ForsideBøgerDie Holzbaukunst Norwegen…gangenheit Und Gegenwart

Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart

Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe

År: 1893

Forlag: Schuster & Bufleb

Sted: Berlin

Sider: 205

UDK: st.f. 72(481) die

Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen

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Side af 212 Forrige Næste
38 ist für sich in der Stabkirche vollständig in seine Rechte ein- getreten. Und warum? Weil diese originale Bauform es verstanden hat, die todte Zähigkeit des Holzes zu benutzen, um dieselbe von innen heraus in allen Formen und Richtungen in eine lebendige Elastizität zu verwandeln. Das ganze System bindet sich selbst, wie im Steinbau, aber in ganz anderer Weise, mittelst Ein- spunden, Einzapfen, Knieverbindung und Rahmenwerk. Und in dem ausgeprägten Vertikalismus des ganzen Systems, der nicht nur in den vertikalen Bohlen, sondern in der ganzen An- lage hervortritt, kündigt sich ein Streben nach der Höhe an, das in keinem zweiten romanischen Kunstwerk einen so eigen- thümlichen Ausdruck gefunden hat, wie in diesen empor- steigenden Wänden, Giebeln und Dächern, die von Dachreitern und Drachenköpfen gekrönt sind. Bald in Rundstämme, bald in viereckige Balken hat die Axt die tragenden Glieder geformt; und das kunstfertige Messer des norwegischen Bauern hat in den Kirchenportalen, Säulenkapitälen und Halbsäulen einen Reichthum der Phantasie hervorgebracht, wie er in keiner einzigen Gruppe der übrigen Holzkirchen auch nur an- näherungsweise sich findet, und wie er nur von der in der Konstruktion derselben Bauten liegenden Phantasie über- troffen wird. Und zwar ist dieser bedeutende ästhetische Eindruck durch die im Verhältnifs zu dem Ergebnifs ein- fachsten und geringsten Mittel gewonnen: In dieser Konstruktion ist nichts Überflüssiges, es fehlt aber auch nichts, was nothwendig wäre. Hier ist Freiheit in der Noth- wendigkeit, strenge Gesetzmäfsigkeit in der Freiheit: Das höchste Gesetz der Architektur ist somit in diesen Kirchen in naiver und primitiver Weise zur Geltung gekommen, eine Naivität, die eben den höchsten Reiz dieser Kirchen ausmacht. Und diese treuherzige Festigkeit der Konstruktion, die sie fast alle gleich- zeitigen Holzkirchen hat überleben lassen, haben sie von einer nationalen Seite der Baukunst> vom Schiffsbau empfangen, wie die Vikingerzeit ihn ausübte. Dadurch gewinnen die Stab- kirchen die starke, kecke und trotzige, wenn auch bizarre Physiognomie, die mit der Physiognomie des norwegischen Volkes in der Zeit der Saga so grofse Ähnlichkeit hat: Die völlige Selbstzulänglichkeit, die geschmeidige Stärke, die elas- tische Zähigkeit, die Kargheit des Ausdrucks, die nur an den nothwendigen Punkten ins Äufsere hervorblüht, wie die Or- namente im Gebäude, alle diese Eigenschaften sind dem Volke und seinen Kirchen gemeinsam, und daraus glaube ich schliefsen zu dürfen, dafs auch viele ästhetische Elemente dieser Kirchen in Norwegen selbst entstanden, nicht nur den Angelsachsen entlehnt sind. So machen die Stabkirchen, wenn wir sie aus dem Verfall der Jetztzeit auf ihre ursprüngliche Schönheit zurückführen, den Eindruck einer von statischen Gesetzen gebundenen Freiheit, eines inneren organischen Lebens, die ein echtes Kunstwerk immer machen mufs: Klar und mit innerer Nothwendigkeit hat es sich vom Kern bis in die Giebelspitzen entwickelt. Einen höheren Standpunkt schien die romanische Holzkirche nicht mit voller Bewahrung der struktiven Eigen- thümlichkeit des Holzes und noch weniger ohne dieselbe er- reichen zu können, und einen höheren wird sie wohl auch thatsächlich nirgends erreicht haben.