit. Schwanz fehlenb ober sehr kiirz.
Die Lori's sinb vonjeher bernhmt geweseii tvegen ihrer
langsamen unb bebachtigen Bewegungen, ihres unge-
wohnlich festen Haltens ergriffener Gegenstnnbe nnb ber
Fahigkeit, starke Muskelanstrengungen geranme Zeit zu
ertragen. Man glanbt biese Erscheinnng V* eineni be-
sonberen Ban ber Pulsabern ber Arme unb Schenkel Her-
leiten zn muffen, bie Sir A. Carlile znerst anfsanb nnb
bei anberen sehr tragen Thieren gleichfalls nachwies
Jene grohen Arterien vernsteln sich namlich fo, bah ein
grohes Gesafnetz entsteht, in Welriiem weit niehr Blnt
enthalten ift als in ben einfachen Gefafstninmen anberer,
mit rerhaltnihmahig efen fo grohen Gliebern versehener
Thiere.
1. Der bengalische Lori. (Stenops tardigradns.) Fig. 93.
Der grofe ober bengalische Lori ift groher unb plum-
per als bie anberen beiben Arten, hat einen zarten, bichten
Pelz von braunlich-graner Farbe, einen buntetn Rucken-
streif, ber, bis 511111 Scheitel vorlaufenb, sich theilt, bie
Angen nmgiebt unb am Munbwinkel sich verliert. Die
Lange beS schwanzlofen Korpers betragt 12—13 Zoll.
Das Vaterlanb ift Subinbien nnb Siam.
3111 Gegenfatze zn ben eivig nnruhigen unb behenben
Affen lieben bie Lori's bie Rnhe, verbringen, wenn sie
ber Hunger nicht inahnt, lange Zeit in Hinbrutenber
Stelliing, fchlafen viel unb bewegen sich zwar fehr vor-
sichtig nnb gefchickt, aber mehr fchleichenb nnb langfam
unb fo gleichsormig, bah mehrere Beobachter gezweiselt
haben, ob sie uberhanpt jenials Sprnuge ansfuhren.
Jhre zninal ans Jnfeeten 1111b vielleicht ans kleiiten Vo-
geln bestehenben Bente fangen sie burcti Befchleichen unb
plotzliches Zngreisen mit beiben Hanben. 5(111 Tage
schlasen sie ziifammengehockt, jeboeh nicht sehr fest, benn
bie Annaherung eines Jnseetes erweckt sie sogleich. Des
Nachts alfeitt entwickeln sie grofere Lebhaftigkeit, klettérn
langfam unb gefchickt umher nnb entbecken, biireh grofe
Scharfe bes Hor- unb Gesichtssinnes unterstutzt, ibre Nnh-
rung schon in ansehnlicher Ferne. Jhre Wohnung neh-
men sie in Hvhlen Baiimen nnb scheinen uberhanpt bie
Walber nie zu verlassen nnb nut felten anf ben Boben
Hinabznsteigen. 5(nfer Jnfeeten, anf welche sie sehr lu-
stern sinb, geniefen sie anch Frucbte nnb fuhren ihre
Nahrung nach Affenart mit ben Hanben zniii Munbe.
Sie tlettern recht geschickt, nngeachtet bes Mangels an
eineni ben Affen unentbehrlichen Schwanze, vermogen
aber freilieb nicht knhne Sprunge ausznfnhren. Schwer-
miilhig, still nnb ivetiig reizbar, empfehlen sie sich nicht
zu Gesellschaftern beS Menschen, zeigen aber gegen bekannte
Personen, von welchen sie geliebkost iverben, viele An-
hanglichteit nnb Dankbarkeit. Gegen bie Knlte nnge-
inein empfinblich, ubertreffen sie anbere Thiere bes Heifen
JubieiiS bnrch bie Dichtigkeit ihres wnrmenben PelzeS,
ber aber bennoch nicht hinreicht, unt Wnhrenb ber knhlen
Jahreszeit jebes Gefuhl ber Unbehaglichkeit abznwenben.
Ganz iinfahig, ben Witteriingswechsel norbischer Klimate
zu ertragen, sinb bie ivenigen lebenb nach Europa Ge-
brachten meist sogleich nach ihrer Ankunst gestorben.
Jhre Stimme gleicht eineni leisen Pfeifen, ivirb aber im
Zorne 511111 scharfen Schrei.
2. Ser schl.nike Leri. (Stenops gracilis.) Sig. 94. 95.
Eine spitzige unb stark vorstehenbe Nase, schmachtige
Gestalt, sehr lange nnb magere Glieber unb ganz unge-
Wohnlich verlangerte Fersen geben bieseni Thiere etivas
sehr Eigenthumliches. Seine Farbe ist rothlich-gran,
an ber Bauchseite iveihlieh, in ber Angengegenb bunkel,
zwischen ben Angen weif. Der mit sehr weichem, kurzen
Pelz bebeckte Korper mift 9 Zoll. Das Vaterlanb ist
Ceilon nnb uberhanpt ber asiatische Archipel.
Was von ber Lebensweise bes bengalischen Lori im Wil-
ben Zustanbe gesagt worben, gilt eben anch von bieser
zweiten Art. Ueberaus lichtschen unb fro stig, sinb bie
schlanken Lori's iiur sahig, in ihrein Heifen Vaterlanbe zu
eristiren nnb bie Bente bes Nachts schlangenartig nnb ge-
ranschlos zu beschleichen. Man Hat sie sehr selten in
Europa lebenb gesehen. In ber Gefangenschaft fressen
sie nach Vosmner (1770) vorzuglich gern Eier, tobten nnb
verschlingeii mit vielem Heifhunger kleine Vogel, trinfen
aber nicht. Ein Lori, welchen ber Englanber Bairb
(1828) auf Pitlo Penang erhielt, rupste bargebotene junge
Vogel, fraf sie nebst alten Knochen anf, liebte Eier unb
rohes Fleisch, genof aber anch Bananen, Orangen, Zucker,
arabisches Gummi nnb eingewassertes Brot unb trank
Hanfig, nach Katzenart bas Waffer aufkeckenb. Beim
Einschlafen schloh er bie Angenliber nicht horizontal wie
anbere Thiere, sonbern senkrecht burch seitlich geschehenbe
Verengerung. Eine vermitthete besonbere Beschaffenheit
bieser Organe konnte jeboeh ber Anatom Knor nicht ent-
becken, sonbern nur eine ungewohnliche Entwickelung bes
kreisformigen Augentibermuskels. Anf fehlerhafter Be-
obachtnng bernht jebenfakls bie Angabe Vairb's von einer
zlveiten, weihgefarl'ten, spitzigen Ziinge, bie, iinter ber
eigentlichen, abgerunbeten Ziinge liegenb, mit bieser sich
zugkeich bewegt, aber nut bei bent Fressen ober Trucken
benterkbar ivirb.
V. Gespeustthier, Tatsier. (Tarsius.)
Gattungscharakter: Kops rund; Schnauze sehr
fiirz; Augen anferorbentlich grof. Hintere Glieber nn-
verhaltnifmahig lang unb bunn; bie Fersen beinahe lan-
ger als ber Plattfnh. Schwanz lang, am Enbe skockig.
1. Das Gespeustthier von Banka. Fig. 96. 97.
Der Nante bieses Hochst sonberbar gebilbeten Thieres
bezieht sich theils anf sein nachtliches Leben unb seine
schnekken nnb gerauschlosen Bewegungen, theils anf ge-
wisse aberglanbische Sagen ber Malaien. Sein Korper
mift 6 Zoll, ber Schwanz 8 Zoll. Ein bickwolliger,
weicher, granbrauner Pelz uberzieht ben ganzen Korper,
mit Ausnahme bes Schwanzes, unb wirb auf ben Hanb-
rucken znr sammetartigen Decke; an ben Gliebern geht
bie Farbung in Rotblich uber. Anf ben Hanbstachen
erheben sich kissenartige Schwielen, welche bas Festhalten
unb baher bas Klettern erleichtern; bie Finger sinb lang
unb bunn; bie beiben ersten tragen Kraklennagel, ber
Daumeit einen grofen Plattnagel. Die grofen, tmbe-
Haarten Ohren werben beim Schlafen zusamnlengefaltet.
Der Holtanbische Naturforscher Muller erzahlt, bah bieses
Thier, welches seiner lenchtenben Angen wegen von ben
Eingeborenen sehr gefnrchtet wirb, wie ein Frosch springe
nnb leicht mit ber Hanb zn fangen sei, sich von Fruch-
ten unb Baumknospen nnhre nnb Wnlbbickige bemohne.
Cnmming's Beobachtungen eines auf ben Philippinen
lebenben Gespenstthieres wibersprecheii 5um Theil jenen
Angaben unb veranlassen bie Vermnthung, bah es meh-
rere Arten gebe. Die abgebilbete Art wnrbe znerst von
Danbenton beschrieben, von Gnielin zu ben Beutelthie-
ren, von Pennannt sogar zn ben Springmansen gerecknet.
Sie ist anf Borneo, Celebes nnb Banka gefunben worben.
Jhr Gebih (Fig. 97.) folk nach Friebr. Cuvier's Bemer-
kun.g mit bemjenigen ber Flebermanse viele Aehnlichkeit
haben.
VI. Galago. (Otolicnns.)
Gattungscharakter: Gebih fast ber Maki's; Vor-
berzahne unten 6; Backenzahne spitzhockerig, vbeit 6, nu-
ten 5. Kops runb (Fig. 98. 99.); Schnauze stumpf;
Augen sehr groh unb gegenseitig genahert; Ohren grbf,
Hputig, unbehaart. Hinterglieber sehr lang; Finger mit
Plaitnageln, Hinterer Zeigefinger mit scharfer Krakke.
Schwanz sehr lang, schlaff, buschig.
Die Galago's sinb nachtliche, am Tage mit znsnimnen-
gesalteten Ohren schlafenbe Thiere, erwachen mit Ein-
tritt ber Dammerting, schleichen mit bekkketichtenben Angen
bes Nachts anf ben Baiimen umher nnb fangen unter
ber bichtesten Betnubung unb ebenso schnekt als sicher
bie uberrnschten Jnseeteii, fressen iibrigens anch Fruchte
unb Gummi. Eine Art ist sogar nur in ben Gummi-
tvalbern Llftika's angetroffen worben.
1. Der Mohøli. (Galago Moholi.) Fig. 100.
Det afrikaitische Reisenbe A. Smith entbeckte ben seit-
bem auch in Natal gefunbenen Moholi znerst am Flnffe
Limpopo unter 25° S.-Br. Durch Bewegnngen, Gri-
massen unb solistiges Benehmen erinnerte bieses Thier
an bie Affen unb sprang mit gleicher Leichtigkeit von
eineni Aste 511111 anberen. Nach Versicherung ber Ein-
geboreiien fnhrt es ein vokkig nachtliches Leben unb ver-
bringt ben Tag in seinent zwischen Gabelasten ober in
hohlen Stainmen angelegten Neste, wo bas Weibchen
ihre Jungen, gemeiniglich zwei, auferzieht. Weiche
Fruchte nnb Jnsecten bilben seineNahrung. Die Rucken-
seite ist mansegran, bie Bauchseite weih, ber Schwanz
rothbraun; bie Unterseite ber Glieber gelb; bie grohen
Ohren sinb von Fleischfarbe. Lange bes Korpers 8 Zoll,
bes Schivanzes ebensoviel.
VIL Eickihortlinakt. (Cheiromys.)
Gattungscharakter: Gebih bemjenigen berNaget
ahnlich (Fig. 101.), ohne Eckzahne; Schneibeznhne oben
unb nitten 2, stark, grof, bie nitteren seitlich znsammen-
gebruckt, jeboch bick, mit langen, fast bis ziim Enbe ber
Kiefernste reichenbett Wurzeln, auf ber Schneibe schief
zngespitzt, bie oberen kleiner, stumpfer; Backenzahne jeber-
seits oben 4, unten 3, von einfachem Ban. Kopf inittel-
grof, runb; Schnauze zngespitzt; Angenhohle geschlossett■
(Fig. 10L), Angen grof, nachtlich. Danmennagel kup-
pig, bie ubrigen krattenartig.
t. Der braune Eichhornmakt. (Cheiromys madagascariensis.)
Fig. 102.
Zn benjenigen Saugethieren, welche wegen bes Banes
ihrer weseittlichsteii Organe zn sehr verschiebenen Orb-
niingen gezahlt werben konnen unb baher im System i
nach keinen ganz sicheren Platz gefunben haben, gehort
ganz besonbers ber Eichhornmaki. Aeuheres Ansehen
unb Lebensweise sinb fast ganz wie bei ben Maki's, aber I
ber Zahnbau erinnert lebhaft an bie Nagethiere. JeneI
langwnrzeligen, anf ber Schneibe meifelformigen Schnei-I
beznhne, bie Surfe an ber Stelle ber Eckzahne, bie flach-
kronigen Vackenzahne sinb wie beim Eichhotn, aber bie \
Hanbe gehoren etttschieben eineni Thiere ber Familie ber
Mafi's nn. Seit Sonnetat tint 1775 ben Aye-Aye, tvie
er ben Eichhornmaki iteniit, entbeckte, haben bie Ansichten
ber Zoologen uber bie angemessene systematische Steltung
bes Thieres i11 Einem fort gewechselt. Wenn man ben I
Schabelbau, Hanbbilbung unb Lebensweise gennu er-I
tungt, so wirb man mit Blainvitte ben Streit sur tinno-
thig unb fur beenbet erfinreit unb ben Eichhommnfi
tinter bie Lentutiben stetten. — Man fennt bis jetzt nut
ein Etemplnt bieses, tvie es scheint, anch in seinent i
Vntertnnbes Mabagasrar sehr settenen Thieres; es tvtirbe
von Sonnernf mitgebtacht unb besinbet sich in ber fonig-i
lichen Snmmlung 511 Paris. Die Lange seines Karpers
betragt 1 guf 6 Soft, biejenige bes Schwanzes ebensoviel.
Das Hanr ist boppelter Art; zunachst ber Hatit besI
Rinkens unb ber Glieber liegt eine bichte Schicht von fei-I
ner, gelber Wolle; bas lange, etivas grobe Grnnnenhaar
ist rothbrnun, an ben Seiten bes Kopfes, ber Kehle nnb
bem Bauche grnulich. Die Friste sinb fast schwarz; ber ;
Buschelschwanz tragt grobe, schwarzliche Hanre. An ben
Vorberhanben bemerkt mnn vier sehr bunne, ungleicheI
Finger, einen hoher gefteftten, sehr kurzen, 511111 Greifen!
nicht geschickten, aber tvie bie Finger mit einer scharfen,
krummen Kratte vetsehenen Dainiien. Die Vorbergliebet
sinb kurzer als bie Hinteren, 511111 Greifen sehr geeigneten,
welche einen ausgebilbeten, mit Plattnagel vetsehenen
Daumeit tragen. An ben grofen, nackten Ohren bemerkt
man inwenbig eiitige unbeutliche Falten; tvnhrscheinlich
legt sich bas ganze Ohr, ebenso wie bei ben Fleberninii-
sett, int Schlafe ztisnmiiieii. Die zwei Zitzen bes Weib-
chen steheti aus ber Brtist.