Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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setzbücher immer, wo von Holzkirchen die Rede ist, „Eck-
stäbe“, „Kirchenstäbe“ u. dergl. als selbstverständliche Dinge,
die in allen Holzkirchen sich finden mufsten, nennen, was mit
Nothwendigkeit die Stabkonstruktion voraussetzt, (vergl. Norges
gamle Love I s. 7. 8. [Gulathings Christenret cap. 10, cap. 12]
s. 360 [Aeldre Borgarthings Christenret II cap. 19] s. 416
[Sverres Christenret] II s. 295 [Magnus Lagaböters Borgarthings
Christenret cap. 5] s. 312 [Magnus Lagaböters Gulathings
Christenret cap. 12] u. a. St.).
Endlich leitet Nicolaysen einen, wie es mir scheint, voll-
ständig bindenden Beweis dessen, dafs die Stabkirche die ein-
zige kirchliche Holzkonstruktion Norwegens gewesen sein mufs,
davon ab, dafs das Wort „Stabkirche“ oder ähnl. gar nicht
in der altnorwegischen Sprache vorkommt, während gleich-
zeitig alle bekannten Kirchen jener Zeiten faktisch aus Stab-
werk gebaut sind; natürlich, weil für ein Wort, das
diese Kirchen von anderen Holzkirchen unterscheidet, kein
Bedürfnis da war, so lange alle Holzkirchen eine und dieselbe'
Konstruktion zeigten. Erst als man nach der Reformation
Blockhauskirchen (Laftkirker) und Fachwerkkirchen anderer
Art zu bauen anfing, entstand das Bedürfnis eines besonderen
Namens, wodurch der Unterschied zwischen dem alten und
neuen einen Ausdruck finden konnte. Zuerst sprach man von
„Kirchen mit Stäben und Bohlen dazwischen“ — das Wort
„Stabkirchen“ erinnere ich mich nicht früher als etwa 1665
gesehen zu haben. Dasselbe ist der Fall mit dem Worte
„Rögstue“ (Rauchstube, oder Stube, in welcher kein Schorn-
stein ist, indem der Rauch durch eine Öffnung im Dache
hinausgeht); das Wort kommt in der altnorwegischen
Sprache gar nicht vor, obschon oder vielmehr weil alle Stuben
damals „Rauchstuben“ waren, und bildet sich erst später, um
diese Stuben von den mit Schornstein versehenen unterscheiden
zu können. Wo somit im Mittelalter in Norwegen Holzkirchen
genannt werden, oder wo in späteren Zeiten Holzkirchen unter
solchen Umständen genannt werden, dafs man deutlich sehen
kann, sie seien schon im Mittelalter aufgeführt, da darf man
— auch wenn der Stabkonstruktion keine Erwähnung ge-
schieht — in der Regel behaupten, dafs sie Stabkirchen ge-
wesen sind.
Die nächste Frage wird dann die sein: wie viele Holz-
kirchen, d. h. Stabkirchen, haben überhaupt im mittelalterlichen
Norwegen bestanden? Diese Frage läfst sich natürlich nur an-
näherungsweise beantworten.
Vergleiche der Zahl der jetzigen Kirchenbauten Norwegens
und der des Mittelalters (wie ich sie in meinem „vergleichen-
den Verzeichnis der Kirchenbauten Norwegens im Mittelalter
und in der Jetztzeit, Chra. 1888“ (norwegisch) unternommen
habe) führen zu dem Ergebnifs, dafs man im Mittelalter un-
gefähr 1200 Kirchen (gegen etwas mehr als 1000. in. der Jetzt-
zeit) nachweisen kann, selbst wenn man die Kirchen der später
an Schweden gefallenen Provinzen nicht mitrechnet. Von
diesem Ausgangspunkte dürfen wir folgendermafsen weiter-
schliefsen:
Wir kennen das Material ungefähr der Hälfte jener
1200 Kirchen, und diese 600 vertheilen sich wieder so, dafs
ungefähr die Hälfte Steinkirchen, die andere Hälfte Holzkirchen
sind, somit etwa: 300 jeder Art. Dürften wir nun eine ein-
fache Proportionsrechnung für die uns unbekannte Hälfte an-
wenden, so wäre die Rechnung leicht: sie würde als Resultat
ergeben, dafs von den uns unbekannten 600 Kirchen ungefähr
300 Holzkirchen sein sollen, also im ganzen genommen etwa
600 Stabkirchen. Die Anzahl ist aber gewifs weit gröfser ge-
wesen. Es ist nämlich einleuchtend, dafs ein weit gröfserer
Procentsatz der Steinkirchen als der Holzkirchen uns dem Mate-
riale nach bekannt sein mufs, denn es dürfte sogar der Fall
sein, dafs der allergröfste Theil der Steinkirchen des Mittel-
alters, theils wegen der geringen Feuergefährlichkeit, theils
wegen der soliden Mauern, die selbst nach einem Brande
die Erneuerung der alten Steinkirche erlaubte, entweder als
noch im Gebrauche oder als Ruinen dastehend oder jedenfalls
noch in den Grundmauern auf unsere Zeit überkommen ist,
und dafs fast die ganze Menge völlig verschwundener Kirchen,
die uns nur dem Namen nach bekannt sind, die aber keine
Spur hinterlassen und dem Material nach uns unbekannt sind
(mit Ausnahmen für die städtischen Kirchen) — in der That
Stabkirchen gewesen sind, besonders wenn wir uns des weit
gröfseren Reichthums an Holz als an Bausteinen in Norwegen
erinnern. Dazu kommt noch ein Moment: es ist gewifs weit
häufiger der Fall gewesen, dafs eine Holzkirche von einer
Steinkirche abgelöst worden ist als umgekehrt. In wie hohem
Grade die Stabkirchen häufiger als die Steinkirchen vorge-
kommen sein müssen, geht am deutlichsten aus der schon in
einer anderen Verbindung hervorgehobenen Thatsache hervor,
dafs die altnorwegischen Gesetze und das Homilienbuch nicht
von der Steinkirche, sondern von dem Holzmaterial als Para-
digma des Kirchenbaues ausgehen.
Selbst wenn wir annehmen würden, dafs volle 25 Procent
der Kirchen dem Material nach uns unbekannt, vielleicht Stein-
kirchen gewesen wären, so würde die Anzahl der Stabkirchen
bis auf 750 gehen und in der That bezweifle ich nicht, dafs
sie noch gröfser gewesen ist.
Bei der Schilderung der Vertheilung der Stabkirchen über
ganz Norwegen und bei der näheren Charakterisierung der ver-
schiedenen Landschaftstypen müssen wir im Voraus bemerken,
dafs es sich zeigen wird, dafs die Mehrzahl der Stabkirchen
in den inneren, höher liegenden Thälern („Oplandene“) und in
den inneren Fjordlandschaften sich finden, also in gröfserer
Anzahl in Österdal, Gudbrandsdal, Valdres, Hallingdal, Nume-
dal, Thelemarken und Saetersdal, sowie auch in Hordaland, Sogn,
Sönd- und Nordfjord, Söndmöre, Romsdal und Nordmöre, wäh-
rend sie sich in den flachen niedrigeren Landschaften und
längs der Küste seltener zeigen — so z. B. verhältnismäfsig
selten in Smaalenene, Akershus, Jarlsberg und Larvig, in der
Gegend um Drammen, Hedemarken, Nedenes, Lister und Jäderen,
um Drontheim herum (und in Helgeland?) sowie auch in den
Städten.
Dies ist jedoch ein Schlufs, der nur aus dem gezogen ist,
was wir über die Hälfte der mittelalterlichen Kirchen wissen,
deren Material uns bekannt ist.
Norwegen wird bekanntlich durch eine mitten durch das
Land von Osten nach Westen ziehende Bergkette, Dovre, und
durch eine von der Südwestecke des Dovre, von Norden nach
Süden ziehende Bergkette, die Langfjelde (d. h. die langen
Berge), in drei Theile getheilt, die man das Nordfjeldske
(nördlich von Dovre), das Westfjeldske (westlich von den
Langfjelden) und das Südfjeldske (südlich von Dovre) nennt.
Im nördlichen Theile bemerken wir die lange Küsten-
strecke Helgeland, die Fjordlandschaften um den Drontheim-
fjord, die südlich davon liegenden Thäler: Guldal und Orkedal,
endlich die Küsten und Fjordstrecken Nordmöre, Romsdal und
Söndmöre.
Im westfjeldschen Norwegen ziehen längs den ein-
schneidenden Fjords die mit denselben gleichbenannten Land-
schaften von Norden nach Süden, Nordfjord, Söndfjord, Sogn,
Hardanger (mit Hordaland) und die Gegend um Stavanger
(Ryfylke). Auf der Ostseite des Langfjeld entsprechen eine
Reihe von Thälern den Fjords der Westseite von Nord-Ost
gegen Süd-West: Österdal (dem Drontheimfjord entsprechend),
Gudbrandsdal (dem Romsdalsfjord, Storfjord und Nordfjord ent-
sprechend), Valdres (dem Söndfjord ungefähr entsprechend),
Hallingdal (dem Sognfjord entsprechend), Numedal (dem Har-
dangerfjord entsprechend) und Thelemarken (dem Stavanger-
fjord entsprechend). Die südöstlichen Theile des Landes ver-
theilen sich dann in den Gegenden um den Christianiafjord:
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