Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
Søgning i bogen
Den bedste måde at søge i bogen er ved at downloade PDF'en og søge i den.
Derved får du fremhævet ordene visuelt direkte på billedet af siden.
Digitaliseret bog
Bogens tekst er maskinlæst, så der kan være en del fejl og mangler.
50
in der Zeit, als Dahl die Zeichnungen für seine „Denkmale“
anfertigen liefs (in den 1830 er Jahren), waren diese 9 Zoll
über der Thür, um die Verhauungen zu verbergen, mit einem
rohen Brette bedeckt; das deutet wohl auch an, dafs die
Senkung der Thür um 9 Zoll „in einer ziemlich neuen Zeit“
unternommen ist. Die übrigen Theile der Wand zeigen
aber keine Spur einer ähnlichen Senkung oder Ver-
kürzung, was doch der Fall hätte sein müssen, wenn die
ganze Wand einem und demselben älteren Gebäude entnommen
und 'in das jetzige Gebäude eingepafst wäre. Nur die Orna-
mente der Thür, nicht aber die Ornamente der Wandbohlen
und der Ecksäule (Abbild. 40 und 41) zeigen abgeschnittene
Theile: die letzteren zeigen im Gegentheil ihren ganzen, orga-
nischen Bau mit Anfang und Ende oben und unten. Die hier
sichtbare, unbedeutende obere Flachbehauung hat sicher nur
stattgefunden, um das obere Ende der Planke in die „Stavlägje“
einzupassen. Was wir vor unsern Augen sehen, stimmt genau
zu der angenommenen Senkung der Thür, die in späterer Zeit
an den unteren Theilen zu modern anfing, dagegen nicht zu
einer Versetzung der ganzen Wand, die mit ihren Ornamenten
dem Gebäude angepafst ist.
Noch ein anderer Umstand aber scheint es klar zu stellen,
dafs die Ornamentik der Nordwand dem Bau ursprünglich ange-
hört: der oben genannte Umstand nämlich, dafs die im West-
giebel neuerdings gefundenen Ornamente (Abbild. 42)
ganz derselben Art wie die der Nordseite sind; und
man wird doch wohl nicht ernstlich behaupten, dafs auch der
Giebel der Kirche aus einem älteren Gebäude hierher versetzt
sei? Nicolaysen hat auch selbst erklärt, dafs er die Giebel-
ornamentik als dem Gebäude ursprünglich angehörend ansieht.
Die ganze Annahme von der Versetzung der Nordwand
mufs somit verworfen werden; gewifs beruhte diese Annahme
auf dem Glauben, dafs die Ornamente im Inneren und die Or-
namente der Nordseite zwei verschiedenen Zeitaltern an-
gehörten und nur durch die Annahme von zwei verschiedenen
Zeiten angehörenden Gebäuden eine Erklärung erhalten könnte.
Das hier beobachtete Phänomen zeugt aber thatsächlich nur da-
von, dafs zwei verschiedene Richtungen oder Stilarten
hier nebeneinander gleichzeitig gearbeitet haben;
die romanischen Motive sind ja schon im 11. Jahrhundert voll-
ständig entwickelt, und die irisch nordischen verschwinden in
Norwegen erst um und nach 1100. Es ist eine in kulturhistori-
scher Beziehung sehr interessante Erscheinung: an der Aufsen-
seite des Gebäudes arbeitet noch die alte, aus der heidnischen
Zeit vererbte irische Ornamentik, im Inneren schaffen Künstler,
die von den neuen Steinkirchen des Aus- und Inlandes die
Motive und die elegante Technik des romanischen Stils mit-
bringen, Motive, die bald mit der nationalen, die Verschlin-
gungen liebenden Ornamentik in Verbindung getreten, jene
spätere, typische Stabkirchenornamentik der Drachenschlingen
bilden.
Nach meiner Meinung ist also die Kirche zu Urnes in
einem Gufs auf romanischer Basis entstanden, aber von ver-
schiedenen Händen, die jedoch ihre Arbeit nicht vollendet
haben, geschmückt. Die Arbeiten sind weder im Laufgange noch
an der Nordwand vollendet. Ist es nun der Fall, dafs alle
Theile der Kirche ursprünglich dem Gebäude angehörten, so
darf dieses nicht viel jünger als um das Jahr 1100 angesetzt
werden, kann aber andererseits sehr wohl dem letzten Viertel
des 11. Jahrhunderts, der Zeit Olaf Kyrres, entstammen.
Die Kirche, in den Jahrhunderten nach der Reformation
sehr verstümmelt, wurde 1850 für 20 Species oder etwa
90 Reichsmark verkauft(!). Jetzt ist sie vom „Verein zur Er-
haltung der norwegischen Denkmale des Alterthums“ erworben
und, soweit es möglich war, auf die alte Form zurückgeführt.
Die Abmessungen der Kirche sind im Schiff 28 rheinl. Fufs
X 2i^ vorderer Chor: 11' X 14'; Unterer Chor 9' X 12'; der
Laufgang der Vorderseite ist 3' breit. Die Gesammtlänge der
Kirche beträgt 51'; das Mittelschiff ist 15', die Seitenschiffe
3)4' breit. Die innere Höhe des Schiffes steigt bis zu 34',
davon kommen auf die Wandhöhe 22^'. Der vordere Chor
ist 28' bei 22'4' Wandhöhe, der hintere Chor 15^' hoch, die
Wandhöhe beträgt hier 10'.
Ornamente desselben irischen Stils, wie wir sie in der
Kirche zu Urnes finden, die also Kirchen dieser ältesten Periode
angehören müssen, sind als Reste der älteren Kirche zu
Torpe (Hallingdal), der älteren Kirche zu Hopperstad
(Sogn) (Abbild. 43) und einer im 18. Jahrhundert abge-
brochenen Kirche zu Bjölstad (Gudbrandsdal) (Abbild. 44)
gefunden worden. Sie zeigen alle dieselbe Abwechslung
breiterer Bänder und schmaler Drähte, weniger Thierformen,
keine Pflanzenformen. Die Kirchen in Torpe und Hopper-
a.
Abbild. 44.
stad müssen schon im 12. Jahrhundert oder um das Jahr 1200
abgebrochen worden sein, da die neueren Stabkirchen an diesen
Orten keinesfalls viel jünger als das letztgenannte Jahr sind.
Sie gehörten wahrscheinlich der ersten, nach der Bekehrung des
Landes aufgeführten Reihe von Kirchen an, die schon früh
mit neuen, gröfseren und reicher ausgestatteten vertauscht
werden mufsten.
B. Die Übergangsgruppe.
Unter den Kirchen, die den Übergang zu der nächsten
Periode zu bilden scheinen, mufs zuerst die Kirche des heil.
Petrus zu Vaage, (Probstei Nordre Gudbrandsdal, Stift
Hamar), genannt werden. Wenn wir, das Alter der Kirche zu
Urnes mit dem Jahre 1100 bezeichnend, die Frage beantworten
sollen, welche unserer vollständig oder theilweise erhaltenen
Stabkirchen dieser Kirche in Bezug auf Alter am nächsten
kommt, so müssen wir durch eine andere Frage die Kette
schliefsen: Sind eine oder mehrere der Eigenthümlichkeiten,
welche die Kirche von Urnes von den späteren Kirchen unter-
scheiden, ausnahmsweise in irgend einer der letzteren be-
obachtet? Die Antwort lautet: Solche Eigenthümlichkeiten
finden sich in der Ornamentik der Kirche zu Vaage.
Zum erstenmale 1270 urkundlich genannt, ist die Kirche
sicher viel älter. Im 17. Jahrhundert mufs sie fast völlig ab-
gebrochen worden sein, als sie zu einer Kreuzkirche erweitert
wurde; die alten Wände wurden aber teilweise in der neuen
Kirche wieder aufgerichtet, so z. B. die Westwand mit den
merkwürdigen Ornamenten, die nördliche Wand des Schiffes
und eine Wand im nördlichen Kreuzarm — vielleicht ursprüng-