Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Diese Sympathie und Bewunderung ist es denn wohl, die ihm,
dem christlichen Ritter, den Platz an den Kirchenthüren und
Kirchenstühlen verschafft hat, da man ihm den Platz am
Hauptaltar nicht verschaffen konnte. Dafs es in jenen Zeiten,
in denen diese Schnitzereien gefertigt wurden, sehr gebräuch-
lich war, auch in gröfseren Privathäusern Schnitzereien mit
denselben und ähnlichen Motiven anzubringen, wird unten,
wo von dem Alter dieser Schnitzereien gesprochen werden
soll, gezeigt werden.
So haben denn die Priester in wohl verstandenem Interesse
der Kirche das weitere Zusammenleben mit den alten im
Volke eingewurzelten Vorstellungen erlaubt und erlauben
können; mufs doch daran erinnert werden, dafs der altchrist-
lichen Symbolik gemäfs das Portal und die Westseite der Kirche
nicht nur der Darstellung des Dämonischen sondern überhaupt
denen des weltlichen Wesens überlassen war, das man beim
Eintreten in die Kirchen draufsen vor der Thür lassen sollte.
Darum finden sich ja oft auf den Kirchenfaçaden Darstellungen
der Jagd, der Liebe, des Krieges und anderer Gegenstände
der weltlichen Lust mit satyrischen und dämonischen Schilde-
rungen vermischt (vergl. instar omnium die Façade der Kirche
St. Pietro bei Spoleto). Es hindert somit die Priester nichts,
diese Darstellungen zu erlauben. Im Gegentheil: wir werden
in der ältesten christlichen Kunst fast aller Länder ähnliche
Assimilationen mit den übernommenen heidnischen Vorstellun-
gen finden, Darstellungen, die keinen anderen Sinn haben
können, als Anklänge an die alten heidnischen, jetzt über-
wundenen Zustände zu erwecken. Selbstverständlich meine ich
also hier nicht Darstellungen wie die des Orpheus, des Odysseus
u. s. w. als Christus mit untergelegter symbolischer Bedeutung in
den Katakomben. Was man von dem geflügelten Centauren in
der jetzt verschwundenen Kirche San Andrea di Barbara in
Rom denken soll, ist schon zweifelhaft. Aber um nur eine
solche Gruppe zu nennen, die ohne kirchliche Bedeutung häufig
vorkommt: Romulus und Remus die Wölfin säugend; diese
Gruppe kommt am Diptychon der Agiltrude im 9. Jahr-
hundert mit Sol, Luna und Christus am Kreuze vor, sie steht
im Kreuzgang der Domkirche zu Brandenburg, am Giebel des
Kapellenthurmes zu Rottweil (1380) und an den Thüren der
Peterskirche von Rom (von Ant. Filarete 1439). Von Kirchen-
stühlen hören wir öfters, dafs sie, wie jene in der Kirche
Hitterdal, mit heidnischen Bildern, gewifs ohne jede tiefere
symbolische Bedeutung, geschmückt waren; wissen wir doch
selbst von der Kathedra Petri in der Peterskirche zu Rom,
dafs sie eine Darstellung, der zwölf Arbeiten des Herakles ent-
hält. Dieselbe ist nun freilich antike Arbeit; nichts ist über-
Haupt gewöhnlicher, als heidnische, von den Heiden selbst
nachgelassene Arbeiten in den christlichen Kirchen zu be-
wahren, wie die Taufschale im Dome von Salerno (um nur ein
Beispiel zu nennen) die heidnische Götterbilder enthält. Selbst
die Geschichte jener irischen Mönche, deren Baukunst auf
unsere Stabkirchen einen so tiefen Einflufs gehabt hat, be-
wahrt uns ein merkwürdiges Beispiel der Anwesenheit heid-
nischer Götterbilder in ihren Kirchen. In einer der heiligen
Aurelia geweihten Kirche zu Bregenz am Bodensee fanden
sich, so erzählt uns die Geschichte des heiligen Gallus um das
Jahr 600, drei eingemauerte vergoldete Broncebilder. Diese
Bilder hatten dazu beigetragen, dafs das Volk in die Abgötterei
zurückgefallen war; den Altardienst verlassend, betete es nur
die Bilder an und pflegte nach vollendetem Opferdienste zu
sagen: „das sind die alten Götter und Beschützer unserer Hei-
math, durch deren Hilfe wir und die unsern bis auf diesen Tag
erhalten worden sind.“ (Piper.) Dies müssen selbstverständlich
alte, entweder germanische oder römische Götterbilder gewesen
sein, die in die Kirchenmauer eingesetzt waren, entweder um
den Gegensatz zwischen dem alten überwundenen und dem
neuen siegreichen Glauben auszudrücken, oder vielleicht aus
Entgegenkommen, ad modum der Gewohnheit, die Festtage
der Kirche auf die älteren heidnischen Festtage zu verlegen
und Kirchen auf der Stelle der alten Tempel zu bauen, um
das Volk durch die alte Gewohnheit, die Tempel zu gewissen
Zeiten und an gewissen Orten zu suchen, nach der Kirche zu
ziehen. Der altchristlichen Auffassung gemäfs gab es somit
nichts, was derartige Darstellungen hätte hindern können:
den Priestern waren diese Bilder die Zeichen der jetzt über-
wundenen heidnischen Mächte, den Bauern waren sie liebe alte
freunde, die vielleicht nicht wenig dazu beitragen mochten,
die anfangs nur wieder ihren Willen zum Christenthum über-
getretenen Neophyten und ihre Nachkommen mit dem neuen
Glauben zu versöhnen.
Dagegen ist es wohl möglich, dafs in späteren Zeiten von
selten der Priester eine symbolische Bedeutung in diese Bilder
hineingelegt worden ist, dafs Gunnar in der Schlangen-
grube der von der alten Schlange, der Sünde, gequälte Mensch
wurde, der durch die Harfenklänge der weltlichen Freude
ich zu trösten und den peinigenden Wurm des Gewissens
einzuschläfern sucht, während die alte Schlange dennoch seinen
geistigen Tod verursacht; dafs Sigurd, den Fafner tödtend, in
den den alten Drachen tödtenden Christus verwandelt wird.
Sicher ist in der That, dafs Pfarrer der letzten Jahrhunderte
öfters die ihnen unverständlichen Bilder in ihrer Weise erklärt
und besonders den Sigurd auf St. Michael oder St. Georg
gedeutet haben; mit der ursprünglichen Bedeutung der Bilder
hat das aber sebstverständlich nichts zu thun.