Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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sehr leicht auf dem Dache des Hauses — besonders im
Winter als Schnee — sammelt und Fäulnifs verursacht, so
ist diese Bauweise in Holz nicht eben praktisch und die
meisten „Barfrö“ sind darum jetzt abgetragen. Es stehen noch
ungefähr acht, bei Koppang, zu Svestad, mehrere zu Trönnes
(drei der Trönnesstuben lassen sich auf die Zeit um 1615, 1618
und 1670 zurückführen), zu Steien und zu Nytröen (Tönset).
Sonst findet man alte Osterdaistuben ohne Barfrö zu Almus,
Kilde, Diset, Lillestue-Koppang, Nesselt, Sätre-
Strand, Lille-Hammeren, Söstumoen, Ophus, Bakken,
Nystumoen, Sundet, nordre Vestgaard, Övergaard,
Nystue-Strand, Lillestue-Strand, Sätre, Stenbakken,
Trylid, Gammelstu-Koppang, Landet, Kroken, At-
neosen und Aakre (in Rendalen): im ganzen wohl etwa
vierzig und keine aus früherer Zeit als um das Jahr 1600.
5. Zweistöckige Anlage.
Die zweistöckige Stubenanlage (nicht mit dem ungeheizten
„Loft“ zu verwechseln) scheint im Jahre 1700 schon bei den
norwegischen Bauern üblich gewesen zu sein. Da man bei
der Anlage des Peises Fensteröffnungen in die Wände ein-
schneiden und die „Ljore“ weglassen darf, so hindert nichts,
über die alte Halle eine flache Decke zu legen und darauf
einen Oberbau zu setzen, der sich früher auf das „Ramloft“
über Kove und Flur hatte beschränken müssen. So entsteht
das zweistöckige Bauernhaus, das in seiner Grundrifsdisposition
noch die alte Anordnung des Hauses beibehält. Der Raum
über der Kove wird als Schlafzimmer, der über der Stube
gelegene, auch „Loft“ oder „Stubenloft“ genannt, als Kleider-
magazin benutzt, anstatt des freiliegenden Lofts oder Bûr’s.
Eine innere Verschalung des Daches des oberen Stockwerks
fand aus Rücksicht auf die Kälte statt. Die geringe Höhe
der jetzt flach gedeckten unteren Stube ward bisweilen, freilich
nur für das Auge, dadurch etwas gehoben, dafs man halbrunde
Deckengewölbe oder Spiegelgewölbe in Holz („Himling“) über
dem Raum herstellte. Längs der vorderen Langseite oder
auch vor die Giebelseite (die ursprüngliche Form des alten
„Skot“ erlaubte ja beides) legte sich nun der offene Laufgang
— jetzt auch untere „Svale“ genannt — und darüber ein
ähnlicher für das obere Stockwerk. Von hier führte die
Treppe aus dem unteren in den oberen Laufgang hinauf.
Sonst behielt man die alte Eintheilung in Stube und Koven
bei. Vor dem Eingang des Laufganges im untern Stock er-
richtete man bisweilen bei geschlossenem Laufgang einen be-
sonderen, vortretenden „Beischlag“. Derartige zweistöckige
Häuser vom Schlüsse des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts
finden sich zu Ögdal (Stift Drontheim), zu Groven (Tele-
marken), Austad (Taf. K, Abbild. 33) und Sorknes (Solör),
Elton (Hedemarken). Im Hause zu Elton zeigt sich zum ersten
Male eine eigenthümliche Bauweise, die wohl nur einigen Be-
zirken des „Ostlandes“ eigen ist: die Wände des Obergeschosses
setzen sich nicht auf den Wänden des Untergeschosses fort,
sondern ruhen auf den über die Wand heraustretenden Balken-
köpfen der Deckedes Untergeschosses wie auf Konsolen. Da-
durch erhalten diese Gebäude eine gewisse Ähnlichkeit mit den
Loften, obschon sie in Wirklichkeit von denselben in der Kon-
struktion ganz verschieden sind, da in diesen Stuben das
hinaustretende Stück des Obergeschosses ein integrirender
Theil des Bauwerks und nicht wie die austretenden Laufgänge
des Lofts nur ein von Stabwerk leicht konstruirter Anbau
des Hauses ist. Dieselbe Bauart kommt in den ältesten Häusern
von Christiania und auch in Oslo vor, und ist nach der Meinung
Nicolaysens in Norwegen nicht älter als die Zeit Christians IV.
(1588—1648; Christiania ist 1624 angelegt). Es dürfte wahr-
scheinlich sein, dafs zu den zweistöckigen Anlagen der nor-
wegischen Bauernhäuser die erste Idee eben diesen Stadt-
häusern entnommen ist. Die Pfarrhöfe und andere Amts-
wohnungen, die auf dem Lande aufgeführt wurden, machten
dergleichen Anlagen bekannt, während sie sich sonst den alten
Bauregeln des Bezirks so weit wie möglich anschlossen.
6. Stube mit Hinterzimmer (Bagstue).
Bisher waren die den Forderungen der Zeit entsprechenden
Erweiterungen der Bauernstube hauptsächlich in der Weise
angeordnet, dafs das Gebäude an Höhe zunahm. Nun fängt
man aber an, den Grundrifs des Gebäudes zu vergröfsern.
Wir haben schon bei Trönnes in Österdalen (Taf. G, Abbild. 16
und Taf. H, Abbild. 17— 20) einen Anbau dieser Art flüchtig
betrachtet. Zuerst müssen wir einer weniger umfangreichen und
beim Volke nicht besonders durchgedrungenen Art der Grund-
rifserweiterung Beachtung schenken. Es scheint im 18. Jahr-
hundert hie und da Sitte gewesen zu sein, die hintere Wand
des Hauses zu durchbrechen, mit einer Thür zu versehen und
dann rechtwinklig zur Längenrichtung des Hauses einen Anbau,
eine sogenannte Hinterstube („Bagstue“) anzulegen (Taf. J, Abbild.
24). Diese Hinterstube wurde ein Aufenthaltsraum für den Haus-
herrn und die Hausfrau, indem mehr und mehr die alte Sitte,
dafs alle Bewohner eines Hauses gemeinsam die Mahlzeiten
einnahmen und gemeinsam in demselben Zimmer arbeiteten, einer
moderneren Auffassung der durch geführten Trennung zwischen
Herrschaft und Dienerschaft, zu weichen anfing. Solche
Hinterstuben finden wir zu Gulsvik (Hallingdal), zu Bjölstad
(Gudbrandsdal), wo sie nur undeutlich hinter dem Hauptge-
bäude sich zeigt, und zu Vik (Kvam in Gudbrandsdal). Auch
bei den Osterdaistuben kommen solche Quergebäude öfters
vor. Dafs die Hinterstuben keine rechte Verbreitung fanden,
beruht wohl darauf, dafs ungefähr gleichzeitig gröfsere und
praktischere Erweiterungen, in denen auch die Hinterstube
Aufnahme fand, jene bescheidenere Anlage nicht aufkommen
liefsen.
7. Neustube (Nystue).
War man erst darauf verfallen, das Haus durch Anbauten
zu erweitern, so lag das Bestreben nahe, die Einzelhäuser des
Gehöfts mit dem Hauptbau möglichst unter ein Dach zu ver-
einen (Taf. H, Abbild. 17, Taf. J, Abbild. 25 und Taf. K, Abbild.
32 u. 33). Man verband das Kochhaus oder das Vorrathshaus
(Loft) mit dem Hauptbau zu einem Gebäude. Die sich aus
diesem Zusammenschlufs ergebende Verschiedenheit der Aus-
führung der Anlage brachte den Beginn der Auflösung des
Typischen der „Stube“. Indessen ist es interessant zu sehen,
wie auch in diesen Erweiterungen sich feste, in den Gewohn-
heiten eines Bezirks fufsende Regeln kundgeben, und wie sie
alle schliefslich doch am Ende auf ein bestimmtes Erweiterungs-
Gesetz zurückgeführt werden können. Behalten wir die alte
Anlage, wie sie in der Peisstube sich ursprünglich findet, vor
Augen: Setstova, Kove und Flur. Es ist selbstverständlich,
dafs auch an der jener Kove gegenüberliegenden Giebelseite
ein ähnlicher Raum sich anbringen liefs. Diese neue Kove, die
sich längs der ganzen Giebelseite erstreckt und sehr schmal
ist, erhält den Namen: „Langkammer“ (norw. wie deutsch) und
dient gewöhnlich als Schlafzimmer. An der Seite der alten
Kove baut man eine Stube an oder bringt vielmehr das früher
vereinzelt stehende „Loft“ mit dem Wohnhause in Verbindung.
So entsteht die „Neustube“, als Ersatz für das alte „Loft“. Der
Laufgang an der vorderen Langseite des Hauses wird längs
der Neustube verlängert und jede Stube erhält einen besonderen
Eingang. Bald aber tritt hierin eine Änderung ein. — Die
alte Kove ist Mittelpunkt des Hauses geworden, besonders
wenn der Neustube eine Langkammer an dem äufsersten Ende
hinzugefügt wird. Sodann wird die alte Kove wieder getheilt,
sofern sie nicht seit Alters getheilt geblieben ist; die vordere
Hälfte bleibt in ihrer alten Verwendung als Flur, so dafs der
Laufgang fortfallen kann. Denn selbst wenn die Anlage zwei-
stöckig ist, kann jetzt die Treppe von dem Laufgang in die