ForsideBøgerDie Holzbaukunst Norwegen…gangenheit Und Gegenwart

Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart

Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe

År: 1893

Forlag: Schuster & Bufleb

Sted: Berlin

Sider: 205

UDK: st.f. 72(481) die

Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen

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Side af 212 Forrige Næste
37 Stabkirchenbau in Norwegen in Flufs gekommen war, sich voll- zogen hat. Endlich ist es selbstverständlich, dafs die in der Ornamentik verarbeiteten figürlichen Darstellungen der Völsunga- saga in der norrönen Form derselben, in Norwegen und zwar wohl unter norwegischen Händen, an ähnliche ältere, vielleicht sogar heidnische Motive sich anlehnend, entstanden sind. Die einzige Schwierigkeit, die meiner Anschauung nach dem norwegischen Ursprung der Dachkonstruktion und der Knie verbindungen der Stabkirchen sich entgegenstellen zu können scheint, ist die, dafs das frühe Auftreten jener Formen in den norwegischen Kirchen, sowie das Vorkommen ähnlicher Formen in der Normandie, wohin sie somit schon um das Jahr 900 gebracht sein müssen, mit Nothwendigkeit eine so lange Entwickelungs- zeit voraussetzt, dafs die genannte Konstruktion in ihren ältesten Formen älter als die Periode sein mufs, in der man überhaupt in Norwegen Kirchen hatte oder brauchte, somit in die heid- nische, in die Vikingerzeit verlegt werden mufs, in welcher der Schiffsbau einen bedeutenden Theil der Bauthätigkeit der Nor- weger ausmachte. Dieser Widerspruch ist aber nur scheinbar und läfst sich ohne Schwierigkeit durch die vielfach begrün- dete Annahme lösen, dafs jenes Dachmotiv mit den Kniever- bindungen zusammen vom Schiffsbau auf den Privatbau, den Häuserbau, schon in der Zeit des Heidenthums überführt worden ist, und vom Privatbau oder Tempelbau nach der Bekehrung Nor- wegens zum Christenthum auf die Kirchen übertragen wurde. Ob nun nicht vielleicht auch die heidnischen Tempel der Norweger, die ebenfalls Holzbauten waren, aus Stabwerk ge- wesen, und ob nicht vielleicht dieselben möglicher Weise selbst von den angelsächsischen Kirchen, welche die Vikinger auf ihren Zügen kennen lernten, beeinflufst waren, ob möglicher- weise die Stabkonstruktion bereits in diesen Tempeln („Hov“) zu einer Höhe entwickelt war, die es den norwegischen Christen erlaubte, der angelsächsischen Kirche jene specifisch norwe- gischen Zugaben nach dem Muster der heidnischen Tempel hinzuzufügen — das alles sind Fragen, die uns hier nicht zu beschäftigen brauchen. Jene Ansicht, die von mir zuerst aus- gesprochen, von Nicolaysen bestimmt verneint wird, dennocli aber auch Anhänger gefunden hat, ist noch sub judice, und ich will in einem für gröfsere und fremde Kreise bestimmten Buche nicht eine Anschauung einseitig den Lesern aufzwingen, die erst dann, wenn sie unbedingt zu meinen Gunsten beantwortet ist, wirkliche Bedeutung für die Frage vom Ursprung der Stabkirchen erhält. Wir haben hier schon zu viel der nothwendigen, nicht zu umgehenden Hypothesen zu vertheidigen, um uns mit dieser, jedenfalls auf dem jetzigen Stand der Forschung unnöthigen Frage beschäftigen zu können. Ausdrücklich mufs ich aber am Schlufs dieser Entwicklung bemerken, dafs ich es immer und in allen Stadien des Streites behauptet habe, dafs wenn auch die Dachkonstruktion und die Knieverbindungen sei es von den heidnischen Tempelbauten, sei es vom Privatbau herzuleiten sind, dies nicht im Geringsten die Giltigkeit jener unwiderleglichen Behauptung berührt, dafs die Norweger die Stabkirchen bei der Einführung des Christen- thums von den Angelsachsen empfangen haben. Etwas an- deres habe ich nie behauptet und werde ich wohl nie be- haupten. Überblicken wir aber das gesammte unserer Zeit bekannte Gebiet der kirchlichen Holzbaukunst des Mittelalters (und auch das der neueren Zeit), so zeigt sich, — ich glaube dies ohne nationalen Dünkels geziehen zu werden aussprechen zu dürfen — dafs jene Kunstübung nie und nirgends auf die Höhe der norwegischen Stabkirchen sich erhoben hat. Versuchen wir es deshalb in gröfster Kürze darzulegen, worin die ästhe- tischen Vorzüge dieser Kirchen bestehen. Während der Stein seine struktive Eigenthümlichkeit in der kräftigen Festigkeit und in der Empfänglichkeit für Be- arbeitung durch Hammer und Meifsel besitzt, findet das Holz die- selbe in der Zähigkeit nebst der Empfänglichkeit für Bearbeitung durch Axt und Messer. Die Eigenthümlichkeiten des Holzes in den Holzkirchen zur Geltung zu bringen, ist aber nirgends gelungen, wo man nur die Kultusforderungen und deren Aus- druck in den Steinbauten, nicht aber zugleich auch die eigenthüm- lichen Eigenschaften des Holzmaterials vor Augen gehabt hat, oder umgekehrt sich durch die todte Zähigkeit des Materials hat verkümmern lassen. Denn eben die Zähigkeit schreibt der ästhetischen Wirkung der Holzgebäude enge Grenzen vor, so- bald gröfsere Massen zusammenwirken sollen; darum eignet sich der Stein im Allgemeinen für monumentale Bauten weit besser als das Holz. Der Natur des Holzes gemäfs will der Holz- bau sich in horizontaler Richtung entwickeln, indem Balken auf Balken gelegt wird. Der Blockverband kann zwar vielfach ge- staltet werden, mufs aber, immer vom Horizontalen ausgehend, besonders bei Kirchenbauten, die ja doch den Bliclc nach oben tragen sollen, etwas erdengebundenes an sich haben; er mufs seine Schönheit in Stärke und Solidität suchen, worin die Block- hauskirchen aber eben von den Steinkirchen natürlich weit übertroffen werden. Die Zähigkeit des Holzes in den Block- hauskirchen bleibt eine todte Zähigkeit, es kommt ästhetisch nichts Lebendiges zur Geltung. Selbst in Ungarn und Böhmen, wo sich die Blockhauskirchen auf die höchste Stufe erheben, werden sie doch selbst den Fachwerkkirchen gegenüber zurück- stehen müssen, die in den Händen tüchtiger Baumeister sich in ganz anderer Weise leicht und luftig erbeben können z. B. Maria unter den Linden in Braunau. Doch können auch die Fachwerkkirchen nicht die Aufgabe lösen, in Holz mit der Steinkirche zu wetteifern: Während der Stein in den Bögen und Pfeilern, Mauern und Thürmen sich selbst bindet, fordert der Fachwerkbau die vielen Querbinder und Schrägbalken, um das Gebäude abzubinden, die horizontalen und vertikalen Elemente halten sich ohnediefs so im Gleich- gewicht, dafs es zu keinem rechten Ausdruck des frei Empor- steigenden kommt, auch nicht da, wo die senkrechten Bohlen die wagerechten ablösen. Die schönste Lösung liegt unleug- bar in „Maria unter den Linden“ in Braunau vor. Den Ein- druck der Originalität macht sie jedoch nicht. Anders die Stabkirchen. Sie verzichten auf die unlös- bare Aufgabe, das Holz den Kultusforderungen zu Liebe mit dem Steine wetteifern zu lassen, indem sie den Ansprüchen des Kultus zwar pietätvoll nachkommen, ihnen aber doch nur den zweiten Platz einräumen, während sie den künstlerischen Stil- forderungen die erste Rolle einräumen. Sie schliefsen sich ver- ständnifsvoll den Formen der Steinbauten an, lauschen ihnen alles ab, was für den Holzbau verwendet werden kann, geben aber gleichzeitig keinen Zoll dessen auf, was die Eigenthüm- lichkeit des Holzes beansprucht, suchen vielmehr dieselbe wo- möglich kräftig zu Tage zu fördern und gewinnen dadurch in ganz überraschender Weise einen höchst originellen Ausdruck für die höchste Eigenschaft des Holzes: für die Zähig- keit. Wenn wir schon vorher ausgesprochen haben, dafs die Stabkirche eine geniale Übersetzung der romanischen Ba- silica aus Stein in Holz ist, so ist damit auch gesagt, dafs das Holz in diesen Kirchen in der Weise zum Ausdruck des inneren Wesens des Kirchenbaus geworden ist, dafs es eine Sprache redet, die sowohl mit den im steinernen Original gegebenen Gedanken, als mit der dem Holzmaterial eigenthümlichen Natur vollständig übereinstimmt. Der Übersetzer mufs zwei Sprachen verstehen, die des Originals und die der Übertragung. Die Stabkirche erfüllt diese doppelte Forderung in glänzender Weise. Das Holz hat von seiner Natur nichts opfern müssen, so wenig wie der mit den Steinkirchen verbundene Kultus irgend eine seiner Forderungen hat aufgeben müssen; jedes 10