Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Vierhaitder.
KnugetHierc.
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Es i ft sonderbar, bah man in so langer Zeit und ungeach-
tet der zahlreichen Europæer, welche Madagascar besucht
Haben, noch keme neuere Nachrichten uber den Aye-Aye
vder irgend Eremptare desselben erhalten Hat. Sonnerat,
ber einzige Berichterstatter, hatte ein Parchen lebend um
slch, welches hinsichtlich seiner nachtlichen Lebensart den
Lori's glich, zwei Alonate in der Gesangenschast aushielt,
mit gekochtem Reis ernahrt, am Tage kaum aus bem
Schlafe aufzuwecken, ubrigens snrchtsam, ungesahrlich,
langsam in alten Bewegungen und srostig war. Jm
Wilden Zustande sotlen slch die Aye-Aye in dunkeln HHH-
len vder Lochern verkrtechen und nur des Nachts ausge-
Hen, um Jnseeten und Baumknospen zur Nahrung aufzit-
suchen. Die ersteren verstehen sie mittels ihrer langen,
tonnen Finger sehr geschickt unter Baumrinden vder aus
ben Spalten der Stamme Hervorzuziehen.
VHL Flattermaki. (Galeopithecus.)
Gattungscharakter: Zwischen den Gliedern und
um den Schwanz eine dehnbare Flughaut. Hanbe fitnf-
fingerig, alle Finger mit scharfen, schneidenden Kratten.
Vorderzahne oben 4, ungleich, die mittleren sehr klein,
bie seitlichen lang, zusammengedruckt, unten 6, schies
nach porn geneigt, kammsormig eingeschnitten (Fig. 103.
1 2 104. 3 4 s); Eckzahne den Backenzahnen genahert
und ahnlich; Backenzahne 5 uberatt, spitzhockerig.
Die Flattermaki's sind von der Grose einer Hauskatze,
mit kurzwoktigem, weichen, dichten Pelze bedeckt und glei-
chen durch Gestaltdes Kopfes den gewohnlichen Maki's;
lhre Ohren sind klein und rund, die Augen niasig gros,
bie gewundenen Nafenlocher stehen seitlich. Eine auch
bei den fliegenden Eichhornern vorkommende, behaarte
und dehnbare, ans einer 2 — 3 Zoll breiten Falte der
Korperhaut bestehende Flatterhaut entspringt am Halse,
umgiebt die vorderen, langeren Glieder bis zurMitte der
Singer und schliest die Hinteren Glieder und den Schwanz
ein. Die hinteren nnd vorderen Hande sind sich ganz
ahnlich; vier Finger sind gleich lang und mit zuruckzieh-
l'aren Kratten versehen, der zwar vollig getrenute, aber
kurze Daiimen ist znm Zugreifen nicht geschickt. Die
Flattermaki's leben auf den asiatischen Jnseln von Timor
bis zu den Philippinen, verhalten sich wie die verwand-
ten nachtlichen Baumthiere und verbringen den Tag,
Wie Flebermause an den Hintersusen ausgehangt, im ties-
sten Schlafe. Des Nachts ftreifen sie gerauschlos, aber
schnell in den Baumkronen Herum und vermogen, von
ber dehnbaren Seitenhaut wie von einem Fallschirme
unterstutzt, weite Sprunge auszufuhren. Die Weibchen
sotten stets zwei Junge aus einmal werfen und diese an
ben Zitzen festgesogen herumtragen. Ueber die systema-
tische Steltung der Gattung ist man keineswegs einig.
Wie unbestimmt die Anfichten in dieser Beziehung von
feher gewesen, ergiebt sich aus dem Namen, „ fliegender
Hund, fliegende Katze, stiegeuder Afse oder Fuchs, Wuii-
berbare Fledermaus" u. s. w., die sich bei alteren Schrift-
stellern vorfinden. Linne brachte sie zu den Maki's; Cu-
bier stetlte sie hinter die Fledermause, Geoffroy erklari
sie fur wahre Raubthiere, und neuere Zoologen Halten
sie, auf eine Bemerkung Gemello Carreri's, des Be-
schreibers der Philippinen gestntzt, sur Beutelthiere, un-
ter welchen es atlerdings sehr verwaudte Formen giebt.
1• Temminck's Flattermaki. (Galeopithecus Temminckii.) Fig. 109.
Die fruher angenommenen drei Arten von Flatter-
Maki's Hat Fischer, wahrscheinlich mit vottem Rechte, in
eine zusammengezogen, benn Unterfuchung lehrt, das
unter grosen Zahlen von Eremplaren fetten zwei in
Sårtung genau ubereinstimmen.
Die vorherrschende Farbe ist namlich auf der Ober-
feite bei atlen mehr oder minder braunroth, theils wohl
auch in das Grane ubergehend, auf der Unterseite stets
etwas heller; die Jnnenseite der Glieder und des Halses
ziehen in das Weisliche. Auf der Grundfarbe stehen
gewellte oder fleckenformige Langs- oder Qtterstreifen.
^ei allen ist der Pelz sehr fein und dicht. Waterhouse
Hat endlich diese Ungewisheit beseitigt, indeni er, von
osteologischen Grunden ausgehend, zwei Arten feftsetzte,
die er Temminck's Flattermaki (G. Temminckii) und den
philippinischen Flattermaki (G. philippinensis) nannte.
Die erstere Art ist groser, gegen 2 Fus lang; ihr Scha-
del mist 2 Zolt 11’/2 Linie, die mittleren Vorderzahne
des Oberkiefers sind breit, dreilappig, die seitlichen am
Rande eingekerbt; Eckzahne am Hinteren Rande gekerbt,
durch schmalen Zwischenraum getrennt von letzten Vor-
derzahuen und vorderen Backenzahnen. Der Kamm des
Schlafenbeines setzt sich nach dem Hinterhauptbeine fort,
vereint sich aber nicht mit dem der anderen Seite. Wahr-
scheinlich ist dieses die gemeinere Art, der rothe Flatter-
maki (G. volans) alterer Schriftsteller. Die zweite Spe-
cies mist 20 Zotl, ihr Schadel 2 Zoll 7 Linien; anher-
lich unterscheidbar durch verhaltnismasig grohere Ohren
und Hande, Hat sie einen im Verhaltnifse zur Lange
schmaleren, stumpferen Schadel und engere Augeuhoh-
len; die Kamme der Schlafenknochen vereinigen sich nach
hinten; die mittleren Vorderzahne des Oberkiefers sind
schmal, einmal eingekerbt, die seitlichen nngekerbt, viel
groher und starker als bei der ersten Art, ebenso die Eck-
zahne, die durch keinen Zwischenraum getrennt sind.
Die Backenzahne nehmen im Verhaltnifse viel mehr
Rauin eilt; im G. philippinensis ist ihre Reihe 10 Li-
nien, im viel grbseren G. Temminckii nur 9 Linien
lang. — Erlauterungen dieser specifischen Unterschiede
liefern: Fig. 103 — 108.
Uorweitliche Uierhander.
Man hat erft in neuesten Zeiten versteinerte Reste von
Vierhanbern aufgefunden. Fruherhin glaubte man, das
in der Urwelt. diese Thierfamilie ganz gefehlt habe. Zu-
erst sand Lartet (1836) fossile Knocheu eines grosen As-
fen (einen Unterkiefer mit allen Zahnen, éinen vierhok-
kerigen Backenzahti, Finger und Fusknochen) im ange-
schwemmten Boden der Tertiarformation unfertt Auch
im Depart. Gers. Neben den Resten dieses Pithecus
antiquus beitannten, den Langarmaffen verwandtett
Vierhaitbers lagen Knochen von Rhinoceros, Mammuth,
Palaotherium u. s. w. Spater entdeckten die britischen
Offiziere Falconer, Cautley, Baker und Duvaud fossile
Knochen von drei Species Affen in den Sewalik-Bergen,
welche grosentheils der Tertiarformation der Vorberge
des Himalaya's angehoren. Einer diefer vorweltlichen
Affen mus viel groser gewesen als irgend eine atler jetzt-
lebenden Arten, der andere ubertraf den Entellus an
Grose, der dritte war vermuthlich eiit Orang. Der
schwedische Naturforscher Lund entdeckte im Thale des
Rio das Velhas in Brasilien mehrere vorweltliche Af-
fen, die den Springaffen sehr nahe gestanden (Callithrix
primaevus), aber sie -att Grose auserordentlich ubertrof-
fen Haben, indem einer (Protopithecus brasiliensis) an
4 Fus hoch gewesen ist. Es liegen bie unbestreitbarsten
Beweise vor, das einst selbst in England Affen gehaust
haben. Man sand die ersten Affenknochen an ben Ufern
bes Flusses Debeu bei Woobbribge; sie lagen neben
Haifischzahnen nnd dem Unterkiefer eines vorweltlichen
Beutelthieres unter einer Schicht blauen Thones, der
etwa vom Alter des London-Thones fein mag, und schei-
nen einer Art von Mokoko angehort zu Haben. Die an
solchen Resten ebensalls sehr reichen Thonlager von
Meudon lieferien D'Orbigny den Beweis einer verhalt-
nismasig sruhzeitigeit Eristenz groher Landsaugthiere;
sie enthalten viele versteinerte Pstanzenformen, welche
denjenigen nahe verwandt sind, die gegenwariig allein
in den warmen, von Affen bewohnten Lanbern wachseit.
Zweite Ordnung.
Handslugler. (Chiroptera.)
Die Handstugler oder, wie sie im gemeinen Leben hei-
Hen, die Fledermause verdanken ihren systematischen,
aus dem Griechischen abgeleiteteu Namen der Umroaiib-
tung ihrer vorderen Glieder ilt Flugorgane. Unter al-
len Saugethieren tonnen sie allein mit ben Vogeln Hin-
sichtlich ber olugfertigkeit verglichen iverben, benn wenn
bei anberen Saugethieren verschiebenartig gespannte
Haute beu Korper im Sprunge nnterstutzen, so bienen
sie eben nur als Fallschirme tiitb konnen mit ben selbst-
stanbig vorwartstreibenben, in Wirkung ben Vogelstu-
getn nicht unahulichen Flugwerkzeugen ber Chiropteren
nicht verglichen roerben. Man kamt bie Flebermause
suglich fur stiegenbe Raubthiere erklaren, roeil sie sich
fast nur von Jnseeten ernahren unb einen grohen Theil
ihres Lebens, gleichsam erfreuet uber ben Besttz einer
befonberen Fahigkeit, stiegend verbringen. Mit ben Flit-
geln ber Vogel kommen biejenigen ber Flebermause nur
ber Bestimmung nach, nicht im Bane uberein. Sie be-
stehen aus ben gewohnlichen, allerbings mobificirten
Knochen ber vorberen Gliebmaahett, bie wie bie Stabe
eines Regenschirntes eine bunne, nteist sehr zarte und
sparsam behaarte Haut ausspannen. Die Abbilbung
eines Skeletes ber Fleberntaus (Fig. in.) wirb biefe
Angaten rechtsertigen. Der Oberarmknochen (f) i ft
lang unb bunn, noch mehr ist es ber Speichenknochen (§),
ber einzige vollstanbige Knochen bes UnterarmeS, beffen
Ellbogenknochen (h) nur als Rubiment erscheint. Die
sechs Hattbwnrzelknochen (i) stehen in zwei Reihen, unb
zwar zwei in ber ersten, vier Knochen in ber zweiten
Reihe; auf biefeit sinb bie Mittelhanbknochen beS Datt-
nieitS (k) unb bie fehr langeit, bunnen unb weit von
einanber abstehenben Finger (I) eingelenkt, bie sich
nicht allein zusantntenschlagen, sonbern auch ruckwarts
gegen ben Borberarm anlegen lafsen. Die Fingerglie-
ber (m) ftitb, tun bas Gleichnih zu behaupten, bie ver-
langerten totabe bes Gestelles unb iverben nach Borit
immer biinner, bis sie enblich in eine feine Spitze aus-
laufen, bie weber einen Nagel noch eine Kralle tragt.
Sie stub von groher Wichtigkeit, nicht blos um bent Fltt-
get einen bebeutenben Untfang und Lange zu geben, son-
bertt auch tint die Ranber desselben ausgestreckt zu erhal-
ten oder ihn, too iivthig, zusammenzufalten. Bei einigen
Gattungen besteht ber erfte Finger nur aus einem einzi-
gen, leht bunnen Knochen unb tragt gelegentlich einen
kleineit Hakennagel; der zweite Finger hat drei Glieder.
Der Dauinen (k) ist kurz und frei, besteht aus zwei
Gliedern unb einem Mittelhanbknochen unb tragt att sei-
ner Spitze eine starke, Hakenforntige Kralle. Mit ber
Bestimmung bes Vorberarntes wurbe sich freie Arenbre-
hung besselten nicht vertragen haben, inbeitt er, znm
olugel umgestaltet, gegen bie Wiberstanb leistenben Luft-
fchichten bruckeit mus unb nach teiner Seite ausweicheit
barf. Sein Gelent geftattet baher nur eine aufwarts
tiitb abivarts gerichtete, nicht aber eine feitliche Bewe-
giiitg; ber Oberarm Hingegeit breht sich int Schulterge-
leitke wie ber menfchliche halt um feine Are. Ein fo
umfaitgliches Organ, wie biefer fogenanttte Flugel, muh
mit einem Muskelapparat von entfprechenber Starke ver-
fehen fein unb bas Skelett ben Musteln entsprechende
Anheftungspunkte barbieten. Die Schlusselbeine (d)
unb bie Schulterblåtter (e) sinb gros unb ftark; das
Brufttein ist zwar fchntal, tragt aber nach obett eine Er-
weiterung (a), ivelche den Schltiffelbeinen zur Stutze
dieiti, allein zugleich biefelben von einanber entfernt Halt,
wahrend bie Brustmusteln ben Oberarm kraftig nach
Jnneit ziehett, ein Ban, ber, bentjenigen ber Vogel ahit-
lich, ganz befonbers auf bie Flugbeweguitg berechnet ist.
Die Hinteren Glieber konnen kaum als ivefentliche Be-
wegungsorgane betrachtet werbeit; sie sinb fchwach unb
bienen in Verbinbttng mit bent Schwanze, ber jeboch
nicht immer vorhanben ist, bie Flughaut gehorig ausge-
spannt zu halten. Die fttnf parallel zu einanber stehett-
ben unb mit krummen Krallen verfehenen Zehen tragen
bas Thier, ivemt es in ber Ruhe sich verkehrt aufhangt.
Wenn eine Flebermaus mit zufammengefalteten Flngeln
auf ebenen Flachen fvrtzukriechen verfucht, so i ft ihre
Beivegung in Fotge ber Gtieberbilbung fehr ungefchickt