Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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SAugethiere.
fritte Gr-nung.
der durch drei senkrechic, gleichweit abstehende Schach-
ten mit einer ticfer liegenden, etwas kugeligen Schlaf-
kammer in Vcrbindung stcht. Funf andere, mehr nach
Anhen absinkende Schachten verbindett dicsen obcrtt Gang
mit einer am Grunde deS Stigels besindlichen zwciten und
umfanglicheren Gallerie. Da nun sowohl aus der un-
teren als obern Gallerie ein Seitengang auslausi, beide
aber sich in einiger Entsernung vereinigen, so wird es
dem Maulwurfe moglich sein, ans dieser bis in die Ferne
reichenden Hauptstratze enlweder nach der obern, oder un-
teren Gallerie direet zu gelangen. Anser dieser regel-
mahig vorhanbenen Haupistrafie lansen von der unteren
Gallerie 8—9 engere, nur zur Begehung des Reviers die-
nende Gange aus, die der Maulwurf, wenn er eine nahe
Beute wittert, verlasi, um seitlich oder nach oben zn
mnhlen, wodurch die bekannten Erdaufwurfe entstehen.
Die Hauptstrase ist vom groheren Durchmesser als der
Korper des Maulwurfs, forgfaltig geglatiet und reinlich
gehalten und je nach Umstanden, die der durch Jnstinet
geleitete Arbeiter richtig erkennt, 5 bis 18 Zoll unter der
Erdoberstache angelegt. Gemeiniglich dient eine solche
Hanptstrahe mehreren Maulwurfen, die es jedoch vermei-
den, sich in ihre inneren Bane zu gerathen, indessen, wenn
sie sich einmal in Engpafsen begegnen, wo ein Ausweichen
unmoglich ist, einen Kamps beginnen, aus welchem nur
der Starkere lebend Hervorgeht. 3ni Winter senkt der
Maulwurf seine Gange bis in srostfreie Tiefeu, wo 3it=
seeteii und Wurmer Schutz gesucht haben, arbeitet dort
uugeseheil fort und fallt niemals in Winterschlaf. Das
mit Gras nnd Wnrzelfasern weich ansgefulterte Nest des
Weibchens liegt in einiger Entsernung von der Festung,
an Orten, wo drei oder vier Gange sich kreuzen und der
weiche Boden Hinreichende Nahrung darbietet. Das
Weibchen wirst im April 4—5 Junge und behalt diese
bei sich, bis sle Halb erwachsen sind. Der geringste Nah-
rungsmangel wird dem Maulwurfe todtlich; allezeit
Hungrig, fallt er mit wuthender Gier uber seine Beute
her. Regenwurmer, seine bevorzugte Nahrung, verschlingt
er nicht, ohnavorher durch geschicktes Quetschen und Pres-
sen die in ihrem Darmeanale enthaltene Erde entfernt zu
haben. In den Sommermonaten sucht er des Nachts,
feltener am Tage, nuf der Erdoberstache feine Nahrung,
frist Heine Vogel, Mause, Schneckeir und Kroten, ver-
fchmaht aber die mit scharfer Hautabsonderung verfehenen
Kroten und wird seinerseits den Eulen und Falken zur
Beute. In Folge seines nnerfattlichen Appetits und
seiner haufigen Mahle trinkt er viel und legt daher Gange
zn nahen Pfutzen nnd Bachen an, grabt, wo diese fehlen,
Schachten znm Auffangen des Regenwafsers oder wan-
dert aus, wenn volliger Mangel an Masser und sonach
au Wurmern eintritt. Aus der Wanderung scheuet er
sich nicht vor Flussen und entgeht als guter Schwimmer
dem Tode selbst zur Zeit groser Ueberschwemmungen.
Man versichert, das bei plotzlichem Eintritte der Ueber-
fluthungen Manuchen und Weibchen zusammenhalteii und
sich der grohieu Gefahr aussetzen, um ihre Jungen zu
retten. Beide Geschlechter sind wild und kampslustig.
Wenn man mehrere Jndividuen in derselben mit Erde
angesullten Kiste Halt, fo greifen sie sich an, und der
Schwachere unterliegt um so eher, da der Starkere, wie
ein Bnllenbeiher, das einmal Ergriffene nicht wieder los-
last. Geofsroy St. Hilaire beschreibt die List, Vorsicht
und Gewandtheit, mit welcher der Maulwurf sich an
einen arglosen Vogel heranschleicht, endlich durch eben so
Plotzlichen als geivaltsamen Angriff seines Opsers sich
bemachtigt und ihm den Bauch ausreist, um mit unver-
kennbarer Wollust seinen Russel in die blutenden Eittge-
weide zu versenken. Nach feder vollkommenen Sattigung
zieht er sich in seinen Bau zijruck, im Winter bis in die
beschriebene Kammer, im Sommer nur unter einen der
frisch aufgeworfenen Erdhaufeu, versallt da in tiesen
Schlaf, erwacht aber schon nach einigen Stunden mit
neuent Hunger. Seine ganze Gestalt scheint mit raschen
Bewegungen unvereinbar, dennoch aber lauft er in den
unterirdischen Gangen mit groser Schnelligkeit uinher.
Merkwurdig ist es, das man den auf dem Continente so
weit verbreiteten Maulwurf in Irland und Sardinien
nie gesunden hat. Im nordlichsten Schottland fann er
aus Mangel an Nahrung nicht eristiren.
VII. Goldmattllvnrf. (Chrysochloris.)
Gattungscharakter: Vorderzahne oben 2, unten
4, die mittelsten sehr klein; Backenzahne jederseits oben
9, unten 8, wovon S Lsickenzahne. Eckzahne fehlen. Rus-
sel kurz, stumpf, knorpelig. Kein auseres Ohr. Fuse
zum Graben geschickt, die vorderen drei-, die Hinteren
sunfzehig. Schwanz fehlt.
Der Nanie dieser Gattung, welche im sudlichen Afrika
unseren Maulwurf vertritt, ruhrt von einer in der Sau-
gethierelafse nicht weiter vorkommenden Eigenthnmlichkeit
her, namlich von dem schillernden Metallglanze derHaare.
Die autzere Gestalt ist wie am Maulwurfe, die Grose
aber viel geringer, der Kopf breit, kegelformig, der stunt-
pfe, breite Russel sehr beweglich. Mit Unrecht sprach
man ehedeni den Chrysochloren die Augen ab, die, wenn
auch sehr klein und schwer entdeckbar, doch vorhanden
sind. In der Lebensart gleichen sie gauz unserem Maul-
wurfe, thun wie diese den Garten vielen Schaden und
sind daher am Cap der guten Hoffnung sehr verhast.
Es giebt mehrere Arten, unter welchen der gemeine
Goldmaulwurf (Ch. capensis) Fig. 155. 156. am
langsten bekannt ist.
VIII. Lterttmattlwttrf. (Condylura.)
Gattungscharakter: Vorderzahne oben 6, unten
4, breit, loffelformig, die unteren schief vorliegend; Backen-
zahne jederseits oben 8, unten 7, wovon 4 und 5 Lucken-
zahtte (Fig. 157). Schnanze russelformig; NasenlLcher
mit eineni Kranze spitziger Hantlappen umgeben.
Auch diese ausNordamerika beschrankte Gattung ahnelt
dem gemeinen Maulwurfe durch ausere Gestalt, Fusbau
und Lebensart, jedoch sind die drei bis jetzt bekannten
Arten schlanker und ausgezeichnet durch langen Schwanz,
zumal aber durch die als Fuhler dienenden Fleischlappen
der Schnauzenspitze. In Pennsylvanien und den Nach-
barstaaten gehort der kti rzschwanzigeSternntaul-
wnrf(Fig. 158.) zu den verbreiteten Thieren. Er mist
4 Zoll ohne den 1 Zoll 8 Linien langen Schwanz, Hat
einen schieferschwarzen, braun uberlaufenen, dicken und
sammetartigen Pelz, kein auseres Ohr, sehr kleine Augen.
Der drehrunde Schwanz wird durch das Eintrocknen kno-
tig, was man fruher fur naturliche Beschaffenheit Hielt.
IX. Jgel. (Erinaceus.)
Gattungscharakter: Vorderzahne oben 6, unten
4, die 2 mittelsten langer; Eckzahne jederseits oben 2, un-
ten 1, kurz; Backenzahne jederseits oben 5, unten 4 (Fig.
159.). Der Korper oben mit Stacheln besetzt, sonst borstig.
1. Der gemeine europ^ische Jgel. (Erinaceus europaeus.) Fig. 160.
Es durfte unnothig fein, eine Beschreibung dieses wohl-
bekaunten Thieres zu liefern, welches, uber ganz Mittel-
und Sudeuropa verbreitet, durch eigenthumliche Bewaff-
nung vor allen einheimischen Saugethieren sich atlszeich-
net. Die dichtgestellten Ruckettstacheln haben einen dop-
pelten Nutzen. Ein breiter und langer Hautmnskel richtet
sie auf, sobald der Jgel sich zusammenkugelt, der dann,
nach allen Richtungen unverwundbar, selbst muthige
Angreifer zuruckscheucht, andererseits aber, von denselbeii
Hittlanglich elastischen Stacheln gegen Verletzung geschutzt,
von einer 12 — 14 Fus hohen Maner sich Herabsturzen
kann. Den Tag verbringt der Jgel schlasend mGeholzen,
in einsamen Garten und unter Hecken, kommt gegen Abend
erst zum Vorscheine und streift bis gegen Morgen nmher.
Er bewegt sich schnell, aber tinregelmasig und Hat, als
voller Sohlenganger, und durch den aufschleisenden Bauch
gehindert, einen schwerfallig watschelitden Gang. Zwischen
thierischer und pstanzlicher Kost scheint er keinen Unter-
schied zn macheit, frist Frosche, Mause, Jnseeten, Schnecken,
Eier und selbst Nestvogel, aber auch abgefallenes reifes
Obst, Quecken und Wegebreitwnrzeln, die er mittels sei-
nes Russels so geschickt ausgrabt, das die Blatter in ihrer
Stellung und am Boden bleiben. Znfolge der von Buck-
land gemachten Versuche entwickelt er teint Angriffe auf
eine Schlange viele Schlauheit, giebt derselben, die rechte
Zeit abpaffend, plotzlich einen derben Bis, rollt sich zu-
sanimen, streckt spater mit groher Vorsicht sich wieder
aus, versetzt eine nette Wunde und fahrt so fort, bis durch
mehrfache Zerbrechung der Wirbelsaule das Reptil ge-
lahint ist, welches er endlich, nach gentachlicher Zerbeihung
der ubrigen Knochen, mit dem Schwanzende attfangend,
auffriht. Viel einfacher beschreibt Lettz, ein fleitziger,
dentscher Beobachter, diese Seette; derJgel machte wenige
Uinstande, griff muthig att, achtete nicht einmal die zahl-
reichen Bisse einer gifligen Kreuznatter und fras zuerst
den Kopf sammt Gistzahnett und Giftdritfen. Es Halt
nicht schwer, ihn zu zahmen und in der Gefangenschaft
mit eingeweichtem Brote und Gemufen zu erttahren. In
den Ktichen wird er durch Vertilgung von Schaben und
Heimchen nntzlich nitd veranlast um so weniger Storung,
als er nur des Nachts zum Vorscheine kommt. Trotz
seiner Harmlosigkeit ist er aus Aberglauben viel verfolgt,
in England sogar fur fahig gehalten wordeit, den Knhen
des Nachts die Enter auszufaugen, ein alberner, aber
nicht beifpiellofer Verdacht, da bekaimtlich ahnliche Ein-
griffe fogar den Nachtschwalben (Ziegettmelkertt) zuge-
trauet toerben, obgleich der Untoifsendste aus ihrem Schtta-!
belbane auf Unfahigkeit zum Saugett fchlietzett muh. Zu
den Fabeln gehort nicht minder eine attdere, schon'bei
Plinius und Aeliatt erwahnie Ueberlieferung, die den
Jgel Baume erftejGen, das Obst abfchlagen und das Her-
abgefallette nut ^*5^'1(1611110(66111 anspiehen und davott-
tragen last. Wgriindet Hingeaeit Uitb interessant ist die
in Deutschland zuerst gemachte Entdeckung von der Gist-
feftigfeit des Jgels, dem nicht alleitt die Bisse giftiger
Schlangen nichts schaden, sonderit der spanische Fliegen
mit vielent Appetite verzehrt und au starken Gaben von
Opium, Arsenik und Sublimat nicht stirbt. Den Win-
ter verbringt er in eineni mit Gras oder Baumlaube aus-
gefutterteii, unter Baumtourzeln nngelegten Neste und
erscheint, in diefer Jahreszeit ausgegraben, toie eine aus
jeitett Stoffen bestehende Kugel, indeni durch das Umtval-
zen im Schlase die Ausfutterung des Nestes an den Sta-
chelit hangen bleibt. Das Weibchen wirst im Junius
tind tiochinals itu August 4 —8 itackte, blinde, ztoei Zoll
lange Junge, die, schon nach 24Stnnden mit kleinen Sta-
cheln bedeckt, erst nach einiger Zeit die Fahigkeit erlangen,
sich ztisatttmeitzurollen, die Kopfhaut bis zur Schnanze
Hinabzuschiebeti nnd eine betoehrte Stirn zn zeigett. Ehe-
detit soll titan den Jgel auf bettt Festlande nicht minder
als tit England gegeffen haben ; Heutzutage inochte solches
Wildpret schmerlich viele Liebhaber findeit. Die zuiir
Kården der Tucher von ben Romern angetoendeten Jgel-
felle machten einen Hanbelsgegenstatib von sSlcher Wich-
tigkeit aus, das der Senat den Verkehr durch Beschlusse
zu regeln veranlast tottrbe. Als Vertilger von vielent
Uttgeziefer verdietti ubrigens der Jgel die grohte Schoitung
ttttd sollte gegen die eben so rohen als schadlichen Verfol-
gungett, tvelche er in vielen Lchtbern erfahrt, kraftigst in.
Schutz genommen toerden. Seinen Feinden im Thierreiche
toiderstehi er mit vieletn Erfolge, deitit der beste Huttv
wagt sich nicht zuiti zwciten Male att ihn. Nur der
Ftichs soll den Sieg davontragen, iitdetti er auf ihn urinirt
und ihn hierdurch zwitigi, sich aufzurollen. Obgleich
auch diese Attgabe eben ttur eine Fabel seitt kann, so ist
wenigsteits fo viel sicher, das der zusatnmengekugelte Jgel
sich schnell vffnet, svbald man ihn in das Wafser wirst.
X. Tenrek oder Borstenigel. (Centetes.)
Gattungscharakter: Vorderzahne vben und unten
6 oder 4; Eckzahne jederseits o ben und unten 1; Backen-
zahne uberall 6, der vordere ein Luckenzahn (Fig. 16L).
Kopf lang und zngespitzt; Fuse sunfzehig; Klanen lang
und stark; Schwanz fehlt.
Die Borstenigel sind bis jetzt nitr anfMadagasear und
Mauritius gefunden worden und haben viele Aehnlichkeit
mit dem gemeinen Jgel, jedoch sind ihre Stacheln tveit