Illustrirte Naturgeschichte Des Thierreichs
Erster Band
Forfatter: Eduard Pöppig
År: 1847
Forlag: Verlagsbuchhandlung von J. J. Weber
Sted: Leipzig
Sider: 312
UDK: St.f. 59 Pöp
Naturgeschichte der Säugethiere
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S'augethiere.
Vierte Grdnung.
aud >mit dem wahren Stammbaume der ganzen Gattung.
Wir wissen nur, das fchon die Romer und Griechen be-
sondere Abarten unterfchiebeit, einzelne bevorzugten und
auf ihre Zahl Sorgfalt verwendeten. Die Romer Hatten
Haushunbe, Jagdhunde, unseren Windhunden ahnlich,
und wahrscheinlich auch eine Art von Wachtelhunbeii,
den Canis Tuscus namlich, der, uach ihrer Angabe, aus
Spanien stammte. Ein in Pompeji aufgegrabener Mo-
faik-Fuhboben stellt einen angeketteten Hund (Fig. 280.)
dar, mit der warnenden Unterschrisl Cave Canem. Die
kleinen, spitzigen Ohren und die verlangerte Schnauze
geben diesem Hunde, der im Ganzen einer starten Race
anzugehoren scheint, ein wildes Ansehen. War diese aber
wirklich die grohle und furchtbarste des damaligen Italiens,
so ist es wohl erklarlich, warum die Romer aus dem
fernen Britanlen sich die dort einheimischen grohen Doggen
konimen liehen. 3tt -Aegypten tvar der Hund beliebt,
und einige Racen erhielten nichtallein reltgiose Verehrung,
sondern wurden sogar mummisirt. Man sindet noch jetzi
dergleichen einbalsamirte Korper, namentlich von einem
mittelgrohen, rothen, schlichthaarigen Hunde. Es scheint,
dah man mehrere Racen besessen Hat, tvie die einem
aghptischen Bilde entnommenen Umrisse (Fig. 281. 282.)
betveisen, indeni auf der einen Zeichnung (Fig. 282'.)
eine Kuppel Windhuttde oder Hnhnerhunde erscheinen,
von tvelchen der vordere durch Farbung gattz an Huhtter-
huttde der Gegenwart erinttert. Unverkennbar stellt die
tnit b bezeichnete Figur einen Hauslichen Gunstling, einen
Zimmerhund vor, der durch besonders scharfe Ohren und
zusammengerollten Schwanz sich auszeichnet; ° ist wieder-
um ein Iagdhund, d ein kurzbeiniger, unserem Dachsel
verwandter Hund, der vielleicht atich ein Favorit war, e ist
ein Hofhund, dem unter Fig. 280. abgebildeten altromi-
schen Hunde sehr ahnlich und durch mehr zu;ammenge-
rollten Schwanz unterschieden; f stellt einen Zagdhund
vor, der unter gleicher Gestalt auf vielen Bildern, tind
zwa'r meist in Begleitung von Jagertt, sich wiederholt.
Auf einem anderen Bilde (Fig. 281.) ist eine Ivlche
Gruppe dargestellt, der Jager mit einer erlegten Antilope
beladen. Wie nutzlich und beliebt der Hund bei den
alten Aeghptern gewesen, ergiebt sich aus einer Alenge
unzweideutiger, auf uns gekommener Wandgemalde. Diese
grohe Vorliebe des Herrschenden Voltes fur die Hunde
mag veranlaht haben, dah die bedruckten Jsraeliten dasselbe
Thier als unreines, mit grohtem Abscheu betrachteten,
eine Gesinnung, die noch Heute die Mohamedaner im
entschiedeusten Grade theilen. Andere Ansichten Hegten
gebildetere Volter des Alterthumes. Im Mhthus der
alten Perser spielt der Hund eine bedeutende Rolle, und
noch jetst Halten die Parsen Indiens es fur Heilige Pflicht,
die Herrenlosen Hunde gegen Fremde zu schutzen und zu
ernahren. Zoroaster preist als Jnb^riff aller Vollkom-
menheiten, die am Menschen ttnd Thiere zu findett stud,
den Hund, nach welchem schon im grauett Alterthume
einer der schonsten Sterne benannt tvurde, dessen Anschauen
dem Sterbenden die Gewihheit ewigen Schutzes gegen
das Bose, des endlichen Sieges und der Unsterblichkeit
verleihen soll. In der griechischen Mythologie tritt der
Hund nuf aIs Begleiter der Artemis, in furchtbarerer
Gestalt aber als Gesellschafter der Hekate und als Unge-
heuer, tvelches die Pforten der Unterwelt bewacht. Jhm
seicrteii die Romer besondere Feste, und von seiner Ver-
ehrung finden hi den Glaubenslehren altnordischer Vhlker
sich Spuren, die man bis nach Hochasten, der Wiege
unseres Geschlechtes, verfolgt Hat. Eine so Hohe, Jahr-
Hunderte hindurch fortgesetzte, unter den verschiedensten
Volkern und aber die weitesten Raume verbreitete Wfir-
digung cineS Thieres beweist auf das Ueberzeugendste,
tvie genan seitte vorzfiglichen Eig-nschasten erkannt, wie
Hoch seine unentbehrlicheit Dienste angeschlagen wordett
sind. Und in der That verdient der Hund diese Achtung,
denn durch inwohnenden Trieb zum Menschen Hingezogen,
murhig, scharffinnig, dankbar und die Mfihe der Erziehung
reichlich lohnend, scheint er wie absichtlich flir unser
Geschlecht geschaffen. Mit uneigennfitzigem Gehorsam
theilt er geduldig das Loos seines Gebieters, und so wie
er in der Urzeit den rohen Nomadenvolkern fiber Halbe
Welttheile solgte, so begleitet er noch jetzt jene Coloni-
sten, die, arm an Mitteln und vereinsamt, in fernen Wild-
nissen den kfinftigen Geschlechtern Wohnsitze bereiten.
Von fast gleich hohem Alter mit den Volkern, unter
welchen er lebt, ist er von der Zeit unberfihrt geblieben,
noch immer so aufmerkfam, fo tren und der Erinnerung
fahig, wie eitist des Odysseus' Argos es war, und unter
alten Thieren allein im Stande, aus Schmerz auf feines
Herrn Grabe zu fterben.
2. Der Wolf. (Canis Lupus.) Fig. 283—286. 287. 288 — 292.
Ein von Kraft zeugenber Ban neben einer dfirren,
knochigen Gestalt, ein schlelchender, unentschlossener Gang,
Wildheit, mit Lift und Feigheit gepaart, grimmiger und
doch Heimtfickischer Ausdruck des Gestchts charakterisi-
ren dieses wohlbekannte Raubthier. Mit Ausnahme
der britifchen Jnseln fiber ganz Europa verbreitet, auch
in vielen Gegenden Asiens zu Hans, zieht der Wolf
zum danernden lllufenthaltsorte folche Waldgebirge vor,
wo die geringe Bevolkerung sich in einzelnen Dorfern
und Stadten zufammendrangt und tveite, unbewohnte
Strecken die Ortschaften trennen. Die Pyrenaen, Kar-
paten, Ardennen, die Berge Schwedens und Nortvegens,
Spaniens und Italiens, der Tfirkei und Griechenlands,
aber auch die Ebenen Polens, lliigarns und Ruhlands
sind von iHin vorzugsweis Heimgesuchl. Wo die Bevol-
kerung sich ausbreitet, da ist Hingegen der Wolf entweder
schon seit geraumer Zeit vollig ausgerottet, wie im grohten
Theile von Deutschland, oder er erfcheint hochstens nur
einzeln titid versprengt und entgeht dann selten den ange-
ordneten gemeinschastlichen Derfolgungen. Welche Furcht
die Wolfe in jetten Zeitctt verbreitet haben mussen, wo
sie noch zahlreich unter uns sich aushielten und felbst auf
abgelegene Wohnungen vereinte Angriffe unternahmen,
beweist am besten die Alenge der aberglaubischen, aber
fchauerlichen Sagen, die fiber sie und ihre Verbindung
mit dem Erbfeinde umliefen. Der Lykanthropos der
Griechen, der Wehrwolf der Deutschen, der Loup-garou
der Franzosen sind gespenstige Ungethume, deren Aen-
nung das Volk mit Grausen erffillte, und wolfahuliche
Hfillen entweder der bosen Geifter selbst, oder folcher
boshaster Abtrfinnigen, die mit diefen einen Bund ge-
fchlossen Hatten, 11111 Jammer unter den Alitmenschen zu
verbreiten. Selbst in den Religionen roherer Volker
spielt dieses eben fo bosarlige als scharfsinnige und Hart-
nackige Raubthier eine Rolle. Es war dem Apollo ge-
Heiligt, tritt auf in der Gefchichte des Reniiis und Roinu-
lus, war der Begleiter Oditt's und erfcheint in der
altnordifcheti Mythologie unter dem Namen Fetirir, als
Sinnbilv des Zerstorers, der allein den ttntergang der
Welt und felbst die endliche Vernichtung der Gotter
fiberleben soll. Die Priester Altagyptens, die celtifchen
Druiden und die Blotmannur Scandinaviens nannten
sich Wolfe, und die leisteren Hfiilten sich in Wolfsfelle,
wahrenb sie, den Gefetzen ihres blutbesteckten Glaubens
genugend, Menfchenopfer brachten. Aus den britifchen
Jnseln find Wolfe feit langer Zeit verschwunden, denn
nach 1577, tv 0 sie zum letzten Male als Landplage Schott-
latid heimsuchten, geschieht ihrer kaum noch Erwahnung;
in Irland erhielten sie sich jedoch bis Attfang vorigen
Jahrhunderts. Wie Haufig sie jedoch chedetn dort gewefen
sein mfissen, geht Hervor aus der Bemerkung des englischen
Autiquars Verstegan (1605), dah die Angelsachsen den
Januar Wolfsmonat darum genaunt haben, weil in
diesem Monat die Gefahr, von folchen durch Hunger und
Kalte gepeinigten Raubthieren zerrissen zu tverden, befoit-
ders zuitahm. Jndesfen sind die Angelsachsen zeilig geittig
zum Ausrottungskriege geschritten, der unter Edgar im
10. Jahrhundert beganit und fo ruftig fortgeffihrt Wtirde,
dah nach dem letsten tinter Edward I. erfolgten Aiifgebote
der Bevolkerung keine fpatere nothwendig gewefen zu feiti
scheint. Zum letzten Male fprechen englifche Chroniken
von groheti Schaaren verwfistender Wolfe int Jahre 1281.
Weit geringeren Erfvlg haben die von der Natur des
Landes gehinderten Verfuche der Franzofen gehabt, denn
alljfihrlich hort titan von zerrissenen Menschen und Schaaf-
Heerben, obgleich in jedeitt der vorzugsweis Heimgesuchten
Departements Gestllfchaften zur Vertilgung des Wolfes
(Societés de louveterie) bestehen und die Behorden fur
fedes abgelieferte Thier Prantien auszahlen. Kriege und
Aufhebung der bfirgerlichen Ordnung sind allezeit der
Vermehrung der Wolfe gfinstig gewesen. Am Schlusse
der franzosifchen Revolution wurden in Folge einer anbe-
fohlenen allgemeinen Jagd im Jahre 1797 allein 7351
Stfick erleg1. Zu Ende des dreihigjahrigen Krieges Hatten
sie auch in Deutschland dergestalt fiberhand genommen,
dah im Jahre 1648 int Luneburgischen allein 182 Stfick
getbdtet wurden, tind den Rfickzug der gropen Artitee aus
Ruhland (1812) begleiteten ganze Schaaren von Wolfen
der siberifchen Spielart, von welchen einzelne bis an den
Rheitt gelangten und bort-getfibtet wurbett. In Polen
pub bie Wolfe eben fo haufig als furchtbar. Sie nahmeit
in ber Provinz Pofen, wahrenb ber Trennung berselben
von Preuhen (1807 — 1815), fo zu, bah 1814 allein im
Bezirke von Wongrvwiec brei Erwachsene unb fechzehti
Kinber von ihnen zerrifsen Wtirben. Die preuhische Re-
gieruug bot nach 1815 fogleich alle Mittel auf zur Besei-
tigung biefer Laubplage unb zahlte von 1815 bis mit 1819
nn Schiehgelb fur erlegte Wolfe bie anfehnliche Suinnie
von 4618 Thalern. Die in Pofen neuerbings bemerkte
Zunahme glaubt man „ur burch bie Thatfache erklaren
zu kontten, bah im rufstschen Polen, feit ber letzten Revo-
lution, ber Besitz von Feuergewehr vielen Beschrankungen
unterliegt unb baher jene Raubthiere ziemlich freies Spiel
haben. Wie kfihn unb furchtbar sie felbst im Sommer
sinb, erhellt aus ber traurigen Gefchichte von vier Mab-
chen, bie int Augtist 1837 unfern ihrer Wohnungen itu
Kirchfpiel Briala, Distriet Rawa, von ihnen zerrissen
wtirben. Lloyb erzahlt in feinen bekannten „Jagbfeenen
aus Norbeuropa" tnanche Anekboten vom Wolfe, ber
fibrigens nur, Weitit er in Menten vereint ankommt, ben
einzelnen Reifenden attziigreifen wagt. In Petersburg
felbst horte er von einem glatibwurbigen Manne folgenbe
Gefchichte t Nicht weil von diefer Hauptstabt bemerkte
ein zu Schlitten heimkehrenber Lanbmann, bah er von
elf Wolfen verfolgt werbe, unb trieb, ba fein Gehost
kaum eine kleitte Stunbe entlegen war, fogleich fein Pferb
zum Galopp an. llnerreicht von ben grinlinigen Verfol-
gerit, gelangte er an feine Hofthfire, bie, zufallig gefchlossen,
von beln geangsteten Pferbe aufgefprengt tvurbe. Rafch
folgten iteuii von ben elf Wolfen, aber alsbalb fielen bie
Thorstfigel burch eigenes Gewicht wieber zufammen.
Gefangen wie in ber sicherften Falle unb bie llnmoglich-
keit bes Enlkommens bemerkenb, schienen bie Wolfe mit
einem Male ihr ganzes Naturell abzulegen unb wtirben
nus bliitgierigeii, Halbrafenben Raubthieren 511 verachilich
feigen Geschopfen. Ohne sich an irgenb einen ber Herbei-
gelaufenen Hausbewohner zu ivagen, verkrochen sie sich
in Wintel unb Locher unb liehen sich fa st ohne Wiberstanb
erschlageit. — Int Gouvernement von Lieflanb tuurben
zufolge amtlicher Berichte int Jahre 1822 folgenbe Haus-
thiere von ben Wolfen zerrissen : 1841 Pferbe, 1807 Kfihe,
733 Kalber, 15,182 Schaafe, 726 Laminer, 2545 Ziegeti,
183 junge Ziegeti, 4190 Schweine, 312 Ferkel, 703 Htiitbe,
673 Ganse, 1243 Hfihner. — In Syrien unb Kleinasien
ist ber Wolf Heulzutage felten; bah er bort, in Palastina
unb Aegypten eitist haufig vorgekommen fein muffe, er-
giebt sich theils aus vielen Bibelstellen, theils aus alt-
agyptifchen Bilbwerken (Fig. 298.), bie ihn neben bent
Jagbhunbe unb ber Hyane barstellen.
Nach ntehreren Beobachtungen tvejcht ber Wolf inso-
fern ab von ben verwilberten, ihm aber fonst nahestehen-
beit Htmbett, als er int Sommer ein einfames Leben
ffihrt unb nur bes Nachts auf Raub ausgehi, im Winter
hingegen sich mit anberen zufaiuntenthut unb auch am