Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Hauptunterschied des Königshofes vor dem Bauernhofe. Der
städtische Königshof lag in den während jener Periode öfters
wechselnden Residenzen gewöhnlich an dem einen Ende der
Stadt, wo möglich etwas über derselben erhöht, wenn nicht
wichtigere Verhältnisse, z. B. Sicherheit gegen Überfall u. s. w.
es anders forderten. Zu dem Königshof gehört aufser zahl-
reichen Ökonomiegebäuden immer eine Schlofskapelle, die bis-
weilen aus Stein aufgeführt sein konnte, dann die eigentliche
Königshalle (hirdstofa), wo der König mit seinem Hird (Stab
und Kriegsrath) sich den Tag über aufhielt, die heizbar und
im übrigen völlig wie die Halle des Bauern eingerichtet war,
ferner eine „Skaale“, in der die Hirdmänner schliefen, und
endlich eine Maalstue (Rathszimmer) für die Berathungen
des Hird.
Aber nicht nur der Königshof, auch die Höfe und Häuser
der städtischen Anlagen waren nicht grundsätzlich von denen
des Bauern verschieden und weder von England noch von
Deutschland, sondern hauptsächlich von der Anlage des nor-
wegischen Bauernhauses beeinflufst; nur mufste man in der
Stadt weit ökonomischer mit dem Baugrunde verfahren, wes-
halb die einzelnen Häuser eines „Hofes“ hier dicht an einander
gerückt waren und nur ein einziges Haus der Gruppe mit der
Giebelseite der Strafse zugekehrt lag. Wir müssen übrigens
die Frage von der städtischen Bauweise des Mittelalters hier
ausschliefsen, da sie ein weit gröfseres archäologisches als
bauliches Interesse hat. Die Schilderung der von der Strafse
einwärts gelegenen und langgedehnten Häuserreihen mit einem
schmalen, von offenen Laufgängen (Lauben) in allen Etagen
begrenzten, fast durch die ganze Gebäudegruppe führenden
Hofe zwischen den zwei Hälften des oft von zwei verschiedenen
Besitzern bewohnten Eigenthums, mit Magazinen, Kochhäusern,
Gesellschsftsräumen (Skytningsstue) u. s. w. würde uns zu weit
von unserer eigentlichen Aufgabe entfernen. Das Charakte-
ristische dieser städtischen Bauweise kann man jetzt nur noch
im vorm. deutsch-hanseatischen Comtor, der s. Z. „deutschen
Brücke“ zu Bergen, in einer Nachbildung des 18. Jahrhunderts
studiren. Wir haben die städtische Bauweise nur erwähnt,
um anzudeuten, dafs wir berechtigt sind, das Bauernhaus als
gemeinsamen Typus aller Arten der Wohnhäuser jener Zeit an-
zusehen.
Das Wohnhaus (Stube).
Das eigentliche Wohnhaus (Taf. F, Abbild, i) zeigt sich
überall in Norwegen in denselben feststehenden Hauptformen.
Das Bauernhaus des Mittelalters besteht, so wie wir es aus
mehreren noch erhaltenen Beispielen kennen gelernt haben,
aus einem rechteckigen, oblongen, gewöhnlich einstöckigen
Gebäude mit zwei Giebeln an den kürzeren Seiten, mit einer
durch die volle Höhe und Breite und fast durch die ganze
Länge des Hauses gehenden Halle, nebst zwei neben der einen
Giebelseite liegenden kleinen Zimmern: Flur und Nebenzimmer
sammt einem über diesen gelegenen Firstzimmer. Die Wände
sind aus horizontalliegenden Rundstämmen ohne Bohlenver-
kleidung gefügt. Die aufeinandergelegten Stämme der Wände
sind gewöhnlich nicht horizontal aufeinandergepafst, da zwischen
die Fugenflächen leicht Wasser eindringen und Fäulnifs ver-
ursachen könnte, sondern der obere Stamm hat jeweils an der
Unterseite einen nach oben gehenden Einschnitt erhalten, so
dafs das Regenwasser, indem die runde Oberfläche des unteren
Stammes sich in diesen Einschnitt legt, immer über den unteren
Stamm abfliefsen mufs und nicht in das Holz eindringen kann.
Die Fugen der Wände waren meistens mit Moos oder bei reicher
ausgestatteten Häusern mit wollenem Zeug, vorwiegend von
rother oder blauer Farbe gedichtet. In den Ecken waren
die Stämme kreuzweise überkämmt, so dafs die Enden der
Stämme (Naaver) zu beiden Seiten einige Zoll hervorragten.
(Taf. F, Abbild, i u. 2.)
Lage.
Soweit die Baustelle und die Umgebung des Hauses es
erlaubten, scheint es, als ob demselben mit Vorliebe die Richtung
von Westen nach Osten gegeben wurde, wohl um zu erreichen,
dafs die Sonnenstrahlen, die durch die Dachöffnung in die
Stube fielen, um so länger der langen Wand, wo der Hauptsitz
war, Licht und Wärme spenden konnten. Als bestimmte Regel
darf man diese Lage zwar nicht annehmen, da dieselbe z. B.
am Ufer oder am Abhange des Gebirges natürlich oft eine
andere Richtung erforderte; doch hat man sie gewifs überall
angestrebt, sonst würden wir nicht wiederholt die Hochsitze
des Hauses als Hochsitze der „Nord-“ oder „Südseite“ er-
wähnt finden. Wahrscheinlich hat man auch im Mittelalter
die Benennung „nördlich“ und „südlich“ in derselben Be-
deutung benutzt, in der man in den östlichen Theilen Nor-
wegens von „nördlich“ im Thal und „südlich“ im Thal spricht,
um den oberen und unteren Theil des Thales zu bezeichnen,
selbst wenn dasselbe von W. nach 0. oder umgekehrt läuft.
Es bedeutet also diese Bezeichnung in Norwegen wohl haupt-
sächlich, dafs die Lage der Häuser oft von der Richtung des
Thales abhängig war.
Verhältnisse.
Die Länge des altnorwegischen Hauses war oft im Ver-
hältnifs zur Breite sehr grofs, die Höhe sowohl der Wände
als des Daches dagegen sehr gering. Die gewaltigen Stämme
der norwegischen Wälder erlaubten es, eine verhältnifsmäfsig
recht ansehnliche Höhe aus nur fünf Stämmen zu erhalten.
Diese fünf Stämme scheinen ein gewöhnliches Maafs der
Stubenhöhe gewesen zu sein, da bisweilen sprichwörtlich
davon die Rede ist „bis zur 5. Wand zu springen“; in der
Volkssprache wird jeder Stamm eine „Wand“ genannt. Die
Breite richtete sich nach der Länge der Querbalken und
darf bei einem grofsen Balken wohl auf etwa 25 Fufs veran-
schlagt werden. Wo sich keine Querbalken befanden, konnte
die Stube natürlich breiter gemacht werden.
Grundmauer.
Der Grund unter dem Hause und längs den Wänden
zeigt keine zusammenhängende Grundmauer, sondern nur
Steine, welche dort untergelegt wurden, wo sich zwei Wände
trafen, um hier festen Widerstand zu leisten.
Skot.
Jedenfalls hatte das Haus längs der einen langen Seite,
wo sich die Eingangsthüre befand, also längs der Vorderseite
oder, der Lage entsprechend, der Südseite des Hauses, sowie
längs der einen Giebelseite einen äufseren, mit Wänden aus
Stabwerk oder auch aus Stein oder Erde verschlossenen
und mit einem Pultdach versehenen Laufgang (Skot). Er
diente wohl als Brennholzniederlage und für gewisse häusliche
Arbeiten, die nicht in der Stube selbst verrichtet werden
konnten. An der langen Seite des Hauses setzte das Pultdach
des „Skot“ das Hauptdach unmittelbar fort. An der Giebel-
seite, oder wenn das „Skot“ beide Giebelseiten umgab, an
beiden, legte sich das Pultdach gegen die Wand in der
Höhe der obersten Reihe der Wandstämme, so dafs nur das
ziemlich niedrige Dreieck des Giebels über dasselbe heraus-
schaute. (Taf. F, Abbild. 1 u. 2.)
Dachkonstruktion.
Das Dach bestand, soweit wir es aus noch erhaltenen
Resten kennen, gewöhnlich aus Sparrenwerk, d. h. aus paar-
weise mit dem Giebel parallel laufenden Dachbindern und
Sparren, die auf dem oberen Wandbalken (brünäss, brunos ge-
sprochen) ruhten. Quer über die Sparren wurden horizontale,