Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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ist nun der entwickelte Schiffsbau eine solche für die nor-
wegische Vikingerzeit (c. 750—1050) nicht aber für die Angel-
sachsen eigenthümliche Bauart. Sollte in durchgreifender
Weise der Einflufs des Schiffbaues der Vikingerzeit auf den
Kirchenbau Norwegens nachgewiesen werden können, so
würde der einheimisch-norwegische Ursprung der entsprechenden
Formen im Kirchenbau als im höchsten Grade wahrscheinlich
dargelegt sein.
Dafs im Allgemeinen der Schiffsbau den profanen Hausbau
der Norweger beeinflufst hat, davon legt schon die Sprache
ein Zeugnifs von grofsem Gewicht ab. Die alten Norweger
sprachen von dem „Steven“ der Häuser sowohl wie von dem
der Schiffe, beide hatten ihre „brandar“ und der Quer-
balken der Kirche theilte den Namen „biti“ mit dem unter den
Sitzen des Bootes hinlaufenden Spannriegel (der Spliefse). Nicht
nur wurden die Schiffsschnäbel, wie wir oben gesehen haben,
bisweilen auf Kirchen aufgestellt, sondern auch auf das Haus
wurden die ,,brandar“ des Schiffes überführt, wie wir aus
Grettis saga c. 38 erfahren: „en brandana af knerrinum let han
setja yfir utidyr sinar“ („er liefs den Gallionschmuck seiner
Schiffe über seiner Hausthür aufstellen“).
Der junge schwedische Forscher J. Bruun, der in seiner
Abhandlung für den philosophischen Doktorgrad „Norges
Stafkyrkor“ sich meiner Ansicht angeschlossen hat, erinnert
auch daran, dafs die „parketähnliche“ (der Ausdruck ist meiner
Arbeit entnommen) Art, in der die Diele der Kirche be-
handelt wurde, vollständig mit der Art und Weise stimmt, in
der die Planken des Verdecks der Schiffe eingelegt werden.
Die Art, wie man die Säulen der Kirchen durch ein
eigenthümliches Zapfenprofil in die Zapfenlöcher hinein-
gleiten liefs, indem man die Säulen aufrichtete, erinnert
durch die ähnliche Profilirung, meint Bruun, vollständig an die
Art, wie der Schiffsmast aufgerichtet wird, ist also ebenfalls
dem Schiffsbau entlehnt. Auch zeugt es wohl von mehr als
einem blofsen Zufall, wenn wir finden, dafs die Instrumente
der Vorzeit und Jetztzeit dieselben Formen haben, und dafs
dasselbe Leistenprofil noch heutzutage in den Fischerböten
der norwegischen Fjordbewohner nachgewiesen werden kann,
das sich durchgehends längs den Leisten der alten Stabkirchen
hinzieht.
Schon der geniale Gottfried Semper hat in seinem
Werke „der Stil“ den springenden Punkt hier richtig erkannt,
indem er an die Schiffskonstruktion als an etwas dem Dachwerk
der Stabkirchen analoges erinnert. Er benutzt — Nicolaysen,
mit dem ich mich fortwährend in Widersprucli befinde, meint
„wenig glücklich“, ich meine im Gegentheil sehr glücklich den
Namen „Kielbogen“ für den wichtigen Knieverband, der die
oberen Theile der Untersparren und den Spannriegel verbindet
und der in gewissen Kirchen auf einen bogenförmigen Einschnitt
in die Unterseite der Untersparren und des Querbalkens be-
schränkt worden ist, wo somit eine ursprünglich konstruktive
Form in eine ästhetische übergegangen ist.*)
Glücklich scheint mir der Name „Kielbogen“, weil dieser
Bogen im Dachwerk zwischen den Sparren genau dieselbe
Rolle spielt, wie das „Spant“ (der Kielbogen) im Boote, während
die Querbalken im unteren Iheile des Dachstuhls ganz dieselbe
Funktion haben, wie die Spliefse, das spannende Querholz unter
den Spitzen des Bootes, und es ist wohl nicht ohne Bedeutung,
dafs sowohl dieses Querholz im Boote wie der Querbalken in
der Kirche in den alten norwegischen Berichten denselben
Namen „biti“ — „biten“ tragen.
*)Wenn Nicolaysen glaubt, dafs die ästhetische Form, die Vorliebe für den
Rundbogen, der Ursprung der konstruktiven Form sei, so mufs ich daran erinnern,
dafs einer solchen Entwicklung, wenn sie auch möglicherweise als Ausnahme das
eine oder andere Mal vorkommen kann (zu beweisen ist das wohl nicht), von fast
allen analogen Fällen widersprochen wird, indem die ästhetische Form als Regel
in der Architektur aus der Konstruktion herzuleiten ist, nicht umgekehrt.
Das Dach der Kirche scheint somit eine dem neuen Ge-
brauche gemäfs modificirte Böotkonstruktion zu sein; wenn
man so will und bildlich genommen ein ungestürztes Boot,
das über die Kirche gelegt ist und die aus der umgekehrten
Stellung fliefsenden Änderungen empfangen hat.
Da aber dieselbe von der Konstruktion des Bootes herüber-
genommene rundbogige Kniekonstruktion sichtlich aus rein kon-
struktiven Gründen — obwohl Nicolaysen auch hier ästhetisch
die Liebe zu der Rundbogenform als Grund annimmt, — auch
an anderen Stellen der Dachkonstruktion, nämlich in der gegen-
seitigen Absteifung der einzelnen Dachstühle sich wiederholt,
scheinen somit fast alle die wichtigsten Glieder der Konstruktion
des Daches an die Schiffskonstruktion lebhaft zu erinnern.
Was hier stattgefunden hat, ist demgemäfs folgendes: Die
leichten angelsâchèischen Dachkonstruktionen scheinen in dem
stürmischen, schneereichen Norwegen nicht praktisch gewesen
zu sein; hier mufste man sich selbst helfen, und diese Hilfe,
woher sollten die seefahrenden Nordländer sie lieber oder natür-
licher holen als von ihrem eigenen alten Revier, vom Meere;
von den starken und seit Jahrhunderten geprüften Konstruktionen
des Schiffbaus, von denen sie wulsten, dafs was gegen die
Macht der empörten Wellen stand hielt, wohl auch den Stürmen
und dem Schnee Widerstand leisten würde.
Thatsächlich findet man noch heutigen Tages im Amt
Nordland Hütten, deren Dach ganz direkt und in der That
dadurch gebildet ist, dafs das aufser Gebrauch gestellte „Fem-
börings-Boot“ umgekehrt über die Wände des Hauses gelegt
ist, um als Dach zu dienen, indem die Vorder- und Hinter-
steven abgeschnitten und zu Giebeln umgeformt sind. Diese
Hütten besitzen dann ein Dach, das in seinem Konstruktions-
prinzip völlig dem Sparrendach der Stabkirche entspricht.
Natürlich beabsichtige ich nicht zu behaupten, dafs etwas
dem Entsprechendes die Dachkonstruktion der Stabkirchen
sollte veranlafst haben, aber ich möchte andeuten, dafs
unsere Väter, durch die Umstände gezwungen, vielleicht ur-
sprünglich für ihre Dachkonstruktionen der Häuser in der Vi-
kingerzeit, und gewifs später in den Stabkirchen eine, ihnen
von ihrer Wirksamkeit auf der See als zuverläfsig und praktisch
bekannte und erprobte Schiffskonstruktion angewandt haben.
Diese Konstruktion kommt in unseren Stabkirchen so früh
vollständig entwickelt vor, dafs sie wenigstens gleichzeitig mit
den ältesten uns bekannten normannischen Sprengwerken
fertig dagestanden haben mufs. In der Vikingerzeit für den
Schiffsbau angewandt, kann sie wohl wirklich, wenn das auch
eine Ausnahme ist, einmal die Mutterform des normannischen
und des späteren anglonormannischen Sprengwerkes sein, da
sie weit natürlicher bei einem seefahrenden Volke, wie dem der
Norweger in der Vikingerzeit entstanden gedacht werden kann,
als bei den Angelsachsen, die schon eine leichtere Dachform
besafsen und keine so schwerfällige brauchten, oder in der
Normandie, wo die Seefahrt in den ersten Zeiten nach der Er-
oberung des Landes nicht mehr die Hauptbeschäftigung des
Volkes zu sein.
Diese Auffassung finde ich durch drei Schriftsteller, von
denen jeder in seiner Art als Autorität gelten darf, bestätigt:
die zwei durch ihre weltberühmten Namen, der dritte durch
besondere Kenntnifs der Geschichte des nordischen Privat-
baus: Gottfried Semper, Viollet-le-Duc und Valtyr Gudmundsson.
Semper meint, dafs das Sprengwerk der Normannen dem
skandinavischen Norden, nicht aber der Normandie seinen Ur-
sprung verdankt. Nicolaysen will dies nicht anerkennen, weil
Semper auf anderen Punkten in seinen Behauptungen von der
Priorität des Nordens, was verschiedene andere Bauformen be-
trifft, unbedingt zu weit sich verstiegen hat; dies beweist aber
doch nicht, dafs er auch in diesem Punkte sich geirrt habe.
Viollet-le-Duc deutet dasselbe an, indem er (Dictionnaire VII, 38)
die daselbst besprochenen normannischen Konstruktionen „de