Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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waren mit Erde, Mörtel und ähnlichem Füllwerk ausgefüllt“.
Hier begegnet uns zum ersten Male eine Konstruktion, die
wir später in einer noch bestehenden angelsächsischen Kirche
wiederfinden werden. Es heifst weiter, die Kirche habe nur
ein Fenster im Giebel gehabt, „doch war die Kirche nicht so
grofs und kostbar wie die jetzige; in der Vorzeit machte man
nämlich die Kirchen fast ganz von Holz.“ (Schadaeus cfr.
Stieglitz, Geschichte der Baukunst, S. 471, Königshoven, „Code
historique et diplomatique de la ville de Strafsbourg“, 1843.
Grandidier „Essays,“ S. 6.) Endlich erzählt uns ein französischer
Verfasser (Pierre Victor, Rapport sur d’anciennes constructions en
bois sculpté dans la Norvège, S. 11), dafs diese Kirche mit
Stroh bedeckt war, einen Ostchor hatte und dreischiffig war.
Diese letzte Angabe dürfte doch vielleicht auf einer irrigen
Auffassung des Ausdruckes „Basilika“ beruhen, die im Mittel-
alter einfach eine Hauptkirche bedeutet. Übrigens erinnert die
Schilderung in mancher Hinsicht an die Schilderungen der
irischen Kirchen.
Der Übergang vom 6. zum 7. Jahrhundert ist in der Ge-
schichte durch das erhabene Werk Gregors des Grofsen, durch
die Bekehrung der Angelsachsen bezeichnet. In den neuen
angelsächsischen Kirchen hören wir wiederum von dem „Opus
Scoticum“. Die Holzkirche in Lindisfarne wurde 652 (?) von
Bischof Firmian (Finan) erbaut, und Beda erzählt davon: „Fecit
ecclesiam episcopali sedi congruam. quam tarnen more Scotorum
non de lapide, sed de robore secto totam composuit et harundine
texit.“ (Beda, hist. eccl. III, 25) (in irischer Weise nicht von
Stein, sondern von geschnittenem Eichenholz erbaut und mit
Schilfrohr bedeckt). Die Angelsachsen müssen viele Holz-
kirchen gehabt haben, denn es heifst 974, dafs König Edgar
„viele Holzkirchen, die durcir Holzwürmer gelitten hatten,
wiederherstellte“; wahrscheinlich waren sie more Scotorum
gebaut. Kanut der Mächtige unterschrieb ein Dokunrent „in
lignca basilica“ zu Glastonbury (Wilh, von Malmesbury, S. 316,
Dugdale, Monasticon I, S. 1). Dieselbe irische Bauweise ist
gewifs gemeint, wenn es heifst, dafs St. Kertigern im 6. Jahr-
hundert eine Holzkirche in Wales „more Britonum, quum de
lapide nondum construere poterant, nec usum habebant“ (Pin-
kerton V. V. S. S. Scotiae V. St. Kentigern, S. 248). Und am Ende
desselben Jahrhunderts baute der hl. Gwynllyws seine Kapelle
auf einem Kirchhof „tabulis et virgis“, von Planken und
Zweigen. (Rees W. J. vita S. Gundleii, S. 148.)
Da somit irische Missionäre in dieser irischen Weise so-
wohl in Irland wie bei den Angelsachsen bauten, ehe der Stein-
bau in diesen Ländern aufgekommen war, so zeigt sich
deutlich, dafs als das „Opus Scoticum“, die allerursprünglichste
einheimische kirchliche Bauart auf den britischen Inseln sowohl
bei Iren wie bei Schotten, Briten und Angelsachsen zu ver-
stehen ist.
Was ist aber „Opus Scoticum“? — Es wird im
Mittelalter Englands deutlich zwischen „Ritus Romanus“,
„Ritus Gallicanus“ und „Mos Scotorum“ unterschieden,
von denen die zwei ersteren Ausdrücke deutlich fremde, ein-
geführte Steinbauarten, der letzte aber die nationale Art des
Holzbaues bezeichnet. Dies zeigt sich am deutlichsten aus den
Worten der Iren bei Anlafs der Errichtung der Malachiaskapelle
in Bankor. Sie sagten nämlich, auf die theure und fremdartige
französische Bauweise anspielend: „Wir sind Iren und nicht
Gallier.“
Was man unter „Ritus Gallicanus“, wohl auch „Opus Fran-
cigenum“ genannt, verstanden, erfahren wir bei Gelegenheit
der Errichtung der Numantiuskirche in Clermont 632. (Mabillon
anal. I. S. 328): „Sein Klosterbau war einzig (in seiner Art).
Er liefs eine Basilica aufführen nicht nach französischer Weise
mit kleinen und nicht zugehauenen Steinen, sondern mit
behauenen Quadersteinen, und gab ihr eine doppelte Säulenreihe.“
Bauten von kleinen, nicht zugehauenen, gewifs durch Mörtel
I verbundenen Steinen, wahrscheinlich die in Norwegen sog.
doppelten „Kistenmauern“, die in fast allen unseren steinernen
Dorfkirchen angewandt sind, waren also dem „Ritus Galli-
canus“ gemäfs gebaut; im Gegensatz zu diesen war die be-
rühmte Klosterkirche des Benedictus, Bischof zu Weremouth,
aus Quadersteinen und in Basilicaform „in römischer Weise“ aus-
geführt, was ganz natürlich den Namen „Ritus Romanus“ er-
hielt, weil der Quaderbau von den Römern herstammte. Im Gegen-
satz zu diesen beiden wird nun „Mos Scotorum“ als eine Holz-
baukunst von einheimischem d. h. irischem Ursprung ange-
sehen, deren Eigenthümlichkeiten wir nun zu untersuchen haben
In der „Zeitschrift für Deutsches Alterthum“ XXXV S. 101
theilt Prof. Zimmer die Übersetzung eines irischen Gedichts
j mit, in welchem folgende Zeilen vorkommen: „Rumund Mac
Colmain (f c. 746) — machte dies Gedicht — dies ist aber der
Grund, warum er es machte: Er kam nämlich auf einer Pilger-
schaft nach Rathan in der Zeit einer grofsen Hungersnoth. Es
gefiel den Leuten deshalb um so weniger sein Besuch der Stadt,
! und sie sagten zu dem Künstler, welcher beim Bauen des Ora-
toriums beschäftigt war, den Mann der Dichtkunst abzuweisen,
und da sagte der Architekt zu einem Mann seiner Umgebung
(einem seiner Gehilfen): Gehe dem Rumund entgegen und sage
ihm, er solle nicht zur Stadt kommen, bis er nicht eine Strophe
gemacht, in der die Zahl der Bretter angegeben werde, die
sich da befand für das Oratorium; und da machte er folgende
Strophe: „O mein Herr Gott! was soll ich thun in Bezug auf
dies grofse Material? Wann werden diese tausend Bretter ein
Gebäude unter festem Schema (?Dach?) bilden? Dies befand
sich von Brettern dort, nämlich tausend Bretter, und nicht
konnte man ihn darauf abweisen, da Gott ihm durch seine
dichterische Inspiration die Zahl der Bretter bei dem Archi-
tekten offenbart hat.“
Dies Gedicht ist durch ein einziges Wort, das eben seiner
Ungewöhnlichkeit halber dem Übersetzer einigen Zweifel ein-
geflöfst zu haben scheint, merkwürdig. Prof. Zimmer scheint
den Ausdruck, dafs die Bretter „unter festem Schema ein Ge-
bäude bilden“ nicht völlig verstanden zu haben, setzt daher
ein Fragezeichen nach Schema und schlägt eine ihm als deut-
licher erscheinende Übersetzung „unter festem Dach“ anstatt
unter festem Schema vor. Gewifs hat Prof. Zimmer mit seinem
„festen Schema“ das richtige getroffen, insofern ein Rahmen
mit eingefügten Bohlen ja ein „festes Schema“ genannt
werden kann. Vielleicht — ich weifs es nicht — liefse sich so-
gar das durch „Schema“ ausgedrückte Wort mit „Rahmen“ über-
setzen? Dann hätten wir die Bauweise des „Opus Scoticum“
genau ausgedrückt, denn wie wir gleich sehen werden, spielten
die in einem festen Rahmen eingefügten Bretter die Hauptrolle
in der irischen Bauweise.
Ist denn kein einziges Bauwerk unserer Zeit erhalten worden,
aus dem wir das Wesen des „Opus Scoticum“ kennen lernen
können? Doch, aber nur ein einziges. 23 Meilen östlich von
London liegt die kleine merkwürdige Kirche zu Green-
stead, die einzig übrig gebliebene angelsächsische Holzkirche.
Die müssen wir besuchen, um das „Opus Scoticum“ näher
kennen zu lernen; wir werden dann auch den festen Rahmen
oder das feste Schema Prof. Zimmers verstehen lernen.
Mehrere deutsche Verfasser haben diese Kirche nach
englischen Quellen beschrieben, aber ohne sie gesehen zu
haben, und haben sich darum aucli ganz falsche Vorstellungen
von der Bauart derselben gebildet. Schon Dahl in seinem
oben genannten „Denkmale“ spricht von „mehreren (?) englischen
Kirchen aus Eichenholz“, die aber nach seiner Versicherung
mit den norwegischen Stabkirchen nichts Gemeinsames haben.
Schnaase schreibt (Gesch. d. b. K. IV, 2. S. 575, 2. Aufl.,
S. 381, I. Aufl.): „wie diese Holzbauten beschaffen gewesen, ist
uns nicht näher bekannt; indessen zeigt die einzige erhaltene
Holzkirche, welche man in England aufgefunden hat, wenigstens