Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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Saugethiere.
Vierte Vrbnnng.
Pariahhunben mehrere Rayen initerscheidbar selen, z. B.
der kleine (truminbeinige) Dachshund und jener, Vielen
sehr widrige, schwarze, fast Haarlose Hund, der auch i in
nordlichen Europa uorfSnunt, bald afrikanischer, bald
turkischer Hund genannt wird, in Indien Polygar-Hund
heistt, fur luarme Kliinaten geschaffen ist und sich in Peru
sehr vermehrt hat, wo man ihm die Fahigkeit zutchreibt,
durch Beitgenossenschafi rheumatische Personen von ihren
Leiden zu Heilen. Sonderbar ist es, dast niiter den nun-
der wilden, die Stadte besuchenden Stammen der indischen
Pariabhunde, eine sehr kleine, niedliche, mit langem Sei-
denhaar versehene Abart, trotz aller Vernachlasstgung sich
dauernd erhalt. Sie gleicht manchen Arten europaischer
Schoosthunde, ist besonders abrichtungsfahig, wird daher
von den Eingeborenen allein einiger Aufnierksamkeit ge-
wurdigt und von abendlich Ausgehenden zum Tragen
kleiner Laternen gebraucht.
Der Windhund (Fig. 248 d), von welchem man
mehrere Spielarten, z. B. die schottische (Fig. 250) und
die englische (Fig. 248. °) unterscheidet, reprasenrirt eine
durch seitlich zusammengedruckten, in der Stirngegend
flachen Schadel und schmale, sepr verlangerte Kumladen
ausgezeichnete Gruppe. Jene eigeutliche Abplattung des
Vorderkopfes erklart sich aus dem Mangel oder der Klein-
heit der Stirnhohlen, zweier zwischen den Platten des
Stirnbeines gelegener Fortsetzungen der Nasenmuscheln,
die mit derselben, das Riechen vermittelnden Schleimhaut
ausgekleidet, wenn sie besonders entwickelt sind, Auftrei-
bungen des Hirnbeines und daher gewifse Krumniung des
Profils hervorbringen. Die Verkummerung dieses Ap-
parates schwacht nothwendig das Spurvermogen der Wind-
Hunde, tragt aber indirect bei zur Scharfung der ubrigen
Sinne, weil diese 11111 so haufiger und zur Ausgleichung
der Folgen jener Uiivollkommenheit des Riechsinnes ange-
strengt werden mufsen. Windhunde haben daher Gesicht
und Gehor von ausnehmender Starke, tragen, obgleich
sie vollig gezahmt sind, das austere Ohr Halbaufrecht
Wie die wilden Hundearlen und besitzen iu -denselben
eiiieii Grad von Beweglichkeit, den man an anderen zah-
men Rapen ganz vermistt. Alle ohne Unterschied haben
lange und dunne Beine und einen eng zusanimengezogeneu
Unterleib, ubertreffen daher durch Schnelle im Laufe alle
andereHunde. Fur feinere Dressur sind sie wenig empfang-
lidi, austern nur beschrankte Jntelligenz und scheinen lang-
sam und schwer zu begreifen. Dafur aber empfiudeu sie
11111 so lebhafter und tiefer, werden durch Afsecte so sehr
ergriffen, dah ihr Herzschlag eine kaum glaubliche Unre-
gelmahigkeit und Schnelle annimmt, sind Liebkosungen
zugauglicher als andere Rapen, jedoch, weil in ihnen
geringe Jntelligenz mit groster Reizbarkeit in Verbindung
tritt, Niemand ausschliestlich zugethan, sondern gleich-
mahig freundlich gegeii Alle, die sich mit ihnen abgeben.
Ohne triftigen Grund betrachtete Buffon den franzosi-
schen Fleischerhund (le Matin) und die grostedanischeDogge
als Stammaltern des schottischen Windhundes. In lang
vergangenen Zeiten war in Schottland und Irland eine
sehr edle Rape von Windhunden Haufig, von welcher jetzt
hochst selten ein achtes Jndividuum angetrofsen wird, der
altirischeWolfshund (Fig. 251.), den man nur zur
Jagd des Hirsches und Wolfes anwendete, und von
welchem aller Wahrscheinlichkeit nach die jetztlebendeii,
minder edlen Windhunde, und sonach auch jener franzosi-
sche Hund abstammt. Der schottische, zur Hirschjagd
verwendete Windhund war der ahnlichste Nachkomme
jener fast erloschenen Raye, soll aber kleiner gelvorden,
also ausgeartet sein, ubertrifft aber dennoch den gemeinen
Windhund durch Groste und Starke. Wahrscheinlich
trat die Verschlechterung der Rape ein, als mit der Aus-
rottung des Wolfes die Nothwendigkeit aufhorte, fur Er-
ziehung angemessener Gegner zu sorgen. Auch in England
gleicht der Windhund nicht inehr seitten starken Vorfahren,
an beren Leistungen selbst die eriifte Konigin Elisabeth
lebhaften Antheil nahm. Windhunde, besonders guter
Rape (Fig. 252.), zeichnen sich aus durch breite Brust,
muskelreiche Glieder, harteS aber etwas krauses Haar
und werden in England sorgfaltig gezogen. J111 sudostlichen
Europa, namentlich in Macedonien und Epirus, seltener
in Jllyrien, wird eine vortreffliche Rape von Windhunden,
der sogenannte Albaneser-Hund, angetrofsen, der
durch gewaliige Groste sich auszeichnet, an den Schultern
gegen drittehalb Fust Hoch ist, etwas kurzere Futze als
andere Windhunde hat, daher nicht ganz so schnell lauft,
wiedie besten unterdiesen, allein dafur eine austerordentliche
Starke und unzahmbaren Muth besitzt. Seine Behaa-
rung ist sehr lang, seidenartig weich, inehr oder minder
braun gefarbt, der Schwanz lang und buschig. Er wurde
von den Roniern sehr gesucht und theuer bezahlt und in
Griechenland so geschatzt, dast man ihn sogar fur Nach-
kommen jenes mit den vortrefflichsten Eigenschaften aus-
gerusteten Jagdhundes erklarte, dessen die Mythologie als
eines Geschenkes der Diana an Proeris gedenkt. Glattere
Windhunde (Windspiele) halt inan in Italien und ge-
stattet ihnen als begunstigten Lieblingen den Zutritt in die
Prachtzimnier der Vornehmsten. Seit unvordenklichen
Zeiten giebt es in Arabien, Persien und andern Landeru
des Orients eine Rape von Windhunden, die den fluchti-
gen, auf Wandgemalden dargestellten Parforpehunden
A^agyptens sehr ahulich sind, von diesen vielleicht abstam-
inen, durch Verschlechteruug aber zu jenen beruchtigten
PariaH - oder S tratzenhuitden(Fig. 253.) geworden
sind, welche alle kleinere Ortschaften des sudwestlichen
Asiens Heimsuchen. Niemand angehorend und als unrein
allgemein vermieden, werden stedennoch geduldet, zu Zeiten
wohl sogar beschutzt und mit Nahrung versehen, weil sie
allein die Reinigung der Strasten von faulenden Resten
und anderem Wegwurfe besorgen. Das hohe Alter ihres
Geschlechtes geht uberzeugend Hervor aus vielen Stellen
der altesten auf uns gekommenen Blicher. So schildert
Homer die Hunde, wie sie in Gesellschaft der Geier bie
Leichname der auf dem Schlachifelde Gefallenen verzeh-
reu, ein Bild, welcheS Byron, der manches Jahr in der
Levante verbrachte, weiter und fast bis zum Grausenerre-
genden ausfuhrte, als er einen turkischen Kampfplatz
beschrieb. Auch die Bibel enthalt mehrere kraftige Stel-
len (2. B. Moses XXII. 31., 1 V. Konige XXI. 19. u. 23.,
2. B. Konige IX. 36. u. a. m.), unter welchen besonders
eine Drohung, wie jene, dah Jesabel unter den Mauern
Israels von den Hunden gefressen werden solle, noch Hente
in manchen kleineren Stadten des turkischen Asiens aus-
gesprochen werden komite.— Der arabisch eWindhund
(Fig. 254) Hat einen formlichen Wolfskopf, lang behaar-
ten Schwanz, aufrechte und spitzige Ohren, einTypus, der
sich in anderen, jedoch weit entlegenen Landern Astens wie-
derholt, z. B. am Haushunde der Turkomanen (Fig.
255.), der, gleichen Stammes mit dem englischen Wind-
hunde, zwar an Groste dem Wolfe nachsteht, demselben
aber durch nicht minder furtchbares Gebist, gelbgraue Far-
bung und griminiges Wesen gleichkommt. Diese Aehn-
lichkeit ist so grost, dast, wie Hamilton Sniith erzahlt, bei
einer Wolfsjagd in Kleinasien ein europaischer Schutze
einent Wolfe gestattete, die Linie zu durchbrechen, weil er
ihn fur einen Turkomanenhund Hielt. Wahrscheinlich
ist diese Raye sehr alt und Hat inehr als alle andere ihre
ursprungliche Gestalt beibehatten.— Der Fleischer-
hund, nach ivelchem Cuvier diese ganze erste Abtheilung
der Familie benannt, ist gerade der am wenigsten edle,
komnit aber durch Bildung des Schavels mit den fichten
Windhunden uberein. Er andert in der Farbung sehr
ab, Hat Halbhangende Ohren, anliegendes Haar und tragt
den Schwanz nach oben ubergekriimmi. Seine Jntelligenz
ist nicht grost, jedocli ist er sehr wachsam und daher als
Haushund zuverlassig nnd nutzlich. — Der groste da11i -
nische Hund (Schadel 243. 244.), der moglicherweise
aus einer Vermischung des Fleischerhundes mit einent
Windhunde edler R.a^e entstanden sein lann, ist von
ziemlich schlanketn Baue, glatthaarig, Heller oder dunkler
braun gefarbt, gemeiniglich weih an Brust und Vorder-
Hals, zur Jagd weniger brauchbar als andere Windhunde,
soiist von gutmuthigem Charakter und wird nirgends
haufig angetrofsen.
Zwcite Gruppe. Epitz- und Jagdhunde.
Schadel von mittelmastiger Lange. Scheitelbeine oberhalb
der Schlafenbeinnaht etwas aufgetrieben, daher in bogiger
Linie aufivarts steigend, die Hirnhohle folglich erweitert.
Die Stirnhohlen gleichfalls erweitert und daher das Profil
minder geradlinig, als in der ersten Gruppe (vergl. die
Schadel des Wachtelhundes Fig. 241. 242. und des Scha-.
ferhuiides Fig. 246.).
Die zweite Gruppe uinsastt eine groste Zahl von Ab-
arten, die sich iviederum in viele Rapen eintheilen lassen.
An der Spitze der chstematischen Aufzahlung mussen noth-
wendig diejenigeii stehen, die sich von der Grundgestalt
der Thiere der ersten Gruppe am wenigsten entsernen.
Unter diesen behalten einige in ihrem gesammten An-
sehen immer etwas Wildes. Sie zeichnen sich aus durch
scharf zugespitzte Schnauze, kleine, spitze, nteist aufge-
richtete Ohren, besonders aber durch das Auge, welches,
wie bei dem Fuchse, schief gestellt, ihnen eine listige nnd
misttrauischeMiene verleiht, an sorgfaltig erzogenen Rasen
Hingegen niemals anders als Horizontal gefnnden wird.
Als Repræsentant dieser Abart verdient vorzugsweis der
Hiliid der Eskimo's (Fig. 248'. und 256.) eine um-
staiidlichere Erwahnung. Dem arktischen Wolfe (Canis
variabilis) gleicht er so sehr durch Groste, dichte Behaarung,
aufrechte Ohren, Breite des Oberkopfes und spitzige Ge-
stalt der Schnauze, dast beide, aus einiger Entferiiung ge-
sehen, durchaus ununterscheidbar sind.. Wahrend Parry's
zweiter Polarreise wagte einst eine Jagdgesellschaft nicht,
auf einen Trupp von 13 Wolfen zu feuern, welche
einige Eskimo's verfolgten, indeni sie, uber die Art der
Thiere unficher, einige der Hunde zu todten furchtete,
welche den einzigen Reichthum jener gutmuthigen Men-
schen ausmachen. Bei genauer Bergleichung ergeben sich
mehrere Unterschiede; der Schwanz des Eskimohundes
ist buschiger als am Wolfe, hangt nicht Herab, sondern
wird nach oten gekrummt getragen, das Haar ist etwas
langer und weicher, der Gesichtswinkel um einige Grade
offener, der Korper uberhaupt minder durr. Der Wolf
ist ubrigens weit starker, was der Hund auch zu wissen
scheiut, iiident er unverzagt ben Baren angreift, aber sich
nicht an ben Wolf wagt und sich kanin verkheidigt, wenn
er — oft int Angestcht seines Herrn — von ihm gepackt
und fortgeschleppt wird. Die Eskimo's wurden kaum
bestehen komieir ohne diese Hausthiere, die eine Menge der
wichtigsten Dienste leisten, bei der Jagd auf Seehunde,
Baren und Renuthiere Helsen, Lasten tragen und den
Schlitten uber spurlose Schneeflachen fortziehen. Mit
einer Burde von 30 Pfund belaben, begleiten sie im Som-
mer ihre auf langbauernbe Jagben ausziehenben Herren,
unb zu 6 bis 8 vor einen Schlitten gespannt, ber 5 bis
6 Personen ober ein Gewicht von 800 — 1000 Pfb. ent-
halt, legen sie im Winter Tagereisen von 40 — 50 engli-
schen Meilen znruck. In gleicher Zahl nach langerer
Ruhe unb guter glitterung vor einen Schlitten gespannt,
ftnb sie kaum zu zngeln 1111b durchlaufen auf ebener Bahn
inehr als zwei geogr. Meilen in ber Stunde. Spuren
sie wahrend der Fahrt ein Rennthier, so laufen sie wie
rasend in der Richtung desselben und ruhen nicht ehe^
als bis sie den Jager schustrecht gebracht haben. Ihr
Spurvermogen ist so grost, dast sie sogar das im Eise be-
findliche Loch eines Seehnndes aus groster Ferne mittern.
Parrh, dem wir die mitgetheilten Nachrichteit verdanken,
liefert eine sehr untstandliche Geschichte dieses uberaus
iiutzlichen Thieres, welches in der Mittelzahl 20 — 22
Zoll hoch ist. Durch seine doppelte Behaarung, eine •
dichte, Halbfilzige Grundwolle und da'sehr lange, aber
dichte, austere Haar ist dieser Hund ubtigens in Stand
gesetzt, dem Klima seines unheimlichen Vaterlc 'des Trotz
zu tieten.
Wie ber Hund der Eskimo's dem arktischen Wolfe, so