Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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fügt hinzu, dafs sie ein herrliches Werk, wenn auch von
Holz ist In der übrigens mit dichterischer Freiheit behandelten
Scene, wo die Gebrüder Sigurd Jerusalemfahrer und Eystein
ihre Grofsthaten vergleichen (Mandjaevningen d. h. der Männer-
vergleich), läfst Snorre (Heimskr. c. 755) Eystein äufsern: „In
Björgvin liefs ich die Halle machen und die Apostelkirche und
eine Treppe zwischen beiden — die nachfolgenden Könige
werden meines Namens wohl gedenken.“ Da er unter seinen
Grofsthaten auch der Treppe zwischen beiden ausdrücklich er-
wähnt, scheint auch diese eine gewisse monumentale Bedeutung
gehabt zu haben.
Ohne Zweifel war es diese Halle des Eysteinsbaues, die
bei der Krönung des Königs Magnus Erlingssons 1164 als
Festhalle benutzt wurde, bei welcher Gelegenheit die Halle
mit Thierfellen und herrlichen Teppichen behangen und „reich
ausstaffirt“ war.
Dafs in der Halle die Rauch-Ofenanlage Olaf Kyrres sich
befand, erfahren wir aus der Saga von König Sverre, wo
erwähnt wird, dafs die Hirdmänner des Königs Magnus (1181),
um sich gegen einen Überfall zu vertheidigen „die Ofensteine
in den Flur hinauswarfen“. .In gleicher Weise dienten bei
einer anderen Gelegenheit 1183 die „Ofensteine“ als Ver-
theidigungsmittel.
Dafs der Flur vor der eigentlichen Halle lag, sehen wir
aus der eben erwähnten Stelle, folglich lag auch eine Kove
oder Kleve wie gewöhnlich neben dem Flur.
Dafs im Königshof damals noch mehr „Herbergen“ aufser
dem grofsen Hause mit der Halle sich befanden, geht aus
einem anderen Bericht hervor, wo erzählt wird, wie ein
betrunkener Krieger „aus der Halle hinaus zwischen dieser und
der Königsstube lief“, und ins Wasser fiel. Dasselbe scheint
aus einem früher erwähnten Bericht zu folgen, in dem es
heifst, dafs die „Gäste“, welche die Hirdmänner überfielen, in
der — nach der Schutzpatronin Björgvins so genannten — „Sun-
nivastube“ bewirthet wurden. Die Gäste hielten sich also jetzt
in einer besonderen Stube und nicht mehr wie früher in
der gemeinsamen Halle auf (wohl der gröfseren Anzahl
wegen).
Die grofse Halle mufs hinter den Bänken, wie sonst wohl
nicht in den Königshallen, wohl aber bisweilen in den
Bauernstuben, gewöhnliche Schlafstellen gehabt haben, da aus-
drücklich erzählt wird, dafs König Magnus Erlingsson bei
dem Überfall Sverres 1183 „mit seinem ganzen Hird und seinem
Gefolge in der Halle schlief“.
Bei dieser Gelegenheit wird auch ein längs der Halle
sich hinziehender Laufgang erwähnt; es geht daraus klar
hervor, dafs das Haus eine zweistöckige Anlage gewesen ist,
sonst wären die „Svalen“ (Laufgänge) ja nicht möglich. Zu
voller Gewifsheit wird es durch das weiter unten Folgende.
Die Laufgänge haben sich wohl nicht nur an der einen,
sondern an beiden Langseiten des Hauses befunden. Es
heifst: „Der König war (Nachts) draufsen in den Laufgängen
gewesen und hörte von der Stadt her den ersten (Kriegs-) Ruf.
Er lief dann die Laufgänge entlang auf die Apostelkirche zu.
Da hörte er den zweiten Ruf draufsen vom Kirchhof her, er
sprang von den Laufgängen auf den Kirchhof hinunter, ein
furchtbar tiefer Sprung“. Der König wollte (mittelst der Treppe
der mit der Königshalle verbundenen Apostelkirche) seine
Zuflucht in der Freistätte des Heiligthums suchen, hat aber
die zu der Treppe führende Thür verschlossen gefunden und,
um den Feinden nicht in die Hände zu fallen, den Sprung
gewagt. Die Laufgänge sind also nicht verkleidet, sondern
offen — mit Brüstung und Bogenstellungen — gewesen, da
der König hinunter springen konnte. Dafs er keinen anderen
Ausgang finden konnte, ohne wieder in die Halle zurück zu
kehren, was ihm gefährlich erschienen haben mag, da er die
Feinde aus der nächsten Nähe rufen hörte, läfst unbedenklich
darauf schliefsen, dafs der Eingang der Halle an dem Lauf-
gang der entgegengesetzten Seite lag, wohin er nicht
unmittelbar gelangen konnte. Hier haben wir uns also die
Haupttreppe längs der Wand und die Eingangsthür sowohl
eines unteren als oberen Stockwerks nebst den entsprechenden
Fluren zu denken — ganz in Übereinstimmung mit dem später
zu beschreibenden und schon oben angedeuteten „Loft“.
Durch alle diese Einzelheiten scheint uns ein dämmerndes
Bild des ganzen Gebäudekomplexes aufzutauchen, das wir
in seinen schwebenden Umrissen festzuhalten versuchen
werden.
Die Königshalle Eysteins ist ein zweistöckiges Gebäude
mit zwei Giebeln gewesen. Das obere Geschofs ragte mit dem
offenen, wohl auf den Balken des Untergeschosses konsolartig
ruhenden Laufgange über das untere Geschofs vor, wodurch
das Gebäude jenen eigenthümlich malerischen Reiz erhielt,
der so vielen norwegischen Gebäuden (d. s. g. „Loft“) anhaftet.
Die Laufgänge, die sich längs den zwei Langseiten des Gebäudes
hinzogen, waren offen und mit Balustraden, Säulchen und
Rundbogen versehen. An der langen Seite ragte das Haupt-
dach auch über den Laufgang hinaus. Der Schmuck der
Treppe des Laufganges durch Säulen und Arkaden hat nichts
Auffallendes, wenn wir uns erinnern, dafs der Königsbau mit
einer Stabkirche in unmittelbarer Verbindung stand, zu deren
Schmuck ein gerade in dieser Weise mit Säulen und Arkaden
versehener Laufgang nothwendig gehörte. Von dem einen Ende
des Laufganges — an der langen Seite des Gebäudes —•
führte die erwähnte Treppe in den entsprechenden Laufgang der
Kirche hinunter. Diese Treppe mufs, wie oben erwähnt, monu-
mental ausgestattet gewesen sein: also wohl ähnliche Arkaden
gehabt haben und bedeckt gewesen sein; denn so konnte sie
auch einen natürlichen, vermittelnden Übergang von dem Laft-
werke der Halle zu dem Stabbau der Kirche bilden. Vor dem
Ende des Gebäudes müssen wir uns als prachtvollen Ab-
schlufs die Stabkirche selbst, die Apostelkirche, mit ihren
Giebeln und Thürmchen denken. Da schon die Nicolaskirche
des Königs Eystein in Nidaros mit herrlichen Schnitzereien
versehen war (vgl. S. 45), so war gewifs die Schlofskapelle
seiner neuen Residenz in dieser Beziehung nicht weniger reich
ausgestattet. An der Seite, welche dem mit der Treppe zur
Kirche versehenen Laufgang gegenüberlag, befanden sich die
Haupteingänge mit Treppe und Flur. Um den Schlofshof herum
lagen dann die anderen „Stuben“ des Königshofes: die Sunniva-
stube, die Königsstube — ein Name, der vielleicht andeutet,
dafs der König eine eigene Privatstube gehabt hat, und andere
Gemächer. Dahinter die Schiffsbrücke, von den Wellen des
Hafens bespült. Das Ganze mufs eine reiche und für jene Zeit
grofsartige Wirkung ausgeübt und wohl verdient haben, Nor-
wegens vornehmste in Holz gebaute Herberge genannt zu werden.
Wenn das von uns entworfene Bild auch nicht ganz der Wirk-
lichkeit entsprechen sollte, so haben wir doch den Thatbestand
fast aller Einzelheiten durch Schriftquellen oder entsprechende
Denkmäler belegt. Die „Herrlichkeit“, welche diesen Königs-
bau so berühmt gemacht hat, mufs ohne Zweifel theils in seiner
aufserordentlichen Gröfse und Ausdehnung, theils in dem
reichen Schmuck durch Schnitzereien und ähnliche Zierrathe
gesucht werden, deren Stil wir uns dem irisch-norwegischen
der gleichzeitigen Stabkirchen zu Urnes und Vaage (vgl. die
Zeichnungen oben S. 48—51) verwandt denken müssen. Durch
Dauerhaftigkeit scheint der Bau sich nicht ausgezeichnet zu
haben, da der Mönch Thjodrek schon um 1180 von der gewifs
noch kaum 70 jährigen Halle schreiben konnte, dafs sie „vor
Alter fast zusammen gefallen war“. Hierzu mögen die allzu
gewaltigen Dimensionen, daneben aber auch Feuchtigkeit und
Kriegsunfalle beigetragen haben. Kurz nachher wurde das
Gebäude gewaltsam vernichtet, indem die Aufruhrpartei der
Bagler 1207 die Königshalle, die Apostelkirche und die übrigen
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