Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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durch die Dekoration selbst erhalten. Die Ecksäulen dagegen
behalten etwas mehr von dem Charakter der mittelalterlichen
Säulen, verwandeln aber bald ihre Form in oft höchst barocker
Weise. Die Giebelornamentik theilt sich in das Schmücken der
Giebelspitze und das der Dachschrägen (Vindski).
Greifen wir, um den Entwicklungsgang dieser Ornamentik
uns vergegenwärtigen zu können, aus der Masse der Häuser
die mit Jahreszahlen versehenen oder sonst in Bezug auf ihr
Alter genauer bestimmten Gebäude heraus, so ergiebt sich
folgendes Resultat: schon die ältesten Gebäude der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts in Saetersdalen, Thelemarken und
Østerdalen zeigen neben einzelnen Resten der mittelalterlichen
Formengebung (Schlingen und ähnl.) zugleich andere von den
einheimisch-mittelalterlichen ganz verschiedene Formen unbe-
dingt modernen fremden Einflusses, die dann durch die folgen-
den Jahrhunderte festgehalten werden, während in anderen
Gegenden, z. B. Numedal, Valdres und Gudbrandsdal, die
Formengebung, wenn auch hier deutlich von dem Fremden
beeinflufst, einen weit innigeren Zusammenhang mit der ein-
heimisch - mittelalterlichen Kunstübung besitzt. Die inneren
Thäler bewahren das alte besser als die mit der Aufsènwelt
in Verbindung tretenden äufseren. Jedenfalls besteht aber überall
eine Wechselbeziehung zwischen dem Althergebrachten und
dem Neuen, Fremden. Dafs die Einflüsse im Östlichen durch
Dänemark und Schweden kommen, ist ebenso selbstverständlich,
wie dafs das hanseatische Bergen aus Deutschland beeinflufst
wird. Wir können aber auch nicht lange darüber im Zweifel
sein, welche fremden Einflüsse sich in den südlichen Gegenden,
in Saetersdalen und Thelemarken, geltend machen, wenn wir
uns erinnern, dafs im 17. Jahrhundert die lebhaftesten Handels-
verbindungen zwischen den Niederlanden und der Südwestküste
Norwegens stattfanden. Wir brauchen weder zu den ausländi-
schen Falkenjägern, die im 16. Jahrhundert Saetersdalen be-
suchten, noch zu den deutschen Bergleuten, die sich zu
derselben Zeit in Thelemarken niederliefsen, noch zu den ein-
gewanderten dänischen Pfarrern unsere Zuflucht zu nehmen:
sondern wir brauchen nur die eine Thatsache festzustellen, dafs
den ungeheuren Massen exportirten Holzes der Import ver-
arbeiteten Holzes das Gleichgewicht hielt, wodurch eine Menge
Motive der holländischen Renaissance dem alten Stamme der
norwegischen Schnitzerei unmittelbar eingeimpft wurden. Die
noch nicht versiegten Massen prachtvoller holländischer Schränke,
die sich in den Küstengegenden Norwegens gefunden haben
und jetzt in Museen und Salons wieder zu Ehren gekommen
sind, zeugen genugsam für die Lebhaftigkeit dieser Verbindun-
gen, die übrigens — besonders in der zweiten Hälfte des ge-
nannten Jahrhunderts, auch die West- und Nordwestküste, Nord-
möre und Fosen umfafst hat, eine Verbindung, deren Lebhaftig-
keit der Umstand bekräftigt, dafs man auf holländischen See-
karten jener Zeit nicht so sehr die Städte Norwegens angeführt
findet, als vielmehr die Namen der Pfarrer, mit denen die
Holländer Holzhandel trieben: „Hr. Mikkel op Hevne“, „Hr.
Christen op Aure“ u. s. w. Es war dieselbe Zeit, die einen
Allaert van Everdingen aus Holland nach Norwegen führte,
und die Kirche von Valle im Sätersdal mit einem Altarbilde
des Federigo Baroccio versah. Die leicht gereizte Lust der
gewandten norwegischen Bauernhände, die empfangenen Formen
selbständig zu behandeln und sie durch Aufimpfung auf die
alten einheimischen Formen umzugestalten, hat sich in allen
Richtungen und natürlich nicht am wenigsten in der Baukunst
bekundet.
Ständer und Beiteski.
Man betrachte uur die „Beiteski“ und andere Ständer, wie
sie sich allmählich entwickeln. Die erste Hauptform ist die
derüberwiegenden Linienornamentik. In dem Loft zu Fekjan\
(Numedal), wahrscheinlich der zweiten Hälfte des 17. Jahrhun-
derts angehörend, ist dieses Glied sehr diskret, mit horizontalen
vertieften Perlschnüren oder wenn man will Zahnschnitten be-
handelt — deutlich ein einfaches Renaissancemuster ausländi-
schen Ursprungs. Gleichzeitig (1671) treten die Ständer des
Laufgangs in der Stube zu Söndre Ödegaard (Thelemarken)
in derselben Weise geschmückt auf und ihnen reihen sich die
Ständer des gleichfalls dem XVII. Jahrhundert angehörenden
Lofts zu Hande (Valdres) an Die Perlschnüre waren also
ein weit verbreitetes, sowohl für die Ständer wie für die Beiteski
angewandtes einfaches Motiv. Später, am Ende des 17. Jahr-
hunderts, in der Stube zu Roland (Thelemarken) sind die
Ständer anders behandelt. Die Perlschnüre sind durch
geflochtene Schnüre ersetzt, jetzt aber drei bestimmten, ge-
gliederten Stellen, der Mitte und den Enden zugewiesen; in den
Zwischenstücken finden wir die breiten, oben und unten ab-
gerundeten Cannelluren der holländischen Schränke mit einer
leichten sich gegen die Mitte erhebenden Profilirung. Die
Gliederung des Ganzen erinnert nunmehr an den Pilaster. — In
der Stube zu Brokke (Sätersdalen) treten gleichzeitig die
alten, von Schlingen mit Blätterenden gebildeten Formen, die
z. B. an der linken Halbsäule des Portals von Senning vor-
kommen, wieder auf, diesmal aber gleichsam verdoppelt, wo-
durch ein den Strickmaschen ähnliches Muster gebildet wird,
das sich später auf andere Gebäude Saeterdalens vererbt hat,
so auf das Loft zu Øse, um 1700 (?) (Taf. K, Abbild. 27 und 28).
Als aus diesen zwei Motiven: den Kanelluren von Roland
und den Strickmaschen von Brokke, die sich jetzt zu Knoten
zusammenziehen, können wir einige Ornamente der Beiteski
des 18. Jahrhunderts zusammengesetzt denken, die gleichzeitig
auf die Ecksäulen übergehen. Sie fanden sich im Loft zu
Selstad aus dem Jahre 1735, im Stabur von Berdal und
dem von Mule (Thelemarken), beide aus dem Jahre 1749. Auch
hier tritt die oben beschriebene Profilirung der kanellirten
Theile auf. In einem der beiden Gebäude von Ose kommt noch
einmal eine Variante des mittelalterlichen Musters von Skjönne
vor, deren Ursprung als Ornament der schrägen Abfasung der
Thürseite wir oben besprochen haben.
Die zweite Hauptform ist die der Blattornamentik. Sie
tritt zum ersten Male in der Stube zu Gaardsjordet (Thele-
marken) auf. Zwar zeigen sich oben und unten die ver-
tieften Perlschnüre auch hier, aber nur als Randorna-
ment, mit einer doppelten Flechtwerkslinie verbunden; da-
gegen ist jetzt die ganze dazwischenliegende Fläche ohne jeg-
liche Gliederung mit einem zusammenhängenden, sehr reichen,
symmetrischen, auf Renaissancemotiven beruhenden, stark stili-
sirten Blattornament ausgefüllt, den sog. Laubsägemotiven nicht
unähnlich (Taf. J, Abbild. 26). Dennoch aber klingt leise eine
alte Melodie durch: die alten rhytmischen romanischen Blatt-
verschlingungen hatten sicli durch eine Berührung mit der
ältesten Frührenaissance in dem Kirchenportal von Hof (oben
S. 94) eine neue symmetrische, elegante Form geschaffen; durch
Berührung mit den Formen der entwickelten Renaissance ist
hier noch einmal ein neuer Ausdruck für denselben Gedanken
gewonnen; die nationalen Eigenthümlichkeiten sind zwar voll-
ständig abgestreift, aber dennoch dringt das alte Formenschema
für das feinere Auge empfindsam durch.
Das Motiv wiederholt sich später in den mehr naturalistisch
aufgefafsten Blattornamenten des prachtvollen Staburs zu
Sandaak (Thelemarken), das dem 18. Jahrhundert angehört,
und kehrt um 1775 noch zweimal, mehr dem ursprünglichen
Motiv ähnlich in den Staburen von Gotuholt und Söftestad
wieder.
Auch in Numedal finden wir die zwei ornamentalen
Hauptformen, aber in etwas veränderter Weise wieder (Taf. L,
Abbild. 38 — 40). Die schon im Mittelalter der kirchlichen
Ornamentik dieses Thales eigenthümliche lockere Behand-