Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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5. Kapitel.
Die Periode der Peisstube. (1600 bis etwa 1770.) Einflufs der holländischen und norddeutschen
Renaissance.
Die Peisstube.
Seit den Tagen Olaf Kyrres hatte — soweit sich die Ver-
hältnisse unserer Beobachtung nicht entziehen — in der Anlage
der norwegischen Bauernstuben keine wesentliche Veränderung
stattgefunden. Bisweilen war wohl im westlichen Norwegen
die Kove verschwunden und die Thür der Halle mitten in
der Zwischenwand zwischen Flur und Halle angelegt worden.
Doch wurde die ursprüngliche mangelhafte Heizung durch den
Rauchofen im westlichen und die noch unvollkommenere und
ältere der Are im östlichen Norwegen mit der unglaublichen
Zähigkeit der Armuth beibehalten, während in den Städten schon
längst Schornsteine seit etwa 1300 und seit etwa 1550 zugleich
Eisenöfen ihren Einzug gehalten hatten. Zu diesem starren Fest-
halten hatte wohl theils die aufserordentliche Vereinsamung der
Fjord- und Thaigegenden, theils auch die wirthschaftliche Lage
des Landes beigetragen, das nach den ungeheuren Blutverlusten
im Mittelalter seine Freiheit und Unabhängigkeit nicht hatte
behaupten können und thatsächlich zu einer dänischen Provinz
herabgesunken war. Vieles von dem, was wir später sich
entwickeln sehen, ist wohl in dieser trüben Zeit des tiefsten
Erlahmens vorbereitet worden; es entzieht sich aber aus
Mangel an verbürgten Nachrichten über diese Periode unserer
Beurtheilung. Wir sehen nur, dafs, sobald das Volle wieder
Kräfte zu sammeln anfing - und das geschah zuerst unter
der wohlwollenden und für Norwegen bedachten Regierung
Christians IV (1588—1648) — sehr schnell eine bedeutende
Entwicklung der bäuerlichen Bauweise sich zeigt. Auch dies-
mal geht die Bewegung von der Art des Heizens aus. Der
springende Punkt war die Aufnahme eines schon seit Jahr-
hunderten in den Städten Norwegens bekannten einfachen
Rauchfangs, der die „Peisstube“ entstehen liefs.
Wie zu erwarten, hat diesmal das östliche Norwegen an
der Spitze der Bewegung gestanden. Denn einmal war das
„Ostland“ am meisten im Rückstande, da es sich nicht einmal
Rauchöfen angeeignet hatte, und mufste daher bei steigender
Kultur in erhöhtem Maafse die Nothwendigkeit einer Verbesse-
rung der Heizkörper fühlen, dann auch berührte die europäi-
sche Kulturströmung, die im Mittelalter, den Weg über England
nehmend, Norwegen traf und zuerst die westlichen Theile be-
einflufste, jetzt nach der Union mit Dänemark von Süden
her zuerst die östlichen Theile des Landes berührte.
Der Peis.
Der „Peis“ (mittelalt. Latein: pisalis; altfranz.: poisle;
neufr.: poêle, poile; altdeutsch: phiesel; plattd. u. holl.: piesel,
peese, pees; schwed.: spis; norw.: speis, peis), gleichzeitig zum
Wärmen, Kochen und Leuchten geeignet — aus letzterem
Grunde im Drontheimischen auch „Lichtofen“ genannt —, ist
eine sehr gemüthliche Einrichtung, die der Stube eine aufser-
ordentlich angenehme Wohnlichkeit verleiht, wenn seine An-
wendung sich auch nicht für das bürgerliche Leben der Grofs-
städte eignet. Ein einzelner Saal, mit Peis versehen, wird
überall, wo gröfsere Verhältnisse und die Entfaltung breiterer
Räumlichkeiten seine Aufstellung erlauben, einen behaglichen
und freundlichen Eindruck machen; besonders natürlich im
Winter, wo das Feuer mit der frei lodernden Flamme für die
Bewohner der liebste Platz ist. Er wird darum häufig in
modernen norwegischen Villenanlagen mit Vortheil benutzt.
Der Peis baut sich aus zwei Mauern auf, die, etwas von der
Wand entfernt, stumpfwinklig gegen die Ecke des Zimmers
hin sich treffen und aus einem niedrigen, etwa 1 Fufs hoch auf-
gemauerten Feuerboden, der gleichfalls mit zwei sich ent-
sprechend stumpfwinklig treffenden Seiten in die Stube springt.
Darüber breitet sich ein mit Ziegelschornstein versehener Rauch-
fang, dessen vorderer Theil horizontal ist oder in niedrigem
Bogen, etwas unter dem obersten Wandstock der Stube
endigend, den Vorsprung überdacht, so dafs der Peis fast in
der ganzen Höhe der oft auch mit flacher Decke versehenen
Stube offen ist. Das Feuer wirft seinen Schein auch durch
die stumpfen Winkel der Seitenwände über die ganze Stube.
Die ganze Anlage ist darauf gerichtet, soviel wie möglich
Wärme und Licht über das ganze Zimmer hinstrahlen zu
lassen. Darum spricht man in Norwegen im Gegensatz zu
dem geschlossenen Ofen gern von dem „offenen Peis“. Eine
niedrige Mauer hinter dem Peis, längs den Wänden, stützt die
ganze Anlage.
Aasdach.
Für die Stube selbst führte die neue Heizanlage zu mehre-
ren wichtigen Änderungen, die wieder andere nach sicli zogen.
Jetzt konnte die Ljore, die durch den Rauchfang ihre Bedeutung
verloren hatte, geschlossen werden; das Dach brauchte somit
nicht mehr aus Sparren, die das Öffnen der Ljore ermöglichten,
zusammengesetzt zu sein; horizontalliegende Dachbalken
(„Aaser“) bilden von nun an die Stützen des Daches. So ent-
stand das „Aasdach“. Ein gewaltiger durchgehender First-
balken — „Mönsaas“ — zog sich von einem zum anderen Giebel
über das ganze Haus hin.
Flache Decke.
Auch konnte jetzt, wenn es auch noch lange nur ausnahms-
weise geschah, über der Stube eine innere, auf den Querbalken
ruhende flache Decke eingelegt werden, so dafs die „Röst-
stuben“ nach und nach verschwanden.
Fenster.
Durch das Verschwinden der Ljore ergab sich die Noth-
wendigkeit, um Licht zu erhalten, die Wände mit Fenstern zu
versehen. Anfangs belegte man diese Öffnungen mit durch-
scheinenden Blasen, bald aber auch mit kleinen Glasscheiben,
deren Fassungen aus Blei oder Zinn bestanden.
Bemalung.
Die Einflüsse der Renaissance, die unter Christian IV. stark
über Norddeutschland und Holland kommend, sich in Dänemark
bemerkbar machten, zeigten sich auch bald in den norwegischen
Bauernstuben in der Ornamentik und Bemalung der Schränke
und inneren Wände, ja in der ganzen inneren Ausstattung
der Peisstube, um später, wie in ganz Europa, in die Formen
und Farben des Rococo und des Klassizismus überzugehen.
Hier spielten nun auch die aufgemalten Inschriften biblischen
und anderen Inhalts eine grofse Rolle, in gleicher Weise die
Anfangsbuchstaben der Namen der Besitzer; auch für die
Forschung sehr nützliche Jahreszahlen kommen nun oft vor.