Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Es sei hier bemerkt, dafs sich auch bei den Ecksäulen die
numedalischen Eigenthümlichkeiten bemerkbar machen, wenn
sie auch nicht so kräftig wie bei den Beiteski hervortreten.
Blöcke.
In Numedal und Hallingdal werden bisweilen sogar die
Holzblöcke, auf denen die „Stabure“ ruhen, mit Ornamenten
einfacher Art versehen: theils Perlenschmuck, theils Canelluren
werden hierzu angewandt, so in den Staburen von Gud-
brandsgaard (Hallingdal), Sundre (Hallingdal) und Brosterud
(Numedal).
Giebelspitzen und Dachschrägen.
Der älteste Schmuck der sich kreuzenden Enden der
Dachschrägen, wie er in den Häusern zu Groven, zu Ro-
land, Ose und Gjellerud oder im Loft zu Vindlaus und
im Kochhaus zu Finne (Voss) vorkommt, bestand bisweilen
aus Thierköpfen, Drachen- oder Pferdeköpfen. Sonst werden
die Giebel auch durch eine gewöhnliche geschnitzte Spitze aus-
gezeichnet, wie es die Häuser und Lofte zu Gulsvik, Stärnes,
Stave und Rolstad zeigen. In dem Loft zu Brokke in
Saetersdalen finden wir die Dachschräge selbst mit einem sog.
„laufenden Hund“ geschmückt und im Stabur zu Berdal kommt
längs den Dachschrägen ein Längsornament vor. Weit reicher
tritt jedoch der Schmuck der Giebelspitzen und Dachschrägen
in Gudbrandsdalen auf.
Die ganze Ornamentik, die wir bisher betrachtet haben,
entwickelte sich hauptsächlich in den südlichen Theilen des
Landes, besonders bei den phantasiereichen Bewohnern von
Saetersdalen und Thelemarken, die am längsten die Volkslieder
und Traditionen des Mittelalters bewahrt haben, und auch im
Mittelalter selbst die eigenthümlichsten Beiträge zur norwe-
gischen Holzschnitzerei geliefert haben. Und während bei
dieser lebhaften Bevölkerung die fremdartigen Elemente am
meisten an Gebiet gewannen, lief doch die alte Strömung der
kirchlichen Ornamentik, die die Fläche bedeckende vegetabile
Schlinge, wie ein im Gebüsch verborgener Bach unter der
ganzen Bewegung besonders im Inneren des Landes fort.
Nur ganz sporadisch zeigt sie sich in den Baudenkmälern der
erstgenannten Gegenden, dann aber verstümmelt und ver-
krüppelt, wie in der Stube zu Kveste in Saetersdalen oder zu
Vindlaus in Thelemarken, wenn sie auch in Hausgeräthen
u. dgl. sich ununterbrochen fortpflanzt. Dagegen tritt die alte
Blattornamentik auch als Bauornament in einem anderen Theile
des Landes selbständig auf, nämlich in Gudbrandsdalen und
Opdal (im Drontheimischen), wo die neueren, vom Rococo
beeinflussten verschnörkelten Formen dieser Art den Namen
„Krölleskurd“ („gekräuselte Schnitzereien“) erhalten haben
(Taf. J, Abbild. 23 und Taf. M, Abbild. 47).
Zu Sandbu entwickelt sich die Giebelspitze zu einem
förmlichen Firstakroterion von aufserordentlicher Schönheit,
(Taf. M, Abbild. 46), während die Enden der Dachschräge ein
echtes Beispiel der „Krölleskurd“ darbieten. An einem anderen
Gebäude daselbst steigt die Spitze an drei Seiten profilirt
hoch in die Luft (Taf. J, Abbild. 22), während die Dachschräge
nur ein einziges Blatt am äufsersten Ende entwickelt. Auch
zu Bjölstad hebt sich die Spitze dreiseitig profilirt in durch-
brochener „Krölleskurd“ hoch in die Luft und ist oben durch
ein wetterfahnenähnliches, aber festsitzendes Blatt abgeschlossen,
während ein langgedehntes, reich geschnitztes Blatt die Dach-
schräge beendigt. In Haakenstad kommt dieselbe Ornamentik
vor. Die Blattornamentik dieser Art mit feinen Biegungen
und hervortretendem Gefüge der sich leicht berührenden oder
überschlagenden Blätterenden ist in unserer Zeit das Motiv
geworden, das in den so modern gewordenen norwegischen
Schnitzereien an Messerhandgriffen, Papiermessern, Handschuh-
kasten u. s. w. die Hauptrolle spielt: eigentlich also ein ur-
sprünglich aus altnorwegischen Formen hervorgegangenes, in
die Falten des Rococo verhülltes Motiv.
Schränke.
Wiewohl nicht ein Bestandtheil des eigentlichen Gebäudes,
müssen die feststehenden Schränke und ihre Ornamentik hier
doch ein Wort finden, weil dieselbe in so hohem Grade die
Verbreitung der niederländischen Einflüsse darlegen. Wir
können von Österdalen bis Jaederen eine und dieselbe Orna-
mentik verfolgen: Die Einfassungen von rectangulärer oder
rhomboidischer, bisweilen polygonaler Form, wie sie schon im
16. Jahrhundert eingedrungen sind, halten sich über ganz Nor-
wegen bis über die Mitte des 18. Jahrhunderts hinaus. Von
einer Entwicklung eigenthümlicher Formen ist nicht die Rede.
Kerbschnittmotive.
Endlich müssen die an und in norwegischen Bauern-
häusern oft auftretenden einfachen Kerbschnittmotive erwähnt
werden, die sich seit Ende des 17. Jahrhunderts so oft auf
den Mangelbrettern zeigen und auch in die Bauornamentik
Eingang gefunden haben (Taf. M, Abbild. 44). Diese geo-
metrischen Formen von Rosetten, Sternen u. dgl., die übrigens
sporadisch auch an älteren Gebäuden vorkommen, sind wahr-
scheinlich aus Friesland und anderen norddeutschen Küsten-
strichen herübergeholt, und treten in den Gebäuden besonders
als Rosetten auf, ohne irgend eine Entwicklung zu erhalten.
Wir nennen hier als Beispiele Kerbschnittornamente aus Fek-
jan, Ose, Espetveit und Lykre.
In sämmtlichen vorerwähnten Werken haben wir Arbeiten
norwegischer Bauern zu erkennen; trotz der erwähnten fremden
Einflüsse kann keine nennenswerthe Kunstübung oder Bau-
thätigkeit durch fremde Hände stattgefunden haben.
SCHLUSSWORT.
Es ist vielleicht erlaubt, schon hier auf die im letzten
Theile dieses Werkes ausführlicher behandelte Thatsache hin-
zuweisen, dafs die Ursprünglichkeit und strenge Gesetzmäfsig-
keit der norwegischen Holzbaukunst weit über die Grenzen
Norwegens hinaus Anerkennung und Beifall gefunden hat.
Nicht zum geringsten in Deutschland.
Ob aber wohl in der Zukunft die soeben angefangene
Übertragung des norwegischen Holzbaustils nach Deutschland
irgend eine Bedeutung für die deutsche Baukunst erhalten wird
und worin in diesem Falle jene Bedeutung bestehen sollte, das
mufs die Zukunft uns lehren. Mir sei in dieseçi Augenblick,
wo keine Behauptung in der einen oder anderen Richtung
aufgestellt werden darf, nur ein Vergleich gestattet. Ich
möchte das Verhältnifs der norwegischen Holzbaukunst zur
deutschen mit dem Verhältnifs der nordischen Eddalieder von
Völsungern und Niflungern zu dem deutschen Nibelungenlied
und mit dem Einflufs ersterer auf die jüngste deutsche Musik-
dichtung vergleichen. Die Charaktere und Situationen, die