Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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ZWEITES BUCH.
VORGESCHICHTE DER STABKIRCHEN.
i. Kapitel.
Ursprung der Stabkirchen.
Byzantinisch oder occidental? Irische und angelsächische Kirchen. Opus Scoticum. Die Kirche von Greenstead.
Die erste Frage, die in einer Darstellung der Entwickelungs-
geschichte der Stabkirchen erledigt werden mufs, ist natürlich
die nach dem Ursprung dieser Bauwerke. Bei welchen Natio-
nen, die mit den Norwegern in Berührung gewesen und von
denen ihre Kultur beeinflufst gewesen ist, kommen ähnliche
Kirchenbauten vor? Erst wenn diese Frage beantwortet ist,
darf die nächste aufgeworfen werden: wie sind diese Kirchen
in Norwegen selbst entstanden, was verdanken die Konstruktion
und die Ornamentik der norwegischen Kirchen äufseren Ein-
flüssen und was darf als norwegische Originalerfindung an-
gesehen werden?
Es ist zu verschiedenen Zeiten die Meinung ausgesprochen
worden, dafs die norwegischen Stabkirchen, sowohl der Kon-
struktion wie der Ornamentik nach, ihren Ursprung ähnlichen
Holzkirchen in den Ländern verdanken, durch welche die ersten
Einwanderungen in das Land stattgefunden haben, indem man
zwei wichtige Fakta mit einander verband und zwar
erstens, dafs die Verbindungen mit diesen Ländern bis
tief in die geschichtliche christliche Zeit aufrecht erhalten
worden waren — Olaf Tryggvesson, Olaf der Heilige, Harald
Haardraade hielten sich ja lange in den östlichen Ländern der
Wenden und Russen auf — und zweitens, dafs mittelalterliche
Holzkirchen in gröfserer Menge eben nur bei diesen zwei Völ-
kern, in Russland und in den von westslavischen, hauptsächlich
wendischen Völkern bewohnten Gegenden der nördlichen und
westlichen Teile Ungarns, durch Mähren, Böhmen, die Lausitz
bis Pommern hinunter erhalten sind, während sie sich in den übri-
gen europäischen Ländern fast gar nicht finden. Der um die
Erhaltung der norwegischen Denkmäler hochverdiente Norweger
J. C. Dahl, der Herausgeber der „Denkmale einer sehr aus-
gebildeten Holzbaukunst in den inneren Landschaften Norwegens“
(Dresden 1837), der aber, obschon ihm das hohe Verdienst, das
Studium angeregt zu haben, immer bleibt, selbst die Sache
nur oberflächlich studiert hatte, weil eben die Zeit für dergleichen
Studien noch nicht reif war, dann der deutsche Minutoli in
seinem „Dom zu Drontheim“, wo er auch den Holzkirchen
einige Studien widmet, aber Stabkirchen und völlig kunstlose
neuere Blockhauskirchen schonungslos zusammenwirft und
darum eine heillose Verwirrung angestiftet hat, — Dahl und
Minutoli neigten beide zu der Meinung, dafs byzantinische, von
Osten herkommende Einflüsse die Stabkirchen hervorgebracht
haben. Um dieser Meinung ohne Unterlage einmal bestimmt
entgegentreten zu können, veröffentlichte der Verfasser
schon 1885 in der „Nordischen Zeitschrift des Letter-
stedtschen Vereins“ die Resultate einer Reise von Moskwa bis
London, auf der er die ganze Reihe jener Kirchen ihren Haupt-
beispielen nach untersucht hatte, und die Ansichten Dahls und
Minutolis völlig verwerfen, dagegen der zuerst von dem norwegi-
schen Archäologen N. Nicolaysen ausgesprochenen Meinung,
dafs diese Kirchen ihre nächsten Vorbilder auf den britischen
Inseln zu suchen haben, beitreten zu müssen glaubte. Diese
Untersuchung: „Die Holzkirchen des Mittelalters“, ist in die
norwegische Ausgabe dieses Werkes aufgenommen; die nega-
tiven Ergebnisse derselben haben aber für deutsche Leser, die
hier ja wesentlich nur Auskunft über die norwegischen Kirchen
selbst suchen, zu wenig Interesse, um hier wiederholt zu werden.
Ich beschränke mich daher hier, indem ich auf die norwegische
Ausgabe hinweise, auf die kurze Erklärung: zwischen den
russischen, ungarischen, mährischen und schlesischen Holz-
kirchen einerseits und den norwegischen andererseits besteht
keine Verbindung, geschweige denn ein Abstammungsverhältnifs,
was deutlich genug ans den zwei Thatsachen hervorleuchtet,
dafs jene Kirchen des Kontinents erstens mit einer einzigen aus
Deutschland beeinflufsten Ausnahme sämmtlich Blockhauskir-
chen sind, während die norwegischen Kirchen Stabkirchen sind;
zweitens ohne Ausnahme alle jünger als die ältesten norwegischen
Stabkirchen sind. Die Länder, die das Christenthum durch die
oströmische Kirche erhalten haben, bauen alle im Blockverband,
die Länder, die aus Rom bekehrt sind, bauen im Tachwerks-
verband, sowie ja schon Vitruv sagt, dafs der Occident (Gallier,
Spanier und Lusitanier) im Fachwerkbau, der Orient (die
Kolchier) aber im Blockverband erfahren ist. Demnach ist jede
Verbindung zwischen den norwegischen Stabkirchen und dem
Osten Europas abzuweisen. Dagegen zeugt alles dafür, dafs
Norwegen die Grundelemente jener Stabkirchen aus denselben
Ländern, aus denen es das Christenthum empfing, also von den
britischen Inseln erhielt, was ja schon an und für sich natürlich
scheint. Um diese Thatsache zu erhärten, müssen wir hier die
positiven Resultate jener Untersuchung in möglichster Kürze
mittheilen, indem wir jedoch zuerst eine vorläufige Bemerkung
über die deutschen mittelalterlichen Fachwerkkirchen und ihr
muthmafsliches Verhältnifs zu den norwegischen einschieben.
Da Bremen wenigstens dem Namen nach im ersten halben
Jahrhundert nach der Bekehrung Norwegens die erzbischöf-
liche Gewalt über Norwegen besafs, könnte vermuthet werden,
dafs vielleicht von Deutschland einige Einflüsse auf die Bau-
kunst stattgehabt haben. Deutschland hat ja, im Gegensatz zu
den östlichen Gegenden, wirkliche Fachwerkkirchen gehabt: in
Mähren steht die oben als Ausnahme angeführte Kirche zu
Nesselsdorf, in Böhmen die Kirche „Maria unter den Linden“
in Braunau, und in Mühlhausen (in Thüringen) stand bis 1846
die Jodocuskapelle, alle waren Fachwerkbauten. In keiner von
diesen Kirchen ist indessen eine Spur der eigenthümlichen
Stabkonstruktion zu finden. Die Bretter sind an die Balken