Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Triforium der Steinbasiliken sich zwischen Säulen öffnet, wird
die Triforienöffnung der Stabkirche durch die liegenden
Andreas - Kreuze, die oben besprochen sind, gebildet, in
beiden jedoch bilden Rundbögen den oberen Abschlufs. Der
wichtigste Unterschied der Triforien ist jedoch der, dafs die
Triforien der Stabkirchen keinen Boden haben, sondern
nach unten zwischen den absteigenden Balken offen sind,
während die Triforien der Steinkirchen mit Boden versehene,
völlig abgeschlossene, nur gegen das Mittelschiff geöffnete
Räume bilden.
Ein bestimmter Unterschied zwischen den romanischen
Steinbasiliken und den Stabkirchen besteht darin, dafs letztere
in der Regel kein Querschiff zwischen Langhaus und Chor
einschieben. Dasselbe findet jedoch auch bei mehreren nor-
wegischen Steinbasiliken romanischen Stiles statt z. B. bei der
Domkirche zu Stavanger und der Marienkirche in Bergen;
dieser Unterschied hängt folglich nicht mit den verschiedenen
Forderungen des Materials, sondern wohl eher mit der gröfseren
Prunklosigkeit des kirchlichen Kultus in Norwegen zusammen,
indem das Querschiff, die Bühne, auf der die pompöse Pracht
der Geistlichkeit dem Volke sich entfaltete, in den kleinen,
ärmlichen Verhältnissen der Bauerngemeinden Norwegens über-
flüssig war. Das Querschiff kommt jedenfalls auch in einigen
Stabkirchen gewisser Gegenden des Landes vor, wie es scheint
jedoch erst in den letzten Jahrhunderten des Mittelalters.
Dafs man öfters nach der Reformation die Stabkirchen durch
Kreuzarme erweitert hat, darf hiermit nicht verwechselt
werden.
Dagegen ist die hervortretende Richtung gegen die
quadratische Grundform hin, welche die Stabkirchen der
ausgeprägten Längenrichtung der Steinbasiliken gegenüber so
deutlich charaktersirt, gewifs durch das Holzmaterial bedingt
und zwar als eine Folge der beschränkten Länge der hori-
zontalen Balken, die ein gewisses Mafs nicht überschreiten
können.
Als Ersatz für die fehlenden Querschiffe erhalten die
Stabkirchen andererseits ein Element, das den Steinkirchen
fehlt, nämlich die Laufgänge. Ganz fremd sind dieselben den
Steinbasiliken aber nicht. Stellt man sich in einem aus Stein
gebauten Kloster mitten in den Klosterhof und blickt gegen
die Klosterkirche, so zeigt uns diese alle die äufseren Theile
der Stabkirche, die Laufgänge nicht ausgenommen, indem
die Seite des Klosterganges, die sich gegen das Seitenschiff
der Klosterkirche legt, ein dem Laufgange der Stabkirche
ganz ähnliches Bauglied mit Balustrade, Säulchen und Arkaden
bildet, über dem sich dann zuerst die Wand und das Dach
des Mittelschiffes und endlich, wenn ein solcher da ist, der
Dachreiter zeigt: ganz wie bei der Stabkirche. Unmöglich
wäre es nicht, dafs das ästhetische Motiv zu den Laufgängen
der Stabkirchen den englischen Klosterkirchen entlehnt ist.
2. Kapitel.
Die Konstruktion der Stabkirchen.
Blockhausbau und Fachwerk. Stabwerk oder „Reiswerk“. Materialien und Geräthe. A. Tragende Glieder:
Rahmen, Schwellen und „Stäbe“. Diele (Begräbnisse unter der Diele). B. Umschliefsende Glieder: Die Wand-
bohlen. Wände des Mittelschiffes mit ihren Säulen Triforium. Knieverband. C. Getragene Glieder: Dach-
stuhl. Dachreiter. Konstruktion des Chors. Apsis. Leprosorien (?). Die Arten (Typen) der Konstruktion.
Gröfse der Stabkirchen. Das Homilienbuch über die Stabkirchen.
Je inniger die Stabkirche in ihrer allgemeinen Anlage an
die Formen der kirchlichen Steinarchitektur und an die be-
stimmenden Ansprüche des kirchlichen Kultus gebunden war,
um so überraschender ist der in diesen Kirchen gewonnene
urthümliche Ausdruck der Konstruktion, die geniale Über-
tragung aus Stein in Holz in einem von vorn herein gegebenen
Stil; die Stabkirchen sind vorzügliche Beispiele der Kunst,
die Stilformen zu schaffen, welche durch die Überführung
der Formen aus einem Stoff in einen anderen entstehen. In
dieser Hinsicht darf man mit Zuversicht von dem Stil dieser
Kirchen als von einem Stabkirchenstil reden.
Um diese eigenartige Lösung einer grofsen stilistischen
Aufgabe zu verstehen, wird es nothwendig sein, die Kon-
struktion der Stabkirchen zu untersuchen.
Bekanntlich giebt es, allgemein genommen, nur zwei
scharf getrennte Arten der Holzkonstruktion: Blockhausbau
(norwegisch: Laftverk) und Fachwerkbau (norwegisch: Bin-
dingsverk).
Der Blockhausbau oder Laftbau entsteht durch Verbindung
der horizontalen, entweder runden oder zugehauenen Stämme,
die durch Einschnitte und Einfällung der rechtwinkligen Ecken
unmittelbar auf einander geschichtet werden und, allmählich
in die Höhe steigend, einen Bau bilden, der sich besonders
durch Dichtigkeit und Wärme auszeichnet und darum in
Norwegen hauptsächlich für Wohnhäuser angewandt wurde,
die dann durch Dichtung mittels Moos oder wollenen Zeuges
gegen die Witterung geschützt wurden und so den praktischen
Forderungen entsprachen, die in einem kalten Lande an die
Wohnhäuser gestellt werden müssen.
Der Fachwerkbau wird durch einen Rahmen von vertikalen
und horizontalen Stämmen oder Balken gebildet, dessen offener
Raum durch an die Balken befestigte flachgehauene oder ge-
sägte Bohlen ausgefüllt wird. (Dafs man Ziegel, Lehm u. a. m.
zur Ausfüllung benutzen kann, bedarf hier, wo wir nur von
reinen Holzbauten sprechen, keiner Berücksichtigung.) Die
ausfüllenden Bohlen können entweder in horizontaler Richtung
an die vertikalen Stämme oder in vertikaler Richtung an die
horizontalen Stämme befestigt werden. In letzterem Falle
nennt man in Norwegen den Bau „Reiswerk“ (von reise = auf-
recht stellen), ein Wort, das in die deutsche technische Sprache
aufgenommen ist. Die Bohlen eines Reiswerkbaues können
wiederum entweder an Stämmen oder Balken angenagelt sein,
oder sie können in eine obere und untere Rinne (Fals) der Stämme
(altnorweg.: Stav) eingelegt und in einander eingespundet sein;
nur in diesem Falle nennt man den Bau Stabbau („Stavbygning“
von Staf, Stav, d. h. Stamm, Stock). Im Mittelalter wurde in
Norwegen der eigentliche Stabbau fast ausschliefslich für kirch-
liche Zwecke benutzt (Stabkirchen, Reiswerkskirchen, norw.
Stavkirker) und nebenbei auch für Scheunen, Heuböden, Boot-
häuser und ähnliche Gebäude, die, ohne der Forderung an
Wärme und Dichtigkeit entsprechen zu müssen, eine grofse
Raumentwickelung entfalten sollen. Eben diese Eigenschaft
des Stabbaus, hochragende Massen entfalten zu können, freierer
Behandlung der ästhetischen Momente des Holzbaues zugäng-
lich zu sein, ist es, die den Stabbau für den kirchlichen
Gebrauch so geeignet machte und eine Konstruktionsweise
hervorrief, die jedenfalls in unserer Zeit nur in Norwegen
bekannt ist.
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