Die Holzbaukunst Norwegens
In Vergangenheit Und Gegenwart
Forfatter: L. Dietrichson, H. Munthe
År: 1893
Forlag: Schuster & Bufleb
Sted: Berlin
Sider: 205
UDK: st.f. 72(481) die
Mit Einer Übersichtskarte Und 31 Tafeln Nach Alten Denkmälern Und Nach Ausführungen Von H. E. Schirmer, G. Bull, Thrap-Meyer, B. Lange, V. Hannosen. Und H. Munlhe, Sowie Über 220 Textabbildungen
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Kirche über das Königthum, das besonders während der
20 jährigen Regierungszeit des Königs Magnus Erlingssön
(1164—1184) in zahlreichen steinernen Kirchenbauten zum
künstlerischen Ausdruck kommt. Und selbst die Vertreibung
des gewaltigen Erzbischofs durch König Sverre und sein drei-
jähriges Exil kann nicht die Entwickelung hemmen, die noch
über Sverres 1202 eingetretenen Tod hinaus fortdauert und sich
bis weit über die Mitte des neuen Jahrhunderts durch die
blühende Regierungszeit Haakons IV (1217—1263) erstreckt
Schon das erste halbe Jahrhundert zwischen der Errich-
tung des Erzbisthums und dem Tode Sverres bringt Werke in
Stein wie die Domkirche zu Hamar und die romanischen Theile
der erweiterten Domkirche zu Drontheim hervor; und ehe die
hundert Jahre verlaufen sind, erhebt sich das prachtvolle go-
thische Westschiff der letztgenannten Kirche, sowie eine Reihe
Klosterkirchen bei Tautra und Rein, in Nidaros, Björgvin
und Oslo.
Es ist also natürlich, dafs in dem holzbauenden Lande auch
der Stabkirchenbau in diesem Säkulum, in dessen Anfang sich
die spätere, typische Form der Kirchen sowohl in der Kon-
struktion als in der Ornamentik zu befestigen scheint, und bei
dessen Schlüsse der Steinbau die Hauptrolle übernimmt, seine
eigentliche Blütheperiode hat.
Namentlich wäre es förmlich überraschend, wie viele
der bis auf unsere Zeit erhaltenen Stabkirchen teils durch
äufsere teils durch innere Kriterien sich in diese Periode ein-
ordnen, wenn nicht mehrere Umstände diese Eigenthümlichkeit
hinreichend erklärten. Einerseits mufs daran erinnert werden,
dafs eben in dieser Periode die Macht und das Bauvermögen
der Kirche am allergröfsten war; andererseits, dafs man eben
gleichzeitig eine Dauerhaftigkeit der Konstruktion erreichte,
die in dem bestimmtesten Gegensatz zu dem Umstande steht,
der uns z. B. von einem monumentalen Bauwerk der eben be-
endigten Periode erzählt wird und zwar dafs die grofse Königs-
halle des Königs Eystein Magnussön (ungef. 1110) schon nach 70
Jahren ganz baufällig war. Während wir von den Kirchen, die
wir der vorigen Periode zuerkennen, bis in unsere Zeit nur zwei
erhalten sahen (Urnes und Garmo) und jetzt nur eine besitzen,
scheinen beinahe 30 jener Kirchen, die als in der jetzt anbrechen-
den Periode errichtet bekannt sind, noch am Anfange des 19.
Jahrhunderts erhalten gewesen zu sein, und von diesen stehen
jetzt noch 15 mehr oder weniger wohl erhalten. Der wesentlichste
Grund aber zur Errichtung so vieler monumentaler Kirchen in
dieser Periode ist doch gewifs in dem Umstande zu suchen, dafs
die erste Reihe von Kirchen, die gleich nach der Bekehrung des
Landes aufgeführt wurden, gröfstenteils eilig zusammengesetzte
Bauten waren, die bald verfielen und jetzt in den ruhigeren
Perioden unter Magnus Erlingssön und Haakon IV. von neuen,
sorgfältig errichteten Kirchen abgelöst wurden. Deutlich genug
wird dies Verhältnifs für die Kirchen zu Torpe und Hopperstad
durch die Funde der Ornamenttheile der älteren Kirchen an
diesen Orten dargelegt.
Während keine scharfe Grenze zwischen den Kirchen der
letzten Hälfte des 12. und denen der ersten Hälfte des 13. Jahr-
hunderts gezogen werden kann, zeichnet unsere Periode sich
dagegen scharf sowohl gegen das frühere wie gegen das fol-
gende Zeitalter ab.
Können wir aber auch nicht deutlich die Kirchen aus den
Jahren 1150—1200 von denen der Jahre 1200—1250 unter-
scheiden, so treten doch gewisse Verschiedenheiten hervor,
die eine ältere und eine jüngere Gruppe innerhalb unserer Pe-
riode zu bezeichnen scheinen, wenn wir es auch nicht wagen,
darauf eine feinere chronologische Vertheilung zu basieren.
So scheint es möglich, dafs entweder im Anfang dieser
oder am Schlüsse der vorigen Periode ein bestimmtes Kon-
struktionsmotiv entwickelt sein kann: die gegen das Mittel-
schiff anstrebenden Triforienkreuze mit Zangen und Unterbögen;
es dürfte somit nicht allzu ungereimt sein, die Kirchen, welche
in Übereinstimmung mit Urnes diesen Theil noch nicht be-
sitzen, also die Kirchen von Aardal, Fortun, Hafslo und Kau-
panger, als der ersten Hälfte der Periode angehörend anzu-
sehen, was für die Kirche von Aardal auch aus anderen Gründen
feststeht. Doch dürfen wir nicht vergessen, dafs die schon
um 1150 errichtete Kirche zu Borgund gleichzeitig das ent-
wickelte Triforium besitzt. Denn auch diese Kirche sowie
die Kirchen von Stedje und Atraa gehören, auch äufseren
Kriterien zufolge, ganz bestimmt dem 12. Jahrhundert an.
Nesland (zum Jahre 1242 fest datiert), Vang und Hedal, die
Kleeblattbögen besitzen, sowie die Kirche zu Hitterdal mit
ihren ornamentalen Übergangsformen, gehören gewifs der
letzten Hälfte der Periode, nach 1200 an. Davon Näheres bei
den einzelnen Kirchen. Dagegen findet sich in keiner einzigen
dieser Kirchen ein Spitzbogen: derselbe scheint in die Stab-
kirchen erst dann einzutreten, als er in den Steinkirchen schon
völlig eingebürgert war, d. h. um 1250.
Die Ornamentile zeigt noch am deutlichsten den Unter-
schied zwischen der vorigen und .der jetzt zu beschreibenden
Periode. Die irischen Motive verschwinden fast vollständig;
die oben geschilderte typische Ornamentik der Portale,
die Drachenverschlingungen mit gemischten animalischen
und vegetabilischen Motiven, steht schon am Anfang der
neuen Periode fast vollständig entwickelt da, auf angel-
sächsischen und anglo-normannischen Ornamentformen basirt,
die sich dem im übrigen Europa jetzt vollständig entwickelten
romanischen Stile anschliefsen, und hat alle Überreste des
Eisenalters und der Heidenzeit abgestreift, wenn wir auch den
Volksliebling Sigurd Fafnersbane, den hörnernen Siegfried, noch
in der figuralen Ornamentik wiederfinden werden. Wie ent-
wickelte sich dieser Übergang?
Wir haben deutliche Übergangsformen beobachtet: im In-
nern der Kirche zu Urnes fanden wir rein romanische Stein-
ornamente und Figuren an Lisenen und Kapitälen; hier sahen
wir sogar geflügelte Drachen und einzelne Ansätze zur Pflanzen-
ornamentik, und wir sahen dies als ein Zeugnifs der Anwesen-
heit fremder, moderner Einflüsse an, die im Gegensatz zu den
an der Aufsenseite wirksamen „nationalen“ Kräften, mit ihren
irisch-nordischen Formen schon romanisch geschult waren. Es
war dies der erste Flügelschlag des mächtigen Geistes des ro-
manischen Stils, der nun die Leitung der Formenwelt in ganz
Europa übernimmt. Einmal in die norwegische Ornamentik
eingedrungen, läfst er sich nicht mehr vertreiben: gewisse Ele-
mente des einmal ins Land gedrungenen Stils setzen sich an
den Formen des „nationalen Stils“ fest, der allmählich auch eine
Umwandlung von innen erlebt; an den irisch-nordischen Thieren
der Kirchen zu Vaage und Bödalen sahen wir rudimentäre
l’lügel wachsen, und in Vaage zugleich Akanthusblätter
zwischen den Bögen; in Bödalen treten die Pflanzenverschlin-
gungen hervor; gleichzeitig unterhält Norwegen eine lebhafte
Verbindung mit dem normannisirten England besonders in
kirchlicher Beziehung; bald werden die alten, irischen Thiere
ohne l'lügel, die Bänder und die Linienornamente verworfen
und durch die phantastischen geflügelten Drachengestalten
und Pflanzenmotive der gleichzeitigen ausländischen Kirchen
ersetzt, und indem diese sich mit der alten Vorliebe der Nord-
länder für das Schlingensystem vermählen, ist der neue Stil
der Ornamentik fertig gebildet.
Schon in der, wie wir später sehen werden, um 1150 ent-
standenen Kirche zu Borgund ist im Westportal der neue
lypus fast fertig gebildet. Eine Vergleichung mit dem etwa
30 Jahre jüngeren Portal von Stedje (Abbild.. 25) zeigt uns, dafs
der Hauptunterschied der zwei Portale nur darin zu suchen ist,
dafs das Oberstück in Borgund noch — ähnlich der Composi-
tion am Portal von Vaage — einen Kampf zwischen einer
Reihe horizontal gestellter Thiere, von welchen das rechts
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